Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.08.2013 – 3 U 57/13
Ein Frauenarzt haftet auf Schadensersatz, wenn er einer Patientin, bei der in späteren Jahren Brustkrebs diagnostiziert wurde, nicht bereits bei der im Jahre 2008 durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung zu einem Mammographiescreening geraten hat. Die unterlassene Beratung kann als grober Behandlungsfehler zu bewerten sein, wenn es der Patientin auf die Minimierung jedweden Brustkrebsrisikos ankam und ihr zudem ein Medikament verordnet wurde, das geeignet war, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der Anschlussberufung – das am 18.03.2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Schmerzensgeldbetrag von 20.000,– Euro sowie einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 3.300,– Euro zu zahlen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinsstz seit dem 03.07.2012.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 957,35 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2012 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr durch die verspätete Krebsdiagnose entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird gestattet, die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn sie nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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G r ü n d e :
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I.
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Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aufgrund einer fehlerhaften frauenärztlichen Behandlung im Zusammenhang mit einer bei der Klägerin aufgetretenen Brustkrebserkrankung geltend.
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Die Klägerin befand sich seit dem Jahr 1985 in regelmäßiger frauenärztlicher Behandlung beim Beklagten. Ab dieser Zeit fanden auch nahezu jährliche Krebsvorsorgeuntersuchungen statt u.a. mit einer klinischen Untersuchung und einer Sonographie der Brust. Seit 1988 wurde bei der Klägerin eine Hormonbehandlung durchgeführt, zunächst mit Femovan, dann mit Marvelon und dann mit Cyclo-Menorette. Seit dem Jahr 1998 wurde die Hormonersatztherapie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden auf das Medikament Östronara umgestellt. Ab August 2000 stellte der Beklagte die Hormonersatztherapie erneut, diesmal auf das Medikament Liviella, um. Am 05.07.2001 fand eine einmalige Mammographie bei dem Radiologen Dr. O mit unauffälligem Befund statt. Nachdem in den Folgejahren nahezu jährliche Krebsvorsorgeuntersuchungen mit klinischer Untersuchung und Sonographie der Brust stattfanden, wurde auch am 24.07.2008 eine solche Untersuchung mit Abtasten und Sonographie der Brust ohne verdächtigen Befund durch den Beklagten durchgeführt. Die Untersuchung fand auch am 06.08.2009, wiederum ohne verdächtigen Befund, statt. Nachdem auch am 22.07.2010 eine derartige Untersuchung seitens des Beklagten durchgeführt worden war, riet er trotz erneut unverdächtigem Befund der Klägerin zu einer Mammographie. Diese wurde am 07.09.2010 bei dem Radiologen Dr. L durchgeführt und ergab den Verdacht eines Mammakarzinoms der linken Brust. Eine am 08.09.2010 im St. Elisabeth-Hospital E bei Dr. U durchgeführte Stanzbiopsie mit anschließender histologischer Untersuchung ergab die Diagnose eines invasiv-duktalen Karzinoms der linken Mamma. Anlässlich eines stationären Aufenthalts vom 14.09.2010 bis zum 20.09.2010 wurde in der Universitätsklinik F eine Segmentresektion der linken Brust oben außen, eine Sentinel-Lymphknotenentnahme und eine intraoperative Bestrahlung vorgenommen. Anlässlich des stationären Aufenthalts in der gleichen Klinik vom 14.10.2010 bis zum 23.11.2010 wurde u.a. die Restbrust bestrahlt. Ein weiterer stationärer Krankenhausaufenthalt in der Universitätsklinik F fand vom 08.12.2010 bis zum 13.12.2010 statt, in dessen Rahmen u.a. eine komplettierende axilläre Lymphonodektomie mit Feststellung dreier weiterer Lymphknotenmetastasen durchgeführt wurde. Ab dem 10.01.2011 wurde bei der Klägerin – ebenfalls in der Universitätsklinik F – eine Chemotherapie durchgeführt, in deren Rahmen sich u.a. beim zweiten Zyklus beim Anlegen des Ports ein Paravasat bildete, welches anschließend plastisch chirurgisch versorgt werden musste. Den vier Zyklen der Chemotherapie schlossen sich weitere Zyklen mit wöchentlicher Paclitaxel-Gabe sowie eine weitere antihormonelle Therapie mit Aromatasehemmer an.