Zur Frage der fristlosen Kündigung wegen Privattätigkeiten am Arbeitsplatz

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2018 – 7 Sa 406/17

Zur Frage der fristlosen Kündigung wegen Privattätigkeiten am Arbeitsplatz

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 2. Juni 2017, Az. 5 Ca 76/17, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung sowie über Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin.

Die 1968 geborene und verheiratete Klägerin ist seit dem 1. April 2016 bei der Beklagten auf Grundlage schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 2015 als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen beschäftigt und war in dieser Funktion mit Prokura ausgestattet. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Tief- und Gleisbauunternehmen, welches circa 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Bruttoentgelt betrug zuletzt 6.400,– EUR brutto im Monat bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Bauwirtschaft Anwendung. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

§ 2 Arbeitszeit

(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Quartalsdurchschnitt ohne Berücksichtigung der Ruhepausen 40 Stunden.

Soweit und solange der Arbeitgeber Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nicht dauerhaft oder im Einzelfall vorgibt, bestimmt die Angestellte die Verteilung ihrer Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst in eigener Verantwortung.

(…)

§ 11 Nebentätigkeiten

(1) (…)

Die Genehmigung der bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeübten selbständigen Tätigkeit als Buchhalterin gilt als genehmigt. Dies gilt ebenso für die indirekte Beteiligung an einem Zahntechniklabor.

(…).“

Auf den gesamten Inhalt des Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 2015 wird Bezug genommen (Kopie Bl. 20 ff. d. A.).

Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 (Kopie Bl. 13 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2017, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Diese Kündigung hat die Klägerin nicht angegriffen. Gleichzeitig stellte die Beklagte ebenfalls mit einem Schreiben vom 29. Dezember 2016 (Kopie Bl. 14 d. A.) die Klägerin „ab dem 1. Januar 2017 bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31. März 2017 unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung frei“ „unter Anrechnung auf vorhandene und zukünftig entstehende Urlaubs- oder Freizeitansprüche“. Darüber hinaus widerrief die Beklagte „mit sofortiger Wirkung die Ihnen erteilte Gesamtprokura für die C. GmbH & Co. KG“.

Am 2. Januar 2017 fand sich die Klägerin in Absprache mit der Personalleiterin Frau Z. im Betrieb ein, um noch vorhandene private Gegenstände und Unterlagen abzuholen. Noch am gleichen Tag bat sie die Personalleiterin telefonisch weitere Privatsachen, insbesondere ein privates Fahrtenbuch und Tankbelege, die sie vergessen habe, sicherzustellen und ihr zuzuschicken. Die Personalleiterin Frau Z. hat neben diesen Sachen auch private Korrespondenz und Unterlagen vorgefunden.

Am 4. Januar 2017 wurde dieser Umstand im Rahmen einer Besprechung der Geschäftsleitung, an der auch der Geschäftsführer Dr. C. teilnahm, erörtert. Dabei wurde beschlossen, dass der von der Klägerin genutzte PC von einem spezialisierten Unternehmen in Y-Stadt, der X. AG, überprüft werden sollte. Dieses Unternehmen erstellte unter dem 9. Januar 2017 einen Prüfbericht, der auf einer Überprüfung am 6. Januar 2017 durch dieses Unternehmen basiert. Auf den Inhalt des Prüfberichts vom 9. Januar 2017 wird Bezug genommen (bearbeitete Kopie Bl. 98 ff. d. A.).

Am 10. Januar 2017 prüften sodann der IT-Administrator der Beklagten Herr W. sowie der Mitarbeiter V. Z. den Prüfbericht mit dem Ziel festzustellen, ob und in welchem Umfang Privattätigkeiten von der Klägerin durchgeführt worden sind.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2017 teilte die Beklagte dem Betriebsrat – ausgehend davon, dass die Klägerin leitende Angestellte im Sinn des BetrVG sei – gemäß § 105 BetrVG ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Klägerin „außerordentlich und fristlos sowie hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist“ zum 30. April 2017 zu kündigen, mit und hörte diesen vorsorglich gemäß § 102 BetrVG zu der beabsichtigten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 11. Januar 2017 (Kopie Bl. 37 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Die Unterlagen wurden am 11. Januar 2017 von der Personalleiterin Z. und dem IT-Administrator W. mündlich erläutert.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2017 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos (Kopie Bl. 15 d. A.) und mit Schreiben vom 18. Januar 2017 hilfsweise ordentlich zum 30. April 2017 (Kopie Bl. 16 d. A.).

Ausschließlich gegen die außerordentliche Kündigung vom 17. Januar 2017 wendet sich die Klägerin mit Klage vom 24. Januar 2017, eingegangen per Fax am 25. Januar 2017, die der Beklagten am 7. Februar 2017 zugestellt wurde.

Für den Monat Januar 2017 erteilte die Beklagte eine Verdienstabrechnung (Kopie Bl. 169 f. d. A.), die mit einem Auszahlungsbetrag über 2.624,97 EUR endet. Gezahlt wurde hierauf lediglich ein Betrag über 1.255,69 € netto. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 18. Januar bis 31. März 2017 keine Arbeitslosengeldzahlungen.

Mit Schriftsatz vom 27. April 2017 erweiterte die Klägerin ihre Klage um Zahlungsansprüche für die Monate Januar bis März 2017. Die Klageerweiterung ging am 27. April 2017 beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 28. April 2017 zugestellt.

Die Klägerin war der Ansicht,

es fehle an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus sei die Kündigung auch im Rahmen einer gebotenen Interessenabwägung unwirksam, da ihr Arbeitsverhältnis bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung ordentlich gekündigt und sie für die Dauer der Kündigungsfrist bis zum 31. März 2017 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt gewesen sei.

Der Vorwurf, sie habe während ihrer Arbeitszeit entgegen einem ausdrücklichen und ihr bekannten Verbot den Telefon- und Internetanschluss der Beklagten sowie ihren dienstlichen E-Mail-Account in zeitlich erheblichem Umfang privat genutzt, sei in mehrerer Hinsicht unbegründet und unhaltbar. Die Sachverhaltsdarstellung der Beklagten sei unvollständig und teilweise unrichtig.

Sie hat vorgetragen, die IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung sei ihr inhaltlich bis zum Erhalt der Klageerwiderung vom 4. April 2017 nicht bekannt gewesen.

