Zur Frage der Geltung von Frachtrecht für Transport-Rahmenverträge

LG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2015 – 412 HKO 117/14

Zur Frage der Geltung von Frachtrecht für Transport-Rahmenverträge

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Transportunternehmen. Die Beklagte gehört zu den führenden deutschen Unternehmen für Transportlogistik und nahm bereits seit 2003 Transportleistungen der Klägerin in Anspruch. Mit Rahmenvertrag vom 9.9. / 10.9.2008 (Anlage K 1) vereinbarten die Parteien eine umfangreiche Zusammenarbeit, die vorsah, dass täglich teilweise bis zu 300 Fahrzeuge der Beklagten für durch die Klägerin gebuchte Transporte vorgehalten werden sollten. Die Anzahl der jeweils vorzuhaltenden Fahrzeuge war für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedlich geregelt. Die Leistung der Klägerin sollte in dem Transport von Wechselbrücken bestehen. Die Vergütung der Klägerin war in Ziffer 3 des Rahmenvertrages in Verbindung mit den Anlagen 3 bis 5 zum Rahmenvertrag geregelt. Danach setzte sich die zahlende Vergütung aus mehreren Komponenten zusammen. Dazu gehörten als Grundvergütung der „H.-Tarif“, der für den Transport von Wechselbrücken mit unterschiedlichen Sätzen für den Transport von „1 WAB“ oder „2 WAB“, (Anlage 3), eine nach der Anzahl der Entfernungskilometer bemessene Vergütung vorsah, eine Anpassungsregelung in Bezug auf veränderte Kraftstoffklauseln sowie eine nach Mautkilometer berechnete Mautvergütung. Ferner wird unter Ziffer 3. eine Verwaltungsgebühr von € 5,50 / Tour vereinbart, welche die Klägerin für die Anbindung an die zentrale Disposition der Beklagten zahlen soll (Systemgebühr). In Anlage 1 des Vertrages wurde unter anderem geregelt, dass die Klägerin pro Tour 30 km unvergütet zu leisten habe. In Anlage 4 des Vertrages wurde eine Bonus-Malus-Regelung vereinbart, nach welcher nach einem bestimmten System für Abweichungen vom zugrunde gelegten Qualitätsstandard, insbesondere der pünktlichen Auslieferung, Zu und Abschläge vereinbart wurden.

In Anlage 5 finden sich folgende „Sonstige Vergütungsregelungen“

„1. Ausfallfracht

R. ist verpflichtet, täglich bis 12.00 Uhr alle bis dahin nicht befrachteten Fahrzeuge schriftlich unter Angabe von Kennzeichen und Standort in der Disposition der H. anzumelden. Diese Anmeldung ist Voraussetzung für die Erstattung von Ausfallfracht von H. an R..

Sofern H. keine Transportaufträge für die insoweit von R. gemeldeten Fahrzeuge erteilt hat, schuldet H. eine pauschalierte Ausfallfracht an R. in Höhe von € 300,0 pro Tag.

2. Auftragsablehnung

R. ist verpflichtet alle Aufträge, die ihm durch H. erteilt werden anzunehmen, sofern das Auftragsvolumen die vereinbarte Fahrzeugkapazität nicht überschreitet. Insoweit kann R. eine Beauftragung nur ablehnen, wenn deren Durchführung nachweislich objektiv oder wirtschaftlich für den R. unmöglich ist. In allen anderen Fällen erhebt H. pro abgelehnte Tour eine Pönale in Höhe von € 1.000,-.

Die Wirtschaftlichkeit eines jeden Transportauftrag gilt als gegeben, solange für die Summe aller Transportaufträge die Produktivitätszusagen gemäß Anlage 1 eingehalten werden. Vor Rechnungslegung erfolgt eine Abstimmung zwischen den Partnern.

3. Nichtgestellung

Sofern R. nicht die vereinbarte Anzahl Fahrzeuge für die Befrachtung durch H. zur Verfügung stellt, verpflichtet sich R. zur Erstattung einer Ausfallpauschale an H. in Höhe von € 300,- pro Tag.

4. Nichtdurchführung von Aufträgen

Die unterlassene Durchführung eines Einzelauftrags nach vorheriger Transportzusage durch R. hat eine Vertragsstrafe in Höhe von € 500,00 pro nicht durchgeführten Einzelauftrag (pro WAB) zur Folge. Weitere Ersatzansprüche bleiben insoweit vorbehalten.

Unter Ziffer 3. Vergütung heißt es im Hauptteil des Vertrages:

3.3. Basis der Gutschriften sind die Leistungsübersichten, die R. vorab jeweils innerhalb von 2 Werktagen nach Leistungserbringung erhält und unverzüglich zu prüfen, ggf. zu rügen hat.

Verspätete Rügen werden nicht berücksichtigt. Davon unberührt bleiben solche Gründe, die bei der Prüfung der Leistungsübersichten nicht erkennbar waren. Diese berechtigen R., innerhalb von 14 Tagen nach Gutschrifterteilung und unter Angabe dieser Gründe erneut zur Rüge.

Ferner ist im Hauptteil des Vertrages unter Ziffer 7. „Sonstige Bestimmungen“ geregelt:

„7.1. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages, einschließlich dieser Klausel, bedürfen der Schriftform…

7.4. Jeder Partner kann lediglich mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung gegen eine Forderung des jeweils anderen Partners aufrechnen, es sei denn, in vorliegendem Vertrag ist etwas Abweichendes vereinbart. Ansonsten ist jede Aufrechnung ausgeschlossen.“

Im Jahr 2011 korrespondierten die Parteien über verschiedene streitige Punkte, unter anderem über die Frage, unter welchen Voraussetzungen durch die Beklagte „Ausfallfrachten“ zu zahlen seien, Mit Schreiben vom 11.3.2011 (Anlage K 13) wies die Beklagte die Auffassung der Klägerin zurück, dass Ausfallfrachten auch dann fällig würden, wenn die bis 12.00 gemeldeten freien Fahrzeuge der Klägerin anschließend durch die Beklagte befrachtet würden.

