Zur Frage der Erstattung von Polizeikosten für ein entlaufenes Pony

VG Trier, Urteil v. 26.06.2012 – 1 K 387/12.TR

Zur Frage der Erstattung von Polizeikosten für ein entlaufenes Pony

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Anforderung von Kosten für einen polizeilichen Einsatz.

Der Kläger ist Halter von mehreren Ponys. Am 31. Januar 2012 machte ein Pkw-Fahrer um 9.15 Uhr Mitteilung, dass unmittelbar neben der B 51 im Bereich Helenenberg/Schwarzkreuz Ponys umherliefen. Hierauf begaben sich zwei Polizeibeamte vor Ort. Unterwegs verständigten sie den Kläger, den sie als Tierhalter vermuteten. Der Kläger sagte zu, umgehend zu kommen. Gegen 10.20 Uhr wurden die Tiere gesichtet und mit dem Streifenwagen in Richtung Schwarzkreuz getrieben. Dort wurden sie vom Kläger verladen.

Mit Bescheid vom 5. März 2012 forderte der Beklagte von dem Kläger Gebühren und Auslagen für den Einsatz in Höhe von 208,94 Euro an. Als Halter der Ponys sei er Verantwortlicher im Sinne der polizeirechtlichen Bestimmungen. Die Absicherung der Gefahrenstelle habe auch sofort durchgeführt werden müssen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass ursächlich für die Gefahr ein abgebrochener Ast gewesen sei, der von einem Baum des Nachbargrundstücks herabgefallen sei. Dieser habe die Einfriedung der Pferdewiese zerstört. Noch kurz vor dem Vorfall habe er die Funktionstüchtigkeit der mit Breitbandelektrodraht hütesicher eingefriedeten Pferdewiese überprüft. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften trete eine Verantwortlichkeit nicht ein, wenn der Tierhalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den einschlägigen rechtlichen Vorschriften seien die Gebühren zu erheben gewesen. Die Polizeibeamten hätten zunächst den Verkehrswarnfunk benachrichtigt, dann die entlaufenen Tiere gesucht und zurückgetrieben. Dies sei zur Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich und unaufschiebbar gewesen. Dabei sei von besonderer Bedeutung, dass es sich bei der B 51 um eine stark befahrene und gefährliche Straße handele. Der Kläger sei nach den polizeirechtlichen Vorschriften verantwortlich. Die polizeirechtliche Verantwortlichkeit sei verschuldensunabhängig. Die zivilrechtlichen Vorschriften fänden keine Anwendung. Von daher sei es unerheblich, dass gegebenenfalls die Einfriedung durch einen herabstürzenden Ast beschädigt worden sei. Die Inanspruchnahme des Klägers sei vorliegend zweckmäßig, da er als verantwortlicher Tierhalter unstreitig feststehe und die unmittelbare Gefahr von den Tieren ausgegangen sei. Um eventuell den Nachbarn in Anspruch nehmen zu können, hätten weitere Ermittlungen angestellt werden müssen, die zu der Gebührenhöhe in keinem Verhältnis gestanden hätten. Auch sei es so, dass Tiere des Klägers wiederholt ausgebrochen seien und dies Polizeieinsätze notwendig gemacht habe. Von der Kostenerhebung sei auch nicht aus Billigkeitsgründen abzusehen.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zu deren Begründung trägt er vor, der Bescheid verstoße gegen geltendes Recht. In den Bescheiden werde eine grundsätzliche Verantwortlichkeit des Tierhalters angenommen. Das Gesetz stelle jedoch auf die Verantwortlichkeit im Sinne eines Verschuldens ab. Hier sei die Gefahr durch einen herabstürzenden Ast verursacht worden. Die vor Ort anwesenden Polizeibeamten hätten sich für die Verursachung der Gefahr überhaupt nicht interessiert. Dabei sei schon von weitem gut sichtbar gewesen, dass der abgebrochene Ast des Nachbarbaumes den Weidezaun unter sich begraben habe. Das sei von der Straße ohne weiteres erkennbar gewesen. Es sei auch so, dass die Polizei grundsätzlich nur dann Kosten erhebe, wenn der betreffende Kostenschuldner die Gefahr auch verursacht habe.