Sie habe entsprechend des § 2 ihres Arbeitsvertrages die Verteilung ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können. Im Betrieb sei auch keine Arbeitszeiterfassung vorgesehen, sie selbst habe aber ihre täglichen Arbeitszeiten für sich im System der Beklagten in einer Excel-Datei dokumentiert. Sie habe ihre Arbeit regelmäßig zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr aufgenommen und – jedenfalls ab September 2016 – gegen 16.00 Uhr beendet.

Sie habe auch private Daten in entsprechenden Ordnern auf ihrem Arbeitsplatzrechner gespeichert sowie den Internetanschluss der Beklagten und ihren dienstlichen E-Mail-Account für private Angelegenheiten in ganz geringem und zu vernachlässigendem Umfang genutzt. Der von der Beklagten geäußerte Verdacht, sie habe in ganz erheblichem Umfang während ihrer Arbeitszeit private Dinge erledigt und sei unter Nutzung der technischen Einrichtungen ihrer genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen, sei unbegründet und auch zum Teil völlig unsubstantiiert. Bei den in der Anlage 1 zum Prüfbericht der X. AG aufgeführten PDF-Dateien im Programm Adobe Reader habe es sich zwar tatsächlich um private Dokumente bzw. Dokumente, die ihre Nebentätigkeit betroffen hätten, gehandelt, wobei sie nicht mit letzter Gewissheit bestätigen könne, ob sämtliche von der Beklagten mit dem Kennzeichen „X“ versehenen Dateien tatsächlich privater Natur gewesen seien. Die Dokumente in diesen Dateien seien von ihr jeweils gescannt worden und dann als Datei auf ihren privaten Rechner gesandt oder auf einen Stick verschoben worden. Diese Tätigkeiten hätten nur wenige Sekunden pro Datei in Anspruch genommen, wobei sie diese Tätigkeit ausschließlich außerhalb ihrer Arbeitszeit, also vor Aufnahme ihrer Tätigkeit am Morgen oder in der Mittagspause erledigt habe. Hierbei sei sie in Unkenntnis der IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen davon ausgegangen, dass eine private Nutzung des E-Mail-Accounts in geringem Umfang ohne Beeinträchtigung ihrer Arbeitsleistung während der Arbeitszeit zulässig sei. Entsprechendes gelte für die im Textverarbeitungsprogramm Word gespeicherten Dateien, deren Umfang gering sei. Eine Bearbeitung dieser Dateien während der Arbeitszeit habe durch sie nicht stattgefunden. Bei den monierten Excel-Dateien handele es sich zum einen um die Datei, in der sie für sich ihre täglichen Arbeitszeiten im Betrieb der Beklagten dokumentiert und Tankbelege für die Führung ihres Fahrtenbuches gesammelt habe. Darüber hinaus habe sie in diesem Programm eine Vielzahl dienstlicher Dateien, insbesondere Arbeitshilfen des Anbieters U. abgelegt. Entsprechendes gelte auch für die unter dem Stichwort „Dateisystem“ zusammengefassten Daten. Ob sämtliche von der Beklagten mit einem Kennzeichen „X“ versehenen Dateien tatsächlich privater Natur seien, könne sie nicht mit Gewissheit sagen. Einzelne dieser Dateien hätten jedoch privaten Charakter. Diese Dateien habe sie jedoch auch außerhalb ihrer Arbeitszeit, überwiegend in kurzen Arbeitszeitpausen, angelegt bzw. in entsprechenden Ordnern gespeichert. Eine zeitaufwändige Bearbeitung von Privatdokumenten oder gar Angelegenheiten, die ihre Nebentätigkeit betroffen hätten, sei nicht erfolgt.

Soweit einzelne von ihr gespeicherte oder versandte Dokumente und auch geführte Telefonate die Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter betroffen hätten, sei zu berücksichtigen, dass sie sich Anfang Oktober 2016 wegen des sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustandes und der zunehmenden Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter an den geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten gewandt habe. Sie habe diesem erläutert, dass sie sich teilweise auch aus dem Betrieb heraus um einzelne Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Organisation von Pflegen und Hilfen, kümmern müsse. Dieser habe hierfür Verständnis gezeigt und erklärt, dies sei kein Problem. Sie solle sich um die entsprechenden Angelegenheiten kümmern; wichtig sei nur, dass die Erledigung ihrer Arbeit hierunter nicht leide.

Die automatische Bildschirmsperre habe bis zum 8. Dezember 2016 an ihrem Dienstrechner einwandfrei funktioniert und sei von ihr auch regelmäßig genutzt worden. Ihr sei aufgrund ihrer Funktion erläutert worden, dass sie ihren Rechner bzw. Bildschirm durch diese Sperre schützen möge. Als die Bildschirmsperre am 8. Dezember 2016 nicht funktioniert habe, habe sie sich an den IT-Administrator gewandt.

Die Klägerin hat die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bestritten.

Sie war der Ansicht, die Anhörung des Betriebsrats leide bereits darunter, dass dem Betriebsrat offenbar fehlerhaft mitgeteilt worden sei, sie habe Kenntnis von den IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen und deren Geltung bestätigt, und auch darunter, dass dem Betriebsrat entgegen der vertraglichen Regelung mitgeteilt worden sei, sie habe sich an feste Arbeitszeiten zu halten und während dieser Arbeitszeiten Privattätigkeiten an ihrem Rechner verrichtet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Januar 2017 nicht aufgelöst wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.200,– EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.400,– EUR brutto seit dem 1. Februar 2017, aus weiteren 6.400,– EUR brutto seit dem 1. März 2017 und aus 6.400,– EUR brutto seit dem 1. April 2017 abzüglich am 7. März 2017 gezahlter 1.255,69 EUR netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,

bei ihr hätten IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen (vgl. Bl. 72 ff. d. A.), insbesondere eine IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung „1.03 E-Mail, Internet, Telefonie und Kameras“ Geltung. Die Existenz der IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen sei bei ihr allseits bekannt, was erst Recht für ihre Führungsmitarbeiter gelte. Aus der IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung „1.03 E-Mail, Internet, Telefonie und Kameras“ ergebe sich, dass sämtliche Internetdienste und E-Mail ausschließlich nur dienstlich genutzt werden dürften, dasselbe gelte für die Telefonie.

