LG Bochum, Urteil vom 31.08.2012 – 5 O 16/12
Zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Amtspflichtverletzung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für ihr entstandene Rechtsanwaltskosten.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T1 in Witten. Die Beklagte setzte im Rahmen einer Umgestaltung des C in Witten zwei Leuchtstelen auf das Grundstückseigentum der Klägerin.
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Am 26.09.2011 führte der Miteigentümer und Verwalter der Klägerin, Dr. T2, mit dem stellvertretenden Leiter des Planungsamtes der Beklagten, Dipl.-Ing. L, ein Telefonat. In diesem forderte Dr. T2 die Beklagte auf, die zwei Leuchtstelen zu entfernen. Herr L wies darauf hin, dass der Amtsleiter, Dipl.-Ing. C, bis zum 06.10.2011 urlaubsbedingt abwesend sei. Für den 07.10.2011 wurde eine Besprechung vor Ort vereinbart. Bis dahin könnten nach Auskunft von Herrn L keine Erklärungen abgegeben werden. Dr. T2 telefonierte sodann am 26.09.2011 mit dem Mitarbeiter des Tiefbauamts, Herrn Dipl.-Ing. L1 und forderte diesem gegenüber ebenfalls die Entfernung der Leuchtstelen. Erklärungen durch Herrn L. erfolgten nicht.
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Außerdem schickte Dr. T2 am 26.09.2011 ein Telefax, adressiert an Herrn C1 als Leiter des Planungsamtes der Beklagten. In diesem zeigte er ebenfalls an, dass Leuchtstelen auf seinem Grundstück errichtet worden seien und bat zeitnah um eine Erklärung.
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Am 28.09.2011 beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Gegenstand des Auftrages war die Prüfung der Rechtslage in Bezug auf die hinsichtlich der beiden Leuchtstelen der Klägerin zustehenden Ansprüche sowie die Vertretung gegenüber der Beklagten. Die Prozessbevollmächtigten machten mit Schreiben vom 30.09.2011 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der beiden Leuchtstelen geltend und führten aus, Näheres möge im Termin am 07.10.2011 besprochen werden. Am 07.10.2011 fand ein Ortstermin bei der Klägerin in Anwesenheit von Dr. T2, seines Prozessbevollmächtigten und Herrn C1 für die Beklagte statt. Herr C1 machte den Vorschlag, die beiden Leuchtstelen zu entfernen oder den Grundstückteil zu kaufen.
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Mit einem an Herrn C1 gerichteten Schreiben von Dr. T2 vom 10.10.2011 dankte er für das freundliche und angenehme Gespräch am 07.10. und forderte die Beseitigung der Leuchtstelen bis zum 31.10.2011, er bat höflich um Bestätigung. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.10.2011 wies diese auf das Schreiben vom 10.10.2011 und die bis dahin fehlende Bestätigung hin und forderte die Beseitigung der Leuchtstelen bis zum 31.10.2011. Mit Schreiben vom 25.10.2011 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass die Demontage der Leuchtstelen in der 46. Kalenderwoche erfolgen werde. Die Leuchtstelen wurden sodann Anfang November 2011 entfernt.
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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestätigten unter dem 09.11.2011 die Entfernung der Leuchtstelen und forderten die Beklagte zur Zahlung der Kostenrechnung für Dr. T2 in Höhe von 762,70 EUR für eine Geschäftsgebühr sowie eine Terminsgebühr für den Ortstermin nebst Nebenkosten und Umsatzsteuer auf.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei und die Kosten hierfür daher durch die Beklagte zu ersetzen seien.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 762,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, dass eine Notwendigkeit für die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht bestanden habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
16
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der entstandenen Rechtsanwaltskosten von 762,20 EUR aufgrund eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
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Zwar kommt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Betracht. Die zwei durch die Beklagte wieder beseitigten Leuchtstelen standen unstreitig auf dem Grundstück der Klägerin. Dass insoweit eine Duldungspflicht der Klägerin bestanden hätte, ist durch die Beklagte nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Alleine aus der vorherigen Information der Anwohner über das Beleuchtungskonzept ergibt sich auch kein Hinweis gegenüber der Klägerin bzw. ihre Kenntnis davon, dass die Leuchtstelen auf dem Grundstückseigentum der Klägerin stehen würden.
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Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst vorliegend jedoch nicht die ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Zusammenhang mit der Beseitigung der beiden Leuchtstelen.
