Zum Schadenersatzanspruch wegen nicht erfolgter Information der Eigentümerin einer Pferdeweide über eine Treibjagd

LG Paderborn, Urteil vom 23. Oktober 2015 – 2 S 4/15

Zum Schadenersatzanspruch wegen nicht erfolgter Information der Eigentümerin einer Pferdeweide über eine Treibjagd

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.03.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lippstadt unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 603,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag in Höhe von 390,78 EUR seit dem 20.02.2014 bis zum 24.11.2014 und aus einem Betrag in Höhe von 603,28 EUR seit dem 25.11.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) werden die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dieser selbst und dem Beklagten zu 1) jeweils zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin. Der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung ihres Pferdes „B … “ auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

2
Der Beklagte zu 1) ist Pächter einer Jagd, deren Bezirk auch die zum Grundbesitz der Klägerin gehörende Pferdeweide einschließt. Der Grundbesitz der Klägerin grenzt im Norden an den ca. drei Meter breiten … Die Klägerin nutzt die Pferdeweide für B … und ihr Pony „B“.

3
Bereits im Oktober 2012 traten bei einer vom Beklagten zu 1) veranstalteten Jagd Schuss- und sonstige jagdlichen Geräusche auf, durch welche die auf der Weide befindlichen Pferde der Klägerin verschreckt wurden bzw. in Panik gerieten.

4
Am 19.10.2013 führte der Beklagte zu 1) in dem an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Waldgebiet erneut eine Treibjagd durch. Zwar hatte der Beklagte zu 1) vor Jagdbeginn versucht, die Klägerin telefonisch über die Durchführung der beabsichtigten Treibjagd zu informieren, hatte jedoch weder sie noch ihren Ehemann erreicht. Ein erneuter Kontaktversuch vor Jagdbeginn unterblieb.

5
Mangels Kenntnis von der beabsichtigten Durchführung einer Treibjagd stellte die Klägerin am 19.10.2013 ihre Pferde wie gewohnt auf die Weide.

6
An der Treibjagd nahm der Beklagte zu 2) als Schütze teil; er führte seinen Hund bei sich. Während er am linken Flügel der Treiberreihe dem – vom Grundstück der Klägerin aus betrachtet – jenseitigen Ufer des .. folgte, schoss er mit einem Schrotgewehr auf einen abstreichenden Fasanenhahn. Der Hund des Beklagten zu 2) verfolgte den Fasan über den … in den Waldbereich neben dem klägerischen Grundstück, erlegte und apportierte ihn.

7
Am frühen Abend des 19.10.2013 kontaktierte die Klägerin wegen einer von ihrem Ehemann und ihrem Bruder wahrgenommenen Gangunklarheit des Pferdes B den Tierarzt D. Unter dem 10.01.2014 stellte der Tierarzt sowohl seine tierärztlichen Leistungen als auch die von ihm ausgegebenen Medikamente in Rechnung, insgesamt einen Betrag in Höhe von 390,78 EUR.

8
Die Klägerin meint, dem Beklagten zu 1) habe die Verpflichtung oblegen, ihr gegenüber die Treibjagd vom 19.10.2013 anzukündigen, zumal bei dieser Treibjagd der erforderliche Mindestabstand von 100 Meter bei Jagden zu Pferden auf der Weide nicht eingehalten worden sei. In diesem Zusammenhang hat sie erstinstanzlich behauptet, der Beklagte zu 2) habe in einer Entfernung von ca. 50 bis 60 Meter zur Weide und in deren Richtung einen Schuss mit dem Schrotgewehr abgegeben. Durch die hiermit verbundenen Geräusche seien beide Pferde aufgeschreckt, in Panik geraten und auf der Weide durchgegangen. Unmittelbar danach habe das Pferd B – von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten – einen gebundenen Gang gezeigt und sei lahm gewesen. Der noch am gleichen Tag hinzugezogene Tierarzt D habe – von den Beklagten ebenfalls mit Nichtwissen bestritten – gegen 18 Uhr festgestellt, dass sich das Pferd im Bereich des Krongelenks an der linken Schultergliedmaße eine Zerrung zugezogen habe. Diese Lahmheit sei auf das Treibjagdgeschehen zurückzuführen, so dass sie, so meint die Klägerin, von den Beklagten Bezahlung der Tierarztkosten verlangen könne. Darüber hinaus könne sie Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 212,50 EUR für den ihr im Zeitraum 20.10. bis 03.11.2013 entstandenen verletzungsbedingten Pflegeaufwand bzgl. des Pferdes von insgesamt 21,25 Stunden beanspruchen: In diesem Zeitraum habe sie das Pferd aus therapeutischen Gründen täglich führen oder an der Longe bewegen müssen. Dies habe einen zeitlichen Aufwand von 1,25 bis 2,5 Stunden pro Tag bedeutet; eine Vergütung von 10,00 EUR pro Stunde sei als sachgerecht zu erachten.