Die Klägerin habe ihre Arbeitszeit regelmäßig in der Zeit von 7.30 Uhr bis 16.45 Uhr zu erbringen gehabt, die Mittagspause sei jeweils von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr gewesen. Während ihrer Einarbeitungszeit durch den ehemaligen Leiter des Finanz- und Rechnungswesens, Herrn T., bis Ende Juli 2016 habe die Klägerin diese Arbeitszeiten auch regelmäßig eingehalten.

Anlässlich der Überprüfung des Prüfberichts der X. AG vom 9. Januar 2017 hätten die Mitarbeiter W. und Z. sämtliche Dateien/Dokumente in diesem Bericht, die eindeutig privater Natur gewesen seien, mit einem „X“ gekennzeichnet; die mit einem Haken gekennzeichneten Dateien/Dokumente seien eindeutig dienstlicher Natur. Bei den mit einem Fragezeichen versehenen Dateien/Dokumenten sei eine eindeutige Zuordnung nicht möglich gewesen. Die private Natur der Dateien/Dokumente ergebe sich zum Teil schon aus ihrer Bezeichnung in dem Prüfbericht. Zum Teil seien die Dokumente noch auf dem PC vorhanden gewesen und hätten von ihren Mitarbeitern eingesehen werden können. In Zweifelsfällen hätten beide Mitarbeiter Rücksprache mit der Finanzbuchhaltung gehalten, um eindeutige Zuordnungen (etwa zu ihren Kunden oder in Abgrenzung zu solchen Kunden) vornehmen zu können. Es habe sich bei den mit „X“ gekennzeichneten Dateien um verschiedenste Dokumente gehandelt, die ganz offensichtlich mit den buchhalterischen Nebentätigkeiten der Klägerin zusammenhängen würden (Bilanzunterlagen von Kunden der Klägerin, Vertragsunterlagen, Zahlungsbelege, Bankunterlagen, Tanklisten, Abschlagsrechnungen, Kontoaufstellungen etc.).

Aus der Aufstellung im Prüfbericht ergebe sich bei dem sogenannten Adobe Reader, dass die Klägerin 17 Dateien auf ihrem Dienstcomputer gespeichert habe, die alle ausschließlich privater Natur gewesen seien. Dies würden auch schon die Datei-Bezeichnungen in der Aufstellung (Tanken, Parken, REWE, Konten, Zinsen, S., etc.) belegen. Für den Bereich „Word“ ergebe sich, dass die Klägerin 10 private Dokumente verwendet habe. Aus der Übersicht „Excel“ ergebe sich, dass die Klägerin zwei private Dateien in Excel gespeichert und bearbeitet habe, nämlich am 15. Dezember 2016, 8.53 Uhr (Dokumentenbezeichnung: Falscher Typ MIS) und am 19. Dezember 2016, 7.14 Uhr (Dokumentenbezeichnung: „Arbeitszeit“). Die Überprüfung des E-Mail-Accounts der Klägerin habe ergeben, dass diese Unterlagen von ihrem dienstlichen E-Mail-Account an ihre private E-Mail-Adresse versendet habe, wobei es sich überwiegend um Unterlagen im Zusammenhang mit ihrer Nebentätigkeit als Buchhalterin gehandelt habe. Bereits der Umstand, dass dabei lediglich das letzte Öffnen und Schließen des jeweiligen Dokuments habe festgestellt werden können, belege eine erhebliche und vor allem systematische Privattätigkeit der Klägerin. Zudem sei ohne weiteres davon auszugehen, dass die Klägerin die Dokumente weit häufiger geöffnet und bearbeitet habe. Zusätzlich zu der unerlaubten Privattätigkeit trete insbesondere noch die Gefahr einer Virenverseuchung des gesamten Computersystems hinzu.

Des Weiteren ergebe sich aus einer von der Kollegin der Klägerin aus der Finanzbuchhaltung R. Q. auf Bitten der Geschäftsleitung erstellten Aufstellung (Kopie Bl. 157 ff. d. A.) insbesondere, dass sich die Privattelefonate der Klägerin jedenfalls ab etwa Mitte Oktober 2016 massiv gehäuft hätten, was die Zeugin Q., die in unmittelbar angrenzenden Räumen gesessen habe, habe wahrnehmen können. Die Privattelefonate mit Ärzten, Krankenkasse, Reha-Einrichtungen etc. schätze Frau Q. auf einen Umfang von mindestens zwei Stunden pro Tag. Hinzugekommen seien auch Privattelefonate, die im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit der Klägerin als Buchhalterin gestanden hätten. Ab Anfang Oktober 2016 habe die Klägerin ihre Arbeitspflichten in immer größerem Umfange vernachlässigt, was auch zu vermehrten Fehl- und Schlechtleistungen geführt hätten. Diese seien dann auch der Grund für den Ausspruch der ordentlichen Kündigung im Dezember 2016 gewesen.

Zwar habe die Klägerin in der Tat mit Herrn Dr. C .über die Situation ihrer Mutter gesprochen. Dieser habe aber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, sie circa zwei bis drei Tage freizustellen, um Formalitäten im Zusammenhang mit dem Pflegeaufenthalt der Mutter zu klären und den Umzug zu organisieren. Weitere Absprachen habe es nicht gegeben. Dieses Angebot habe die Klägerin indessen nicht angenommen.

Am 8. Dezember 2016 habe die Klägerin zum ersten Mal gezielt bei dem IT-Administrator W. die Funktion der automatischen Bildschirmsperre angefragt und im Anschluss die automatische Bildschirmsperre aktiviert, wobei sie bei jedem Verlassen ihres Arbeitsplatzes gezielt den Desktop gesperrt habe, was ein sehr ungewöhnlicher Vorgang in ihrem Betrieb sei.

Die Klägerin habe über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Arbeitszeiten nicht eingehalten, indem sie bereits ab September 2016 statt um 16.45 Uhr um 16.00 Uhr den Betrieb verlassen habe, freitags sogar regelmäßig um 14.00 Uhr.