Nach einer krisenhaften Zuspitzung der Meinungsverschiedenheiten, in deren Verlauf die Klägerin ihre Transporte für die Beklagte einstellte und die fristlose Kündigung des Vertrages erklärte, diese jedoch auf Drängen der Beklagten wieder zurücknahm, verhandelten die Parteien über eine Änderung der Vergütungsregelung. Die Arbeitseinstellung der Klägerin hatten die Parteien dadurch beigelegt, dass die Beklagte der Klägerin zwei Millionen Euro zuwenden würde, und zwar € 950.000,00 als pauschale Mehrvergütung für geleistete Transporte, den Rest über eine Mehrvergütung, die für einen befristeten Zeitraum vom 1.6. bis 31.12.2011 zu zahlen sei. Mit Schreiben vom 19.5.2011 (Anlage zum Protokoll vom 1.6.2015, Blatt 161 der Akten), das von der Klägerin gegengezeichnet wurde, führte die Beklagte Einzelheiten der dazu getroffenen Vereinbarung aus. In dieser Vereinbarung verzichteten Parteien auf „jedwede weitergehende Forderung zur bisherigen Zusammenarbeit“ (Ziffer. 1 Abs. 2), was insbesondere Forderungen der Klägerin auf Ausfallfracht aber auch Gegenforderungen der Beklagten aufgrund der Leistungsverweigerung der Klägerin betreffen sollte. Die Parteien hielten die Absicht fest, die Zusammenarbeit mit angepassten Konditionen fortzuführen, wozu sie bis zum 30.6.2011 eine schriftliche Vereinbarung treffen wollten, und verständigten sich darauf, die Zusammenarbeit bis dahin zu den ursprünglichen Bedingungen des Frachtvertrages fortzusetzen.

Der Gesellschafter und kaufmännische Leiter der Klägerin, der Zeuge M. D., fertigte über diese Vereinbarung zudem ein Gedächtnisprotokoll (Anlage K 12), welches die Beklagte laut ihrem Schreiben vom 1.8.2011 (Anlage zum Protokoll vom 1.6.2015, Blatt 157 der Akten) am 27.7.2011 erhielt und in dem sie das Gedächtnisprotokoll dahingehend korrigierte, dass die Parteien eine grundsätzlich veränderte Systematik der Tourenauslastung besprochen hätten, die im Ergebnis dem Differenzbetrag zwischen € 950.000,00 und € 2.000.000,00 entspräche. Es sei beabsichtigt, einen neuen Systempartnervertrag zeitnah zum Abschluss zu bringen.

In ihren Abrechnungen nach dem 16.5.2011 erhöhte die Beklagte die Grundvergütung, reduzierte die Diesel- und Mautzuschläge und leistete ein Einmalzahlung. Ferner verständigten sich die Parteien auf eine Reduzierung der Fahrzeugflotte. In der Folgezeit, auch nach dem 31.12..2011, blieb die Beklagte bei der erhöhten Frachtzahlung und der Reduktion der Maut- und Dieselzuschläge. Auch wurde durch die Beklagte keine Systemgebühr mehr berechnet. Ihren bestrittenen Behauptungen nach senkte die Beklagte ab dem 1.1.2012 auch die Zahl der unvergüteten Kilometer pro Tour von 30 auf 18 und rechnete 93,6% der Transporte zum höheren Zwei-Wechsel-Brücken-Tarif ab, obwohl die Voraussetzungen dafür nur bei 88,51% der Touren vorgelegen hätten Zum Abschluss eines neuen schriftlichen Vertrages kam es indessen nicht.

Unstreitig ab 2013 (Beispiel Anlage K 15), nach der Behauptung der Klägerin aber auch bereits im Jahr 2012 (Beispiele Anlage K 18), übersandte die Klägerin auf die ihr erteilten Gutschriften Widerspruchsschreiben mit folgendem Text:

gegen die oben ausgeführten Gutschrift (! sic) legen wir hiermit Widerspruch ein.Die Leistung, die anlässlich vorgenannter Gutschrift zur Abrechnung gelangte, basiert nicht auf den Vertragsgrundlagen des Rahmenvertrages vom 10.09.2008/09.09.2008Wir werden Ihnen in zeitlicher Nähe eine Rechnung mit der exakten Abrechnung zukommen lassen.“

Mit E-Mail vom Samstag, 15. Februar 2014 (Anlage K 5) erhob die Klägerin Nachforderungen für die nicht vertragsgemäße Zahlung der Maut- und Dieselzuschläge und für nicht gezahlte Ausfallfrachten in Höhe mehrerer Millionen Euro. Diese Forderungen wies die Beklagte mit Schreiben vom 20.2.2014 zurück (Anlage K 6). Darin heißt es:

„Pauschale Forderungen der jetzt gestellten Art müssen wir …ebenso pauschal zurück weisen.Ohne weitere Präzisierung sehen wir Stand heute keinerlei Basis für eine Nachforderung.“

Die Klägerin erhob ihre behaupteten Ansprüche daraufhin erneut durch das Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 1.4.2014 (Anlage K 7), ohne dass die Beklagte daraufhin Zahlungen leistete.

Im Frühjahr 2013 verständigten sich die Parteien darauf, ihre Zusammenarbeit auslaufen zu lassen. Dies führte dazu, dass die durch die Klägerin übernommenen Touren bis August 2013 immer weiter reduziert wurden und die Zusammenarbeit ab September 2013 faktisch beendet wurde.

Die Klägerin behauptet, die Gutschriften und Zahlungen der Beklagten entsprächen nicht den vertraglichen Vereinbarungen und blieben hinter den ihr geschuldeten Beträgen zurück.