9
Die Klägerin hat beantragt,

10
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 603,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich von 390,78 EUR für die Zeit vom 07.02.2014 bis zu 03.11.2014 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich von 603,28 EUR ab dem 04.11.2014 zu zahlen, ferner weitere 41,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 07.02.2014.

11
Die Beklagten haben beantragt,

12
die Klage abzuweisen.

13
In rechtlicher Hinsicht meint der Beklagte zu 1), die Klage sei mangels Durchführung des Feststellungsverfahrens nach §§ 36ff. LJG NRW durch die Klägerin bereits unzulässig, § 35 LJG NRW. Im Übrigen habe eine Verpflichtung, die Klägerin auf die Treibjagd aufmerksam zu machen, nicht bestanden, da sich deren Pferdekoppel nicht im Treibjagdgebiet befunden habe. Zudem habe sich das Treibgeschehen in deutlicher Entfernung zur Pferdekoppel der Klägerin ereignet; auch sei der Schuss nicht in unmittelbarer Nähe der weidenden Pferde abgegeben worden, so dass auch aus § 823 BGB keine Einstandspflicht des Beklagten zu 1) resultiere. Hierzu hat der Beklagte zu 1) behauptet, der Abstand zwischen dem Treiben und der Pferdekoppel habe mindestens 100 Meter betragen.

14
Der Beklagte zu 2) hat behauptet, sich durchgängig ca. 70 Meter vom Grundstück der Klägerin entfernt befunden zu haben. Diesen Vortrag hat sich der Beklagte zu 1) im Verhandlungstermin beim Amtsgericht Lippstadt am 02.10.2014 zu Eigen gemacht.

15
Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei nicht ersichtlich; insbesondere habe der Beklagte zu 1) keine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.

16
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin hält ihre Rechtsauffassung erster Instanz unter Vertiefung des Tatsachenvortrags aufrecht.

17
Die Klägerin beantragt,

18
das am 05.03.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lippstadt (3 C 45/14) abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 603,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich von 390,78 EUR für die Zeit vom 07.02.2014 bis zu 03.11.2014 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich von 603,28 EUR ab dem 04.11.2014 zu zahlen, ferner weitere 41,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 07.02.2014.

19
Die Beklagten beantragen,

20
die Berufung zurückzuweisen.

21
Die Beklagten verteidigen das Urteil des Amtsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

22
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt.

23
Die Berufung ist teilweise begründet, teilweise bleibt ihr ein Erfolg versagt.

24
Die Klage ist zulässig. Der Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 35 LJG NRW bedurfte es nicht. Zwar kann in Wild- und Jagdschadensachen gemäß § 35 Abs. 1 LJG NRW der ordentliche Rechtsweg erst beschritten werden, wenn das Feststellungsverfahren (§§ 36 bis 41) durchgeführt ist. Wie bereits das Amtsgericht Lippstadt zutreffend in seinem Urteil vom 05.03.2015 ausgeführt hat, ist vorliegend aber bereits kein Jagdschaden entstanden. Denn das Schadensfeststellungsverfahren bezieht sich ausschließlich auf Grundstücksschäden, nicht aber auf solche Schäden, die an anderen Rechtsgütern entstehen (s.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.01.2004, Az. I-15 U 66/01, Rn. 21).

25
Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet, überwiegend gerechtfertigt; Abstriche waren insoweit lediglich hinsichtlich der Zinsforderung und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten vorzunehmen.

26
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 1) ein Schadensersatzanspruch in der zuerkannten Höhe aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

27
Der Beklagte zu 1) hat gegen die ihn als Jagdveranstalter treffende Verpflichtung verstoßen, vor Durchführung der Treibjagd die Klägerin über den Termin und Ablauf der bevorstehenden Jagd zu unterrichten, damit diese ihrerseits Schutzvorkehrungen für ihre durch die Jagd gefährdeten Pferden hätten treffen können.

28
Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage für andere schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer soweit wie möglich zu verhindern. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen zumutbar sind.