Die Klägerin habe ihre besondere Vertrauensposition, in der sie sich als Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens, als Prokuristin und als Mitglied der erweiterten Geschäftsführung befunden habe, missbraucht, um in erheblichem Umfang Arbeitspflichtverletzungen zu begehen.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Januar 2017 nicht außerordentlich fristlos aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. März 2017 fortbestanden hat. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 19.200,00 € brutto nebst Zinsen abzüglich gezahlter 1.255,69 € netto zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, soweit die Beklagte der Klägerin vorwerfe, sie habe gegen eine ihr bekannte Arbeitsanweisung in der IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung verstoßen, wonach das Internet und seine Dienste ausschließlich zu dienstlichen Zwecken genutzt werden dürften, wozu auch die Nutzung von E-Mail-Verfahren zähle und jegliche private Nutzung auch in der arbeitsfreien Zeit oder in den Pausen unzulässig sei (Ziffer 3 der IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung – 1.03 E-Mail, Internet, Telefonie und Kameras) und wonach dienstlich bereitgestellte Telefone ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zu verwenden seien und Privatgespräche grundsätzlich untersagt seien (vgl. Ziffer 14 dieser Richtlinie), sehe es die Kammer zunächst nicht als erwiesen an, dass die Klägerin Kenntnis von dieser IT-Richtlinie gehabt habe. Allerdings habe die Klägerin selbst bei Unkenntnis der IT-Richtlinie nicht annehmen dürfen, dass die private Internetnutzung zulässig sei. Um eine Pflichtwidrigkeit zu vermeiden, müsse sich der Arbeitnehmer vielmehr vor einer Privatnutzung die Zustimmung des Arbeitgebers einholen. Eine abschließende Bewertung der Ergebnisse des Prüfberichts der X. AG vom 9. Januar 2016 lasse nicht den Rückschluss zu, dass diese derart gravierend gewesen seien, dass durch Ausspruch der streitgegenständlichen außerordentlichen und fristlosen Kündigung die Beklagte adäquat reagiert habe. Die Zahlungsklage sei wie beantragt gemäß §§ 615, 293 ff. BGB begründet. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach (Bl. 245 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 9. August 2017 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am Montag, 11. September 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 9. November 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag innerhalb der durch Beschluss vom 10. Oktober 2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 8. Februar 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 283 ff., 347 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

die Arbeitspflichtverletzungen der Klägerin rechtfertigten eine außerordentliche Kündigung. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Ihre Feststellungen belegten, dass die Klägerin auch außerhalb ihrer Mittagspausen und zeitlich nach dem betriebsüblichen Arbeitsbeginn und sowie vor dem betriebsüblichen Arbeitsende private bzw. im Zusammenhang mit ihrer Nebentätigkeit stehende Dateien und Dokumente bearbeitet und ihren dienstlichen E-Mail-Account und Internetzugang hierfür genutzt habe. Dies lasse sich anhand der von der X. AG auf dem Rechner der Klägerin festgestellten Dateiaufrufe feststellen, zu denen die Mitarbeiter Christian W. und V. Z. festgestellt hätten, dass die Dateien keinerlei dienstlichen Bezug hätten. Diese Aufstellung zeige, dass die Klägerin mitunter sogar mehrmals an einem Tag (beispielsweise am 8. Dezember 2016, 15. Dezember 2016 und 16. Dezember 2016) während ihrer Arbeitszeit Dokumente und Dateien bearbeitet habe, welche nicht im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für sie stünden und folglich der Klägerin zuzuordnen seien. Insbesondere habe sie am 8. Dezember 2016 auf ihrem privaten Briefkopf zunächst um 8.06 Uhr an einer Word-Datei gearbeitet und sodann erneut um 9.10 Uhr. Am Vormittag des 13. September 2016 habe sie die Arbeiten des Vortages an der Datei „Build Ing Invest 2016.csv“ fortgeführt.

Aus einem sogenannten Eventlog (Ereignisanzeige), welcher die Ein- und Ausschaltzeiten des von der Klägerin genutzten PCs dokumentiere, ergäben sich die individuellen Arbeitszeiten der Klägerin.

Unwahrscheinlich sei, dass die Privatnutzung jeweils nur wenige Sekunden beansprucht habe, insbesondere, dass beispielsweise beim E-Mail-Versand eines privaten Dokuments keine Vorbereitungsarbeiten (Dokument bearbeiten, einscannen etc.) erfolgt seien. Hinzukämen die „gedanklichen“ Vor- und Nachbearbeitungsarbeiten. Im Übrigen lasse sich durch die weitere Auswertung des Eventlog, aus der jedenfalls teilweise die bearbeiteten Dokumente und Dateien hervorgingen, belegen, dass die Bearbeitung privater Dateien durchaus längere Zeiten beansprucht habe bzw. Dokumente bearbeitet worden seien, bevor sie per E-Mail verschickt worden seien. Aufgezeichnet würden unter anderem auch die Zeiten und Daten, zu denen das jeweilige Programm den Nutzer frage, ob eine Datei gespeichert werden solle. Das sei immer dann der Fall, wenn eine in einem Bearbeitungsprogramm veränderte Datei ohne vorheriges Speichern vom Benutzer geschlossen werden solle. Folglich müsse eine Datei bereits zuvor angelegt, bearbeitet oder geändert und anschließend geschlossen worden sein. Aufgezeichnet würden dabei nicht solche Dateien, die über die Funktion „Speichern“ oder „Speichern unter“ durch den Nutzer gespeichert und sodann ohne erneute Änderung geschlossen worden seien. Es handele sich bei den so im Eventlog verzeichneten Dateien oder Dokumenten, die entweder auf einem externen Datenspeicher (USB-Stick) gespeichert oder gelöscht worden seien oder aus einer externen Quelle wie dem Internet oder einem privaten E-Mail-Account stammten und somit der Privatnutzung der Klägerin zuzuordnen seien, um deutlich mehr Dateien als bislang vorgetragen. Hinsichtlich dieser Dateien und des Datums sowie der geloggten Uhrzeit wird auf die Aufstellung der Beklagten auf Bl. 10 ff. des Schriftsatzes vom 9. November 2017 (Bl. 292 ff. d. A.) Bezug genommen. Zeichne das Computersystem die Frage nach der Speicherung innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehrfach auf und sei davon jeweils dieselbe Datei betroffen, so lasse sich darüber jedenfalls mittelbar die Bearbeitungsdauer dieser Datei erkennen.

