BGH, Urteil vom 09.11.2017 – IX ZR 270/16
Übermittelt der rechtliche Berater versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit dem Mandanten eine für diesen gefertigte Selbstanzeige der Finanzverwaltung, liegt in der anschließend gegen den Mandanten festgesetzten Steuerpflicht kein ersatzfähiger Schaden.(Rn.22)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Revision gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. Oktober 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin, die Inhaberin einer Apotheke ist, erbrachte in den Veranlagungszeiträumen der Jahre 2007 bis 2012 monatliche Darlehenszahlungen in Höhe von 1.500 € an ihren Lebensgefährten, den inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt Thomas R. . Da die Klägerin die Zahlungen in ihren Steuererklärungen fälschlich als Rechtsanwaltsberatungshonorar deklarierte, hinterzog sie während des Veranlagungszeitraums vorsätzlich in erheblichem Umfang Steuern. Das Finanzamt Regensburg führte bei der Klägerin am 6. Dezember 2012 eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume der Jahre 2006 bis 2010 durch, ohne dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden. Eine Verständigung zwischen der Klägerin und der Erbin von Rechtsanwalt R. kam hinsichtlich der Ansprüche auf Darlehensrückzahlung nicht zustande, weil die Erbin die steuerlichen Falschangaben als Druckmittel gegenüber der Klägerin einsetzte.
2
Die Klägerin beauftragte am 7. März 2014 den beklagten Rechtsanwalt damit, für sie eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt Regensburg vorzubereiten. Der Inhalt der Selbstanzeige wurde von der Klägerin mit dem Beklagten abgestimmt. Zwischen den Parteien war weiter vereinbart, dass die Selbstanzeige bis zu einer Freigabe durch die Klägerin nicht in den Auslauf gehen sollte. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurde die von dem Beklagten am 26. März 2014 erstellte Selbstanzeige ohne Ermächtigung seitens der Klägerin an das Finanzamt Regensburg versandt. Das Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin wurde am 1. Dezember 2014 wegen der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt. Die Klägerin zahlte die von ihr hinterzogenen Steuern in Höhe von insgesamt 68.077,01 € nach. Ferner erbrachte sie an die Industrie- und Handelskammer Beitragsnachzahlungen über 276,07 €. Im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Abwicklung der Selbstanzeige entrichtete die Klägerin den ihr in Rechnung gestellten Betrag von 3.453,53 € an ihre Steuerberaterin.
3
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 71.788,61 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
4
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Der Beklagte habe die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, weil er die Selbstanzeige entgegen der Weisung der Klägerin an das Finanzamt herausgegeben habe. Durch die nicht autorisierte Selbstanzeige seien die Finanzbehörden in die Lage versetzt worden, die von der Klägerin hinterzogenen Steuern zu erheben.
7
Durch die Festsetzung und Nachzahlung der verkürzten Steuern sei der Klägerin nach der Differenzhypothese im Rechtssinne kein Schaden entstanden. Bereits vor der Übermittlung der Selbstanzeige seien die tatsächlich angefallenen Steuern begründet gewesen. Die materiell-rechtlichen Steueransprüche hätten in Höhe der tatsächlich erfüllten Tatbestände der jeweiligen Einzelsteuergesetze durchgegriffen.
8
Die geltend gemachten Schadensbeträge seien auch nicht vom Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht erfasst. Bei der Verletzung von Pflichten aus einem Steuerberatervertrag sei zwar anerkannt, dass auch eine gegen den Mandanten festgesetzte Geldbuße oder Geldstrafe einen ersatzfähigen Schaden darstellen könne. Das gelte allerdings nicht, wenn der Mandant eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begehe. Diese Grundsätze seien, auch wenn die hier als Schaden geltend gemachten Steuernachzahlungen keinen Strafcharakter hätten, auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sinn und Zweck der Steuerpflicht sei es, dass der hierfür persönlich Steuerpflichtige diese Steuern aus seinem Vermögen aufbringe. Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern sei nicht erstattungsfähig, weil sie Frucht einer von der Klägerin vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung seien. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten gewesen, die der Klägerin aus der Begehung der Straftaten erlangten rechtswidrigen und nicht schutzwürdigen Vermögensvorteile weiterhin zu sichern.