Die Klägerin verlangt mit ihrer am 29.8.2014 eingereichten Klage die Nachzahlung der ihr nach ihrer Auffassung vorenthaltenen Beträge für die Jahre 2012 und 2013. Die Beklagte habe pro Mautkilometer 0,012 € und für Kraftstoff 0,04 € pro Kilometer zu wenig gutgeschrieben. Die entsprechenden Minderbeträge ergäben sich aus der Zusammenstellung in der Anlage K 2. Es ergäbe sich danach folgendes Bild:

Dieselzuschlag 2012725.147,87 Dieselzuschlag 2013411.672,20 Dieselsumme 1.136.820,07 Maut 2012194.879,76 Maut 2013105.548,94 Mautsumme 300.428,70Ferner habe die Beklagte die von ihr geschuldeten Ausfallfrachten nicht gezahlt. Nach Auffassung der Klägerin schuldet die Beklagte für jedes ihr in einer sogenannten 12-Uhr-Meldung gemeldetes, unbefrachtetes Fahrzeug aufgrund der in Anlage 5 zum Rahmenvertrag unter Ziff.1 enthaltenen Regelung € 300,00 pro Tag. Betroffen seien insgesamt 12.308 Fahrzeugeinsätze, so dass sich hierfür ein Betrag von € 3.692.400,00 ergäbe. Für die Einzelheiten beruft sich die Klägerin auf die (mit Zustimmung des Gerichts) auf einer Daten-CD digital eingereichte Anlage K 8, in welcher für jeden einzelnen Tag Kopien der jeweiligen E-Mails mit einer Excelanlage gespeichert sind, die die jeweilige Leermeldungen mit den dazu geforderten Angaben enthält. Für die Berechtigung dieser Entschädigungsforderung käme es keinesfalls darauf an, ob die Beklagte für das betroffenen Fahrzeug im weiteren Verlauf des Tages doch noch einen Auftrag erteilt habe. Gelegenheit, die Ausfallfrachten zu verhindern, hätte die Beklagte vielmehr aufgrund einer (unstreitig) in der täglichen Handhabung eingeführten, regelmäßigen 9.00 Uhr – Meldung gehabt, mit welcher der Beklagten die noch verfügbaren Fahrzeuge mitgeteilt worden seien. Die Ausfallfracht sei dann um 12.00 Uhr angefallen, wenn die Beklagte das ihr eröffnete Zeitfenster nicht zur Befrachtung des jeweiligen Fahrzeugs genutzt hätte. Eine „Nachbefrachtung“ des Fahrzeugs entlaste die Beklagte nicht, da das Fahrzeug dann wegen des zeitlichen Vorlaufs nur an zwei von drei Speditionstagen habe fahren können, und nicht den eingeplanten Ertrag einfahren könne. Deswegen sei die entsprechende, auf einen Vorschlag der Beklagten zurückzuführende Ausfallfrachtregelung genauso gemeint, wie es sich schon aus ihrem Wortlaut ergäbe, dass nämlich die Ausfallfracht immer dann anfalle, wenn die Beklagte für ein Fahrzeug nicht bis 12.00 Uhr einen Auftrag erteilt hat.

Die Erhöhung der Grundfracht sei nicht ausreichend, um die Senkung der Maut- und Dieselzuschläge zu kompensieren.

Die Ansprüche der Klägerin seien auch keinesfalls verjährt. Aufgrund der komplexen im Vertrag geregelten Zusammenarbeit der Parteien habe der Vertrag nicht den Charakter eines Frachtvertrages, sondern eines Dienstleistungsvertrages, für den ohnehin eine dreijährige und nicht eine einjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Aber auch wenn der Vertrag grundsätzlich als Frachtvertrag verstanden solle, träte die Verjährung in diesem Falle nach § 439 I Satz 2 HGB erst nach drei Jahren ein, weil der vertragswidrige Einbehalt von Teilen der geschuldeten Vergütung auf einem vorsätzlichem oder vorsatzgleichem Verhalten der Beklagten beruhe. In Anbetracht der eindeutigen Regelungen des Vertrages und der beständigen Hinweise der Klägerin auf diese Regelungen sei für die Beklagte klar ersichtlich gewesen, dass sie durch ihre Kürzungen gegen den Vertrag verstieße. Die Beklagte habe die falsche Abrechnungsweise auch fortwährend beanstandet; es habe dabei nahezu wöchentlich entsprechende Auseinandersetzungen gegeben.

Gegenansprüche, insbesondere solche aus Vertragsstrafe, ständen der Beklagten nicht zu. Insbesondere haben die Klägerin nicht unberechtigt ihr angetragene Touren abgelehnt. Die Beteiligten hätten jeweils über das System „Heris“ mit den Disponenten verkehrt. Von jenen seien die Aufträge zunächst als „Rohversion“ vergeben worden. Diese seien dann erst nachträglich einem Fahrzeug zugeordnet worden. Bei zu langem Vorlauf sei dann systembedingt eine Ablehnung erfolgt, auch wenn die Tour dann nachträglich durch ein anderes Fahrzeug der Klägerin ausgeführt worden sei. Nur 3303 Touren seien letztlich nicht an die Klägerin beauftragt worden, aber auch diese ohne Verstoß der Klägerin gegen die Vertragsstrafenregelung. Für die durchgeführten Transporte bezieht sich die Klägerin auf die Anlage K 12 (Daten CD).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.838.324,77 Euro nebst Zinsen i.H. v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die Klägerin habe im gesamten Jahr 2012 keine Beanstandungen an den erteilten Gutschriften erklärt, insbesondere habe sie nicht die im Anlagenkonvolut K 18 beigefügten Widersprüche erklärt. Diese seien der Beklagten nie zugegangen. Der erste Widerspruch sei durch Fax vom 7.1.2013 unter Bezugnahme auf das gesamte Jahr 2012 erfolgt (Zeugnis T., H., S.). In Bezug auf die nachgereichten Widerspruchsschreiben für das Jahr 2012 rügt die Beklagte die Verspätung des Klägervortrags. Im Rahmen einer Besprechung am 25. März 2013, in welcher die Parteien beschlossen, die Zusammenarbeit auslaufen zu lassen, habe der Verhandlungsführer der Klägerin mit keinem Wort erwähnt, dass er noch Forderungen stellen wolle, sondern im Gegenteil eine Frage danach verneint.

Inhaltlich hält die Beklagte die Interpretation der Klägerin zur Fälligkeit der Ausfallfrachten für falsch. Es ergäbe sich aus dem Wortlaut „Ausfallfracht“ und dem Sinn der Regelung, dass diese nur gezahlt werden müsse, wenn das betreffende Fahrzeug tatsächlich für den entsprechenden Tag keinen Transportauftrag erhalte, während die Klägerin zu Unrecht Ausfallfrachten auch für (nach-) befrachtete Fahrzeuge geltend mache. Ausfallfrachten könnten auch deswegen nicht in der geforderten Höhe verlangt werden, da überhaupt nur solche Fahrzeuge in die Berechnung eingestellte werden dürften, welche in der wöchentlichen Kapazitätsplanung berücksichtigt worden seien. Daran habe sich die Klägerin nicht gehalten. Die tatsächlich geschuldeten Ausfallfrachten in Höhe von € 71.400,00 habe die Beklagte beglichen.