Er beantragt,
den Bescheid vom 5. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags bezieht er sich auf die in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid gemachten Ausführungen. Ergänzend weist er nochmals darauf hin, dass die zivilrechtlichen Vorschriften keine Anwendung fänden und die polizeirechtliche Verantwortlichkeit unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens sei. Es sei auch nicht so, dass grundsätzlich nur im Falle eines Verschuldens Kosten geltend gemacht würden. Tatsächlich seien in einer hohen Zahl von gleich gelagerten Fällen Kostenbescheide ergangen. Die Kosten würden regelmäßig erhoben, insbesondere auch dann, wenn unklar sei, warum die Tiere frei herumgelaufen seien.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist zulässig, sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat von dem Kläger für den Polizeieinsatz zu Recht Kosten in der konkreten Höhe angefordert.

Die Gebührenfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 und 4, 10 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Landesgebührengesetz – LGebG – in Verbindung mit der Landesverordnung über die Gebühren der allgemeinen und inneren Verwaltung einschließlich der Polizeiverwaltung (Besonderes Gebührenverzeichnis) in der hier maßgeblichen Fassung vom 09. September 2011 (GVBl. S. 353).

Gemäß § 2 Abs. 1 LGebG, wonach die staatlichen Behörden für Amtshandlungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornehmen, und § 1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses, der vorsieht, dass für Amtshandlungen und öffentlich-rechtlich Dienstleistungen der allgemeinen und inneren Verwaltung einschließlich der Polizeiverwaltung Gebühren nach dem Besonderen Gebührenverzeichnis erhoben werden, in Verbindung mit der laufenden Nr. 14.1 des Besonderen Gebührenverzeichnisses sind bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme zur Gefahrenabwehr Gebühren in Höhe von 25,- Euro bis 5.110,- Euro zu erheben.

Diese Vorschriften sind rechtmäßig (früher a.A.: VG Mainz, Urteil vom 3. März 2005 -1 K 747/04.MZ-). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz hat hierzu in seinem Urteil vom 25. August 2005 (12 A 10619/05.OVG) zutreffend ausgeführt:

„Der Gebührentatbestand der lfd. Nr. 14.1 der Anlage zum Besonderen Gebührenverzeichnis ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wirksam und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Zwar gilt das Landesgebührengesetz – und damit auch auf ihm beruhende Rechtsverordnungen – nach dessen § 1 Abs. 2 Nr. 2 nicht, soweit Kosten Gegenstand besonderer Regelung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes sind. Eine solche besondere Regelung liegt hier aber nicht vor. § 6 Abs. 2 Satz 1 POG trifft keine abschließende Bestimmung über die Kostenerstattung bei unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei. Bereits nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nur für die Kosten der unmittelbaren Ausführung ansich. Damit erfasst sie lediglich solche Kosten, die ohne die unmittelbare Ausführung der Maßnahme nicht angefallen wären und sich rechnerisch ohne weiteres von den allgemeinen Sach- und Personalkosten der Verwaltung sondern, also deutlich abgrenzen, lassen (vgl. hierzu bereits OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Januar 1989 – 7 A 40/88.OVG -). Um solche Kosten geht es hier jedoch nicht. Vielmehr macht der Beklagte Sach- und Personalkosten geltend, die als so genannte Sowieso-Kosten gerade nicht vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 Satz 1 POG erfasst werden. Er wird damit zugleich dem Gedanken einer Gleichbehandlung gerecht. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass eine Pflicht der verantwortlichen Person zur Kostenerstattung nur dann besteht, wenn die Polizei sich eines Dritten zur unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme bedient, während eine solche bei einem Tätigwerden der Polizei mit eigenem Personal und eigenen Sachmitteln ausgeschlossen wäre. Die insoweit bestehende Lücke im Polizeikostenrecht wird durch die lfd. Nr. 14.1 der Anlage zum Besonderen Gebührenverzeichnis geschlossen. Nach dem diesem Gebührentatbestand zu Grunde liegenden Regelungszweck des Verordnungsgebers wird § 6 Abs. 2 Satz 1 POG für den Bereich der Personal- und Sachkosten mithin „ergänzt“.