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass es seitens des Beklagten fehlerhaft gewesen sei, ihr jedenfalls ab dem Jahr 2002 im Rahmen der Brustkrebsvorsorge nicht zu einer ergänzenden Mammographie geraten zu haben. Dies sei insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil das verordnete Medikament Liviella das Risiko des Entstehens von Brustkrebs erhöht habe. Zudem habe der Beklagte die Klägerin nicht über dieses erhöhte Risiko aufgeklärt. Schließlich habe der Beklagte bei seinen Untersuchungen das Mammakarzinom nicht diagnostiziert, was aber jedenfalls seit der Untersuchung vom 24.07.2008 erkennbar gewesen sei. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung wären der Klägerin Operation, Bestrahlung und Chemotherapie erspart geblieben und die Prognose wäre günstiger gewesen. Zur Abgeltung hat sich die Klägerin ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von mindestens 25.000,00 € vorgestellt. Ferner hat sie für die Zeit der Chemotherapie einen bezifferten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 3.300,00 € sowie desweiteren die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.026,08 € begehrt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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3.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Krebsfehldiagnose durch Nichterkennung eines Mammakarzinoms in der linken Brust durch den Beklagten entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,
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4.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.026,08 € als Verzugsschaden für den nicht anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist dem Haftungsbegehren dem Grund und der Höhe nach entgegengetreten. Er hat behauptet, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, der Klägerin ohne suspekten Befund zu einer Mammographie zu raten, zumal entsprechende Einladungen der Patientinnen auch von einer zentralen Stelle der kassenärztlichen Vereinigung erfolgten und eine Sonographie eine ähnliche Sicherheit wie die Mammographie biete. Zudem sei umstritten, ob durch die Mammographie das Krebsrisiko tatsächlich vermindert werde. Eine besondere Pflicht bei einem solchen Hinweis bestehe auch nicht wegen des Medikamentes Liviella, weil nicht bewiesen sei, dass dieses das Krebsrisiko erhöhe. Deshalb sei auch eine entsprechende Aufklärung hierüber nicht erforderlich geesen. Es sei nicht sicher, dass der Krebs schon in den Jahren 2008 oder 2009 hätte erkannt werden können. Soweit er bei der Untersuchung am 22.07.2010 von ihm hätte erkannt werden können, stelle dies aber keinen vorwerfbaren Diagnosefehler dar, weil die durchgeführten Untersuchungen keine 100%ige Sicherheit böten.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 18.03.2013 hat das Landgericht nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Privatdozent Dr. T, der sein Gutachten auch im Kammertermin mündlich erläutert hat, unter Abweisung der Klage im Übrigen, den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 € sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 600,36 € verurteilt. Ferner hat es die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz sämtlicher weiterer materieller oder nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden über die der Klägerin durch die verspätete Krebsdiagnose entstehen, festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es seitens des Beklagten grob fehlerhaft gewesen sei, dass er der Klägerin nicht zu einer ergänzenden Mammographie geraten habe. Aufgrund der Beweislastumkehr sei von einer frühestmöglichen Entdeckung des Tumors im Jahr 2008 auszugehen. Dieser hätte aber auch dann mit Operation und Bestrahlung behandelt werden müssen, wobei zugunsten der Klägerin anzunehmen sei, dass auf die Chemotherapie zugunsten einer Antihormontherapie hätte verzichtet werden können und dass die Strahlentherapie sich nicht auf die abführenden Lymphwege bezogen hätte. Hierfür sei ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € angemessen. Unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung ergebe sich keine Haftung des Beklagten, weil nicht bewiesen sei, dass die Einnahme von Liviella zu dem Entstehen des Tumors geführt habe. Der im Übrigen gerügte Diagnosefehler führe zu keiner weitergehenden Haftung als der genannte grobe Befunderhebungsfehler. Ein Haushaltsführungsschaden sei nicht zu ersetzen, weil nach dem für Sekundärschäden geltenden Beweismaß des § 287 ZPO nicht bewiesen sei, dass dieser aufgrund der verspäteten Entdeckung des Tumors entstanden sei. Der Feststellungsantrag sei bezüglich der materiellen Schäden begründet und hinsichtlich der immateriellen Schäden nur begründet, soweit sie nicht vorhersehbar seien.
