OLG Dresden, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 4 W 977/16
1. Der Begriff des Tierhalters in den BB-PHV ist wie in § 833 BGB auszulegen. Es handelt sich bei A Nr. 9 Abs. 1 BB-PHV um einen Risikoausschluss.(Rn.5)
2. Esel sind nach den BB-PHV keine Haustiere, sondern Reit- und Zugtiere, die unter den Risikoausschluss fallen.(Rn.6)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 31.5.2016 (8 O 3075/15) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus einer bei ihr gehaltenen Haftpflichtversicherung auf Freistellung und Feststellung der Einstandspflicht für einen durch zwei auf ihrem Hof untergebrachte Eselinnen verursachten Verkehrsunfall in Anspruch und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe. Die Antragsgegnerin hat ihre Einstandspflicht unter Bezug auf die einbezogenen besonderen Bedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (BBPHV) abgelehnt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe versagt, weil die Antragstellerin als Halterin der Esel unter den in Ziff. A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV geregelten Risikoausschluss falle. Sie könne sich auch nicht auf den in A Nr. 9 Abs. 2 BBPHV enthaltenen Einschluss für die Hütung fremder Pferde berufen, weil diese Klausel sich nicht auf alle „pferdeartigen Säugetiere“ erstrecke und damit Esel ausnehme. Die Antragsgegnerin habe überdies bereits 2007 Deckungsschutz versagt.
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Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, selbst wenn sie Halterin der Esel sei, müssten diese zumindest als zahme Haustiere angesehen werden, weil sie lediglich zum Spielen und Versorgen durch ihre Kinder bei ihr eingestellt worden seien. Als Risikoausschluss sei die streitgegenständliche Klausel eng zu verstehen.
3
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die beabsichtigte Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Versicherungsschutz für den geltend gemachten Anspruch in der Privathaftpflichtversicherung nach A Nr. 9 Abs. 1 der Besonderen Bedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (BBPHV) der Antragsgegnerin ausgeschlossen. Dieser besteht lediglich als Halter oder Hüter von zahmen Haustieren, gezähmten Kleintieren, Bienen – nicht jedoch – von Hunden (ausgenommen Blindenhunde), Rindern, Pferden, sonstigen Reit- und Zugtieren, wilden Tieren sowie von Tieren, die zu gewerblichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden.
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Die Antragstellerin ist – obwohl sie nicht Eigentümerin der Eselinnen L. und C. ist – nicht lediglich, Hüterin, sondern Halterin der Tiere. Nach allgemeiner Auffassung ist dies im Bereich des § 833 BGB derjenige, der nach der Verkehrsanschauung darüber entscheidet, ob Dritte der von einem Tier ausgehenden, nur unzulänglich beherrschten Gefahr ausgesetzt werden. Erforderlich ist hierfür eine Gesamtabwägung aller Umstände, wobei wesentliches Indiz ist, wer die Bestimmungsmacht über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt (BGH NJW-RR 1988, 655; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl. § 833 Rn 10). Demgegenüber ist Tierhüter im Sinne des § 834 BGB, wer durch Vertrag lediglich die selbständige allgemeine Gewalt über das Tier übernimmt, ohne bereits Halter zu sein, wie dies etwa bei Hirten oder Viehtreibern der Fall ist (Palandt-Sprau, aaO. § 834 Rn 2). Die Antragstellerin lässt insofern die im Urteil des Landgerichts Dresden vom 23.1.2015 (8 O 2904/12, Anlage K 3) enthaltenen Feststellungen, wonach sie allein die Bestimmungsmacht über die Esel hat, sie auf ihrer Koppel unterbringt, für sie Sorge trägt und alle anfallenden Kosten übernimmt, gegen sich gelten. Es spricht nichts dafür, dass der Halterbegriff nach A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV sich von dem in § 833 BGB unterscheidet. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind allgemeine Versicherungsbedingungen grundsätzlich so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse sie verstehen muss. Wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet, ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH VersR 1995, 951). Dies ist für die Begriffe des „Halters“ und „Hüters“ der Fall. Auch wenn es sich bei A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV um einen in Form einer positiven Risikobeschreibung verpackten Ausschluss handelt, ist es nicht geboten, den Begriff des Halters anders als bei § 833 BGB auf den Eigentümer einzuschränken.