29
Im Ausgangspunkt besteht im Rahmen einer Jagd grundsätzlich keine Warnpflicht wegen Schussgeräuschen (Palandt-Sprau, BGB 73. Aufl., § 823 Rn. 203 a.E.). Denn Schussgeräusche stellen für sich genommen keine potentielle Gefahr für die Rechtsgüter Anderer dar, sondern sind vielmehr Bestandteil der „waldtypischen“ Geräuschkulisse, deren Wirkung auf Menschen und Tiere von vornherein kaum abschätzbar ist. Eine Warnpflicht vor solchen Geräuschen besteht daher nur dann, wenn die Wirkung von Schussgeräuschen nur unter besonderen Umständen schadensträchtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.02.2011, Az. VI ZR 176/10, Rn. 13/15, zit. n. juris; sich hieran anschließend OLG Hamm, Urt. v. 15.01.2013, Az. 9 U 84/12).

30
Da die von der Klägerin genutzte Weide, auf der unter anderem das Pferd B stand, anders als in dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 28.01.2004, Az. 15 U 66/01) zugrundeliegenden Sachverhalt nicht innerhalb des bejagten Waldgebietes, sondern nur in einem durch die konkrete Treibjagd nicht unmittelbar betroffenen Teil des Jagdbezirkes lag, kommt es für die Beurteilung dieser Frage entscheidend darauf an, ob vorliegend solche besonderen Umstände – nämlich das Abgeben von Schüssen in unmittelbarer Nähe weidender Tiere/Pferde – nach der Jagdkonzeption des Beklagten zu 1) auszumachen waren oder nicht (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 18, zit. n. juris). Dies war vorliegend der Fall:

31
Zwar ist eine allgemeinverbindliche Festlegung der Bedingungen, bei deren Vorliegen anzunehmen sein soll, dass sich ein Jagdgebiet in unmittelbarer Nähe zu einer (Nutztier-)Weide befindet, weder mit Urteil des OLG Saarbrücken vom 30.03.1990, Az. 4 U 63/89, noch mit Urteil des OLG Hamm vom 15.01.2013, Az. 9 U 84/12, erfolgt. Während das OLG Saarbrücken in seiner Entscheidung aufgrund der dortigen Sachverhaltskonstellation (Schussabgabe in einem Abstand von nur 30 Metern zum betroffenen Pferd) nur ausgeführt hat, dass ein Jäger jedenfalls dann die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er Schüsse in 30 Meter Entfernung zu einem Pferd abgibt, hatte das OLG Hamm mit Urteil vom 15.01.2013 lediglich über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem die Treibjagd in einem Abstand von mindestens 100 Metern zur Pferdeweide durchgeführt worden ist (a.a.O., Rn. 19, zit. n. juris). Lediglich für diese Distanz des Jagdgeschehens zur benachbarten Pferdeweide hatte das OLG Hamm das Kriterium der Unmittelbarkeit verneint. Das OLG Hamm hat freilich unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des OLG Saarbrücken ebenfalls ausgeführt, dass jedenfalls bei einer Entfernung von 30 Metern von einer Pferdeweide eine unmittelbare Nähe bestehe. Nicht aber hat das OLG Hamm zu der Frage Stellung genommen, bis zu welcher (starren) Entfernungsangabe unterhalb von 100 Metern (also im Bereich 30 bis 100 Meter) eine Pferdeweide noch als unmittelbar an ein Jagdgebiet angrenzend zu bezeichnen ist oder nicht.

32
Nach Überzeugung der Kammer ist aber bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine Pferdeweide in unmittelbarer Nähe zum bejagten Waldgebiet befindet oder nicht, nicht allein das Abstellen auf starre Entfernungsangaben maßgebend. Vielmehr kommt es zur Ausgestaltung des Begriffs „unmittelbare Nähe“ auf den konkret zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und damit auf eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung aller unstreitigen bzw. bewiesenen Umstände an.

33
Ausgehend hiervon lagen im vorliegenden Fall solche besonderen Umstände im Sinne der o.g. BGH-Rechtsprechung vor, so dass eine Verpflichtung des Beklagten zu 1) bestand, sich entweder vor der Treibjagd darüber zu vergewissern, dass sich auf der benachbarten Weide der Klägerin keine Pferde befanden, welche durch Treibergeräusche, Schüsse, stöbernde Hunde oder Ähnliches gefährdet werden könnten, oder aber die Klägerin über die bevorstehende Jagd und die damit verbundenen Schussgeräusche zu informieren, damit diese zum Schutz ihrer Tiere selbst hätte Vorkehrungen treffen können.