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Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlich gestellten Anträge umfänglich weiter, der Beklagte verfolgt mit seiner unselbständigen Anschlussberufung weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
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Die Klägerin rügt, dass das Landgericht bei der Schmerzensgeldbemessung im Rahmen der Beweislastumkehr bei festgestelltem groben Behandlungsfehler nicht berücksichtigt habe, dass mangels Beweises des Beklagten davon auszugehen sei, dass bei Diagnosestellung im Jahr 2008 keine Operation oder nur eine solche im geringeren Ausmaß, keine oder weniger stationäre Krankenhausaufenthalte, keine Chemotherapie und keine teilweise Brust- oder Lymphknotenentfernung erforderlich gewesen wäre. Zudem sei die Prognose ungünstiger. Ein Schmerzensgeld von 10.000,00 € sei daher zu niedrig bemessen.
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Der geltend gemachte Haushaltsführungsschaden sei nach dem Beweismaß des § 287 ZPO von der Klägerin bewiesen worden.
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Der Feststellungsantrag sei entgegen den Ausführungen des Landgerichts mit 25.000,00 € zu veranschlagen, so dass Anwaltsgebühren nach einem Streitwert von 53.000,00 € zu zahlen seien.
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Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils,
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2012 zu zahlen,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2012 zu zahlen,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus 425,72 € für den nicht anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2012 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Ferner beantragt der Beklagte im Wege der Anschlussberufung,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit von ihm nicht selber angefochten, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Das Schmerzensgeld sei zutreffend bemessen, weil es lediglich um eine vermeidbare Chemotherapie gehe. Hinsichtlich einer verschlechterten Prognose handele es sich um einen Sekundärschaden, den die Klägerin beweisen müsse, dies aber nicht könne. Der Haushaltsführungsschaden sei weder substantiiert dargelegt noch von der Klägerin bewiesen worden.
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Im Rahmen der Anschlussberufung rügt der Beklagte, dass es nicht bewiesen sei, dass das Medikament Liviella das Brustkrebsrisiko erhöht habe. Im Wesentlichen rügt der Beklagte allerdings die vom Landgericht festgestellte Qualität des Behandlungsfehlers als grob, den der Beklagte deshalb verneint sehen will, weil der Klägerin die Möglichkeit der Mammographie bekannt gewesen sei, und zwar einerseits wegen der bereits im Jahr 2001 erfolgten Mammographie und insbesondere auch wegen der von der zentralen Stelle erhaltenen Einladungen. Mangels Beweiserleichterung aus grobem Fehler könne die Klägerin den Beweis der Kausalität ihrer Beeinträchtigungen bei früherer Mammographie nicht führen. Ein Befunderhebungsfehler liege ohnehin nicht vor, da kein konkreter Anlass für eine Mammographie bestanden habe.
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Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört. Ferner hat der Sachverständige Privatdozent Dr. T ein ergänzendes mündliches Gutachten erstattet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll des Senatstermins vom 12.08.2013 sowie den Vermerk des Berichterstatters vom gleichen Tage verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.
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Der Senat folgt bei der Beurteilung des medizinischen Geschehens den überzeugenden Ausführungen des gynäkologischen Sachverständigen Privatdozent Dr. T, der als Chefarzt einer Frauenklinik sowie vormals Oberarzt an der Universitätsklinik N über die erforderliche Sachkunde verfügt.
