Zur Frage der Aufrechterhaltung mit Versorgungsleistungen durch den Vermieter nach Ende des Mietvertrages

KG Berlin, Beschluss vom 16.05.2011 – 8 U 2/11

Mit Beendigung des Mietvertrages endet auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB. Bei der Prüfung der Frage, ob der Vermieter gleichwohl nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zur Versorgungsleistung verpflichtet ist, ist das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietgebrauchs gegenüber dem Interesse des Vermieters an der Einstellung der Versorgungsleistungen abzuwägen. Unerheblich ist dabei das Interesse des Vermieters auf Räumung.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den in jeder Hinsicht zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I.

2

Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

3

Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass dahingestellt bleiben kann, ob das Mietverhältnis zwischen den Parteien aufgrund Zeitablaufs oder aufgrund einer der zahlreich erklärten Kündigungen des Verfügungsbeklagten beendet worden ist. Zwar endet mit einer Beendigung des Mietvertrages auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB, aber selbst wenn der Verfügungsbeklagte aufgrund Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet sein sollte, so wäre er gleichwohl gegenüber der Verfügungsklägerin nach Treu und Glauben zur Erbringung der Versorgungsleistungen, insbesondere der Wasserversorgung verpflichtet. Diese nachvertragliche Verpflichtung ergibt sich im vorliegenden Fall aus den besonderen Belangen der Verfügungsklägerin, die entsprechend der vertraglichen Vereinbarung in den Mieträumen ein Friseurgeschäft betreibt. Da ein Friseurgeschäft ohne Wasser nicht betrieben werden kann, droht der Verfügungsklägerin bei fehlender Wasserversorgung ein besonders hoher Schaden. Die Verfügungsklägerin hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Herrn A… W… vom 1. Oktober 2010 glaubhaft gemacht, dass der weit überwiegende Anteil der von der Verfügungsklägerin angebotenen Dienstleistungen ohne Wasser nicht erbracht werden kann, so dass der Laden mangels Wasserversorgung geschlossen werden müsste und erhebliche Umsatzeinbußen entstünden. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde zwar allein den Interessen der Verfügungsklägerin dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung zur Wasserversorgung ist hier jedoch dadurch gerechtfertigt, dass sie den berechtigten Interessen des Verfügungsbeklagten nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht (vgl. insoweit BGH, BGHZ 180, 300).

4

Vorliegend verkennt der Verfügungsbeklagte, dass bei der erforderlichen Interessenabwägung nicht das Interesses an der Aufrechterhaltung des Gebrauchs gegenüber dem Interesse auf Räumung, sondern vielmehr das Interesse der Verfügungsklägerin an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung gegenüber dem Interesse des Verfügungsbeklagten an der Einstellung der Versorgungsleistungen abzuwägen ist. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, a.a.O.), der sich der Senat anschließt, insbesondere auch darauf abzustellen, ob dem Vermieter durch die Aufrechterhaltung der Versorgungsleistung trotz Vertragsbeendigung ein – weiterer – Schaden entsteht. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass dem Verfügungsbeklagten durch die Aufrechterhaltung der Wasserversorgung kein – weiterer – Schaden entsteht, da die Verfügungsklägerin aktuell keinen Mietrückstand hat und weder Betriebskostenabrechnungen oder Vorschüsse offen sind. Soweit der Verfügungsbeklagte vorträgt, die Verfügungsklägerin habe den Mietzins für den Monat Oktober 2010 nicht ausgeglichen, hat diese durch Vorlage von Kontoausdrucken im Termin am 18. November 2010 glaubhaft gemacht, dass sie die Miete für den Monat Oktober 2010 am 1. Oktober 2010 auf das Konto des Verfügungsbeklagten überwiesen hat und dass dieser am 6. Oktober 2010 den überwiesenen Betrag an die Verfügungsklägerin mit dem Vermerk “Zurückbuchung da Vertragsende 30.9.2010” zurück überwiesen hat. Der Verfügungsbeklagte befindet sich bezüglich der Miete für den Monat Oktober 2010 gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug. Die Miete für den Monat November 2010 ist zwar erst am 11. November 2010 und damit verspätet auf dem Konto des Verfügungsbeklagten eingegangen. Der hierdurch bedingte Zinsverlust ist allerdings nicht so erheblich, als dass davon ausgegangen werden müsste, dass dies den Interessen des Verfügungsbeklagten in einer Weise zuwider läuft, dass ihm hierdurch die weitere Leistung unzumutbar gemacht werden würde. Auch der Umstand, dass die Verfügungsklägerin in der Vergangenheit, nämlich in den Monaten Oktober, November und Dezember 2009 sowie in den Monaten Mai, Juni und Juli 2009 ihrer Zahlungsverpflichtung nicht pünktlich aber doch einigermaßen zeitnah nachgekommen ist, läuft den Interessen des Verfügungsbeklagten nicht in einer Weise zuwider, als dass ihm hierdurch die weitere Leistung unzumutbar gemacht werden würde, zumal er die überpünktlich gezahlte Miete für Oktober 2010 unter Hinweis auf das Mietende an die Verfügungsklägerin zurückgewiesen hat.

