Zum Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Rückgabe eines Mietobjekts in vertragsgemäßem Zustand

LG Essen, Urteil vom 2. August 2011 – 15 S 116/11

Zum Anspruch des Vermieters auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Rückgabe eines Mietobjekts in vertragsgemäßem Zustand

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 08.03.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 5/7 dem Kläger und zu 2/7 der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger hatte ab dem 01.05.2007 von der Beklagten ein Ladenlokal zum Betrieb eines Internet-Cafés gemietet. Das Lokal war u.a. mit einer Schanktheke ausgestattet, deren Ausbau vom Ordnungsamt verlangt wurde, die der Kläger dann auch ausbaute und deren Wert und Zustand bei Übergabe streitig ist.

Der Kläger war mietvertraglich zur Pflege des Gartens verpflichtet.

Krankheitsbedingt betrieb der Kläger das Internetcafé nach relativ kurzer Zeit nicht mehr. Der Garten geriet in einen schlechten Zustand. Die Beklagte forderte den Kläger daher mit Schreiben vom 20.10.2008 unter Fristsetzung zum 03.11.2008 auf, den Garten wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam und auch nach Beendigung des Mietvertrags hinsichtlich des Gartens nichts unternahm, ließ die Beklagte den Garten aufräumen und wieder herrichten.

Das Mietverhältnis wurde im Frühjahr 2009 beendet. Unstreitig war die Schanktheke zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihres schlechten Zustands unbrauchbar und wertlos.

Der Kläger nimmt die Beklagte nun auf Rückzahlung der Kaution von 2.000,- € in Anspruch, die er zu Beginn des Mietverhältnisses geleistet hatte.

Die Beklagte ist der Klageforderung erstinstanzlich mit der Behauptung entgegen getreten, sie habe sich mit dem Kläger bei einvernehmlicher Aufhebung des Mietvertrags auf den wechselseitigen Verzicht auf die gegenseitigen Ansprüche geeinigt, nämlich des Anspruchs auf Rückzahlung der Kaution einerseits und ihrer Ansprüche wegen Beschädigung der Theke, Verwilderung des Gartens und Zurücklassens von Müll.

Hilfsweise hat sie aufgerechnet, und zwar in folgender Reihenfolge:

1. Erstattung der Entsorgungsgebühren laut Bescheid

der Stadt Gelsenkirchen vom 19.08.2009 196,05 €

2. Erstattung der Entsorgungsgebühren laut Bescheid

der Stadt Gelsenkirchen vom 03.09.2009 196,05 €

3. Aufräumkosten 400,00 €

4. Schadenersatz für beschädigte Theke 5.000,00 €.

Hierzu hat sie vorgetragen, die Aufräum- und Entsorgungskosten seien aufgrund des total verwahrlosten und verwilderten Zustands des Gartens und der Erforderlichkeit einer Entrümpelung entstanden.

Die Schanktheke habe einen Neuwert von 15.000,- € und bei Übergabe an den Beklagten einen Zeitwert von mindestens 5.000,- € gehabt.

Der Kläger hat bestritten, dass der Garten total verwahrlost und verwildert gewesen sei und die Aufräum- und Entsorgungskosten aufgrund des von ihm zurückgelassenen Zustands entstanden seien.

Die Schanktheke sei schon zu Beginn des Mietverhältnisses uralt, verpilzt, verschimmelt und wertlos gewesen.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

Ein substanziierter Vortrag der Beklagten zur Erforderlichkeit der Entsorgungs- und Entrümpelungskosten fehle. Die Beklagte habe weder Angaben zum Zustand der Theke bei Übergabe an den Beklagten gemacht, noch deren Wert unter tauglichen Beweis gestellt.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung.

Die Beklagte wiederholt die erstinstanzlichen Aufrechnungen, vertieft ihren Vortrag zur Erforderlichkeit der Entrümpelungs- und Entsorgungskosten, beruft sich wegen eines Betrags von 716,88 €, den Kosten für die Entfernung einer Außenwerbung, auf ein Zurückbehaltungsrecht und rügt, dass das Amtsgericht die Beweislast des Klägers für den Zustand der Schanktheke bei Übergabe an sie verkannt habe. Bei dieser Theke habe es sich um eine Massivholztheke mit Kupferspüle gehandelt, die noch einwandfrei funktioniert habe.

Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Wegen des Zurückbehaltungsrechts rügt er Verspätung, vertieft seinen Vortrag zum Zustand der Theke und trägt vor, sie sei verschmiert und aufgrund von Feuchtigkeit voller Schimmel gewesen, so dass das Ordnungsamt verlangt habe, sie entweder umfangreich zu renovieren oder auszubauen. Mündlich dazu angehört, hat er erklärt, die Bodenplatte der Schanktheke sei verschimmelt und die Zuleitungen seien durchgeschnitten gewesen. Er habe die Theke nach Absprache mit der Beklagten dann ausgebaut, in einem Unterstand im Garten aufgebockt und mit Folie abgedeckt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen.

II.

Die Berufung der Beklagten führt im Ergebnis zur Klageabweisung.

Die Aufrechnungen der Beklagten mit Entrümpelungs- und Entsorgungskosten von insgesamt 792,10 € sind allerdings unbegründet.

Die Beklagte macht eine Verletzung der Rückgabepflicht in vertragsgemäßem, d.h. vollständig geräumtem, besenreinen und hinsichtlich des Gartens ordnungsgemäß gepflegtem Zustand geltend. Ein Anspruch auf Schadenersatz steht ihr daher gemäß § 281 (1) BGB erst nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung zu. An einem dementsprechenden Nacherfüllungsverlangen fehlt es hier. Es erübrigte sich auch nicht im Hinblick auf die schon unter dem 20.10.2008 – also weit vor Beendigung des Mietverhältnisses – an den Kläger ergangene Aufforderung, den Garten wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, da in der Folgezeit von Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 nichts geschehen war. Der Gläubiger muss mit seinem Nacherfüllungsverlangen klarstellen, dass es ihm mit der Durchsetzung seines Anspruchs ernst ist. Diese Wirkung verliert sich im Laufe eines Dauerschuldverhältnisses jedoch, wenn der Schuldner dem Verlangen nicht nachkommt und der Gläubiger hieraus geraume Zeit lang keine Konsequenzen zieht. Überdies ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger zu denselben Aufräumarbeiten aufgefordert hat, die Gegenstand ihrer zur Aufrechnung gestellten Schadenersatzforderungen sind.

Im Übrigen ist es auch zweitinstanzlich bei einem nicht hinreichend substanziierten Vortrag zu dem bei Rückgabe des Mietobjekts vorgefundenen Zustand und den Einzelheiten der Aufräumung und Entrümpelung verblieben.

Zutreffend vertritt die Beklagte jedoch die Auffassung, dass das Amtsgericht die Vortrags- und Beweislast für den Zustand der Schanktheke bei Übergabe des Objekts an den Kläger nicht richtig beurteilt hat.

Auch nach Auffassung der Kammer sind die vom Bundesgerichtshof für den Fall der „kalten Räumung“ entwickelten Grundsätze (BGH NJW 2010, 3434-3436 m.w.N.) auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Ebenso wie den Vermieter im Fall der Inbesitznahme der Mietwohnung durch verbotene Eigenmacht eine Obhutspflicht für die eingebrachten Sachen des Mieters trifft, trifft den Mieter eine Obhutspflicht für das ihm vom Vermieter im Rahmen des Mietverhältnisses überlassene Inventar. Zwar kommt eine Umkehr der Beweislast für den Bestand, den Zustand und die wertbildenden Merkmale der überlassenen Gegenstände im Normalfall nicht in Betracht. Anders jedoch, wenn die Verletzung der Obhutspflicht durch den Mieter feststeht – wie im umgekehrten Fall die Verletzung der Vertragspflicht des Vermieters feststehen muss – und diese Pflichtverletzung generell zur Verursachung des vom Vermieter behaupteten Schadens geeignet ist.

Diese Obhutspflichtverletzung des Klägers ist ohne weitere Beweisaufnahme festzustellen.