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Als Grundlage der Haftung des Beklagten ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ein grober Behandlungsfehler des Beklagten dergestalt festzustellen, dass er der Klägerin nicht schon im Jahr 2008 – konkret anlässlich der Untersuchung vom 24.07.2008 – zur Teilnahme an einem Mammographiescreening geraten hat. Der Senat ist wie das Landgericht nach erneuter Befragung des Sachverständigen Dr. T von einem Behandlungsfehler mit der Qualität eines groben Fehlers deshalb überzeugt, weil der Sachverständige auch vor dem Senat nochmals überzeugend dargelegt hat, dass die Mammographieuntersuchung im Jahr 2008 seit mehreren Jahren fest implementiert war und die einzig sichere Methode zur Senkung des Mortalitätsrisikos bei Brustkrebserkrankungen gewesen ist. Im Jahr 2008 bestand die Forderung der Fachgesellschaft, dass die niedergelassenen Gynäkologen diese Vorsorgeuntersuchung aktiv vermitteln sollten. Es sollte Bestandteil jedes ärztlichen Gespräches im Rahmen der Brustkrebsvorsorge sein. In der zu diesem Zeitpunkt geltenden S 3-Leitlinie wurde der Frauenarzt aufgefordert, diese Screeninguntersuchung zu erklären, auch weil eine Patientin Sinn und Zweck dieser Untersuchung oftmals nicht selbständig beurteilen kann. Die von dem Beklagten regelmäßig durchgeführte Sonographie war dagegen nicht so sicher zur Senkung des Mortalitätsrisikos geeignet, weil sie unter teilweise mangelnder Beurteilbarkeit leidet.
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Darüber, ob schon im Allgemeinen der unterbliebene Rat zu einer Vorsorgeuntersuchung in Form eines Mammographiescreenings einen groben Behandlungsfehler darstellt, musste der Senat nicht entscheiden. Für den konkreten Fall ergibt sich die Grobheit des Fehlers aber jedenfalls daraus, dass es sich bei der Klägerin ersichtlich um eine Patientin handelte, die in jeder Hinsicht vorbildlich und regelmäßig Vorsorgetermine wahrnahm und der es deshalb – auch für den Beklagten ersichtlich – auf die Minimierung jedweden Brustkrebsrisikos ankam. Zudem, und dies hat der Sachverständige nochmals im Senatstermin bestätigt, war das vom Beklagten seit dem Jahr 2000 verordnete Hormonersatzmedikament Liviella jedenfalls dazu geeignet, das Risiko von Brustkrebs zu erhöhen. Wenn der Beklagte in dieser Situation einer Patientin, die in jeder Hinsicht Compliance zeigt, der er es ersichtlich auf eine höchstmögliche Reduzierung des Brustkrebsrisikos ankommt und der ein Medikament verordnet wird, das jedenfalls mit der Erhöhung des Brustkrebsrisikos in Zusammenhang gebracht wird, nicht dazu rät, sich einer einfachen, relativ risikolosen und von der Fachgesellschaft eindeutig empfohlenen Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar.
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Dieser Fehler war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch geeignet, eine Tumorerkennung bereits im Jahr 2008 mit erheblich geringerer Ausbreitung zu verhindern. Den Beweis dafür, dass der Tumor mit identischer Größe und Ausbreitung bereits im Jahr 2008 vorhanden gewesen und deshalb die gleichen Beeinträchtigungen bestanden und die gleichen Behandlungen erforderlich gewesen wären, hat der Beklagte nicht erbringen können.