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Bei den Eselinnen handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht um „zahme Haustiere“, für die der Risikoausschluss bereits nach A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV nicht gilt, sondern um „sonstige Reit- und Zugtiere“. Allerdings sind Risikoausschlussklauseln nicht weiter auszulegen, als ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise dies erfordert. Der Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH VersR 2003, 236; BGH VersR 2004, 1039 zur AUB). Dies ist hier jedoch der Fall: Die Aufzählung der Tiergruppen ist bereits nach deren Wortsinn eindeutig. Zudem wird der Zweck des Risikoausschlusses in der Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich. Der in A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV enthaltene Risikoausschluss knüpft nämlich ersichtlich daran an, dass für die von ihm umfassten Tiergruppen wegen der von diesen ausgehenden erhöhten Tiergefahr Versicherungsschutz mit der in Absatz 2 enthaltenen Rückausnahme grundsätzlich nicht über die Privathaftpflicht, sondern nur über eine gesonderte Tierhaftpflichtversicherung erlangt werden soll. Vor diesem Hintergrund sind Haustiere lediglich diejenigen zahmen Tiere, die vom Menschen zu seiner Wirtschaft und zu seinem Nutzen gezogen und gehalten werden und aufgrund der Gewöhnung und Erziehung dem beherrschenden Einfluss des Halters unterstehen. Hierzu zählen Schweine, Ziegen, Schafe, Katzen, Geflügel und zahme Kaninchen (Staudinger/Halm/Wendt-Meckling-Geis, Fachanwaltshandbuch Versicherungsrecht, BBR-PHH Rn 55 so bereits RGZ 79, 246 (248)). Demgegenüber gehören Esel auch dann zu den Reit- und Zugtieren, wenn sie – wie die Antragstellerin behauptet – allein zum Spiel und Zeitvertreib für die Kinder gehalten werden. Dies entspricht dem allgemeinen Wortverständnis (vgl. etwa die Definition unter http://www.enzyklo.de/Begriff/Reittier). Für diesen mit der Klausel erkennbar verfolgten Zweck ist die konkrete Nutzung derjenigen Tiere, von denen eine erhöhte Tiergefahr ausgeht, indes unerheblich. Ob die Antragstellerin sie – wie sie behauptet – lediglich zum Spielen für ihre Kinder auf ihrem Hof hält, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
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Einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus dem streitgegenständlichen Haftpflichtversicherungsvertrag hat die Antragstellerin auch nicht deshalb, weil sich bei dem zugrunde liegenden Unfall nicht lediglich die von den Eselinnen ausgehende Tiergefahr verwirklicht hat, sondern die Antragstellerin durch das Nichteinhängen der Stromzufuhr zu dem Gehege, in dem sich die Tiere befanden, einen eigenen Haftungsbeitrag gesetzt hat. Die in der Rechtsprechung zwischenzeitlich vertretenen Auffassung, die auch in A Nr. 9 Abs. 1 BBPHV enthaltene Klausel schließe nicht jedwede Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Halten eine Reittieres aus, sondern erfasse nur solche, in denen der Halter die zugrunde liegende Situation nicht verschuldet habe (so OLG Hamm VersR 2005, 1678) hat der BGH (VersR 2007, 939) ausdrücklich verworfen.
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Auf die Einbeziehung der gesetzlichen Haftpflicht für die „nicht gewerbsmäßige Hütung fremder Pferde“ in A Nr. 9 Abs. 2 BBPHV kann sich die Antragstellerin als Halterin der Tiere nicht berufen, auf die von ihr aufgeworfene Frage, ob ein Esel ein Pferd im Sinne dieser Klausel ist, kommt es insofern nicht an.
III.
9
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Die Verpflichtung der Klägerin, die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO). Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.