Zur Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten

LG Koblenz, Urteil vom 07.09.2006 – 14 S 68/06

Verbringungskosten sind dann zu ersetzen, wenn sie „erforderlich“ sind, also wenn vor Ort des Geschädigten keine gleichermaßen geeignete Werkstatt vorhanden ist, die diese Arbeiten durchführen kann

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 26.01.05, bei dem sein PKW BMW durch einen Zusammenstoß des von einem VN der Beklagten gefahrenen PKW´s beschädigt worden ist. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Vom Kläger, der den Fahrzeugschaden auf Reparaturkostenbasis abrechnet, werden folgende restliche Schadenspositionen geltend gemacht:

– Sachverständigenkosten i. H. v. 461,36 €

– Fahrzeugverbringungskosten i. H. v. 76,00 €

– sowie UPE-Aufschläge von 120,48 €.

Bei einem Schaden i. H. v. 3.130,52 € netto stellte der vom Kläger beauftragte SV Leonhardt eine an der Eurotax-Schwacke-Expert-Honorartabelle und der Schadenshöhe orientierte Grundgebühr i. H. v. 305,00 €, Fahrtaufwendungen für 12 km á 0,54 € (6,48 €), Kosten für Fotos ( 8 Stück á 2,00 €) i. H. v. 36,00 €, Schreibkosten von 20,00 € (je Seite 2,00 €), Kopierkosten i. H. v. 15,00 € (30 Stück á 0,50 €) sowie Porto und Telefonkosten i. H. v. 15,24 € und damit insgesamt 461,36 € brutto in Rechnung.

Die Beklagte legte den Inhalt des Sachverständigengutachtens der Schadensregulierung zu Grunde, wobei sie jedoch die im Gutachten miteingerechneten Fahrzeugverbringungskosten i. H. v. 76,00 € sowie die UPE-Aufschläge i. H. v. 120,48 € in Abzug brachte.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie macht erst- wie zweitinstanzlich geltend, dass die vom SV berechneten Kosten nicht erforderlich seien. Die Abrechnung nicht nach Stundensätzen und konkretem Aufwand sei nicht prüffähig,

überhöht, willkürlich und mithin nicht fällig. Sie verstoße des Weiteren gegen die dem SV eingeräumte Befugnis aus § 315 BGB. Es besteht keine gesetzliche Grundlage für eine solche Abrechnung allein nach der Höhe des Schadens, sinnvoller Anknüpfungspunkt könnten allenfalls die Regelungen des § 8 JVEG sein.

Die des Weiteren geltend gemachten Fahrzeugverbringungskosten und UPE-Aufschläge seien bei fiktiver Abrechnung nicht erstattungsfähig.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der zuerkannten Summe aus §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 3 PflVersG.

Der Umfang des zu Erstattenden richtet sich für den Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 BGB. Danach können die zur Wiederherstellung einschließlich der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erforderlichen Kosten gefordert werden. Erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter für zweckmäßig und notwendig erachten durfte (vgl. BGH NJW 1970, 1454; 1974, 34; 1992, 1619). Der Schädiger und mithin auch der hinter diesem stehende Versicherer hat nach § 3 PflVersG die Kosten des Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses wiederum zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist (vgl. BGH NJW 2004, 3042; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 255).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Einschaltung eines SV bei hier gegebenen Reparaturkosten von 3.631,40 € brutto zur Ermittlung der Schadenshöhe erforderlich und damit auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich erstattungsfähig sind, zumal die Beklagte auf Grundlage dieses Gutachtens den Sachschaden abwickelte. Die Parteien streiten lediglich darüber, inwieweit die tatsächlich geltend gemachten Sachverständigenkosten gerechtfertigt sind.

Für die entscheidungserhebliche Ermittlung der Höhe des Entgeltes als notwendige Kosten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung zieht die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die Honorarbefragung 2005/2006 des BVSK heran.

Dies war der Kammer im Rahmen ihres ihr obliegenden Ermessens auch nicht verwehrt. Es lagen hierfür durch Vortrag des Klägers ausreichende, greifbare Anhaltspunkte vor (vgl. BGH NJW 1984,

2216; NJW 1987, 909). Zudem steht dem Rechtsverhältnis Kläger – beauftragter SV, das dieser Schadensposition zugrunde liegt, bei der Annahme einer dort üblichen Vergütung auch nicht entgegen, dass sich kein genauer Betrag ermitteln lässt, sondern Vergütungen innerhalb einer bestimmten und begrenzten Bandbreite bezahlt werden und sich so über eine im Markt verbreitete Berechnungsregel anlehnend an der Schadenshöhe ergeben können (vgl. Urteile des BGH v. 04.04.06, AZ: X ZR 80/05 und X ZR 122/05, dort Randnr. 10).

