AG Leverkusen, Urteil vom 14.06.2013 – 24 C 105/13
Zur Körper- bzw. Gesundheitsverletzung zählen zwar grundsätzlich psychische Beeinträchtigungen. Diese müssen aber medizinisch feststellbar sein und über das allgemeine Risiko hinausgehen (Rn. 5).
Die bloße – nachvollziehbare – Sorge um das ungeborene Kind, erfüllt diese Erfordernisse nicht (Rn. 5).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 05.06.2012.
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Dieser Anspruch aus §§ 7, 17 StVG, 832 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 115 VVG steht der Klägerin mangels einer die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Gesundheitsverletzung nicht zu.
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Darin, dass sich die Klägerin Sorgen um ihr ungeborenes Kind machte und vermehrt Untersuchungen bis zur Geburt des Kindes wahrgenommen hat, kann keine Körper- bzw. Gesundheitsverletzung gesehen werden. Zur Körper- bzw. Gesundheitsverletzung zählen zwar grundsätzlich psychische Beeinträchtigungen. Diese müssen aber medizinisch feststellbar sein und über das allgemeine Risiko hinausgehen (St Rspr., BGHZ 137, 142, 145 ff; 132, 341, 343 ff; 172, 263 Tz 12; BGH NJW 1998, 813, 814; NJW 1997, 1640, 1641; s auch NJW 1983, 340, 341; NJW 1986, 777, 778 f; NJW 1991, 2347, 2348; NJW 1991, 2347, 2348.) Es muss eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeschädigung von einiger Intensität vorliegen (OLG Hamm NZV 2002, 234; OLG Naumburg NZV 2005, 530 mwN; zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruches Adelmann VersR 2009, 449 f). Eine solche Beeinträchtigung wurde von der Klägerin nicht vorgetragen. Gefühle wie Trauer, Schrecken oder Entsetzen als haftungsbegründende Verletzungen widerspräche der Absicht des Gesetzgebers die Deliktshaftung auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken (BGHZ 56, 163, 165; Dahm NVZ 2008, 187, 188; Adelmann VersR 2009, 449, 450; Ersatzfähigkeit eines Schockschadens von Eltern eines beim Bundeswehreinsatz zu Tode gekommenen Soldaten OLG Celle NZWehrr 2007, 259; Deutsch, 25 Jahre Karlsruher Forum, S 93, 95 f). Erforderlich ist eine nachhaltige traumatische Schädigung, die zudem aus juristischer Sicht dasjenige übersteigt, worin sich das normale Lebensrisiko der menschlichen Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt verwirklicht (OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 820; OLG Hamm VersR 1998, 730, 731), was vorliegend nicht der Fall ist. Die Klägerin trägt keine psychischen Beeinträchtigungen vor, die medizinisch feststellbar waren und über das allgemeine Risiko hinausgingen. Die bloße – nachvollziehbare – Sorge um das ungeborene Kind, erfüllt diese Erfordernisse nicht.
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Auch daraus, dass die Klägerin, die in der 31. Woche schwanger war, zur Kontrolle der Schwangerschaft im Klinikum M stationär aufgenommen wurde, ergibt sich nicht, dass eine Körper- oder Gesundheitsverletzung vorgelegen hat. Eine Schädigung des ungeborenen Kindes wurde nicht festgestellt. Ein durch die Schwangerschaft erhöhtes Gesundheitsrisiko hat sich nicht realisiert. Eine medizinisch feststellbare psychische Beeinträchtigung ergibt sich weder aus dem stationären Klinikaufenthalt noch daraus, dass die Klägerin nach dem Krankenhausaufenthalt drei Tage krankgeschrieben war. Wie die Klägerin selbst vorträgt, handelte es sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme und nicht um eine Krankschreibung wegen einer pathologisch fassbaren Gesundheitsschädigung. Gleiches gilt auch dafür, dass die Klägerin nach dem Unfall drei zusätzliche CTG-Untersuchungen durchlaufen hat.
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Es kann auch dahinstehen, ob die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule kausal auf dem Zusammenstoß der Fahrzeuge beruhen. Denn eine Überschreitung der Bagatellgrenze liegt nicht vor. Eine Körper- und Gesundheitsverletzung ist nur gegeben, wenn diese nicht unerheblich ist (BGH NJW 1953, 1440; vgl BVerwGE 46, 1 für das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit),
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Geringfügige Beeinträchtigungen, etwa geringfügige Verletzungen der Gesundheit (Bagatell-Beeinträchtigungen) begründen keinen Schmerzensgeldanspruch, wenn es sich nur um vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens handelt (BGH NJW 1992, 1043; BGHZ 122, 363, 366 ff = NJW 1993, 2173, 2175; BAG AP § 611a Nr 6 = NJW 1990, 67; bejaht, soweit psychischem Schaden eigenständiger Krankheitswert zukommt OLG Schleswig NJW-RR 2009, 1325; jurisPK/Vieweg/Lorz Rn 35; Nebe VuR 2009, 459; Eilers zfs 2009, 248; Erman/Ebert Rn 18; Oppel DAR 2004, 436 ff; Burmann/Heß ZfS 2004, 348 mwN; umfassend zur Bagatellgrenze Looschelders in Karlsruher Forum 2003, S 31, 35 ff). Der Ausschluss einer Entschädigung kommt insbesondere bei geringfügigen Verletzungen der Gesundheit in Betracht. (vgl. BGH NJW 1992, 1043; OLG Köln VersR 1999, 116; OLG Naumburg NJW-RR 2008, 1056 (zeitweise Beeinträchtigungen durch freiliegende Zahnhälse); LG Mönchengladbach SP 1999, 13; LG München I SP 2002, 164 (unfallbedingte Verstauchung eines Fingers); Staudinger/Schiemann (2004).) Hiermit sind Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken (BGH NJW 1992, 1043; Stöhr NZV 2009, 161, 163). Wie die Klägerin selbst schriftsätzlich vorträgt und auch im Rahmen der persönlichen Anhörung vorgetragen hat, galt ihre primäre Sorge dem Wohl des ungeborenen Kindes, so dass die Rückenschmerzen, die im Übrigen auch als vorübergehende, im Alltagsleben typische Beeinträchtigungen anzusehen sind, die Bagatellgrenze nicht überschreiten.
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Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens, ob in den von der Klägerin beschriebenen Beeinträchtigungen eine Gesundheitsverletzung zu sehen ist, bedurfte es nach alledem nicht.
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Die Nebenforderungen sind mangels Hauptforderung unbegründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 540,00 EUR festgesetzt.