OLG Köln, Urteil vom 27.03.2014 – 19 U 178/13
Regelmäßige Überflüge eines Grundstücks von etwa 50 Tauben stellen keine negative Umweltbeziehung des Grundstücks dar, die wie eine physische Beschaffenheit dem Grundstück als Sachmangel im Sinne des § 434 BGB anhaftet (Rn. 6).
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das am 14.10.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn – 1 O 314/12 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
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Die Berufung der Kläger hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).
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Das Landgericht hat aus zutreffenden Gründen die auf Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages gerichtete Klage abgewiesen. Die Kläger haben nicht bewiesen, dass bei Übergabe Mängel des Kaufobjekts im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB bestanden hätten, die gem. den §§ 440, 323, 346 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigten. Jedenfalls haben die Beklagten einen Mangel nicht gem. § 444 BGB arglistig verschwiegen, so dass der vereinbarte Gewährleistungsausschluss greift.
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1. Dies gilt zunächst für die von den Klägern vorgebrachte Beeinträchtigung ihres Grundstücks durch Tauben.
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Zwar könne auch über die Luft übertrage Umwelteinwirkungen eine negative Beschaffenheit der Kaufsache im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB darstellen. Eigenschaften einer Sache sind neben ihrer physischen Beschaffenheit alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anzusehen, welche die Beziehungen der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen (BGHZ 79, 183). Vor diesem Hintergrund gehören die Beziehungen der Sache zur Umwelt jedenfalls dann zu ihrer Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs.1 BGB, wenn sie in irgendeiner Weise mit ihre physischen Eigenschaften zusammenhängen (BGH, Urteil vom 30.11.2012, V ZR 25/12 juris Rz. 10; Münchener Kommentar zum BGB-H.P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 434 Rz. 9 ff.).
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Eine derart sich physisch auswirkende Beeinträchtigung durch die fliegende Tauben als solche, deren Kot oder Gefieder oder deren Gurren war aber nach der Vernehmung der von den Klägern benannten Zeugen für die Vergangenheit schon im Wesentlichen nicht auszumachen. Selbst wenn das klägerische Grundstück gelegentlich von Taubenkot getroffen würde, wäre dies als normal hinzunehmen. Keiner der Zeugen hat eine Häufung geschildert, die über das, was von wild lebenden Vögeln ausgeht, hinausgeht. Eine Störung durch das Gurren der Tauben in den frühen Morgenstunden haben nur die Zeugen M beschrieben. Ihre Empfindungen sind aber weder objektivierbar, noch ist eine Übertragbarkeit ihrer Beobachtungen für ihr Grundstück auf das klägerische Grundstück ohne weiteres gegeben. Vielmehr kommt es bei Geräuschimmissionen auf Lage und Entfernung zum Taubenschlag im konkreten Einzelfall an. Die Bebauung ist nach dem von den Klägern vorgelegten Fotos auch nicht im Sinne eines Amphitheaters oder Häuserblocks geschlossen, sondern an verschiedenen Stellen durchbrochen; es befinden sich andere Gebäude zwischen dem Taubenschlag und dem Wohnhaus der Kläger; wieso die Geräusche aus dem Taubenschlag in besonderem Maße in Richtung des Hauses der Kläger kanalisiert werden sollten, wie diese behaupten, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Mit dem Landgericht ist vielmehr davon auszugehen, dass die Laute aus dem Inneren eines einige Meter entfernten Taubenschlags mit kleiner Öffnung objektiv einen so geringen Geräuschpegel haben, dass diese nicht als negative, vom üblichen abweichende Beschaffenheit des Grundstücks angesehen werden können. Dass eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten oder die Vernehmung der nachbenannten Zeugin W. in Bezug auf die Geräuschentwicklung durch Gurren weitere Klärung hätte erbringen könne, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bezüglich der nachbenannten Zeugin X haben die Kläger nur allgemein vorgetragen, diese habe sich durch die Taubenschwärme des Zeugen M2 beeinträchtigt gefühlt und sei irgendwann weggezogen.