Zwischen den Parteien ist dabei auch unstreitig, dass zumindest im Bereich und Bezirk des AG Westerburg Schadensermittlungsgutachten üblicherweise an der Schadenshöhe orientiert abgerechnet werden.

Zur Grundlage der von der Beklagten zu erstattenden Schadenshöhe bezieht sich die Kammer daher auf den Inhalt der vorgenannten Honorarbefragung des BVSK.

Ausgehend von der Schadenshöhe netto, die sich aus den Nettoreparaturkosten und dem evtl. merkantilen Minderwert zusammensetzt, wird der Honorarkorridor (HB III) des Grundhonorars ermittelt, da die Mehrzahl der dort befragten Gutachter Grundhonorare innerhalb dieser Bandbreite verlangen. Hinzu sind die konkret beanspruchten Nebenkosten hinzuzurechnen, die ebenfalls einer Nebenkostentabelle entnommen werden. Als üblich geschuldet legt die Kammer dabei den Mittelwert des so errechneten Honorarkorridors zugrunde. Hieraus errechnet hätte der SV bei einem hier gegebenen Nettoschaden ohne entstandender merkantiler Wertminderung von 3.130,52 € einen Honorarmittelwert von 379,00 €, Fotosatzkosten je Foto i. H. v. 2,42 €, Fahrtkosten je km i. H. v. 1,00 €, pauschale Porto und Telefonkosten i. H. v. 16,34 €, Schreibkosten je Seite i. H. v. 3,01 € sowie Kopierkosten je Seite von 0,77 € berechnen können.

Ein Vergleich der vorliegend abgerechneten Sachverständigengebühren nebst Nebenkosten i. H. v. insgesamt 461,36 € zeigt, dass das hier berechnete Honorar die übliche Vergütung weit unterschritt.

Die Vergütung des SV beträgt zudem lediglich 12,70% des begutachteten Schadens und liegt damit unter einer als üblich zu bewertenden Grenze von 15% (vgl. u. a. LG Berlin, Schadenspraxis 2006, 76).

Der vorliegende Sachverhalt bietet zudem auch keinen Anhalt dafür, dass von der Schadenshöhe ausgehend bei der vorliegend gegebenen Sachverständigenvergütung eine Grenze erreicht wird, die vom Selbstzahler nicht verlangt werden kann und sich mit einem gesunden Marktgeschehen nicht mehr erklären lässt, so wie es im Bereich der Mietwagenkosten festzustellen ist (vgl. BGH NJW 2005, 135 f.). Der seitens der Beklagten im Schriftsatz vom 28.12.2005, dort Seite 6 (Bl. 50 der Akten) für angemessen gehaltene Zeitaufwand von insgesamt 93 Minuten begegnet dagegen grundsätzlichen Bedenken. Die für einen SV notwendig vorzunehmende betriebswirtschaftliche Kalkulation des angemessenen Stundensatzes wird nicht nach den Vorgaben der Bestimmungen des JVEG bestimmt.

Dieses Gesetz regelt das dem gerichtlichen SV zustehende Honorar und zwar nicht mehr nach dem Entschädigungsprinzip wie das außer Kraft getretene Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz, sondern nach dem Vergütungsprinzip (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 JVEG). Sein Anwendungsbereich ist jedoch auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Eine Übertragung der Grundsätze für die Vergütung gerichtlicher SV auf Privatgutachter kommt nicht in Betracht (vgl. Urteil BGH v. 04.04.06, AZ: X ZR 122/05, dort Randnr. 19).

Die Beklagte hat dem Kläger auch die im Gutachten aufgeführten Fahrzeugverbringungskosten und die UPE-Aufschläge zu ersetzen.

Verbringungskosten sind diejenigen Kosten, die durch Transport des Fahrzeuges in eine andere Werkstatt entstehen, etwa weil bestimmte Arbeiten (z. B. Lackierarbeiten) nur dort durchgeführt werden können. Die Regulierungspraxis sowie die Rechtsprechung zum Ersatz fiktiver Verbringungskosten sind sowohl nach altem als auch nach neuem Recht noch immer uneinheitlich. Teilweise werden diese nur insoweit anerkannt und ersetzt, als sie tatsächlich angefallen sind (vgl. AG Wismar, SP 2005, 238; AG Saarbrücken, SP 2005, 101; AG Marienberg, SP 2004, 123; AG Lüdenscheid, SP 2003, 102; AG Renzburg, SP 2003, 312; LG Essen, SP 2003, 102). Teilweise werden sie auch bei fiktiver Abrechnung zugebilligt, sofern aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die beauftragte oder zu beauftragende Werkstatt zur Lackierung nicht in der Lage ist (z. B. AG Würzburg, Zfs 2005, 289; AG Saarbrücken, SP 2005, 238; AG Hattingen, Zfs 2005, 339; AG Leipzig, SP 2003, 425; AG Aachen, SP 2003, 137; AG Hannover, Zfs 2002, 434). Ebenfalls wird vertreten, dass diese auch bei fiktiver Abrechnung zu ersetzen sind, wenn der technische SV diese Kosten in seiner Kalkulation berücksichtigt hat (vgl. OLG Koblenz, NZV 1997, 465; LG Gera, r + s 1999, 507; AG Chemnitz, VersR 1999, 332; AG Verden, Zfs 2001, 18).