II.
9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Zwar ist dem Beklagten eine grundsätzlich haftungsbegründende Pflichtwidrigkeit (§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 611 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB) anzulasten. Daraus ist der Klägerin jedoch kein ersatzfähiger Schaden (§ 249 Abs. 1 BGB) entstanden.
10
1. Dem Beklagten ist eine Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil er die strafbefreiende Selbstanzeige entgegen der Weisung der Klägerin ohne vorherige Rücksprache mit ihr den Finanzbehörden offenbart hat.
11
a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater – der Rechtsanwalt ebenso wie der Steuerberater – verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen, selbst wenn dies zu Nachteilen für den Mandanten führen kann. Dies folgt schon daraus, dass für den Anwaltsvertrag gemäß § 675 BGB die Vorschrift des § 665 BGB entsprechende Anwendung findet. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Urteil vom 20. März 1984 – VI ZR 154/82, WM 1984, 1025; vom 15. November 2007 – IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 8; vom 25. September 2014 – IX ZR 199/13, WM 2014, 2274 Rn. 19). Allerdings hat der Berater den erteilten Weisungen nicht blindlings Folge zu leisten. Gerade bei qualifizierten Dienstleistungen wie einer Rechtsberatung muss der Beauftragte stets auch auf den Sinn der ihm erteilten Weisungen achten, damit dem Mandanten nicht durch äußerlich zwar dem Auftrag entsprechende, der Sache nach aber nicht gebotene Schritte Nachteile entstehen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1976 – III ZR 110/74, VersR 1977, 421, 422; vom 20. März 1984, aaO). Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist der Berater zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entscheidung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (BGH, Urteil vom 25. September 2014, aaO).
12
b) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte seine Sorgfaltspflichten verletzt, weil er die Selbstanzeige weisungswidrig ohne vorherige Rücksprache mit der Klägerin dem Finanzamt zugeleitet hat.
13
aa) Dem Beklagten ist vorzuwerfen, dass die Selbstanzeige von seinem Büro versehentlich und folglich absprachewidrig ohne das vorherige Einverständnis der Klägerin an die Finanzbehörden herausgegeben wurde. Da ausdrücklich mit der Klägerin vereinbart war, die Selbstanzeige nur in Abstimmung mit ihr der zuständigen Stelle zu eröffnen, hatte der Beklagte in seinem Büro durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass der Schriftsatz nicht ohne vorherige Freigabe seitens der Klägerin in den Postausgang gelangt. Der Rechtsanwalt muss für eine Büroorganisation Sorge tragen, die verhindert, dass Schriftsätze durch das Büropersonal eigenmächtig versandt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 – III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f; vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 19).
14
bb) Die – ungeachtet eines fehlenden eigenen Willensentschlusses des Beklagten – der Sache nach eigenmächtige Versendung der Selbstanzeige war nicht deswegen ausnahmsweise gerechtfertigt, weil mit einem Aufschub der Maßnahme für die Klägerin Gefahr verbunden gewesen wäre.
15
Unter Beachtung der wohl verstandenen Interessen der Klägerin bestand kein anerkennenswerter Grund dafür, den Schriftsatz entgegen der getroffenen Absprache ohne ihr vorheriges Einverständnis dem Adressaten kund zu geben. Die bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung des Finanzamts hatte keinen Anhalt für den Verdacht einer Steuerhinterziehung ergeben. Deshalb war nicht zu befürchten, dass gegen die Klägerin alsbald Ermittlungen eingeleitet würden, die zur Aufdeckung des strafbaren Sachverhalts führen konnten. Bei dieser Sachlage war mit dem Aufschub der Maßnahme bis zu einer – ohnehin kurzfristig durchführbaren – Rücksprache mit der Klägerin keine Gefahr verbunden.