Die Klägerin habe die ihr vorgegebene Arbeitszeit (7.30 Uhr bis 16.45 Uhr bzw. freitags bis 15.45 Uhr mit einer Mittagspause von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr) regelmäßig nicht eingehalten. So sei sie in der Regel spätestens um 16.00 Uhr und freitags um 14.00 Uhr gegangen. Selbst wenn der Klägerin keine Arbeitszeiten vorgegeben worden sein sollten, was nicht zutreffe, so sei die Klägerin gemäß Arbeitsvertrag jedenfalls verpflichtet, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden einzuhalten. Die Klägerin habe aber regelmäßig wöchentlich lediglich etwa 35 Stunden gearbeitet. Die Computerein- und -ausschaltzeiten seien auch mit Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Klägerin gleichzusetzen. Für die Klägerin als Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens sei der Computerarbeitsplatz essentiell gewesen.

Weitere Vergütungszahlungen in Höhe von fast drei Monatsgehältern nach einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von nur 9 Monaten seien ihr nicht zuzumuten. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass die im Arbeitsvertrag der Klägerin vereinbarte Kündigungsfrist von den gesetzlichen Kündigungsfristen abweiche und somit verlängert worden sei.

Eine Abmahnung der Klägerin vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung sei nicht erforderlich gewesen. In Anbetracht des Umfangs der Pflichtverletzungen habe die Klägerin nicht davon ausgehen können und dürfen, dass ihr Verhalten vom Arbeitgeber hingenommen oder zunächst nur mit einer Abmahnung „sanktioniert“ werden würde. Ihr sei nicht zuzumuten gewesen, den Ablauf des Arbeitsverhältnisses mit Ende der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. März 2017 abzuwarten, zumal sie bei Kündigungsausspruch auch nicht habe davon ausgehen können, dass die ursprüngliche ordentliche Kündigung vom 29. Dezember 2016 von der Klägerin nicht angegriffen werden würde. Dem stehe auch nicht die zuvor erklärte ordentliche Kündigung bzw. Freistellung bis zum Beschäftigungsende und die daraus resultierende mangelnde Wiederholungsgefahr entgegen.

Die Daten unterlägen hier auch keinem Beweisverwertungsverbot. Sie habe vorliegend den Verdacht einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis in Form des Arbeitszeitbetruges gehabt. Um diesem Verdacht weiter nachgehen zu können, sei eine Auswertung des Dienstcomputers der Klägerin erforderlich gewesen, der zum einen die Ein- und Ausschaltzeiten und somit Arbeitsbeginn und -ende der Klägerin und zum anderen die privaten Dateien und Dokumente bzw. deren Bearbeitungsdauer aufzeichne und dokumentiere. Die Auswertung des Computers der Klägerin sei vorliegend auch verhältnismäßig gewesen.

Die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung der Klägerin sei ordnungsgemäß gewesen. Unabhängig davon komme es auf eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung für die Wirksamkeit der Kündigung gar nicht an. Die Klägerin sei mit Prokura ausgestattet gewesen und habe zum erweiterten Kreis der Geschäftsleitung gehört, sei mithin leitende Angestellte im Sinn des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen.

Demzufolge bestehe auch kein Vergütungsanspruch der Klägerin.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. Juni 2017, Az. 5 Ca 76/17, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 5 Ca 76/17, vom 2. Juni 2017 zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 4. Januar 2018 sowie des Schriftsatzes vom 16. Februar 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 328 ff., 367 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Der Hinweis der Beklagten, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung die Ausschlussfrist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei schon deshalb unbeachtlich, weil sie bereits zuvor Anfang Januar 2017 anlässlich der Abholung privater Gegenstände bekundet habe, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2017 nicht angreifen zu wollen.

Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses sei es ihr Anliegen gewesen, nicht zuletzt wegen ihrer persönlichen Situation und der relativ langen Wegezeiten vom Wohnort zum Arbeitsplatz eine sog. „Vertrauensarbeitszeit“ zu vereinbaren. Dies ergebe sich dann auch explizit aus § 2 Abs. 1 S. 2 des Arbeitsvertrages. Es habe auch keine betriebsüblichen Arbeitszeiten bei der Beklagten gegeben, an die sie sich zu halten gehabt habe. Sie habe ihre Arbeitszeiten zuletzt (auch) auf die Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter ausrichten müssen.

Eine übermäßige und völlig unangemessene Privatnutzung des E-Mail-Accounts und des Internets durch Bearbeitung und Versendung von Dateien bzw. Dokumenten vermöge die Beklagte nicht darzulegen.

Im Übrigen verstoße eine Auswertung des Dateninhalts in Bezug auf Privatdaten gegen telekommunikationsrechtliche Datenschutzvorschriften, wenn die private Nutzung von Telefon- und Internetanschlüssen des Arbeitgebers nicht ausdrücklich untersagt sei. Die so gewonnenen Daten unterlägen einem Beweisverwertungsverbot im Prozess.

Die Zeitpunkte, zu denen ihr PC an den Arbeitstagen eingeschaltet und ausgeschaltet worden sei, spiegelten nicht zwingend ihre Arbeitszeiten wider. Die Zeiten würden vorsorglich mit Nichtwissen bestritten. Daran dass sie nie eine Stunde Pause in Anspruch genommen habe, kranke die Darstellung der Beklagten, sie habe ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht eingehalten.

Die Kündigung sei auch wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Sie sei keine leitende Angestellte im Sinn des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen. Sie sei nach Arbeitsvertrag und Stellung im Betrieb nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmer berechtigt gewesen. Die ihr erteilte Prokura sei im Verhältnis zum Arbeitgeber unbedeutend gewesen.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 21. Februar 2018 (Bl. 373 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe
A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass sowohl die zulässige Feststellungsklage als auch die Zahlungsklage begründet sind.

I.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die außerordentliche und fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2016 wirksam aufgelöst worden, sondern hat bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, die mit Ausspruch der (ersten) ordentlichen Kündigung am 29. Dezember 2016 zu laufen begonnen hat, am 31. März 2017 fortbestanden. Die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2016 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für die ausgesprochene außerordentliche Kündigung.

1.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen zu prüfen (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16NZA 2017, 1179, 1180 Rz. 13; vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04NZA 2006, 98 m. w. N.). Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11NJW 2013, 104, 105 Rz. 20 m. w. N.).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 324 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11NJW 2013, 104, 105 Rz. 21 f. m. w. N.).