Die Kürzung der Maut- und Dieselzuschläge sei durch die Erhöhung der Grundfracht mehr als ausgeglichen. Insgesamt habe die Klägerin damit mehr erhalten, als dies bei der ursprünglich im Vertrag vorgesehenen Abrechnungsweise der Fall gewesen wäre. Die Beklagte habe seit der Vertragskrise 2011 stets im Blick gehabt, dass die erhöhte Zahlung des Grundbetrags auch eine Erhöhung der Gesamtvergütung zur Folge habe und dies fortlaufend kontrolliert. In Anbetracht dieser Besserstellung könne die Klägerin ihre Nachforderungen nicht dadurch begründen, dass sie einzelne Vergütungsbestandteile herauspicke und hier eine Differenz aufzeige, vielmehr müsse sie konkret darlegen, welche konkreten Frachtzahlungen im Ergebnis hinter den Vereinbarungen zurückblieben. Tatsächlich hätte die Klägerin aufgrund der geänderten Abrechnungsweise der Beklagten für die Jahre 2012 und 2013 im Ergebnis € 705.649,38 mehr erhalten, als dies bei einer Abrechnung zu den unveränderten Konditionen der Fall gewesen wäre. Hierzu verweist die Beklagte auf die tabellarische Gegenüberstellung in Anlage B 1. Gegen die Positionen Maut und Kraftstoffzuschlag rechnet die Beklagte hilfsweise auf mit überzahlten Frachten in Höhe von € 1.468.853,63 und der Systemgebühr € 310.046,00.

Unabhängig davon ständen der Beklagten erhebliche Gegenforderungen zu, mit denen sie die Aufrechnung erklärt. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1.1.2012 bis zum 31.8.2013 insgesamt 13.940 Transporte nicht durchgeführt bzw. abgelehnt, um einen Auftrag zu günstigeren Konditionen zu erhalten. Die einzelnen betroffenen Touren seien in der Anlage B 5 (3 Leitzordner) genau bezeichnet worden, die 3.144 Ablehnungen, um einen günstigeren Tarif zu erzwingen, in Anlage B 6). Für derartige Fälle seien jeweils € 1.000,00 Vertragsstrafe zu zahlen, sodass die Klägerin der Beklagten ihrerseits € 13.940.000,00 an Vertragsstrafe schulde. Auch insoweit erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung und behält sich die Geltendmachung des übersteigenden Restbetrages im Wege der Widerklage vor.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 27.03.2015 durch Vernehmung der Zeugen M. D., H. S., D. T., M. H. und D. B., für deren Aussage auf das Protokoll vom 01.06.2015 (Blatt 145ff der Akten) Bezug genommen wird.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Forderungen sind verjährt.

I.

Die Verjährung richtet sich nach Frachtrecht (§ 439 HGB)

Gegen die etwaigen Forderungen der Klägerin greift die Verjährungseinrede der Beklagten durch. Der Vertrag zwischen den Parteien (Anlage K 1) ist ein Rahmenvertrag über Frachtaufträge im Sinne der §§ 407 ff HGB. Die aufgrund dieses Vertrages erbrachten Einzelaufträge unterliegen dem Recht für Frachtverträge. Die vertragstypische Leistungen, die in Ziffer 2.2.2. als „Transportverpflichtungen“ beschrieben werden, richten sich auf die Ortsveränderung von Gütern, welche zu diesem Zweck in Obhut genommen werden, und die Vergütung richtet sich nach der jeweiligen Länge der Tour. Die ausgetauschten Leistungen entsprechen damit dem typischen Leistungsbild eines Frachtvertrages (vgl. Koller, TranspR, 8. Aufl. 2013, § 407 RN 10 bis 16). Dagegen spricht auch nicht, dass hier Regelungen für eine Vielzahl von Fahrten in einem Rahmenvertrag getroffen wurden (Koller, a.a.O. RN 16). Auch solche Verträge unterfallen dem Frachtrecht (BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 164/06 –, juris RN 15). Zudem nimmt der Vertrag in vielfacher Hinsicht, etwa in Ziff. 5 bezüglich der Haftungsgrenzen, auf gesetzliche Regelungen aus dem Frachtgeschäft Bezug.

Die maßgebliche Verjährungsfrist für Ansprüche aus Frachtverträgen beträgt gemäß § 439 I Satz 1 HGB grundsätzlich ein Jahr. Für entsprechende Rahmenverträge gilt nichts anderes (BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 164/06 –, juris RN 15). Diese Frist ist verstrichen, weil die letzten Aufträge, für welche in diesem Rechtsstreit Forderungen geltend gemacht werden, vom 28.8.2013 datieren, während die Klage erst am 29.8.2014 eingereicht wurde. Die letzten Leermeldungen in Bezug auf Ausfallfrachten datieren vom 15.8.2013, sodass hier die Jahresfrist ebenfalls überschritten wurde. Eine Hemmung der Verjährung ist nicht eingetreten. Insbesondere ist die Beklagte zu keiner Zeit in Verhandlungen über die hier erhobenen Ansprüche eingetreten, sondern hat die ihr per E-Mail vom 15. Februar 2014 unterbreiteten Forderungen mit ihrem Schreiben vom 20.2.2014 (Anlage K 6) eindeutig abgelehnt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte in unverjährter Zeit zu einem anderen Zeitpunkt in Verhandlungen über die Forderungen eingetreten wäre.

II.

Die Verjährungsfrist beträgt ein Jahr

Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 439 I Satz 2 HGB greift hier nicht ein, weil der Beklagten im Hinblick auf etwaige Minderzahlungen weder Vorsatz noch vorsatzgleiches Verhalten anzulasten ist.