16
2. Die Pflichtverletzung des Beklagten hat die Vermögensnachteile ausgelöst, deren Ersatz mit der Klage begehrt wird.
17
a) Den Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese. Danach beruht die von der Klägerin erlittene Vermögenseinbuße auf der Pflichtverletzung des Beklagten.
18
aa) Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 – IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10; Urteil vom 6. Juni 2013 – IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 20). Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden die Pflichtverletzung eines rechtlichen Beraters zur Folge hatte, ist danach zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Rechtsanwalt die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 22. März 1990 – IX ZR 128/89, NJW 1990, 2128, 2129; vom 15. November 2007 – IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 9).
19
bb) Nach diesen Maßstäben hat die Pflichtverletzung des Beklagten den hier verfolgten Schaden ausgelöst. Wird die Versendung der Selbstanzeige als pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, hätte sich der Schaden nicht verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 – III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f). Die zuständigen Behörden hätten keine Kenntnis von den maßgeblichen Vorgängen erlangt, so dass die Klägerin nicht mit Steuer- und Beitragsnachzahlungen sowie Beratungskosten belastet worden wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung des Beklagten – etwa aufgrund eigener Ermittlungen der zuständigen Behörde oder einer Anzeige der Erben des Lebensgefährten der Klägerin – entstanden wäre. Darlegung und Beweis dieses hypothetischen Einwands liegt bei dem Beklagten (BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 – IX ZR 116/95, NJW 1996, 3343, 3345), der sich auf diesen Gesichtspunkt nicht einmal berufen hat.
20
b) Das für die Schadenszurechnung notwendige Erfordernis einer adäquaten Verursachung ist im Streitfall ebenfalls erfüllt.
21
Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127; vom 11. Januar 2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421). Eine abstrakt vorhersehbare Folge ist als adäquat zu bewerten, wenn dem Schädiger aufgrund der ihn treffenden Sorgfaltspflichten zuzumuten ist, gegen ihren Eintritt Vorsorge zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1981 – VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262). Ein Rechtsanwalt ist gehalten, mit Hilfe seiner Büroorganisation geeignete Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass ein Schriftsatz ohne seinen Willen herausgegeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 – III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f; vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 19). Da dies wegen der vielfältigen Möglichkeiten eines Büroversehens nach aller Lebenserfahrung nicht stets vermieden werden kann, stellt die irrtümliche Versendung einer Selbstanzeige eine adäquate Folge dar. Ferner liegt auf der Hand, dass die Selbstanzeige eines Steuerpflichtigen entsprechend ihrem Zweck im Allgemeinen geeignet ist, eine ihrem Inhalt entsprechende Steuerbelastung zu begründen.
22
3. Das mit Hilfe der Differenzhypothese ermittelte rechnerische Ergebnis eines Schadenseintritts ist einer normativen Wertung zu unterziehen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – IX ZR 172/06, WM 2008, 748 Rn. 13). Diese ergibt im Streitfall, dass der geltend gemachte Schaden hinsichtlich der Steuernachzahlungen von 68.077,01 € und der Beitragsnachzahlungen über 276,07 € nach den Grundsätzen des normativen Schadens nicht ersatzfähig ist.
23
a) Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners begründet noch keine Schadensersatzpflicht; vielmehr muss der Schaden in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen (BGH, Urteil vom 11. November 1993 – IX ZR 35/93, BGHZ 124, 86, 96 mwN).
24
aa) Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (BGH, Urteil vom 11. Januar 2005, aaO, S. 1421 f). Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – IX ZR 198/99, WM 2000, 1814, 1816; vom 15. November 2007 – IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 21; vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 28; vom 13. März 2014 – IX ZR 23/10, WM 2014, 858 Rn. 32).
25
bb) Darum kann der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozess herausstellt, dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012, aaO). Aus dieser Erwägung ist der Nachteil alsbaldiger Vollstreckung, den eine unterlegene Partei dadurch erleidet, dass ein von ihr beabsichtigtes, sachlich aussichtsloses Rechtsmittel durch ein Versehen des Prozessbevollmächtigten versäumt, nicht ordnungsgemäß eingelegt oder verspätet begründet wird, nicht ersatzfähig (BGH, Urteil vom 23. November 2006 – IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 31).
