Zur Eintrittspflicht des Transportversicherers bei fehlender Dokumentation über Kühlung eines Arzneimitteltransportes

OLG Köln, Beschluss vom 02.12.2008 – 9 U 100/08

Es stellt einen zur Eintrittspflicht des Transportversicherers führenden Substanzschaden dar, wenn bei einem grundsätzlich gekühlt zu lagernden Arzneimittel infolge einer Fehlleitung des Transports über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen hinweg keine Erkenntnisse über eine sachgerechte Kühlung und (Zwischen-)Lagerung vorliegen und sogar die ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass in hohem Maße schädliche, nämlich extrem heiße, Lagerbedingungen vorgelegen haben (Rn. 2).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.05.2008 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen – 42 O 152/07 – wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten, und zwar

die Beklagte zu 1) zu 25 %,

die Beklagte zu 2) zu 11 %,

die Beklagte zu 3) zu 10 %,

die Beklagte zu 4) zu 14 %,

die Beklagte zu 5) zu 7 %,

die Beklagte zu 6) zu 4 %,

die Beklagte zu 7) zu 15 %,

die Beklagte zu 8) zu 4 %,

und die Beklagte zu 9) zu 10 %.


Gründe

1

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf die Begründung seines Beschlusses vom 14.10.2008 Bezug, welche durch das weitere Sachvorbringen der Beklagten nicht entkräftet ist.

2

Die in Zusammenhang mit dem deutschen Arzneimittelrecht stehenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 24.11.2008 gehen an der Sache vorbei. Entscheidungserheblich sind nicht Vorgaben und Wertungen des Arzneimittelgesetzes. Im Streitfall klärungsbedürftig ist allein, ob es einen zur Eintrittspflicht des Transportversicherers führenden Substanzschaden darstellt, wenn bei einem grundsätzlich gekühlt zu lagernden Arzneimittel infolge einer Fehlleitung des Transports über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen hinweg keine Erkenntnisse über eine sachgerechte Kühlung und (Zwischen-)Lagerung vorliegen und sogar die ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass in hohem Maße schädliche, nämlich extrem heiße, Lagerbedingungen vorgelegen haben. Der Senat hält daran fest, dass diese Frage zu bejahen ist, weil sich bereits die bloße Ungewissheit über einen durch Temperatureinwirkung möglicherweise erfolgten Verderb unmittelbar auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit auswirkt und also als Substanzschaden zu beurteilen ist.

3

Über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende allgemeine Feststellungen dazu, ab welchem Zeitraum einer Ungewissheit im beschriebenen Sinn schon von einem Substanzschaden auszugehen ist, sind entbehrlich und verbieten sich ohnehin im Hinblick auf die in die jeweilige Einzelfallbeurteilung einzubeziehenden produktspezifischen Besonderheiten von Arzneimitteln.

4

Unerheblich ist im Übrigen, ob und unter welchen Bedingungen der reguläre, bestimmungsgemäße Transport der Waren nach Indien die Möglichkeit in sich geborgen haben mag, infolge unvorhersehbarer Verzögerungen oder unerwartet notwendiger Zwischenlagerungen entweder zu einer vergleichbaren Ungewissheit über die Temperaturbedingungen während bestimmter Transportphasen zu führen oder sogar unmittelbar den Verderb der – als ungekühlt versendet zu behandelnden – Arzneimitteln herbeizuführen. Derartige hypothetische Handlungsabläufe und Schadensursachen wirken sich auf die Eintrittspflicht der Beklagten für den konkreten Versicherungsfall nicht aus.

5

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

6

Wert des Berufungsverfahrens: 52.411,53 €

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