2.

Sowohl die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten als auch die Verrichtung von Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des dienstlichen PCs als auch ausufernde Privattelefonate während der Arbeitszeit können an sich einen wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

Bei einer privaten Internetnutzung ebenso wie Privattelefonaten oder der Verrichtung von Neben- und privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche (Hauptleistungs-) Pflicht zur Arbeit, insbesondere wenn er hierdurch – teilweise – einer (genehmigten) Nebentätigkeit nachgeht. Private Telefonate und die private Internetnutzung während der Arbeitszeit dürfen die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04NZA 2006, 98, 99 f., Rz. 27).

Neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten ist auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ als wichtiger Grund geeignet (BAG, Urteil vom 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13NZA 2014, 1258, 1260 Rz. 19). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Seine vertraglichen Nebenpflichten verletzt der Arbeitnehmer unter anderem durch die unberechtigte Nutzung des ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses und des dienstlichen Telefonanschlusses auch insoweit als dadurch zusätzliche Kosten entstehen und damit die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein können (vgl. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04NZA 2006, 98, 99 Rz. 23).

3.

Hier hat die Klägerin ihre vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten nach Auffassung der Kammer aber nicht in so gravierendem Maß verletzt, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar wäre. Weder der Vorwurf der Nichteinhaltung der Arbeitszeiten noch derjenige der Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des dienstlichen PCs der Beklagten noch der Vorwurf der Nutzung von Telefon, dienstlichem PC und Internet der Beklagten für private Zwecke rechtfertigen nach Auffassung der Kammer allein oder zusammen betrachtet im vorliegenden Fall den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.

a) Soweit die Beklagte der Klägerin vorwirft, diese habe die Arbeitszeiten über erheblichen Zeitraum hinweg in beträchtlichem Umfang nicht eingehalten, vermag dies eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien feste Arbeitszeiten vereinbart worden sind.

Gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 des Arbeitsvertrags bestimmt die Angestellte, das heißt die Klägerin, „die Verteilung ihrer Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange selbst in eigener Verantwortung“. Etwas anderes soll nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 des Arbeitsvertrags nur dann gelten, „soweit und solange der Arbeitgeber Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (…) dauerhaft oder im Einzelfall vorgibt“. Zwar hat die Beklagte – von der Klägerin bestritten – behauptet, die Klägerin habe ihre Arbeitszeit regelmäßig in der Zeit von 7.30 Uhr bis 16.45 Uhr bzw. freitags bis 15.45 Uhr zu erbringen gehabt, die Mittagspause sei jeweils von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr gewesen. Die Beklagte hat aber nicht substantiiert vorgetragen, wann durch wen und mit welchem Inhalt mit der Klägerin Gespräche hinsichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage dauerhaft oder im Einzelfall geführt und entsprechende Vereinbarungen getroffen worden oder von Seiten der Beklagten Vorgaben erteilt worden wären.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe während ihrer Einarbeitungszeit durch den ehemaligen Leiter des Finanz- und Rechnungswesens, Herrn T., bis Ende Juli 2016 diese Arbeitszeiten auch regelmäßig eingehalten. Hieraus lässt sich weder schließen, dass die Einhaltung dieser Arbeitszeiten für die Dauer Einarbeitung, noch dass sie grundsätzlich auch darüber hinaus geschuldet war.

Auch soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die von der Klägerin bestrittene Systemaufzeichnung der Ein- und Ausschaltzeiten des von dieser verwendeten Computers behauptet, die Klägerin habe die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden nicht eingehalten, ist ihre Darlegung nicht ausreichend substantiiert. Zwar mag für die Klägerin als Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens ihr Computerarbeitsplatz essentiell gewesen sein, dennoch können die Computerein- und Ausschaltzeiten nicht ohne weiteres mit Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Klägerin gleichgesetzt werden. Außerdem berücksichtigt die Beklagte bei ihren Berechnungen eine – von der Klägerin bestrittene und auch von § 4 S. 1 ArbZG nicht in diesem Umfang vorgeschriebene – tägliche Pause von einer Stunde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 des Arbeitsvertrages die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit „im Quartalsdurchschnitt“ 40 Stunden beträgt und somit nicht in jeder Woche eine Arbeitszeit von 40 Stunden erreicht werden muss.

b) Auch die von der Beklagten behaupteten und von der Klägerin in geringem und – nach ihrer Darstellung – zu vernachlässigendem Umfang eingeräumten Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des PCs der Beklagten vermögen weder unter dem Gesichtspunkt eines Arbeitszeitbetrugs noch unter der Nutzung von Telefon, PC und Internet der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zu begründen.

Soweit die Beklagte der Klägerin die Verletzung ihrer Arbeitspflicht dadurch vorwirft, dass diese während der Arbeitszeit nicht für das Unternehmen, sondern zu sonstigen Zwecken tätig geworden sei, hat die Beklagte nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass die Klägerin ihre vereinbarte Arbeitszeit nicht erfüllt hat. Da die Beklagte nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat, dass der Klägerin Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage dauerhaft oder im Einzelfall vorgegeben waren, verletzte die Klägerin ihre Arbeitspflicht nicht bereits dadurch, dass sie in innerhalb der Zeit von 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr sowie von 13.00 Uhr bis 16.45 Uhr bzw. freitags bis 15.45 Uhr auch andere als dienstliche Tätigkeiten vorgenommen hat. Dass die Klägerin durch Privattätigkeiten zu diesen Zeiten die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden im Quartaldurchschnitt nicht erreicht hätte, hat die Beklagte ebenfalls nicht ausreichend substantiiert dargetan.

c) Aber auch die Nutzung von Telefon, PC und Internet der Beklagten durch die Kläger für private Angelegenheiten vermag nach Auffassung der Kammer keine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Nach Ziffer 3 der „IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung 1.03 E-Mail, Internet, Telefonie und Kameras“ dürfen „das Internet und seine Dienste (…) ausschließlich zu dienstlichen Zwecken genutzt werden. Hierzu zählt auch die Nutzung von E-Mail Verfahren. Jegliche private Nutzung, auch in der arbeitsfreien Zeit oder in den Pausen ist unzulässig.“ Nach Ziffer 14 dieser IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung sind auch „die dienstlich bereitgestellten Telefone (…) ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zu verwenden. Privatgespräche sind grundsätzlich untersagt. Ausnahmen in begründeten Fällen kann der jeweilige Vorgesetzte erteilen.“

