Zur Erforderlichkeit einer Leistungszusage durch die Krankenversicherung

LG Duisburg, Urteil vom 02.10.2008 – 12 S 51/08

Nach der Rechtsprechung des BGH zu der Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung von Kur- und Sanatoriumsaufenthalten schließen beide einander nicht aus, so dass es maßgeblich auf die Ausgestaltung der Behandlung einschließlich des äußeren Rahmens ankommt, in der diese stattfindet. Eine Krankenhausbehandlung ist danach dadurch gekennzeichnet, dass sie unter behandlungsbedingtem besonders intensiven Einsatz des medizinischen Personals stattfindet. Der Behandlungsverlauf unterliegt ständiger ärztlicher Überwachung, insbesondere durch tägliche Visiten. Der Patient wird regelmäßig durch die Behandlung in Anspruch genommen, sein Tagesablauf wird durch die Notwendigkeit der ständigen medizinischen und ärztlichen Betreuung und Behandlung bestimmt. Dem gegenüber stellt eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung hinsichtlich der Intensität des Einsatzes von medizinischem Personal und besonderer medizinisch-technischer Geräte geringere Anforderungen. Die Patienten haben sich vielfach bereits zuvor einer Krankenhausbehandlung unterzogen. Kur- und Sanatoriumsbehandlungen sind vielmehr zumeist auf spezielle Heilanwendungen unter heilklimatisch günstigen Vorbedingungen ausgerichtet, deren Anforderungen auch die weitere Ausstattung und Ausgestaltung der Einrichtung bestimmen. Der Heilerfolg einer Kur wird schließlich auch von einer geregelten Lebensweise, dem Herauslösen aus der gewohnten Umgebung und dem Fernhalten von schädlichen Umwelteinflüssen erwartet. Regelmäßig ist es dem Patienten auch gestattet, die Einrichtung zu Spaziergängen zu verlassen (Rn. 6).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.03.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Duisburg – Az.: 74 C 2888/07 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

I.

1

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 99 d. A.). Im übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

2

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

3

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

4

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Krankenhaustagegeld.

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1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung führt das erstinstanzliche Urteil aus, dass die Beklagte gemäß § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) von der Leistung frei ist, da sie mangels Mitteilung der Klägerin vor Beginn der Behandlung keine schriftliche Leistungszusage erteilt hat. Eine solche wäre jedoch nach § 4 Abs. 5 AVB, der gleichlautend ist mit § 4 Abs. 5 MB/KK, erforderlich gewesen, da aufgrund des Vortrages der Parteien davon auszugehen ist, dass es sich bei der Klinik in um eine gemischte Anstalt im Sinne der vorgenannten Versicherungsbedingungen handelt, die neben stationären Heilbehandlungen auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszente aufnehmen.

6

Nach der Rechtsprechung des BGH zu der Abgrenzung zwischen Krankenhausbehandlung von Kur- und Sanatoriumsaufenthalten (NJW 1995, 3057 ff.), schließen beide einander nicht aus, so dass es maßgeblich auf die Ausgestaltung der Behandlung einschließlich des äußeren Rahmens ankommt, in der diese stattfindet. Eine Krankenhausbehandlung ist danach dadurch gekennzeichnet, dass sie unter behandlungsbedingtem besonders intensiven Einsatz des medizinischen Personals stattfindet. Der Behandlungsverlauf unterliegt ständiger ärztlicher Überwachung, insbesondere durch tägliche Visiten. Der Patient wird regelmäßig durch die Behandlung in Anspruch genommen, sein Tagesablauf wird durch die Notwendigkeit der ständigen medizinischen und ärztlichen Betreuung und Behandlung bestimmt. Dem gegenüber stellt eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung hinsichtlich der Intensität des Einsatzes von medizinischem Personal und besonderer medizinisch-technischer Geräte geringere Anforderungen. Die Patienten haben sich vielfach bereits zuvor einer Krankenhausbehandlung unterzogen. Kur- und Sanatoriumsbehandlungen sind vielmehr zumeist auf spezielle Heilanwendungen unter heilklimatisch günstigen Vorbedingungen ausgerichtet, deren Anforderungen auch die weitere Ausstattung und Ausgestaltung der Einrichtung bestimmen. Der Heilerfolg einer Kur wird schließlich auch von einer geregelten Lebensweise, dem Herauslösen aus der gewohnten Umgebung und dem Fernhalten von schädlichen Umwelteinflüssen erwartet. Regelmäßig ist es dem Patienten auch gestattet, die Einrichtung zu Spaziergängen zu verlassen.