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Im Rahmen dieser Beweislastumkehr ist zu Gunsten der Klägerin demnach davon auszugehen, dass bei einem entsprechenden Rat des Beklagten zur Mammographie dieser anlässlich dieser Untersuchung im Jahr 2008 entdeckt worden wäre – der Sachverständige hat dies ausdrücklich als nicht unwahrscheinlich bezeichnet – und zwar dergestalt, dass sich noch keine Metastasen gebildet hätten. Insoweit ist mangels Beweises des Gegenteils davon auszugehen, dass der Umfang einer – allerdings ohnehin notwendigen – Operation deshalb etwas geringer ausgefallen wäre, weil man vorsorglich lediglich einen sogenannten Wächterlymphknoten hätte entfernen müssen und eine weitere Entfernung von Lymphknoten nicht erforderlich gewesen wäre. Eine Strahlentherapie wäre allerdings auch bei einer Entdeckung bereits im Jahr 2008 notwendig geworden. Insbesondere wäre der Klägerin bei einer Entdeckung im Jahr 2008 allerdings die mit den erheblichsten Belastungen verbundene Chemotherapie erspart geblieben. Die weiteren Nachsorgeaufwendungen wären allerdings identisch gewesen. Schließlich hätte sich bei einer Entdeckung bereits im Jahr 2008 für die Klägerin eine deutlich günstigere Prognose für das Auftreten eines Rezidivs bzw. die 5-Jahres-Überlebensrate ergeben. Der Sachverständige hat insofern erläutert, dass die Anzahl der befallenen Lymphknoten entscheidend über die
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maßgebliche 5-Jahres-Überlebensrate ist; die insoweit maßgebliche Grenze liegt bei einer Zahl der befallenen Lymphknoten von 3 oder weniger. Angesichts der Tatsache, dass bei der Klägerin im Jahr 2010 tatsächlich 4 befallene Lymphknoten entdeckt worden sind, hat der Sachverständige unter Berücksichtigung der Tumorbiologie ausgeführt, dass sich für das Jahr 2008 bzw. sogar noch das für Jahr 2009 eine Zahl befallener Lymphknoten von 3 oder weniger ergeben hätte. Für das Jahr 2008 hat es der Sachverständige sogar für möglich gehalten, dass überhaupt noch kein Lymphknotenbefall vorlag.
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Soweit die Klägerin einen noch früheren Rat zur Mammographie als für das Jahr 2008 als behandlungsfehlerhaft gefordert und die entsprechende Unterlassung als grob behandlungsfehlerhaft gewertet wissen will, ergibt sich hieraus keine haftungsrechtliche Relevanz, weil nach den Angaben des Sachverständigen für den Zeitraum vor dem Jahr 2008 keinerlei valide Aussagen dazu möglich sind, ob der Tumor bereits vor diesem Zeitpunkt hätte entdeckt werden können. Insoweit kann also selbst bei Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht einmal festgestellt werden, dass eine solche Unterlassung geeignet gewesen wäre, die Tumorausbreitung zu verhindern. Zudem ist zweifelhaft, ob man bereits für den Zeitraum vor 2008 zu einem groben Behandlungsfehler kommt, weil, wie der Sachverständige eingeräumt hat, man in diesen früheren Zeiträumen in einen zeitlichen Bereich kommt, in dem das Verfahren des Mammographiescreenings noch nicht so lange fest implementiert war.
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Infolge dieses groben Fehlers haftet der Beklagte für alle Schäden, die der Klägerin daraus entstanden sind, dass der Brustkrebs nicht bereits im Jahr 2008 entdeckt und behandelt worden ist.
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Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes im Rahmen des immateriellen Schadensersatzanspruches war, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt, insbesondere die aufgrund der verspäteten Entdeckung des Tumors erforderliche Chemotherapie zu berücksichtigen, die, wie auch allgemein bekannt ist, mit erheblichen Beeinträchtigungen und Nebenwirkungen verbunden ist und die der Klägerin bei rechtzeitiger Entdeckung im Jahr 2008 erspart geblieben wäre. Zu berücksichtigen waren demnach die allgemeinen mit der Chemotherapie einhergehenden Ne-
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benwirkungen wie Übelkeit und einer allgemein eingeschränkten Möglichkeit der Lebensführung im Zeitraum der Chemotherapie. Ferner war zu berücksichtigen, dass im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Portsystems und dem Auftreten eines Paravasats mehrere operative Eingriffe verbunden waren. In gewissem Umfang schmerzensgelderhöhend war ebenfalls zu berücksichtigen und zu bewerten, dass der Operationsumfang bei Entfernung des Tumors bzw. der Metastasen aufgrund der Metastasenbildung im Jahr 2010 höher war, als er im Jahr 2008 gewesen wäre; wie oben bereits ausgeführt, wäre es bei einem fehlenden Befall von Lymphknoten lediglich zur Entfernung eines Lymphknotens, nämlich des sogenannten Wächterlymphknotens, gekommen. Maßgeblich zu berücksichtigen im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung ist allerdings auch, dass sich durch die verspätete Entdeckung des Tumors eine schlechtere Prognose für die Klägerin ergeben hat, so dass die Klägerin bei einer solch schlechteren Prognose mit einer größeren Sorge um einen Rückfall leben muss, als dies der Fall gewesen wäre, wenn der Brustkrebs bereits im Jahr 2008 entdeckt und deshalb die Prognose erheblich günstiger gewesen wäre.