1. Diesel- und Mautzuschläge

a) Soweit die Klägerin Nachzahlungen von Diesel- und Mautzuschlägen für die von ihr gefahrenen Touren verlangt, ist der Anspruch als solcher schon sehr problematisch. Nach dem Rahmenvertrag wird der Frachtanspruch für die einzelne Fahrt aufgrund einer Reihe von Bausteinen errechnet, zu denen auch die Diesel- und Mautzuschläge gehören. Wenn Einigkeit zwischen den Parteien darüber besteht, dass die anderen Komponenten jeweils dem Vertrag entsprechend abgerechnet wurden und nur die Diesel- und Mautzuschläge einseitig herabgesetzt wurden, lässt sich gegen eine vereinfachte Darstellung der Klagforderung, die sich nur auf die Minderzahlungen der Zuschläge bezieht, nichts einwenden. Auch eine solche Darstellung ließe dann erkennen, welcher Betrag für welche Fahrt in zu geringer Höhe angesetzt wurde. Im vorliegenden Fall aber beruft sich die Beklagte gerade darauf, dass sie durch für die Klägerin günstige Veränderungen anderer für die Höhe der Fracht maßgeblicher Bausteine im Ergebnis mehr gezahlt habe als dies bei einer Abrechnung auf der Grundlage der vertraglichen Vorgaben geschuldet wäre. Bei dieser Sachlage kann die Klägerin ihren Anspruch nur begründen, wenn sie die Soll- und die Ist-Zahlungen pro Tour einander gegenüberstellt und zeigt, dass eine Differenz zu ihren Lasten aufgetreten ist. Dies hat die Beklagte gegenüber dem Klägervortrag zu Recht eingewandt. Das Gericht hat indes davon abgesehen, der Klägerseite eine entsprechende Auflage zu machen, deren Erfüllung mit einem sehr großen Aufwand verbunden wäre, weil zunächst geklärt werden sollte, ob bei den übrigen Frachtbausteinen tatsächlich zugunsten der Klägerin von den Vorgaben abgewichen worden ist oder ob die Forderung ohnehin verjährt wäre. In beiden Fällen wäre eine solche, für die Klägerin sehr aufwendige Auflage nicht erforderlich gewesen. Dementsprechend beruht die Entscheidung auch nicht darauf, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht richtig dargelegt hat, obwohl nach der Beweisaufnahme keine Zweifel mehr daran bestehen, dass die Beklagte bei der Abrechnung diverse Parameter zugunsten der Klägerin verändert hat, wodurch eine zu Lasten der Klägerin bestehende Differenz verringert oder ganz aufgehoben würde. Diese Änderungen erfolgten vor dem Hintergrund der „Krise“ im Jahr 2011 und offenbar im Vorgriff auf eine neue, für beide Seiten auskömmliche Regelung. Ob dies tatsächlich dazu führte, dass die negativen Veränderungen in den Elementen Maut- und Dieselzuschlag mehr als kompensiert wurden, und sich die Klägerin günstiger stand als sie es ohne die veränderte Zusammensetzung der Bausteine getan hätte, kann hier dahinstehen.

b) Entscheidend ist, dass die Beklagte bei ihren Abrechnungen aus guten Gründen davon ausging, dass sie der Klägerin im Ergebnis mehr zahle, als dies nach dem ursprünglichen Frachtvertrag geschuldet war. Dass dies die Auffassung der Beklagten war, steht nach Vernehmung der Zeugen T. und H. zur Überzeugung des Gerichts fest. Nach Aussage von Herrn T. soll es so gewesen sein, das die Klägerin „auf jeden Fall eine höhere Vergütung erhalten“ habe; es sei nicht richtig, dass sich die Vergütung infolge der Änderungen bei Diesel und Maut verringert habe (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 14, Blatt 151R der Akten). Es habe für den Zeugen keinen Grund gegeben, anzunehmen, dass die Gutschriften unzutreffend gewesen seien, weil die Klägerin unterm Strich mehr erhalten hätte, als sie zu bekommen hatte (Seite 16 des Protokolls vom 1.6.2015, Bl. 152 R der Akten). Hierzu bezieht sich der Zeuge ausdrücklich auf eine durch seinen Mitarbeiter, den Zeugen H. gefertigte Übersicht (Anlage B 1), welche die Vergütungen nach der früheren und der neuen Berechnung gegenüberstellt und für die tatsächlich gezahlte einen höheren Betrag als für die eigentlich geschuldete Vergütung ausweist. Diese Aufstellung sei so richtig. Zu dieser Aufstellung hat der Zeuge H. bekundet, dass er sie zwar erst im Frühjahr dieses Jahres, also 2015, erstellt habe, dass die Beklagte aber die Frachtberechnungen bereits ab 2011 „gemonitort“ hätten. Dabei sei gegenübergestellt worden, was nach der einen oder anderen Bezahlungsweise herauskäme (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 20, Blatt 154 R der Akten). Dies habe der Zeuge in der Regel monatsweise gemacht, wobei er nicht für jeden Monat eine Datei angelegt habe, sondern eine Datei fortgeschrieben habe. Die vorgelegte Tabelle sei die Kumulation daraus (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 20, Blatt 154R der Akten). Die Aussage des Zeugen H. überzeugt insbesondere deswegen, weil er im Einzelnen die Handhabung schildert, wie die Frachtzahlungen nach den verschiedenen Berechnungsmethoden erfasst wurden. Nach dieser Aussage hält es das Gericht für hochgradig unwahrscheinlich, dass der Zeuge nachträglich mit gegriffenen Zahlen eine zum Beklagtenvortrag passende Tabelle gefertigt haben könnte, um das gute Gewissen der Beklagten bei ihren zu geringen Zahlungen zu belegen. Es besteht kein Zweifel daran, dass er sich bemüht hat, die Verhältnisse richtig abzubilden und dass auch sein Vorgesetzter T. diese Arbeitsergebnisse für richtig hielt.