7

Unter Beachtung der vorgenannten Abgrenzung hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass es sich bei der Klinik um eine gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 AVB bzw. § 4 Abs. 5 MB/KK handelt. Insbesondere ergibt sich aus dem Internetauftritt, dass die Klinik auch Behandlungen für „Schmerzsyndrome nach Wirbelsäulenoperationen und Halswirbelsäulenverletzungen“ anbietet, woran sich zeigt, dass auch Rekonvaleszente in der Klinik behandelt werden. In der Zusammenschau mit den weiteren Therapieangeboten und dem gesamten, aus dem Internetauftritt ersichtlichen Therapiekonzept sowie dem äußeren Rahmen der Behandlungen, hat das Amtsgericht zutreffend darauf geschlossen, dass es sich um eine gemischte Anstalt im Sinne der AVB handelt. Die entsprechende Darlegung durch Zugrundelegung von Internetauftritten ist zulässig und geeignet und bedarf insoweit keines Sachverständigenbeweises (OLG Koblenz, VersR 2008, 108 ff.; OLG Karlsruhe, VersR 2006, 1203 ff.) Zwar ist letztlich maßgeblich, welche Leistungen tatsächlich ausgeführt werden. Der Präsentation der Klinik nach außen kommt insoweit aber Beweiswert zu (so die vorgenannten Entscheidungen).

8

Dem durch die Beklagte mit den vorgelegten Unterlagen geführten Beweis ist die Klägerin nicht durch substantiiertes Bestreiten entgegentreten, so dass dem Beweisantritt durch den Zeugen, Geschäftsführer der Klinik, nicht nachzugehen war. Zwar benennt die Klägerin in der Berufungsschrift vom 06.05.2008 den Zeugen auch für die behauptete Tatsache, dass in der Klinik keine Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt werden. Dieses wäre an sich einem Zeugenbeweis zugänglich. Jedoch ist die diesbezügliche Behauptung der Klägerin im Hinblick auf den detaillierten und durch Vorlage des Internetauftritts und eines Sachverständigengutachtens belegten Vortrages der Beklagten unsubstantiiert. Es hätte hier einer näheren Darlegung bedurft, warum und inwieweit die in dem Internetauftritt genannten Leistungen, die den äußeren Anschein einer Durchführung von Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen begründen, gerade nicht diesem Zweck dienen. Auch wenn sicherlich hier keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegungslast des medizinisch unkundigen Patienten gestellt werden dürfen, so wäre doch zumindest zu erwarten gewesen, dass die Klägerin den Klinikbetrieb, wie sie ihn selbst erlebt hat, darstellt und damit oder durch anderweitige Darlegungen den Behauptungen der Beklagten entgegentritt. Sie beschränkt sich aber darauf, den Inhalt der vorgelegten Patientenmitteilung der Klinik zu wiederholen, der aber nicht ausreichend ist, dem Vorbringen der Beklagten entgegenzutreten. Die Vorlage des Gutachtens des Dr. aus einem anderen Verfahren ist ebenfalls nicht geeignet, den Vortrag der Klägerin zu substantiieren, da sich dieses im Ergebnis auf die Zugrundelegung der Angaben der Klinik beschränkt, obwohl zugleich die Möglichkeit der Durchführung von Kur-, Sanatoriums- und Rehabilitationsbehandlungen für möglich erachtet werden, und daher nicht nachvollziehbar ist.

9

Ein entsprechender Hinweis des Amtsgerichts bezüglich der erforderlichen Substantiierung war nicht erforderlich, da die Klägerin erkannt hat, dass es auf die Frage der Ausgestaltung der Klinik entscheidend ankommt, sich aber dennoch auf allgemeine Behauptungen beschränkt hat.

10

Sofern die Berufung rügt, dass das Amtsgericht den Vortrag der Klägerin, dass „mit Nichtwissen bestritten (wird), dass die Klinik (…) zum Zeitpunkt der stationären Behandlung der KIägerin ebenfalls die Kriterien einer „gemischten Anstalt“ im Sinne von § 4 Abs. 5 AVB erfüllte“, missachtet habe, hat sie hiermit keinen Erfolg. Dieses Bestreiten ist im Hinblick auf den beklagtenseits zur Akte gereichten Ausdruck der Internetseite der Klinik, aus dem sich eindeutig ergibt, dass Kurleistungen angeboten werden, zu pauschal. Um substantiiert vorzutragen hätte es zumindest der Darlegung bedurft, welche Leistungen entgegen der Internet-Darstellung gerade nicht angeboten wurden.

11

Auch eine Notfallbehandlung, die das Erfordernis einer vorherigen Leistungszusage entfallen lassen könnte, lag nicht vor. Hiergegen spricht bereits der Zeitablauf von etwa zwei Monaten zwischen der im März 2006 aufgetretenen akuten Schmerzsymptomatik und der Behandlung in der Klinik vom 11.05.2006 bis zum 03.06.2006. Dass im Mai 2006 eine erneute akute Erkrankung aufgetreten wäre, die die Einweisung in eine andere als die Klinik unmöglich gemacht hätte, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass die ursprünglich vorgesehene Klinik „kurzfristig“ keine Kapazitäten frei hatte, lässt das Aufsuchen einer anderen Klinik, die zweifelsfrei die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten erfüllt, nicht unmöglich erscheinen.

