Zur Abmahnung wegen Bewirtschaftungsmängel eines Kleingartens

AG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.2012 – 55 C 15346/11

Der Verpächter eines Kleingartens kann einen Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn der Pächter ungeachtet einen in Textform abgegebenen Abmahnung des Verpächters eine nicht kleingärtnerische Nutzung des Kleingartens fortsetzt oder erhebliche Bewirtschaftungsmängel nicht innerhalb angemessener Zeit abstellt (Rn.17).

Wie ein Kleingarten zu bewirtschaften ist, ist auf Grund der Regelung des § 1 BKleingG zu beurteilen. Gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1 BKleingG umfasst die kleingärtnerische Nutzung die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und die Erholungsnutzung. Hierbei darf die Erholungsfunktion der Gewinnung von Obst und Gemüse nicht übergeordnet werden. Einer großen Anzahl von Personen insbesondere aus ärmeren Bevölkerungsschichten soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch eigenen Anbau eine Grundversorgung mit Lebensmitteln zur Verfügung zu haben. Die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen ist prägendes Merkmal für das Vorliegen einer Kleingartenanlage. Das BKleingG schränkt den Eigentümer des jeweiligen Grundstücks in der wirtschaftlichen Verwertbarkeit seiner Immobilie erheblich ein, namentlich bei der Pachtzinshöhe und den Kündigungsmöglichkeiten. Diese Eingriffe in das Eigentumsrecht können nur gerechtfertigt sein aus der Sozialbindung des Eigentums, d.h. auf Grund eines überwiegenden Interesses der Allgemeinheit, das nicht anderes als durch den Eingriff in die Eigentumsrechte des einzelnen verwirklicht werden kann. Ein solches überwiegendes Gemeininteresse kann sich nur aus dem Nutzungszweck des Gartenanbaus und nicht aus der Erholungsfunktion ergeben, denn Erholung können die Bürger auch in öffentlichen Gärten und Parks finden(Rn.19)

Der Kleingarten gibt den Beklagten nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht, Obst und Gemüse anzubauen und zu ernten und die hierfür erforderlichen Arbeiten zu verrichten. Dem widerspricht es, wenn sie es zulassen, dass eine einzelne sehr dominante Pflanzenart von weiten Teilen ihres Pachtgrundstückes Besitz ergreift (Rn.20).

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kleingarten Nr. 00 der Kleingartenanlage „E e.V.“ An der W-Allee, 00000 E, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2000 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Parteien dürfen die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.


Tatbestand

1

Die Parteien schlossen am 17.10.1990 einen Pachtvertrag über den im Tenor näher bezeichneten Kleingarten, Bl. 5-8 d.A.. Gemäß § 5.1 des Vertrages ist der Pächter verpflichtet, den Kleingarten im Sinne einer kleingärtnerischen Nutzung ordnungsgemäß zu bewirtschaften und in gutem Kulturzustand zu halten. Der Garten ist 240 qm groß. Im Garten der Beklagten wachsen Ackerschachtelhalme. Deren Rhizome, also Wurzelstöcke werden bis zu sieben Meter lang und dringen bis zu 1,60 Meter in die Erde. Aus kleinsten Wurzelstücken können neue Pflanzen wachsen.

2

Mit Schreiben vom 16.03.2011, Bl. 12 d.A. beanstandete der Kläger gegenüber den Beklagten, dass diese ihren Garten nicht korrekt bewirtschaften würden und dort in großem Umfang Unkraut, insbesondere ca. 50 cm hoher Schachtelhalm wuchere. Der Kläger setzte den Beklagten eine Frist bis zum 30.04.2011 zur Beseitigung dieses Zustandes, Bl. 12-13 d.A.. Die Beklagten setzten dem mit ihrem Schreiben vom 18.05.2011, Bl. 36-38 d.A. entgegen, dass es keine Unkräuter gäbe, der Ackerschachtelhalm eine Heilpflanze für den Menschen sei und im Gartenbau zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden könne. Mit Schreiben vom 26.5.2011, Bl. 14-15 d.A. monierte der Kläger gegenüber den Beklagten, dass Unkraut und Schachtelhalm mehr als die Hälfte der Nutzfläche überwuchere und setzte eine weitere Beseitigungsfrist bis zum 20.6.2011. Mit Schreiben vom 27.05.2011, Bl. 16 bis 17 d.A. forderte der Kläger die Beklagten auf, die kleingärtnerische Nutzung in Form der Erzeugung von Obst und Gemüse in Selbstarbeit bis zum 11.07.2011 aufzunehmen und die widersprechenden Pflanzen zu entfernen.

3

Der Kläger fertigte am 20.7.2011 von dem Garten der Beklagten die auf Bl. 18 oben sowie auf Bl. 19 und 20 d.A. (Anlage 6 zur Klageschrift) ersichtlichen Fotografien an.

4

Mit Schreiben vom 28.07.2011, Bl. 21 und 22 d.A. kündigte der Kläger gegenüber den Beklagten das Pachtverhältnis zum 30.11.2011.