Eine Entscheidung des BGH hierzu liegt noch nicht vor.

Nach den oben genannten Grundsätzen sind nach Auffassung der Kammer fiktive Verbringungskosten richtigerweise dann zu ersetzen, wenn sie „erforderlich“ sind, also wenn vor Ort des Geschädigten keine gleichermaßen geeignete Werkstatt vorhanden ist, die diese Arbeiten durchführen kann.

Der Kläger hat diesbezüglich unbestritten vorgetragen, dass er sein Fahrzeug regelmäßig bei der Fachwerkstatt der Fa. Auto Schiffer GmbH an der B 255 in 56462 Hoen warten und reparieren lässt.

Diese Reparaturfirma verfüge über keine eigene Lackiererei.

Insoweit gehören im konkret zu entscheidenden Fall die Verbringskosten zu den erforderlichen und zu ersetzenden Kosten, die auch bei fiktiver Abrechnungsweise ihm zu ersetzen sind.

Gleiches gilt im Ergebnis für den geltend gemachten Ersatz der UPE-Aufschläge.

Die sog. UPE-Aufschläge sind branchenüblich erhobene Beträge, die aufgrund der Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers aufgeschlagen werden (vgl. Fischer, DZV 2003, 262; Wortmann, Zfs 1999, 365; NZV 1999, 503; VersR 1998, 1204; Gerard-Morguet, Zfs 2006, S. 303 f.). Eine Entscheidung des BGH zu diesem Komplex liegt ebenfalls noch nicht vor. Ein Teil der Rechtsprechung erkennt diese als ersatzfähig auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung an, wenn diese – wie hier – im Gutachten des SV berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, OLGR 1998, 91; LG Aachen, NZV 2005, 649; AG Darmstadt, NZV 2005, 199; AG Bochum, NZV 1999, 518; AG Hannover, Zfs 2992, 434; AG Überlingen, VersR 1996, 348). Ein anderer Teil lehnt bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten die Erstattung entsprechender Aufschläge grundsätzlich ab (vgl. LG Mainz, Urteil v. 07.05.03, AZ: 3 S 361/02, LG Bielefeld, Urteil v. 29.06.99, AZ: 2 O 468/98; LG Duisburg, SP 1998, 425; LG Essen, SP 1998, 428; AG Aachen, SP 2005, 167; AG Duisburg, Zfs 2002, 340; AG Gießen, Zfs 1998, 51; AG Kerpen, NZV 2003, 276).

Nach den oben genannten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufschläge „erforderlich“ sind, also ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Die Aufschläge sind damit dann gerechtfertigt, wenn diese dazu dienen, die Reparaturdauer dadurch zu verkürzen, indem eine ständige Verfügbarkeit der Ersatzteile sichergestellt ist, auch verbunden mit dem Risiko einer Preissteigerung mit sog. UPE-Aufschlägen.

Die Kammer geht davon aus, dass in diesen Fachwerkstätten auch insbesondere zur Sicherung von schnellen Reparaturen von Fahrzeugen eine solche Bevorratung von Originalersatzteilen notwendig ist und auch tatsächlich stattfindet (vgl. Fischer, DZV 2003, 262). Da der Geschädigte nämlich nicht zu einer „Billigreparatur“ verpflichtet ist hat er grundsätzlich Anspruch darauf, dass sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt repariert wird. Im Rahmen seiner ihm obliegenden Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte dabei gehalten, die Reparaturdauer des Fahrzeuges so kurz wie möglich zu halten, um weitere hierdurch anfallende Kosten (z. B. Mietwagenkosten) zu minimieren.

Diesbezüglich ist der Geschädigte auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH zu Umfang und Höhe der Mietwagenkosten geradezu verpflichtet. Dementsprechend erachtet die Kammer es als notwendig, auch bei fiktiver Abrechnung solche sog. UPE-Aufschläge als ersatzfähig anzusehen.

Die Beklagte hat vorliegend zudem die Notwendigkeit solcher UPE-Aufschläge und deren Existenz in der vom Kläger benannten Fachwerkstatt nicht bestritten.

Dem Kläger stehen zudem die zugesprochenen Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. §§ 286, 288, 291 BGB zu; der Kläger hat die Voraussetzungen hierzu ausreichend dargetan.

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