26
cc) Auch ein entgangener Steuervorteil kann grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1983 – III ZR 40/83, WM 1984, 95, 96; vom 5. Juli 2007 – IX ZR 230/04, nv Rn. 5). Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war (MünchKomm-BGB/Oetker, 7. Aufl. § 249 Rn. 514; Gräfe in Gräfe/Schmeer/Lenzen, Steuerberaterhaftung, 6. Aufl., Rn. 569). Deswegen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters durch Steuerzahlungen infolge eines versäumten Einspruchs dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die zuständigen Finanzbehörden zeitweise den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatten (BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 – IX ZR 88/02, WM 2006, 2057 Rn. 8 ff). Ebenso scheidet ein Schaden aus, wenn das Finanzamt rechtsirrig eine fehlerhafte verbindliche Auskunft erteilt und auf ihrer Grundlage einen rechtswidrigen Steuervorteil gewährt hätte (BGH, Urteil vom 15. November 2007 – IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 13 ff). Durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet, dessen Verlust einen ersatzfähigen Schaden begründet (BGH, aaO Rn. 21).
27
b) Nach diesen normativen Grundsätzen ist der Klägerin infolge der versehentlichen Versendung der Selbstanzeige durch den Beklagten ein ersatzfähiger Schaden nicht erwachsen, weil sie in Einklang mit dem materiellen Recht Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterworfen wurde.
28
aa) Die steuerliche Beratung hat sich vertragsgemäß auf der Grundlage der wahren Tatsachen innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung und insbesondere der einschlägigen steuerrechtlichen Normen zu bewegen.
29
(1) Der steuerliche Berater hat zwar in erster Linie die Aufgabe, die steuerlichen Interessen seines Mandanten wahrzunehmen und damit die Steuerlast für ihn möglichst gering zu halten. Er muss sich dabei aber im Rahmen der Rechtsordnung halten (BGH, Urteil vom 14. November 1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519). Die Beratung ist an einer dem Mandanten günstigen Behördenpraxis auszurichten, sofern diese mit dem Gesetz nicht schlechterdings unvereinbar ist (BGH, Urteil vom 13. März 2014 – IX ZR 23/10, WM 2014, 858 Rn. 32). Verstößt jedoch eine von dem Mandanten ausdrücklich gewünschte Handhabung gegen steuerliche Rechtsvorschriften, so muss der Berater notfalls das Mandat beenden. Erst recht darf der Berater schon zur Vermeidung eigenen ordnungswidrigen Handelns (§ 378 Abs. 1 AO) nicht von sich aus einen Vorgang den Steuerbehörden gegenüber in einer Weise deklarieren, die zu einer Verkürzung des staatlichen Steueranspruchs führt (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO).
30
(2) Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte einem Verlangen der Klägerin, in der Steuererklärung die an Rechtsanwalt R. tatsächlich bewirkten Darlehenszahlungen gewinnmindernd als Anwaltshonorar abzusetzen, nicht Folge leisten dürfen. Ist dem Rechtsberater die Mitwirkung an einer Steuerverkürzung verboten, kann ein schutzwürdiges Interesse des Mandanten auf Schadensersatzleistung nicht anerkannt werden, wenn durch eine fahrlässige Pflichtverletzung des Beraters eine von dem Mandanten zu verantwortende Steuerhinterziehung aufgedeckt wird. Wird durch das Versehen eines Rentenberaters offenbar, dass sein Mandant eine Erwerbsunfähigkeitsrente teilweise zu Unrecht bezogen hat, liegt in der Anpassung der Rente auf die gesetzliche Höhe kein Schaden im Rechtssinne (BGH, Urteil vom 26. Januar 1989 – IX ZR 81/88, NJW-RR 1989, 530, 531). Nicht anders ist der vorliegende Sachverhalt zu beurteilen. Die Klägerin ist aufgrund der von dem Beklagten versehentlich versandten, aber inhaltlich zutreffenden Selbstanzeige in rechtmäßiger Weise Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterzogen worden. Die Klägerin konnte von dem Beklagten nicht verlangen, ihr die Vorteile der von ihr aus eigenem Antrieb vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten.