12

2. Des weiteren hat die Berufung keinen Erfolg mit ihrer Einwendung, es handele sich bei der Regelung des § 4 Abs. 5 AVB um eine „verhüllte Obliegenheit“ (mit Verschuldenserfordernis) und nicht um einen Risikoausschluss. Die Kammer schließt sich insoweit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschenden Meinung an, dass ein Risikoausschluss vorliegt, da § 4 Abs. 5 AVB gerade der Begrenzung des Risikos des Versicherers gilt (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.07.1006, Az. 5 U 53/06; OLG Köln, Urt. v. 26.11.1992, Az. 5 U 131/92).

13

Bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobegrenzung kommt es nicht auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klauseln (OLG Saarbrücken, a. a. O). Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen bereits zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert (OLG Saarbrücken, a. a. O.). Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung (BGH, Urteil v. 24.05.2000 – IV ZR 186/99VersR 2000, 96; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1994 – IV ZR 3/94VersR 1995, 328 unter II 2 a; vgl. auch BGHZ 51, 356, 360; BGH, Urteile vom 17. September 1986 – IVa ZR 232/84VersR 1986, 1097 unter II 2 a; vom 9. Dezember 1987 – IVa ZR 155/86VersR 1988, 267 unter II).

14

Gem. § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenhaustagegeldversicherung wird in gemischten Anstalten von vornherein lediglich Versicherungsschutz gewährt, wenn vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Zusage erteilt worden ist. Nach dem materiellen Gehalt der Klausel wird also kein Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, von dem es abhängt, ob ihm ein schon gegebener Versicherungsschutz wieder entzogen wird; statt dessen wird schon der Beginn des Versicherungsschutzes davon abhängig gemacht, dass eine schriftliche Zusage erfolgt ist. Andernfalls wird ausschnittsweise von vornherein kein Versicherungsschutz versprochen.

15

3. Des weiteren hat die Klägerin keinen Erfolg mit ihrem Einwand, die Kur- und Reha-Einrichtungen stünden in keinem Zusammenhang mit ihrer Behandlung.

16

Insoweit kann dahin stehen, ob in einem solchen Fall die Berufung des Versicherers auf das Fehlen einer Leistungszusage ausgeschlossen ist. Denn der Vortrag der Klägerin ist unsubstantiiert und nicht geeignet, die Behauptung nachvollziehbar zu begründen. Dazu hätte es der konkreten Darlegung bedurft, welche Behandlung durchgeführt worden ist und inwiefern der Zusammenhang zu den Kureinrichtungen fehlt. Die pauschale Behauptung, ein Zusammenhang bestehe nicht, ist nicht ausreichend für einen schlüssigen Vortrag.

17

4. Schließlich folgt eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, insbesondere unter den Gesichtspunkten des widersprüchlichen Verhaltens oder einer fehlerhaften Ermessensausübung der Beklagten.

18

Das Amtsgericht hat zu Recht erkannt, dass es an einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten fehlt, da diese zu jeder Zeit auf ihre Leistungsfreiheit hingewiesen und lediglich eine Prüfung auf freiwilliger Basis angekündigt hat.

19

Dem steht die Rechtsprechung anderer Gerichte nicht entgegen. Denn anders als hier gab es z. B. in dem dem Urteil des OLG Köln v. 09.03.1989, Az. 5 U 138/88, zugrundeliegenden Fall eine ausdrückliche Erklärung der Versicherung, auf das formale Erfordernis der vorherigen Leistungszusage zu verzichten, wenn sie nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis komme, dass eine medizinische Notwendigkeit der Behandlung zu bejahen ist. Auch nach Auffassung der Kammer handelt eine Versicherung widersprüchlich, wenn sie zunächst erklärt, sich auf die fehlende Zusage nicht berufen zu wollen, dann aber doch im Hinblick auf das Fehlen der Zusage die Leistung verweigert. Diese Voraussetzungen waren jedoch vorliegend nicht gegeben. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte jederzeit darauf hingewiesen, wegen der fehlenden Leistungszusage nicht verpflichtet zu sein. Allein aus Kulanz wolle man prüfen, ob eine freiwillige Zahlung in Betracht komme. Sie hat also gerade nicht erklärt, sich auf das Fehlen der Zusage nicht berufen zu wollen, sondern wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Anspruch nicht bestehe, sondern lediglich eine Kulanzregelung in Betracht komme.

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Darüber hinaus kann die Klägerin der Beklagten nicht vorwerfen, die Prüfung einer Kulanzregelung treuwidrig abgebrochen zu haben, da sie selbst mit Schreiben vom 30.09.2006 mitgeteilt hat, die gestellten Fragen nicht beantworten zu wollen. Sie hat sich damit durch eigenes Verhalten der Chance auf eine Zahlung aus Kulanz begeben.

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5. Da der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des Krankentagegeldes gegen die Beklagte zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten oder Kosten für ärztliche Berichte.

III.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

23

Der Streitwert für die Berufung wird auf 1.227,12 EUR festgesetzt.

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