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Zwar umfasst ein Schadensersatzanspruch aus einer Amtspflichtverletzung grundsätzlich auch entstandene Rechtsanwaltskosten (BGH, NJW 2004, 444, 446; NJW 2006, 1065; VersR 2006, 800; Palandt-Sprau, BGB, 71. Aufl. 2012, § 839 Rn. 79). Die Ersatzpflicht hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten setzt jedoch voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war (BGH, NJW 2004, 444, 446; NJW 2006, 1065; Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 249 Rn. 57). Das trifft in einfach gelagerten Fällen, bei denen die Haftung dem Grunde nach klar ist, so dass kein Zweifel an der Ersatzpflicht besteht, für die erstmalige Geltendmachung des Schadens nur zu, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird (BGH, NJW 1095, 446).
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Vorliegend hat der Kläger zwar nicht für die erstmalige Geltendmachung eines Anspruchs auf Beseitigung der beiden Leuchtstelen am 26.09.2011 einen Rechtsanwalt hinzugezogen, sondern diesen erst zwei Tage später, am 28.09.2011 beauftragt. Die Beklagte hat auch in dem Telefonat vom 26.09.2011 nicht unmittelbar den Anspruch auf Beseitigung der beiden Leuchtstelen zuerkannt.
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Dennoch war nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin nicht erforderlich. Die Beklagte hat durch den stellvertretenden Leiter des Planungsamts, Herrn L, in dem Telefonat vom 26.09.2011 mit dem Miteigentümer und Verwalter der Klägerin, Herrn Dr. T2 den Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der Leuchtstelen nicht abgelehnt. Vielmehr ist mit Herrn Dr. T2 eine Vereinbarung über einen Ortstermin am 07.10.2011 einverständlich getroffen worden. Ein früherer Ortstermin konnte, wie Herrn Dr. T2 auch erläutert wurde, wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit des Leiters des Planungsamtes, Herrn C1, bis einschließlich zum 06.10.2011 nicht stattfinden. Deswegen konnte Herr Dr. T2 auch auf sein Telefax vom 26.09.2011, also von demselben Tag, an den Leiter des Planungsamtes, Herrn C1, keine frühere Antwort erwarten, da ihm dessen Abwesenheit aufgrund des Telefonats mit Herrn L bekannt war. Zudem konnte eine verbindliche Zusage der Beseitigung der beiden Leuchtstelen in dem Telefonat durch Herrn L ohnehin nicht erfolgen, da der Beklagten zunächst die Überprüfung der Eigentumsverhältnisse vor Ort ermöglicht werden musste. Hierzu war zwischen den Parteien der Ortstermin am 07.10.2011 vereinbart worden. Insoweit hat Herr Dr. T2 auch nicht etwa gegenüber Herrn Kral erklärt, dass ihm eine derartige Entscheidungsfindung der Beklagten zu langfristig wäre und dies in dem Telefonat deutlich gemacht, so dass die Beklagte mit der Einschaltung eines Rechtsanwalts hätte rechnen müssen, sondern sich vielmehr ohne Einschränkungen mit dem Ortstermin mit der Beklagten in Person des Herrn C1 einverstanden erklärt.
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Der handelnde Miteigentümer und Verwalter der Klägerin, Herr Dr. T2, ist auch geschäftlich erfahren. Zudem lag ein einfach gelagerter Sachverhalt vor, weswegen auch nicht wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich war. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es als bloße Tatsachenfrage zunächst nur darum ging, dass die Leuchtstelen auf dem Grundstückseigentum der Klägerin standen. Eine rechtliche Schwierigkeit dergestalt, wie von der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, dass es sich um eine komplizierte Rechtsmaterie an der Schnittstelle von Zivilrecht zu öffentlichem Recht im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Widmung des in Anspruch genommenen Grundstücksteils der Klägerin gehandelt habe, bestand im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwälte nicht. Denn die Beklagte hatte ihrerseits gegenüber der Klägerin gemäß ihrer Darlegung weder telefonisch noch in dem Ortstermin vom 07.10.2011 öffentlich-rechtliche Einwände hinsichtlich der Berechtigung des Aufstellens der beiden Leuchtstelen auf dem Grundstück der Klägerin erhoben. Rechtliche Fragen sind zu diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien nicht thematisiert worden. Vielmehr sollte nach der Darstellung von Herrn Dr. T2 in seiner persönlichen Anhörung in dem vereinbarten Ortstermin vom 07.10.2011 ein Nachmessen des Standorts der Leuchtstelen auf dem Grundstück der Klägerin erfolgen, wofür jedoch nicht die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich ist. Dementsprechend bedurfte es auch in dem Ortstermin vom 07.10.2011 im Verhältnis zur Beklagten nicht der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin.
23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.