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Soweit die Beweisaufnahme ergeben hat, dass an den Wochentagen nachmittags/abends in der “Flugsaison” regelmäßig bis zu 50 Tauben in Gruppen ca. eine Stunde auch über das klägerische Grundstück zu Trainingsflügen weg- und zurückfliegen bzw. geflogen sind, so ist zwar nachzuvollziehen, dass dies im Einzelfall aufgrund des Flattergeräuschs und der Masse der Vögel als störend empfunden werden kann. Selbst wenn man einmal unterstellt, dass die regelmäßigen Überflüge das klägerische Grundstück in gleicher oder ähnlicher Weise wie die Grundstücke der Zeugen M und T/I betroffen haben, kann hier aber nicht von einer negativen Umweltbeziehung des Grundstücks ausgegangen werden, die wie eine physische Beschaffenheit dem Grundstück als Sachmangel im Sinne des § 434 BGB anhaftet. Denn zum einen hat die Vernehmung der Zeugen gezeigt, dass die Störung kaum objektivierbar ist und von einigen Nachbarn nicht als Beeinträchtigung empfunden wird. Dass die Taubenzucht bau- und ordnungsrechtlich nach den Bekundungen der Zeugen M2 und M unbeanstandet bzw. genehmigt ist, spricht grundsätzlich gegen eine wesentliche Beeinträchtigung. Zudem ist die konkrete Ausgestaltung der Taubenhaltung – wie sie sich in der Vergangenheit darstellte – nicht zwingend. Auch wenn die Taubenhaltung im fraglichen Gebiet ortsüblich wäre, könnten sich aus den §§ 1004, 906 Abs. 2 BGB Ansprüche auf eine Reglementierung von Flugzeiten, der Zahl der Tiere oder auf Ergreifen baulicher Maßnahmen ergeben (vgl. OLG Celle, Urteil vom 09.12.1988 – 4 U 130/87 -, juris); dass die Kläger insoweit im Vorfeld der Klage ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hätten, ist nicht ersichtlich; vielmehr hat sich bei Vernehmung des Zeugen M2 herausgestellt, dass dieser ohne weiteres bereit ist, sich auf die Gewohnheiten seiner Nachbarn einzustellen und die Belastung so gering wie möglich zu halten. Es hat sich sogar ergeben, dass der Zeuge die Tauben in der letzten Saison kaum noch hat fliegen lassen und den Wettkampfsport nahezu eingestellt hat. Ein sich in feststehender Weise auf das Grundstück physisch auswirkender Umwelteinfluss durch die Tauben ist insofern nicht auszumachen. Hinzu kommt, dass die die konkreten Flugrouten und die Flughöhen der Vögel nur punktuell bestimmbar sind und von anderen Umständen, wie etwa Anzahl und Höhe der Bäume auf dem Zwischengrundstück, abhängig sind. Da der Zeuge die Tauben “derzeit” nicht fliegen lässt, war die Durchführung eines Ortstermins zu dem Punkt Überflüge nicht zielführend. Auch ein Sachverständigengutachten ist ohne konkrete Anknüpfungstatsachen zur weiteren Sachaufklärung ungeeignet.
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Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass – wenn man zu Gunsten der Kläger einen bestimmten negativen Einfluss durch Taubenflug im Sinne einer Beschaffenheit des Grundstücks konstatierte – es jedenfalls ein einem arglistigen Verschweigen dieses Mangels durch die Beklagten fehlte. Denn offenbarungspflichtig sind nur Mängel, die für die Kaufentscheidung erkennbar von besonderer Bedeutung sind. Hier wurden aber weder die Tauben allgemein in der unmittelbaren Nachbarschaft als Störung empfunden, noch ist ersichtlich, dass den Beklagten Beschwerden einzelner Nachbarn in einem Ausmaß bekannt waren, dass sie daraus auf die allgemeine Bedeutung für die Kaufentscheidung hätten schließen können. Etwas anderes könnte gelten, wenn – den Beklagten bekannt – rechtliche Schritte gegen den Taubenzüchter eingeleitet worden wären oder Nachbarn mit solchen gescheitert wären. Dies tragen die Kläger aber schon nicht vor. Etwaige einzelne subjektiv geprägte Unmutsäußerungen über die Tauben mussten die Beklagten nicht als bedeutsam ansehen. Eine erneute Vernehmung des Zeugen M zu einem Gespräch mit den Klägern mit dem allgemein Inhalt, man fühle sich durch die Tauben gestört, ist vor diesem Hintergrund entbehrlich. Die Beklagten haben zudem unwidersprochen vorgetragen, dass sie mit ihren Kindern ihr Grundstück und den Garten trotz gelegentlicher Taubenflüge ohne Einschränkung genutzt haben.