Die Beklagte hat jedoch nicht dargetan, wann und in welcher Form die Klägerin Kenntnis der IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen, insbesondere der IT-Richtlinie/Arbeitsanweisung „1.03 E-Mail, Internet, Telefonie und Kameras“ und der Geltung auch für sie erlangt haben soll. Unstreitig hat die Klägerin ihre Kenntnisnahme von diesen IT-Richtlinien und den Erhalt eines Exemplars entgegen Ziffer 1 S. 2 der Arbeitsanweisung nicht schriftlich bestätigt. Dass die Klägerin von der Existenz dieser IT-Richtlinien, ihres genauen Inhalts sowie ihrer Geltung auch für sie hatte, folgt nicht aus dem pauschalen Vortrag der Beklagten, die Existenz der Richtlinien/Arbeitsanweisungen sei bei ihr allseits bekannt, was erst Recht für Führungsmitarbeiter gelte. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Klägerin erst nach Erlass dieser Richtlinien am 2. Mai 2014 in den Betrieb eingetreten ist. Der Arbeitsvertrag vom 17. Dezember 2015 enthält keinen Hinweis auf die Geltung der IT-Richtlinien/Arbeitsanweisungen. In § 17 des Anstellungsvertrages hat die Klägerin lediglich bestätigt, „eine Originalausfertigung dieses Anstellungsvertrages erhalten zu haben“. Für die Aushändigung weiterer Unterlagen im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss findet sich kein Anhaltspunkt.

Zwar ist auch grundsätzlich jedenfalls die intensive private Nutzung von betrieblichen Telekommunikationsmitteln ohne ausdrückliche Gestattung – oder jedenfalls Duldung – des Arbeitgebers grundsätzlich nicht erlaubt. Allenfalls vermag eine kurzfristige private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit allgemein gerade noch als hinnehmbar angesehen werden, wenn keine ausdrücklichen betrieblichen Verbote zur privaten Nutzung existieren. Bei einer exzessiven privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit lässt sich aber nicht mehr von einem „sozialadäquaten“ Verhalten sprechen (vgl. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04NZA 2006, 98, 100 Rz. 32). Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang („ausschweifend“) privat, kann der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04NZA 2006, 98, 100 Rz. 36).

Bei den durch die Beklagte vorgetragenen Verstößen handelt es sich nach Auffassung der Kammer nach ihrer – von der Beklagten dargelegten – Art und ihrem Umfang noch um keine derart exzessive Privatnutzung, die im vorliegenden Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Es kann daher dahinstehen, ob die Ergebnisse des Prüfberichtes der X. AG vom 9. Januar 2016 prozessual verwertbar sind.

Zwar hat die Klägerin nach dem – streitigen – Vortrag der Beklagten den ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten PC an einer Vielzahl von Tagen im Zeitraum vom 19. Mai 2016 bis zum 20. Dezember 2015 für die Speicherung privater Daten verwendet, einzelne E-Mails versendet und von einem mobilen Datenträger oder aus dem Internet bzw. einem privaten E-Mail-Account stammende einzelne private Dateien geöffnet, gespeichert oder gelöscht, so im Mai 2016 an 5 Tagen, im Juni 2016 an 8 Tagen, im Juli 2016 an 11 Tagen, im August 2016 an einem Tag, im September 2016 an 15 Tagen, im Oktober 2016 an 9 Tagen, im November 2016 an 7 Tagen und in der Zeit vom 1. bis einschließlich 20. Dezember 2016 an 6 Tagen. Die Beklagte hat jedoch nur dargelegt, welche Dateien auf dem dienstlichen PC der Klägerin am 6. Januar 2017 noch vorhanden waren sowie zu welchen Zeiten das jeweilige Programm die Klägerin als Nutzerin gefragt habe, ob eine – von ihr nicht zuvor über die Funktion „Speichern“ oder „Speichern unter“ gespeicherte – Datei habe vor dem Schließen gespeichert werden sollen. Über die Art und den Umfang der Bearbeitung vor dem Schließen der jeweiligen Datei hat die Beklagte jedoch nur Vermutungen angestellt. Soweit sie darauf verweist, dass an einzelnen Tagen mehrfach das Speichern der Datei abgefragt worden sei, bedeutet dies nicht, dass die Klägerin auch in der gesamten Zwischenzeit die jeweilige Datei durchgehend aktiv bearbeitet hat.

Soweit die Beklagte die Kündigung insoweit auf einen Verdacht der übermäßigen Privatnutzung stützen möchte, hätte sie die Klägerin zu den zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorwürfen vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung anhören müssen. Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Anhörung soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. nur BAG, Urteil vom 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13NZA 2015, 741, 745 Rz. 56; vom 23. Mai 2013 – 2 AZR 102/12NZA 2013, 1416, 1418 Rz. 31, jeweils m. w. N.).