Die Erhebung von Gebühren zur Abgeltung von Personal- und Sachkosten, die bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme nach § 6 Abs. 1 Satz 1 POG anfallen, ist mit allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar. Nach § 2 Abs. 1 LGebG sind Gebühren vorzusehen für Amtshandlungen, die zum Vorteil Einzelner vorgenommen werden oder wegen des Verhaltens Einzelner erforderlich sind. Bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme handelt es sich um eine Verwaltungsleistung, deren Inanspruchnahme eine Gebührenpflicht begründen kann. Gebühren werden dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung der Verwaltung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 – 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217 ). Dass die Leistung, die sich der Staat „entgelten“ lassen will, auch oder sogar in erster Linie aus Gründen des öffentlichen Wohls verlangt wird und damit zugleich oder überhaupt allgemeine öffentliche Interessen verfolgt werden, stellt die Gebührenpflicht nicht in Frage (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1994 – 4 C 1.93 , BVerwGE 95, 188 ). Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist aber, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, die Amtshandlung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen. In dieser individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Gebührenschuldners über Sonderlasten finanziert wird (std.Rspr.; vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 – 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272, 275 f., sowie Urteile des Senats vom 23. Oktober 2003 – 12 A 10918/03.OVG , vom 15. Januar 2004 – 12 A 11556/03.OVG – sowie vom 8. März 2005 – 12 C 12098/04.OVG , alle in ESOVGRP veröffentlicht). Diesen Grundsätzen wird die lfd. Nr. 14.1 der Anlage zum Besonderen Gebührenverzeichnis gerecht. Der Gebührentatbestand knüpft an die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei an, die jedenfalls auch dem Pflichtenkreis des Gebührenschuldners zuzuordnen ist. Anstelle des polizeirechtlich Verantwortlichen wird die Polizei tätig und beseitigt die eingetretene Störung.“

Die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes sind hier gegeben. Der polizeiliche Einsatz hat in dem in den Verwaltungsakten aufgelisteten Umfang stattgefunden. An der Rechtmäßigkeit des Einsatzes bestehen keine Zweifel. Die Maßnahme war trotz der Benachrichtigung des Klägers erforderlich, weil nur so eine effektive Gefahrenabwehr im Bereich einer stark befahrenen und gefährlichen Straße zu gewährleisten war.

Hier erging die Maßnahme auch im Interesse des nach § 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz – POG – verantwortlichen Klägers. Danach können im Falle einer von einem Tier ausgehenden Gefahr Maßnahmen gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden. Als Tierhalter und Eigentümer, der den Besitz nicht bewusst und ausdrücklich aufgegeben hat, war der Kläger in diesem Sinne verantwortlich. Er geht fehl in der Ansicht, dass seine kostenrechtliche Haftung nur im Falle eines Verschuldens bestehe. Hieran ändert sich auch nichts, wenn man von einem Naturereignis ausgeht. Die hier maßgeblichen Vorschriften des Polizeirechts zur Verantwortlichkeit für Tiere setzen kein Verschulden des Tierhalters voraus. Die von dem Kläger herangezogenen Bestimmungen der §§ 833 und 834 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – finden, auch nicht vom Rechtsgedanken her, keine Anwendung. Im öffentlichen Recht ist allein die effektive Gefahrenabwehr und eine angemessene und vertretbare Zurechnung der entstandenen Kosten maßgeblich. Anders als im Zivilrecht geht es hier nicht um den Ausgleich privater und damit gleichrangiger Interessen. Wegen der im Allgemeininteresse liegenden Gefahrenabwehr kann das Polizeirecht –anders als das Zivilrecht- nicht zulassen, dass eine Gefahr, auch wenn sie durch ein Naturereignis entstanden ist, nicht beseitigt wird. Es kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit anderes gelten, wenn die sog. „Opfergrenze“ überschritten wird. Solche Fälle liegen nur bei einer nicht hinnehmbaren und damit übermäßigen Inanspruchnahme vor (vgl. zu alledem: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Oktober 1997 -11 A 12542/96-, NJW 1998, 625 f.).

Hiernach ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger als Kostenschuldner ausgewählt hat. Er ist Verantwortlicher nach der oben genannten Vorschrift. Seine Inanspruchnahme ist nicht unverhältnismäßig im vorgenannten Sinn. Es geht um Kosten von nur 208,- EURO, die durch seine Tiere entstanden sind. Bei der Störerauswahl durfte der Beklagte berücksichtigen, dass der Kläger der Polizei als Verantwortlicher bekannt ist. Auch durfte der Gesichtspunkt herangezogen werden, dass es im Hinblick auf Tiere des Klägers schon mehrfach zu Polizeieinsätzen gekommen ist, was der Kläger nicht in Abrede gestellt hat.

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -. Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

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