Skepsis verdiente der Beklagtenvortrag und die ihn stützenden Aussagen allerdings insofern, als es eher selten ist, dass der Auftraggeber von Transportleistungen den Auftragnehmer mit Wohltaten überhäuft, die so nicht vereinbart sind. Es ist leicht vorstellbar, dass ein Großabnehmer von Leistungen unter Ausnutzung seiner Machtstellung einseitige Vergütungskürzungen bei seinen Vertragspartner vornimmt, während es schwerfällt zu glauben, dass er freiwillig erhebliche Beträge zusätzlich bezahlt. Im vorliegenden Fall aber wird dies durch die tiefe Vertragskrise im Jahr 2011 in Verbindung mit der Kündigung und Arbeitseinstellung der Klägerin hinreichend erklärt. Es kann dabei dahinstehen, ob die Arbeitsniederlegung der Klägerin für die Beklagte völlig überraschend kam und sie in eine Situation brachte, in der sie zu Zugeständnissen gezwungen war, oder ob es nur deshalb dazu kam, weil die Beklagte sich berechtigten Forderungen der Klägerin über lange Zeit völlig verschlossen hatte und nun einsehen musste, dass sich der Vertrag nicht zu Bedingungen fortführen ließe, welche alsbald die Substanz des Vertragspartners vernichten und den Vertragspartner in die Insolvenz treiben würde. Fest steht, dass die Beklagte nach dem „Vertragsbruch“ der Klägerin (Bekundung des Geschäftsführers R. der Beklagten, Seite 2 des Protokolls vom 1.6.15, Blatt 145 R der Akten) in Form der Arbeitseinstellung mit dieser eine Zahlung von € 2 Millionen vereinbarte, damit diese das Vertragsverhältnis fortsetzte, wie der kaufmännische Leiter der Klägerin, der Zeuge D., in seiner Aussage glaubhaft geschildert hat (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 5, Blatt 147 der Akten). Die Aussage wird durch das von dem Zeugen überreichte Schreiben der Beklagten vom 1.8.2011 (Anlage zum Protokoll, Blatt 157 der Akten) belegt. Dieses Verhalten der Beklagten lässt annehmen, dass sie wohl oder übel einsehen musste, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nur bei zusätzlichen Zahlungen ihrerseits möglich sein würde. Wenn sie auf einen „Vertragsbruch“ der Klägerin mit weiteren Leistungen reagierte, liegt es auf der Linie, dass sie zur Vermeidung erneuter Krisen nicht wieder auf das frühere Zahlungsniveau zurückkehren wollte. Aus den Schreiben vom 19.5. und 1.8.2011 und der Darstellung des Zeugen T. wird deutlich, dass sich die Beklagte um eine neue Vereinbarung mit der Klägerin bemühte. Die höheren Zahlungen orientierten sich an dem, was sie der Beklagten anbieten wollte oder musste, um die Zusammenarbeit fortsetzen zu können und lassen sich nicht als im Geschäftsleben unübliche Großzügigkeit betrachten. In der vorliegenden Situation ist es durchaus plausibel, dass die Beklagte diese (Mehr-) Leistungen erbrachte, um eine neue tragfähigere Vereinbarung vorwegzunehmen oder wenn schon nicht in formeller schriftlicher Form, so doch zumindest de facto einzuführen.

c) Die durch ihre Auswertungen und Gegenüberstellungen gewonnene Überzeugung der Beklagten, dass ihre Frachtzahlungen für die ausgeführten Touren ihre nach dem ursprünglichen Vertrag begründeten Vergütungspflichten überschritten, schließt die Anwendung des § 439 I 2 HGB aus. Eine vorsätzliche oder vorsatzgleiche Vorenthaltung von Vergütungen lässt sich ihr nicht nachweisen. Sollte der Zeuge H. bei der Erstellung der Aufstellungen Fehler gemacht haben, deutet dies nicht auf ein vorsätzliches, sondern allenfalls auf ein fahrlässiges Verhalten bei der Beklagten hin. Das aber hätte nicht zur Folge, dass sich die Verjährungsfrist nach § 439 I 2 HGB auf drei Jahre verlängert.

2. Ausfallfrachten

Auch hinsichtlich der Ausfallfrachten ist Verjährung nach § 439 I 1 HGB eingetreten. Eine vorsätzliche oder vorsatzgleiche Nichtzahlung der Ausfallfrachten, die eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf drei Jahre nach sich ziehen würden, liegt hier nicht vor.

In Bezug auf die geltend gemachten Ausfallfrachten war der Beklagten bewusst, dass die Klägerin ein anderes Vertragsverständnis als sie selbst hatte. Nach der Aussage des Zeugen T. war die angestrebte Einigung über eine neue Vergütungsregelung gerade an der Kontroverse zur Ausfallfracht (und zur Gefahrgutregelung) gescheitert (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 14 der Akten). Aus der Bekundung des Geschäftsführers der Beklagten, R., und der Aussage des Zeugen T. geht hervor, dass diese die diesbezügliche Auffassung der Klägerin für falsch und unvertretbar hielten. Nach Auffassung der Klägerin besagte der Vertrag, dass für jedes vereinbarungsgemäß zur Verfügung gestellte Fahrzeug, dass bis 12.00 Uhr nicht befrachtet sei, eine Ausfallfracht von € 300,00 zu zahlen sei, unabhängig davon, ob es im weiteren Tagesverlauf doch noch befrachtet wurde. Die Beklagte war der Meinung, eine Ausfallfracht könne nur dann verlangt werden, wenn das Fahrzeug wirklich an dem Tag unbeschäftigt geblieben sei.

Die Frage, welche von beiden Auffassungen richtig ist, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Der Wortlaut der Klausel ist allerdings nach Auffassung des Gerichts eindeutig: Wenn es im Hinblick auf die sogenannte 12.00 Uhr Meldung dort heißt: „Sofern H. keine Transportaufträge für die insoweit von R. gemeldeten Fahrzeuge erteilt hat, schuldet H. eine pauschalierte Ausfallfracht an R. in Höhe von € 300,0 pro Tag“ (Unterstreichung hinzugefügt), besagt dies bei wörtlicher Auslegung, dass der Auftrag bei der 12.00 – Meldung bereits vorliegen muss, sonst wird die Ausfallfracht fällig. Allerdings ist bei der Auslegung von Verträgen nach den §§ 133, 157 BGB nicht an deren Wortlaut zu haften, sondern es ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen. Danach ist Sinn der Ausfallfracht, dass der Frachtführer für die Nichtbeschäftigung seines Fahrzeugs entschädigt wird. Wird das Fahrzeug aber eingesetzt, bedarf es keiner Entschädigung. Insofern ist es nachvollziehbar, die Verpflichtung zur Zahlung von Ausfallfrachten bei einer „Nachbefrachtung“ in Frage zu stellen, wie dies seitens der Beklagten geschehen ist. Wieder andererseits hat Klägerseite nachvollziehbar vorgetragen, dass es für die weitere Planung und den weiteren Einsatz des Fahrzeugs von Bedeutung sei, dass der Auftrag bei den bestehenden betrieblichen Abläufen bis 12.00 Uhr erteilt sei und spätere Aufträge im Ergebnis durch die dadurch verursachten längeren unvergüteten Standzeiten des Fahrzeugs die Einsatzfrequenz und damit die Frachterträge senken würden. Dies lässt sich nicht ohne eine genaue Untersuchung der logistischen Abläufe in dem Verhältnis der Parteien prüfen, entbehrt aber auch nicht der Plausibilität. Es ist jedenfalls durchaus Raum für die Annahme, dass die Regelung bei einer Auslegung im wörtlichen Sinne die zugrundeliegenden beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen so berücksichtigt, wie es sich die Parteien bei Vertragsschluss vorgestellt haben, und dass die Beklagte bei ihrer abweichenden Auffassung zu sehr am vielleicht missverständlichen oder unzureichenden Wortlaut der Überschrift „Ausfallfracht“ haftet.