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All diese Erwägungen führen dazu, dass der Senat das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von 10.000,00 € für zu niedrig hält und ein solches in Höhe von 20.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend ist, um der Klägerin Ausgleich und Genugtuung für die erlittenen Beeinträchtigungen zu verschaffen. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Schmerzensgeldvorstellung der Klägerin war die Klage ab- und die Berufung zurückzuweisen.
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Ferner steht der Klägerin der von ihr geltend gemachte Haushaltsführungsschaden in Höhe von 3.300,00 € zu. Der Sachverständige hat im Senatstermin eine Einschränkung der Haushaltsführung in Höhe von einer Stunde täglich für den Zeitraum der Chemotherapie für plausibel und nachvollziehbar gehalten und dies auch damit begründet, dass einer Patientin für den Zeitraum der Chemotherapie sogar seitens der Krankenkasse eine Haushaltshilfe zusteht. Dass die Klägerin im Zeitraum von September bis Dezember 2010 – also vor der Chemotherapie – ebenfalls eine Haushaltshilfe für eine Stunde täglich benötigte, ist angesichts der in diesem Zeitraum erfolgten mehrfachen schweren operativen Eingriffe und Bestrahlungsmaßnahmen in der Universitätsklinik F ohne Weiteres nachvollziehbar. Da die Klägerin die tatsächliche
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Zahlung in Höhe von 3.300,00 € im Zeitraum September 2010 bis Juli 2011 an eine Haushaltshilfe durch eine entsprechende Bescheinigung belegt hat, war dies für den Senat ausreichend, diese Kosten nach dem Beweismaß des § 287 ZPO als bewiesen anzusehen. Auch insoweit hatte die Berufung demnach Erfolg.
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Schließlich kann die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren nach einem berechtigten Gegenstandswert von 48.300,00 € vom Beklagten verlangen. Insoweit war ein berechtigtes Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 €, ein berechtigter Haushaltsführungsschaden in Höhe von 3.300,00 € sowie der volle Erfolg des Feststellungsantrages, der entgegen den Ausführungen des Landgerichts mit 25.000,00 € zu bewerten ist, zugrunde zu legen. Angesichts der möglicherweise sich insbesondere aus der Verschlechterung der Prognose ergebenden möglichen zukünftigen Folgen war der vom Landgericht festgesetzte Wert für den Feststellungsantrag von 10.000,00 € zu niedrig und vielmehr der von beiden Parteien übereinstimmend gewollte Wert von 25.000,00 € sachgerecht. Auf Basis der insoweit vom Beklagten nicht bestrittenen Berechnung der Anwaltsgebühren in der Klageschrift ergibt sich bei einem berechtigten Gegenstandswert von 48.300,00 € ein nicht anrechenbarer Teil vorgerichtlicher Anwaltsgebühren in der tenorierten Höhe von 957,35 €. Hinsichtlich der weitergehenden Forderung war die Klage ab- und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Aufgrund der obigen Ausführungen verbleibt es bei dem vom Landgericht bereits tenorierten Feststellungsausspruch hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz sämtlicher weiterer materieller und der nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die der Klägerin durch die Unterlassung eines Rates zur Mammographie im Jahr 2008 und der damit verbundenen verzögerten Krebsdiagnose entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Eine Abänderung dieses Feststellungsausspruchs hat die Klägerin nach entsprechendem Hinweis des Senats im Senatstermin auch nicht weiter mit der Berufung verfolgt.
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III.
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Der unselbständigen Anschlussberufung des Beklagten, die auf eine vollständige Abweisung der Klage gerichtet war, war aus den oben unter Ziff. II. genannten Gründen der Erfolg zu versagen.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Nr. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
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Wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 543 ZPO war die Revision nicht zuzulassen.