Erstinstanzlich unstreitig hat der Kläger die von ihm ausgebaute Theke in den Garten gestellt, wo sie den Witterungseinflüssen ausgesetzt war. Hiermit verletzte er seine Obhutspflicht auch dann, wenn es sich um eine „uralte“ Theke gehandelt haben sollte, deren Bodenplatte schon Schimmel angesetzt hatte und – wohl unstreitig – daher vom Ordnungsamt beanstandet wurde. Der Zustand der Theke war vertragsgemäß, denn der Kläger kannte ihn bei Anmietung des Lokals. Die Theke war auch in das Inventarverzeichnis aufgenommen worden. Es wurde nicht vereinbart, dass der Kläger die Theke entsorgen dürfe. Eine endgültige Unbrauchbarkeit der Theke ergibt sich nicht einmal aus dem Klägervortrag. Dass die Theke „uralt“ war, muss nicht einmal zwingend von Nachteil gewesen sein, da ein (ganz oder teilweise) betont altes Inventar ggfs. zur Atmosphäre eines Lokals positiv beitragen kann. Unstreitig bestand die Theke aus Massivholz und war mit einer Kupferspüle ausgestattet. Die angeblich verschimmelte Bodenplatte hätte erforderlichenfalls ersetzt werden können. Ob der Kläger den technisch möglichen Aufwand der Aufarbeitung der Theke betrieb oder nicht, dürfte zwar in seinem Belieben gestanden haben; nicht in seinem Belieben stand jedoch die Obhutspflicht, aufgrund derer es ihm nicht erlaubt war, die Theke ins Freie zu stellen.

Der Vortrag, er habe sie witterungsgeschützt in einem Anbau aufgebockt und mit Folie abgedeckt, ist im Berufungsverfahren neu und kann gemäß § 531 (2) ZPO nicht mehr zugelassen werden. Das Unterlassen eines entsprechenden Vortrags bereits in erster Instanz ist nicht hinreichend entschuldigt. Der Kläger hat zwar erklärt, er sei nicht danach gefragt worden; es wäre jedoch seine Pflicht gewesen, den Vortrag der Beklagten ungefragt zu bestreiten, falls er ihn für falsch oder unvollständig hielt.

Die von ihm bei seiner mündlichen Vernehmung nunmehr aufgestellte Behauptung, er sei mit der Theke entsprechend einer Absprache mit der Klägerin verfahren, ist gleichfalls neu und kann gleichfalls gemäß § 531 (2) ZPO nicht mehr zugelassen werden.

Der Kläger hätte nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen deshalb nicht nur dafür Sorge tragen müssen, dass an der seiner Obhut überlassenen Theke keine Beschädigungen eintreten; es hätte ihm vielmehr schon bei deren Ausbau und Unterbringung im Garten oblegen, und deren Wert schätzen zu lassen, um der Beklagten eine Sicherung ihrer Ansprüche zu ermöglichen.

Dem entsprechend liegt auch die Vortragslast für den damaligen Wert der Theke zunächst bei ihm. Angesichts dessen ist die Behauptung der Beklagten, die Theke sei noch mindestens 5.000,- € wert gewesen, nicht als unsubstantiiert zu werten. Unsubstantiiert ist vielmehr die Behauptung des darlegungspflichtigen Klägers, sie sei schon bei Übernahme durch ihn wertlos gewesen. Dass sie damals gar keinen Wert mehr gehabt habe, überzeugte den Kläger selbst bei seiner persönlichen Vernehmung nicht. Sein angebliches Verhalten, sie nicht etwa zu entsorgen, sondern gegen Witterungseinflüsse zu schützen, spricht auch gegen eine solche Einschätzung. Sein Vortrag gibt in keiner nachvollziehbaren Weise zu erkennen, wie er den Wert der Theke im intakten Zustand einschätzte und mit welchen Reparaturkosten bzw. welcher daraus folgenden Wertminderung er aufgrund des Schimmels an der Bodenplatte und den durchgeschnittenen – nach längerem Nichtgebrauch möglicherweise ohnehin erneuerungsbedürftigen – Leitungen rechnete. Der Kläger, auf die unzureichende Darlegung des Werts der Theke bei deren Übernahme hingewiesen, hat auch nicht zu erkennen gegeben, dass er seinen diesbezüglichen Vortrag ergänzen wolle.

Der Vortrag der Beklagten ist daher zumindest hinsichtlich eines Zeitwerts von noch 2.000,- € plausibel und nicht in zulässiger Weise bestritten.

In dieser Höhe steht der Beklagten daher Schadenersatz wegen Sachbeschädigung an ihrem Inventar zu, § 823 BGB.

Mit diesem Anspruch hat sie wirksam aufgerechnet, so dass die Klageforderung erloschen ist.

Dem entsprechend ist die Klage unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Ziff. 10 ZPO.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die erstrangigen Hilfsaufrechnungen der Beklagten mit 2 x 196,05 + 400,- € in beiden Instanzen den Streitwert erhöht haben und die Beklagte insofern in beiden Instanzen unterlegen ist.

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