Allerdings hat der BGH in einer des Öfteren kritisierten Passage des grundlegenden Urteils vom 22.4.2010 (I ZR 31/08 – juris RZ 33) ausgeführt, dass eine die Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auslösende vorsätzliche Nichtzahlung dem Schuldner erst dann vorzuwerfen sei, wenn er entgegen besserem Wissen die Existenz eines Anspruchs abstreitet oder wider besseres Wissen behaupte, dass der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Läge auf der Hand, dass die vom Schuldner für die Leistungsverweigerung genannten Gründe nur vorgeschoben sind, gäbe es keinen vernünftigen Grund, ihm die Rechtswohltat der besonders kurzen Verjährung des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB zugutekommen zu lassen.

Verschiedene Gerichte haben eine einschränkende Auslegung des Merkmals der mangelnden Vorwerfbarkeit der vorsätzlichen Nichtzahlung befürwortet (LG Wuppertal, Urteil vom 12. Dezember 2012 – 8 S 47/12 –, juris RN 32; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2013 – I-18 U 107/12, 18 U 107/12 –, juris RN 15) und die Gründe der jeweiligen Nichtzahlung einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Sicher ist, dass die bloße Behauptung eines Rechtsirrtums nicht genügen kann, um die Vorsatzhaftung nach § 439 I 2 HGB abzuwenden. Andererseits lässt sich der Entscheidung des BGH auch entnehmen, dass eine Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen durch die Berufung auf eine vertretbare Rechtsauffassung nicht die Folgen des § 439 I 2 HGB auslösen soll, selbst wenn sich diese Rechtsauffassung als falsch erweist (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 03. Juli 2012 – 12 O 23/12 –, juris RN 19). Im vorliegenden Fall lässt sich nicht sagen, dass die Auffassung der Beklagtenseite als vorgeschoben, an den Haaren herbeigezogen oder bei näherer Betrachtung als chancenlos einzustufen wäre. Eine gewisse Berechtigung lässt sich ihr nicht absprechen, auch wenn sie für die praktische Handhabung des Vertrages zahlreiche Fragen aufwirft. Sollte es sich bei der Formulierung um ein Redaktionsversehen in dem Vertragstext handeln, verwundert, warum keine Regelungen zur „Nachbefrachtung“ in dem Vertrag vorgesehen sind. Gleichwohl ist die Ausgangslage in diesem Fall nicht zu vergleichen mit den Sachverhalten, die den Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des LG Wuppertal zugrunde lagen.

Bei der hier getroffenen Wertung, wonach das Verhalten der Beklagten nicht die Verjährungsverlängerung nach § 439 I 2 HGB auslöst, hat sich noch ein weiterer Gesichtspunkt, der aus der Entscheidung des BGH vom 22.4.2010 zu gewinnen ist, ausgewirkt. In dieser Entscheidung gibt der BGH seine vormalige Rechtsprechung, dass die Verjährungsdurchbrechung des § 439 I 2 HGB nicht auf Primäransprüche anzuwenden sei, auf und begründet, dass für Primäransprüche genau die gleichen Gesichtspunkte wie für Sekundäransprüche gelten müssten. Weder differenziere der Wortlaut des § 439 I 2 HGB (bzw. Art 39 CMR) zwischen Primär- und Sekundäransprüchen (RN 28), noch seien Unterschiede in der objektiven ratio legis auszumachen (RN 25).

Das bedeutet aber auch, dass es ungerechtfertigt wäre, die Verjährungsdurchbrechung für Primäransprüche weiter zu fassen als diejenige für Sekundäransprüche. Im vorliegenden Fall war es der Klägerin bereits zu Beginn des Jahres 2012 klar, dass die Beklagte eine grundlegend andere Auffassung zur Frage der Ausfallfrachten hatte als die Klägerin und eine Zahlung im Fall von Nachbefrachtungen ablehnte. Diese Auffassung hat die Klägerin nach der Aussage des Zeugen D. in allen Gesprächen unverrückbar vertreten (Protokoll vom 1.6.2015, Seite 6, Blatt 147 der Akten) und sie liegt letztlich auch ihrem Ablehnungsschreiben vom 20.2.2014 (Anlage K 6) zugrunde. Bei Sekundäransprüchen gegen den Frachtführer wird eine Hemmung der Verjährung nach § 439 III HGB beendet und der weitere Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt, sobald der Frachtführer die Haftung abgelehnt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die ungerechtfertigte Ablehnung eines berechtigten Schadensersatzanspruchs eine Vertragsverletzung darstellt, die durchaus von einem vorsätzlichen oder vorsatzgleichen Verschulden getragen sein kann. Gleichwohl kommt der insoweit vertragsbrüchige Frachtführer in den Genuss der einjährigen Verjährungsfrist nach § 439 I 1 HGB, ohne dass im weiteren Verlauf danach gefragt wird, ob es wohl rechtlich vertretbar oder vielleicht doch leichtfertig war, dass er die von ihm zu Recht verlangte Begleichung des Schadensersatzanspruchs abgelehnt hat. Der Grund dafür liegt darin, dass ein erhebliches Interesse daran besteht, Ansprüche im Massenverkehr unverzüglich zu regeln, weswegen den kaufmännischen Beteiligten entsprechender Vertragsverhältnisse die kurze Verjährung von einem Jahr zugemutet werden kann. Würde man hingegen die Haftungsdurchbrechung nach § 439 I 2 HGB auch auf die unberechtigte Ablehnung von Schadensersatzansprüchen anwenden, wozu nach Kenntnis des Gerichts bislang keine entsprechenden Entscheidungen vorliegen, würde die einjährige Verjährungsfrist nach § 439 I 1 HGB zu weiten Teilen leerlaufen.