5

Der Kläger behauptet:

6

Die Beklagten hätten ihren Garten nicht bewirtschaftet, sondern Pflanzen ungehindert wuchern lassen. Insbesondere hätten sie auch nach Erhalt der Mahnschreiben den Schachtelhalm und andere wildwachsenden Pflanzen nicht beseitigt.

7

Der Kläger beantragt,

8

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kleingarten Nr. 00 der Kleingartenanlage „E e.V.“ An der W-Allee, 00000 E, zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.

9

Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagten behaupten:

12

In ihrem Garten befänden sich u.a. sechs Obstbäume, Haselnusssträucher, Johannisbeer, Josta- Himbeer- Stachelbeer- und Brombeersträucher sowie Wald- und andere Erdbeeren und verschiedene Kräuter. Es gäbe ein permanentes Beet mit Topinambur. Den Schachtelhalm steche die Beklagte zu 2) immer ab, wenn sie Beete leerräume, um dort Kartoffeln, Bohnen oder Feldsalat anzupflanzen. Sie, die Beklagten würden sodann den Schachtelhalm kompostieren oder zur Herstellung von Brühen verwenden, mit denen Pflanzen als Schutz gegen Pilzinfektionen besprüht werden könnten.

13

Die Beklagten sind der Ansicht:

14

Die Abmahnung des Klägers sei nicht hinreichend bestimmt. Ihre Gartennutzung entspreche den Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes, weil § 3 Abs. 1 S.2 BKleingG die umwelt -und naturschutzgerechte Bewirtschaftung vorschreibe. Die naturnahe Bewirtschaftung sei kein Bewirtschaftungsmangel. Die Entfernung der Schachtelhalme innerhalb der gesetzten Fristen sei aufgrund der Beharrlichkeit der Pflanze und des Ausmaßes ihrer Wurzeln unmöglich gewesen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist begründet.

17

Das Pachtverhältnis zwischen den Parteien ist beendet. Die Kündigung des Klägers vom 28.07.2011 gegenüber den Beklagten ist wirksam. Der Kündigungsgrund ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Ziff. 1 BKleingG. Danach kann der Verpächter einen Kleingartenpachtvertrag kündigen, wenn der Pächter ungeachtet einen in Textform abgegebenen Abmahnung des Verpächters eine nicht kleingärtnerische Nutzung des Kleingartens fortsetzt oder erhebliche Bewirtschaftungsmängel nicht innerhalb angemessener Zeit abstellt.

18

Die Beklagten haben erhebliche Bewirtschaftungsmängel nicht innerhalb angemessener Zeit abgestellt. Denn sie haben in ihrem Garten Schachtelhalme auf 50 cm Höhe fortdauernd wachsen lassen. Auf den Fotografien, die der Kläger mit der Klage zu den Akten gereicht hat, ist ein Garten zu sehen, in dem in einer Höhe von ca. 50 cm Schachtelhalme und andere wilde Pflanzen wachsen. Die Fotografien stammen unbestritten vom 20.7.2011. Sie zeigen unstreitig mit Ausnahme der Fotografie auf Blatt 18 d.A. unten den Garten der Beklagten. Mit diesem Bewuchs ihres Gartens halten die Beklagten sich nicht an eine kleingärtnerische Nutzung. Es handelt sich um Bewirtschaftungsmängel.

19

Wie die Beklagten ihren Garten zu bewirtschaften hatten, ist auf Grund der Regelung des § 1 BKleingG zu beurteilen. Gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1 BKleingG umfasst die kleingärtnerische Nutzung die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und die Erholungsnutzung. Hierbei darf die Erholungsfunktion der Gewinnung von Obst und Gemüse nicht übergeordnet werden (Ernst-Zinkahn-Bielenberg BauGB Kommentar, 5. Band, Bundeskleingartengesetz § 1 BKleingG Rdn. 8, Maiczyk 8. Auflage 2002 § 1 BKleingG Rdn 9, BGH NJW-RR 2004, 1241-1243). Einer großen Anzahl von Personen insbesondere aus ärmeren Bevölkerungsschichten soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch eigenen Anbau eine Grundversorgung mit Lebensmitteln zur Verfügung zu haben (BVerfGE 52,1,33). Die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen ist prägendes Merkmal für das Vorliegen einer Kleingartenanlage (BGH a.a.O. Rdn.16) Das BKleingG schränkt den Eigentümer des jeweiligen Grundstücks in der wirtschaftlichen Verwertbarkeit seiner Immobilie erheblich ein, namentlich bei der Pachtzinshöhe und den Kündigungsmöglichkeiten. Diese Eingriffe in das Eigentumsrecht können nur gerechtfertigt sein aus der Sozialbindung des Eigentums, d.h. auf Grund eines überwiegenden Interesses der Allgemeinheit, das nicht anderes als durch den Eingriff in die Eigentumsrechte des einzelnen verwirklicht werden kann. Ein solches überwiegendes Gemeininteresse kann sich nur aus dem Nutzungszweck des Gartenanbaus und nicht aus der Erholungsfunktion ergeben, denn Erholung können die Bürger auch in öffentlichen Gärten und Parks finden (BGH a.a.O., BVerfGE 52, 1, 35; 87,114,141).