Auch aus der von der Mitarbeiterin Q. angefertigten Liste der von der Klägerin angeblich geführten Privattelefonate ergibt sich keine exzessive Privatnutzung. Wie das Arbeitsgericht insoweit zu Recht ausgeführt hat, ist der entsprechende Vorwurf seitens der Beklagten, die Klägerin habe massiv Privattelefonate geführt, nicht einem Beweis zugänglich. Eine schriftsätzliche Darstellung, wann die Klägerin in welchem zeitlichen Umfang private Telefonate welchen Umfangs geführt haben soll, fehlt. Die – von dieser so genannten – „genauen“ Aufzeichnungen der Zeugin Q. (Kopie Bl. 157 ff. d. A.) beginnen mit dem 4. November 2016 und enthalten hinsichtlich der Zeit vor dem 11. November 2016 lediglich den Vermerk „Vor dem 11.11.2016 häuften sich die Telefonate extrem auf Grund der Problematik mit ihrer Mutter“. Insoweit bleibt völlig offen, was die Zeugin Q. und – mit ihr – die Beklagte unter einer extremen Häufung von Telefonaten verstehen. Hinsichtlich ihrer Dauer findet sich kein Hinweis. Der nächste Eintrag befindet sich zum 6. Dezember 2016 mit dem Inhalt „Etliche Telefonate Arzt (Rezept/Plan für Krankenhaustransport“. Auch insoweit ist im Einzelnen unklar, was „etliche“ Telefonate sind, wie lang diese dauerten und ob diese während der Arbeitszeit stattfanden. Nichts anderes gilt für den 8. Dezember 2016, für den die Zeugin „Etliche betr. Mutter / 2 Mandanten“ notiert hat. Auch für den 9. Dezember 2016 hat die Zeugin lediglich „Etliche betr. Mutter“ notiert. Für die Tage 12., 14. 15., 20. Und 21.Dezember 2016 hat die Zeugin wiederum nur angeben: „Anzahl 3“ (12. Dezember), „Anzahl 7, 1 x von 12.50 – 13.20 Uhr“ (14. Dezember), „Nach Krankengymnastik etliche Telefonate (Anzahl mind. 4)“ (15. Dezember), „Anzahl: 5“ (21. Dezember) sowie „Anzahl 4“ (22. Dezember). Soweit die Zeugin zusammenfassend als „Inhalt Private Telefonate“ angegeben hat: „Mandanten/Steuererklärungen/Gehaltsabrechnungen, Mutter (Rollstuhl/Treppenlift/Pflegeheim/Klostuhl/Pflegestufe), 45/46 KW Zugeberbindung für Familienangehörigen“, lassen sich diese Inhalte den einzelnen Telefonaten nicht zuordnen.

Der Beweisantritt der Beklagten war bereits deshalb unzulässig, weil die Vernehmung der Zeugin R. Q. einen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsache fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gem. § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung auf Grund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG, Urteil vom 25. März 2015 – 5 AZR 368/13NZA 2015, 877, 879 Rz. 23; vom 15. Dezember 1999 – 5 AZR 566/98NZA 2000, 447, 448 m. w. N.). Danach war der Beweisantritt der Beklagten insoweit unbeachtlich.

Soweit die Beklagte auf die Gefahr einer Virenverseuchung ihres gesamten Computersystems hingewiesen hat, da die Klägerin über externe Datenträger Dokumente auf den Dienst-PC übertragen und dort bearbeitet habe, hat sich eine solche Gefahr nach dem Vortrag der Parteien nicht verwirklicht. Ein konkreter Schadenseintritt ist von der Beklagten nicht behauptet worden.

Auch die Entstehung zusätzlicher Kosten durch die Privatnutzung von Telefon und Internet durch die Klägerin hat die Beklagte nicht dargelegt.

d) Die von der Klägerin unstreitig gestellte Nutzung des dienstlichen PCs, des Internets und des Telefons der Beklagten vermag im vorliegenden Einzelfall ebenfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte nicht rechtfertigen. Dabei kann dahin stehen, ob die Privatnutzung im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit der Mutter vom Geschäftsführer ausdrücklich genehmigt worden ist, soweit sich die Privatnutzung im zeitlichen Umfang an den betrieblichen Belangen orientierte und die Erfüllung der Arbeitspflichten der Klägerin nicht beeinträchtigt hat. Das Verhalten der Klägerin wiegt den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Beklagten – auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen – ein Festhalten am Arbeitsverhältnis zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre.

Dabei hat die Kammer das Lebensalter der Klägerin, ihre herausgehobene Stellung als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen mit (Gesamt-) Prokura, den vergleichsweise kurzen Bestand des Arbeitsverhältnisses seit dem 1. April 2016 sowie die vertraglich beiderseits verlängerte ordentliche Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit von 3 Monaten zum Monatsende berücksichtigt. Hierdurch entstehen zu Lasten der Beklagten Vergütungs- bzw. Annahmeverzugsvergütungsansprüche in Höhe von 6.400,00 € brutto monatlich nach einem Bestand des Arbeitverhältnisses von nur circa 9,5 Monaten. In diesem Zusammenhang war aber auch zu bedenken, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung bereits zum 31. März 2017 wegen vermehrten Fehl- und Schlechtleistungen ordentlich gekündigt war. Zwar lief insoweit noch wenige Tage die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage (§ 4 S. 1 KSchG), die Klägerin hatte jedoch bereits am 2. Januar 2017 in Absprache mit der Personalleiterin ihren Arbeitsplatz geräumt. Die ihr erteilte Gesamtprokura war mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 seitens der Beklagten widerrufen worden. Ebenfalls war die Klägerin von der Beklagten bereits mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 bis zum 31. März 2017 unwiderruflich freigestellt worden. Angesichts dieser Freistellung der Klägerin musste die Beklagte mit weiteren gleichartigen Vertragsverletzungen seitens der Klägerin – jedenfalls zunächst – nicht mehr rechnen. Die Nebentätigkeit der Klägerin als Buchhalterin war der Beklagten bekannt und von dieser arbeitsvertraglich genauso genehmigt wie eine Beteiligung der Klägerin an einem Zahntechniklabor. Hinsichtlich der vorgeworfenen Telefonate zur Organisation der Pflege der Mutter der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass diese teilweise nicht vor dem von der Beklagten behaupteten Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr und nach dem von der Beklagten behaupteten Arbeitsende um 16.45 Uhr erfolgversprechend geführt werden können. Die grundsätzliche Notwendigkeit hat nach dem Vortrag der Beklagten auch ihr Geschäftsführer Herr Dr. C. gesehen, als er der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt hat, sie zwei bis drei Tage freizustellen, um Formalitäten im Zusammenhang mit dem Pflegeaufenthalt der Mutter zu klären und den Umzug zu organisieren.

Das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – zumindest bis zum 31.März 2017 überwiegt daher insgesamt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

4.

Auf die Frage, ob die Klägerin keine leitende Angestellte im Sinn des BetrVG ist und damit der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung angehört werden musste und ob diese Anhörung gegebenenfalls ordnungsgemäß erfolgt ist, kam es daher nicht mehr an.

II.

Im Hinblick auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2017 hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung von insgesamt 19.200,00 € brutto (3 x 6.400,- €) für die Monate Januar bis März 2017 abzüglich der am 7. März 2017 von der Beklagten gezahlten 1.255,59 € netto gemäß §§ 611 Abs. 1, 615, 293 ff. BGB nebst Zinsen.

Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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