34
Der Beklagte zu 1) hat im Verhandlungstermin am 23.10.2015 geschildert, dass die Treibjagd dergestalt konzeptioniert gewesen ist, dass das Wild aus Richtung Osten in Richtung Nord-West entlang des – aus Sicht der Beklagten gesehen – linksseitig gelegenen … getrieben werden sollte. Der … stellt in diesem Bereich die natürliche Begrenzung des Grundstücks der Klägerin in nördlicher Richtung dar, wie mit den Parteien im Termin am 23.10.2015 anhand des Kartenausschnitts (Anlage K2 zum Schriftsatz vom 28.02.2014) erörtert worden ist. Damit sollte in lediglich drei Metern Entfernung zur klägerischen Grundstücksgrenze getrieben und gegebenenfalls auch geschossen werden. Zwar reicht die auf dem klägerischen Grundstück gelegene Pferdeweide ihrerseits nicht bis an den … heran. Sie reicht jedoch zum Teil in den Waldbereich hinein, der unmittelbar neben dem durch die Treibjagd betroffenen Gebiet liegt. Außerdem wusste der Beklagte zu 1) seit dem Vorfall anlässlich der von ihm im Oktober 2012 durchgeführten Treibjagd, dass sich auf dem Weidegelände der Klägerin Pferde befinden, die – ihrem Wesen gemäß – durch Schuss- und Jagdgeräusche erschrecken und dadurch in eine Stressreaktion geraten können. Zudem hatte der Beklagte zu 1) unstreitig positive Kenntnis vom Inhalt des Schreibens der Stadt M, Fachbereich Recht und Ordnung, vom 23.10.2012, hiernach er dazu aufgefordert worden war, „zukünftig die Durchführung von Gesellschaftsjagden mit den jeweiligen Tier- bzw. insbesondere Pferdehaltern abzustimmen“. Hinzu kommt, dass es einer Treibjagd wesensimmanent ist, dass aufgescheuchte Tiere sich nicht nur im geplanten Bereich des zu bejagenden Waldgebietes aufhalten, sondern infolge der für sie jagdbedingt entstehenden massiven Stresssituation auch in an das Jagdgebiet angrenzende Gebiete, insbesondere Waldgebiete, laufen bzw. fliegen können. Die insoweit einer Treibjagd inne wohnende Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit des spezifischen Verhaltens gejagter Tiere einschließlich der mitgeführten Jagdhunde hat sich im vorliegenden Fall nicht zuletzt in dem Umstand gezeigt, dass der abstreichende Fasanenhahn, auf welchen der Beklagte zu 2) geschossen hatte, in das Waldgebiet jenseits des … geflüchtet ist, in welchem auch das Grundstück der Klägerin gelegen ist. Damit hat sich die Treibjagd des Beklagten zu 1) in ihren konkreten Auswirkungen in räumlicher Hinsicht in Richtung des Gehöfts der Klägerin ausgedehnt.

35
In einer Gesamtschau sämtlicher vorstehend ausgeführter Umstände (räumliche Nähe des Jagdgebietes zur Pferdeweide, positive Kenntnis des Beklagten zu 1) und treibjagdimmanente Ausdehnung) war es für den Beklagten zu 1) vorhersehbar, dass sich das Jagdgeschehen so weit in Richtung der Pferdeweide verlagern konnte, dass eine Gefährdung von auf der Weide befindlichen Pferden der Klägerin bestand. Damit oblag dem Beklagten zu 1) aufgrund der vorliegend gegebenen „unmittelbaren Nähe“ des Treibjagdgebietes zur Pferdeweide der Klägerin im Hinblick auf Termin und Ablauf der Jagd eine Informationspflicht, gegen die er infolge des Unterlassens der Unterrichtung der Klägerin von der bevorstehenden Treibjagd verstoßen hat.