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2. Auch die weiteren von den Klägern behaupteten Mängel der Kaufsache tragen einen Rücktritt nicht. Zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen, dass ein Rücktritt – die Mangelhaftigkeit der Heizungs- und Solarpumpe des Haues einmal unterstellt – schon ausscheidet, weil die Kläger die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 323 BGB nicht geschaffen haben. Denn sie haben die Beklagten nicht vor Erklärung des Rücktritts zur Mängelbeseitigung aufgefordert, sondern diese zuvor durch ein Fachunternehmen für 1.283,12 EUR selbst vornehmen lassen. Damit haben sie selbst zum Ausdruck gebracht, dass diese leicht abzustellenden Mängel nicht so erheblich sind, dass eine Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages gerechtfertigt wäre.
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In Bezug auf den fehlenden zentralen Fehlerstromschutzschalter hat das Landgericht zutreffend schon eine Mangel verneint; was die fehlenden Absicherung von Steckdosen anbelangt, so haben die Kläger nicht schlüssig vorgetragen, dass die Beklagten, die im Jahr 2006 ein Fachunternehmen mit der Elektroinstallation beauftragt hatten (Fa. X2), von einer etwaigen Unzulänglichkeit der Installation wussten, so dass in jedem Fall der vereinbarte Gewährleistungsausschluss greift. Es ist auch lebensfremd anzunehmen, die Beklagten hätten wissentlich in einem Haus mit angeblich lebensgefährdender Elektroinstallation gewohnt. Im Hinblick auf den behaupteten noch bestehendes Mangel des Steuerungsgeräts der Heizung hat das Landgericht zutreffend sowohl Rücktritts- als auch Schadensersatzansprüche im Hinblick darauf verneint, dass den Beklagten jedenfalls keine Frist zur Nachbesserung gem. den §§ 323 Abs. 1 BGB, 281 Abs. 1 BGB gesetzt wurde. Eine solche Fristsetzung war entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht nach den §§ 323 Abs. 2, 281 Abs. 2 BGB entbehrlich. Die Beklagten haben die Nachbesserung nicht ernsthaft und endgültig verweigert. Vielmehr ergibt sich aus der vorgelegten Korrespondenz nur, dass die Beklagten mit e-mail vom 20.04.2012 geäußert haben, dass sie das Laufgeräusch der Solarpumpe für normal hielten und dies nicht auf einen Defekt hindeute. Dies genügt nicht für eine ernsthafte Erfüllungsverweigerung, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. Abgesehen davon, dass der Vortrag der Kläger auch im Hinblick auf das arglistige Verschweigen von offenbarungspflichtigen Mängeln der Heizungsanlage nicht ausreichend sein dürfte, machte ein solches Verhalten eine Fristsetzung zur Nachbesserung nicht entbehrlich. Die Abwägung des Landgerichts auf Seite 9 des Urteils ist überzeugend und ihr wird in der Berufung auch nicht entgegengetreten.
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3. Auch Schadenersatzansprüche nach den §§ 437, 280, 281 BGB wegen Reparaturaufwendungen für die Heizungsanlage von 1.283,12 EUR und für die Beseitigung eines Fehlers an einer Steckdose in Höhe von 146,37 EUR stehen den Klägern folglich nicht zu.
III.
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Die Kläger haben Gelegenheit zur Stellungnahme – auch zur Frage der Rücknahme des Rechtsmittels – binnen der ihnen gesetzten Frist. Abschließend wird auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zwecke der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug angefallenen Gerichtsgebühren hingewiesen.