31
bb) Der mit einem rechtlichen Berater geschlossene Vertrag kann darauf gerichtet sein, den Mandanten vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aber, dem Mandanten die Früchte einer von diesem vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren.
32
(1) Ein Steuerberater, der es durch einen von ihm erteilten Rat oder durch die von ihm veranlasste unzutreffende Darstellung steuerlich bedeutsamer Vorgänge verschuldet, dass gegen seinen Mandanten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung ein Bußgeld verhängt wird, kann verpflichtet sein, jenem den darin bestehenden Vermögensschaden zu ersetzen (BGH, Urteil vom 14. November 1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519; vom 15. April 2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 7 ff). Diese Ersatzpflicht greift nicht ein, wenn – wie hier – die Mandantin vorsätzlich Steuern verkürzt hat, weil sie sich dann über die Rechtswidrigkeit ihres Tuns im Klaren ist und keiner Aufklärung bedarf (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO; vom 15. April 2010, aaO Rn. 9).
33
(2) Zweck des dem Beklagten erteilten Auftrags war es, die Klägerin vor einer Strafverfolgung zu schützen. Demgemäß oblag dem Beklagten, eine ordnungsgemäße Selbstanzeige zu verfassen, um eine Bestrafung der Klägerin zu verhüten. Zwar durfte die Selbstanzeige nach den Absprachen der Parteien nur im Einverständnis mit der Klägerin zwecks Achtung ihrer Entscheidungsfreiheit der zuständigen Behörde mitgeteilt werden. Durch das von dem Beklagten zu verantwortende Büroversehen wurde die Entscheidungsfreiheit der Klägerin beeinträchtigt und die mit der Selbstanzeige verbundene Steuerbelastung ausgelöst. Da der rechtliche Berater nicht an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten mitwirken darf (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO S. 519), gehörte es jedoch nicht zu den vertragsgemäßen Aufgaben des Beklagten, der Klägerin durch die Vermeidung einer fahrlässigen Pflichtverletzung die Erträge der von ihr begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten. Das Interesse der Klägerin, dass die von ihr begangene Steuerhinterziehung nicht aufgedeckt wird, ist auch im Verhältnis zu dem Beklagten nicht schutzwürdig. Wie es schadensrechtlich zu würdigen wäre, wenn der Berater vorsätzlich zum Nachteil des Mandanten eine von diesem begangene Steuerhinterziehung offenbart, kann vorliegend dahinstehen.
34
4. Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz des im Rahmen der Abwicklung der Steuerhinterziehung an ihre Steuerberaterin gezahlten Honorars von 3.453,53 € nicht zu.
35
Hat der Beklagte der Klägerin nicht die Vorteile der Steuerhinterziehung zu sichern, kann von ihm auch nicht verlangt werden, der Klägerin die weiteren Nachteile zu ersetzen, die mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung verbunden sind. Der als Folgeschaden geltend gemachte Vermögensnachteil fällt zudem gleich den Steuer- und Beitragsnachzahlungen nicht in den Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht. Die Kosten eines gegen die Klägerin geführten Strafverfahrens stehen außerhalb des Schutzzwecks der Schadensersatzpflicht (BGH, Urteil vom 22. April 1958 – VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 141; vom 6. November 1979 – VI ZR 254/77, BGHZ 75, 230, 235). Gleiches gilt für Beratungskosten im Blick auf die tatsächlich geschuldete Steuernachzahlung, die bei wertender Zurechnung zuvörderst auf der von der Klägerin eigenverantwortlich verübten Steuerhinterziehung beruhen. Darum kann die Klägerin die Aufwendungen, die ohnehin erforderlich waren, um in ihrem eigenen wohl verstandenen Interesse zur Steuerehrlichkeit zurückzufinden, nicht dem Beklagten aufbürden.
III.
36
Da sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend erweist, ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.