20

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen entsprach der Zustand des Gartens der Beklagten im Juli 2011 zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers der kleingärtnerischen Nutzung nicht. Hier kommt es nicht darauf an, ob der Schachtelhalm, der in dem Garten der Beklagten wuchs, eine Heilpflanze ist und ob es den Begriff des Unkrauts gibt oder nicht. Maßgeblich ist, dass die Beklagten den Nutzen, den sie aus dem Schachtelhalm ziehen wollten, tatsächlich nicht gezogen haben. Sie tragen vor, immer wenn sie in ihrem Garten Nutzpflanzen wie Kartoffeln, Bohnen oder Feldsalat anbauen würden, entfernten sie die Schachtelhalme von ihren Beeten, um diese sodann für Brühen oder zur Kompostierung zu verwenden. Diese Maßnahmen hätten die Beklagten im Sinne einer kleingärtnerischen Bewirtschaftung im Juli 2011 aber schon längst vornehmen müssen. Denn Kartoffeln, Salat und Bohnen werden im Frühjahr ins Beet ausgebracht und im Sommer geerntet. Dies ist nicht geschehen, wie auf den Fotos zu sehen ist. Die kleingärtnerische Nutzung hängt nicht nur davon ab, welche Pflanzen sich in einem Garten befinden, diese müssen auch in der Weise kultiviert werden, dass der Kleingärtner die Gartenerzeugnisse gewinnt. Die Beklagten durften den Schnitt oder die Entfernung des Schachtelhalmes nicht heraus zögern. Denn sie tragen selbst vor, dass der Schachtelhalm nur schwer beherrschbar ist, weil er 7 Meter lange und 1,60 Meter tiefe Wurzeln bilde und sich aus nur geringen Wurzelteilen neue Pflanzen bilden. Mit diesem Wurzelwerk und der Höhe der Pflanzen beeinträchtigen die Schachtelhalme die anderen Obst- und Gemüsepflanzen, die nach den Angaben der Beklagten auf dem Grundstück wachsen. Der Kleingarten gibt den Beklagten nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht, Obst und Gemüse anzubauen und zu ernten und die hierfür erforderlichen Arbeiten zu verrichten. Dem widerspricht es, wenn sie es zulassen, dass eine einzelne sehr dominante Pflanzenart von weiten Teilen ihres Pachtgrundstückes Besitz ergreift. Ihre Berechtigung finden die Beklagten auch nicht in § 3 Abs. 1 BKleingG. Auch wenn die Belange des Umweltschutzes und des Naturschutzes bei der Bewirtschaftung des Kleingartens zu berücksichtigen sind, hat der Wild- oder Naturgarten durch diese Vorschrift keine Aufwertung erhalten (Ernst-Zinkahn-Bielenberg a.a.O § 3 BKleingG Rdn. 6 b) Es steht jedermann frei, einen solchen Wild- oder Naturgarten haben zu wollen, die Kleingartenanlage ist hierfür aber der falsche Ort, weil dort die Gärten nicht naturbelassen bleiben dürfen sondern stetig bearbeitet werden müssen.

21

Der Kläger hat die Beklagten auch hinreichend abgemahnt. Denn er hat die Beklagten mit Schreiben vom 16.3.2011, 26.5.2011 und 27.5.2011 aufgefordert, den Schachtelhalm zu entfernen. Wenn der Schachtelhalm im März 2011 noch nicht gewachsen war, so kam die Abmahnung gleichwohl nicht zur Unzeit. Denn dies war die Zeit, in der die Beklagten ihre Beete hätten bestellen müssen, um im Sommer Gemüse zu ernten. Die Beklagten hätten von März bis Juli 2011 hinreichend Zeit gehabt, den Schachtelhalm zu beseitigen. Denn sie tragen selbst vor, dies immer zu tun, wenn sie ein Beet bestellen. Die Beklagten mussten hierfür auch nicht bis in eine Tiefe von 1,60 m sämtliche Wurzeln der Pflanze beseitigen. Hilfreich wäre schon gewesen, wenn sie die sichtbaren Pflanzenteile entfernt hätten.

22

Die Beklagten haben gegen ihre Pflichten erheblich verstoßen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sie trotz dreimaliger Abmahnung aus grundsätzlichen Erwägungen nicht bereit sind, den Schachtelhalm zu beseitigen. Zum anderen ergibt sich dies aus der Verbreitung der Pflanze, wie die Beklagten sie schildern. Denn so ist nicht nur ihr eigenes, sondern auch die angrenzenden Grundstücke betroffen.

23

Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß § 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

24

Streitwert: 3000 €.

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