Diese Überlegungen sprechen dafür, in Fällen der unberechtigten Nichterfüllung von Primäransprüchen die Verjährungsdurchbrechung tatsächlich auf die deutlichen Fälle zu beschränken, welche der BGH in seiner Entscheidung vom 22.4.2010 beispielhaft benannt hat, wenn z.B. auf der Hand liegt, dass die Gründe für die Nichtzahlung vorgeschoben sind und der Schuldner seine Zahlungspflicht wider besseres Wissen abstreitet.

Diese Kriterien werden im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Die Rechtsauffassung der Beklagten hat – wie gesagt – eine gewisse Berechtigung, die Parteien hatten sich ausführlich darüber auseinandergesetzt und die Beklagte hat dem Verhandlungsführer der Klägerin, den Zeugen D., darauf verwiesen, dass dieser ggf. eine gerichtliche Klärung herbeiführen könne. Der Zeuge D. hat hierzu ausgesagt „…man hat uns ganz klar gesagt, ‚wenn ihr das haben wollt, müsst ihr uns verklagen‘“ (Protokoll 1.6.2015, Seite 6, Blatt 147R der Akten). Diese Äußerung indiziert, dass die Verantwortlichen der Beklagten von der Richtigkeit ihrer Auffassung so überzeugt waren, dass sie es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen wollten. Statt jedoch diesen Weg zu wählen, hat die Klägerin mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche eine erhebliche Zeit zugewartet und -wie der Zeuge T. glaubhaft bekundete- nicht einmal während eines Gesprächs über die bevorstehende Beendigung der Zusammenarbeit am 25.3.203 darauf hingewiesen, dass noch Ansprüche gestellt werden sollten (Protokoll Seite 16, Blatt 152R der Akten). Die Klägerin hatte auch während des laufenden Vertragsverhältnisses umfassend Gelegenheit, die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen, wobei sie dies im Kosteninteresse auch auf einige konkrete Ausfallfrachten hätte begrenzen können. Ein schützenswertes Bedürfnis für eine Durchbrechung der Regelverjährung ist vor diesem Hintergrund auch nicht erkennbar.

3. Keine Bösgläubigkeit der Beklagten aus anderen Gründen

a) In den im Anschluss an die Beweisaufnahme gewechselten nachgelassenen Schriftsätzen wurde hoch streitig, ob die Klägerin die im Tatbestand zitierten Widersprüche gegen die einzelnen Gutschriften bereits im Jahr 2012 oder erst ab 2013 erhalten hat. Auf diese Frage kommt es nicht an. Die Widersprüche haben allenfalls Bedeutung für die unter Ziffer 3.3. des Hauptvertrages getroffene Regelung, wonach die den Gutschriften zugrunde liegenden Leistungsübersichten unverzüglich zu prüfen seien und wonach verspätete Rügen nicht berücksichtigt würden. Diese Regelung ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Die Widersprüche haben darüber hinaus nicht die Wirkung, die Beklagte in Bezug auf ihre Abrechnungen „bösgläubig“ zu machen, da jedwede Konkretisierung der Beanstandung unterblieben ist und insbesondere in keinem (vorgetragenen) Fall die in dem Widerspruchsschreiben angekündigte exakte Abrechnung übersandt wurde.

b) Nach der Aussage des Zeugen H. hat sich im Rahmen der Vorbereitung des Rechtsstreits bei der Auswertung der systemtechnischen Daten gezeigt, dass von ungefähr 13.000 Fahrzeugen, die Gegenstand der 12 Uhr Mitteilungen gewesen seien, im weiteren Verlauf noch ungefähr 11.000 Fahrzeuge einen Frachtauftrag bekommen hätten (Protokoll Seite 21, Blatt 155 der Akten). Die Klägerin hat in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.6.2015 ausgeführt, dass allein auf die verbleibenden 2000 Fahrzeuge, die dann nicht zum Einsatz gekommen seien, Ausfallfrachtansprüche von € 600.000,00 entfallen würden, wesentlich mehr, als die Beklagte der Klägerin tatsächlich gezahlt hatte (nach ihrem eigenen Vortrag € 71.400,00). Auch daraus ergibt sich aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Beklagte bezüglich dieser Fahrzeuge vorsätzlich oder mit vorsatzgleichem Verschulden gehandelt hätte. Nach dem Vertrag lag jeder Gutschrift eine konkrete Leistungsübersicht zugrunde, welche die Klägerin zu prüfen hatte. Es ist nicht ersichtlich, dass eine der nicht abgerechneten Ausfallfrachten, die in diese Gruppe gehören würde, durch die Klägerin beanstandet worden wäre. Die in Ziffer 3.3. vorgesehene Prüfungspflicht hat gerade den Sinn, auch im Interesse der Beklagten etwaige Fehler in den Abrechnungen zu benennen. Die Beklagte konnte sich darauf verlassen, dass dies durch die Klägerin erfolgen würde und dass insbesondere Fehler zu Lasten der Beklagten sicher bezeichnet werden würden. Damit, dass dieser vertraglich vorgesehene Prüfungsmechanismus versagen würde, brauchte die Beklagte nicht zu rechnen. Das entbindet sie nicht von der Pflicht zur richtigen Abrechnung, aber eine vorsätzlich fehlerhafte Abrechnung lässt sich der Beklagten insoweit nicht vorwerfen. Unabhängig davon ist nicht ausgeschlossen, dass es hinsichtlich dieser nicht näher bezeichneten Ausfälle andere Erklärungen gibt, warum sie durch das EDV-System ausgeworfen wurden.

III.

Nebenentscheidungen

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus den §§ 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung beruht auf § 709 ZPO.

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