5

Soweit die Verfügungsbeklagte eine unerlaubte Drittüberlassung der Gewerberäume behauptet (Bd. I Bl. 155) ist ihr Vortrag vollkommen unsubstantiiert. Die aus dem Handelsregister (Bd. I Bl. 137) ersichtliche, im Wege der Sonderrechtsnachfolge eingetretene Änderung des Kommanditisten der Verfügungsklägerin hatte diese dem Verfügungsbeklagten nach Auffassung des Senates nicht gemäß § 8 Abs. 2 des Mietvertrages mitzuteilen, da diese Änderung nicht in einem wichtigen Zusammenhang mit dem Mietverhältnis steht. Jedenfalls aber ist die nicht erfolgte Anzeige von solch geringer Bedeutung, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie dem Verfügungsbeklagten eine Weiterlieferung von Wasser im Rahmen seiner nachvertraglichen Verpflichtung unzumutbar machen würde.

6

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen, ob dieser, wie von ihm behauptet, die Räume bereits zum 1. Oktober 2010 zu einem um monatlich 363,52 € höheren Mietzins vermietet hat. Der von dem Verfügungsbeklagten geltend gemachte monatliche Schaden entsteht nicht dadurch, dass er die Verfügungsklägerin weiterhin mit Wasser versorgt, sondern dadurch, dass er die Räume mangels Räumung durch die Verfügungsklägerin dem neuen Mieter nicht zur Verfügung stellen kann. Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass es dem Vermieter nicht frei steht, seinem Interesse an einer schnellen Räumung durch ein Abstellen der Versorgungsleistung zum Erfolg zu verhelfen, sondern dass bei der Prüfung, ob eine nachvertragliche Pflicht zur Versorgungsleistung besteht, darauf abzustellen ist, ob der Vermieter Gefahr läuft, auf den Kosten der Versorgungsleistung “sitzen zu bleiben”. Davon abgesehen verkennt der Verfügungsbeklagte auch, dass ihn selbst dann, wenn er keine nachvertragliche Verpflichtung zur Erbringung von Versorgungsleistungen hätte, eine Abwicklungspflicht treffen würde, die darin besteht, dem Mieter die Unterbrechung der Versorgungsleistungen so frühzeitig anzukündigen, dass dieser sich darauf einstellen kann (BGH, a.a.O.). In völliger Verkennung seiner Verpflichtungen hat der Verfügungsbeklagte das Wasser ohne jegliche Ankündigung von einem Tag auf den anderen abgestellt.

7

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag des Verfügungsbeklagten, soweit er meint, die einstweilige Verfügung vom 6. Oktober 2010 sei formell rechtsfehlerhaft ergangen, weil darin der Vortrag seiner Schutzschrift vom selben Tag, wonach die Verfügungsklägerin eigenmächtig eine Wiederherstellung der Wasserversorgung durchgeführt habe, nicht berücksichtigt worden sei. Die Verfügungsklägerin hat in ihrer Antragsschrift vom 6. Oktober 2010 selbst vorgetragen, dass sie, nachdem der Verfügungsbeklagte am 1. Oktober 2010 die Wasserversorgung unterbrochen hat, umgehend die Wasserversorgung wieder habe herstellen lassen. Selbst wenn die Verfügungsklägerin hierzu nicht berechtigt gewesen sein sollte, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Verfügungsbeklagte aufgrund seiner nachvertraglichen Verpflichtung zur Lieferung von Wasser verpflichtet ist und hiergegen sowohl am 1. Oktober, als auch am 6. Oktober 2010 verstoßen hat und damit die einstweiligen Verfügungen vom 4. Oktober 2010 und 6. Oktober 2010 zu Recht ergangen sind.

II.

8

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

III.

9

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.

IV.

10

Es ist beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 12.508,23 € festzusetzen.

Dieser Beitrag wurde unter Mietrecht abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.