36
Darüber hinaus besteht auch ein Kausalzusammenhang zwischen der Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten zu 1) und dem Schaden der Klägerin in Gestalt der Verletzung des Pferdes B. Auf der Grundlage der von der Klägerin im Verhandlungstermin am 23.10.2015 plausibel und glaubhaft dargelegten Umstände ist die Kammer davon überzeugt, dass das Pferd vor Beginn der Treibjagd noch keine Anzeichen für eine Lahmheit gezeigt hat, wohingegen es im Anschluss an das Jagdgeschehen lahmte und sich die später diagnostizierte Zerrung im Bereich des Krongelenks an der linken Schultergliedmaße zugezogen hatte. Für diesen Ursachenzusammenhang streitet für die Klägerin in zeitlicher Hinsicht bereits der Beweis des ersten Anscheins. Denn die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, die – ebenso wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften – typischen Gefährdungen entgegenwirken soll, führt zur Anwendung des Anscheinsbeweises für die Kausalität, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden sollte (s. u.a. OLG Hamm, Urt. v. 10.08.2007, Az. 9 U 25/06, Rn. 12, zit. n. juris). Dem Vorbringen der Beklagten hingegen sind keine Tatsachen zu entnehmen, die ernsthaft gegen eine jagdbedingte Verletzung des Pferdes B am 19.10.2013 sprechen und den Anscheinsbeweis erschüttern.

37
Hätte der Beklagte zu 1) die Klägerin rechtzeitig zuvor davon in Kenntnis gesetzt, dass und in welchem Bereich die Treibjagd durchgeführt werden soll, dann hätte die Klägerin die beiden Pferde rechtzeitig eingestallt. Für diesen Fall wäre es nicht zum Ausbruch einer Panikreaktion bei dem Pferd B gekommen. Dies steht aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin zur Überzeugung der Kammer im Rahmen der gemäß § 141 Abs. 1 ZPO durchgeführten Parteianhörung fest.

38
Diese Umstände führen vorliegend zu einer Haftung des Beklagten zu 1) gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

39
Der Klägerin ist infolge der Verletzung der dem Beklagten zu 1) obliegenden Verkehrssicherungspflicht ein Schaden in Höhe von insgesamt 603,28 EUR entstanden, § 249 Abs. 1 BGB.

40
Soweit es die geltend gemachten Kosten der tierärztlichen Behandlung und medikamentösen Versorgung des verletzten Pferdes B in Höhe von insgesamt 390,78 EUR betrifft, sind diese Ausgaben der Klägerin belegt durch die beiden Rechnungen des Tierarztes D vom 10.01.2014.

41
Darüber hinaus steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Pflegeaufwandes in Höhe von 212,50 EUR zu, § 249 Abs. 1 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO.

42
Der persönliche Zeitaufwand, welcher der Klägerin durch die von ihr geschilderten Bewegungsmaßnahmen (Führen/Longieren) entstanden ist, ist als (Arbeits-)Zeit und damit als Vermögensschaden ersatzfähig, da er der Schadensbeseitigung diente (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB 73. Aufl., § 249 Rn. 44; s.a. BGH, Urt. v. 09.12.2008, Az. VI ZR 173/07, Rn. 19, zit. n. juris; s.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 18.03.2013, Az. 1 U 179/12, Rn. 56, zit. n. juris ): Sämtliche von der Klägerin vorgetragenen Maßnahmen zielten darauf ab, den Heilungserfolg im Hinblick auf die erlittene Verletzung des Pferdes herbeizuführen und damit darauf, den Schaden – in rechtlicher Hinsicht – zu beseitigen. Den der Klägerin entstandenen Zeitaufwand für Pflege und Betreuung des verletzten Pferdes schätzt die Kammer, auch unter Berücksichtigung des als Schwerpunktkammer im Bereich der Streitigkeiten im Zusammenhang mit Tieren, insbesondere mit erkrankten Pferden, erworbenen Spezialwissens, auf der Grundlage des konkreten und zeitlich aufgegliederten Klägervortrages mit 21,25 Stunden im Zeitraum 20.10.2013 bis 03.11.2013. Gleichermaßen vermag die Kammer aus eigener Sachkunde zu beurteilen, dass der Pflegetätigkeit der Klägerin ein Marktwert zukommt (vgl. zu diesem Kriterium u.a. BGH, Urt. v. 07.03.2001, Az. X ZR 160/99, Rn. 22, zit. n. juris). Die Höhe der pro Stunde Zeitaufwand anzusetzenden Kosten schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO auf einen Betrag in Höhe von 10,00 EUR.

43
Der geltend gemachte Anspruch auf (Verzugs-)Zinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Soweit es die Forderung in Höhe von 390,78 EUR betrifft, ist Verzug erst nach Ablauf der mittels anwaltlichen Mahnschreibens vom 03.02.2014 gesetzten Frist zur Zahlung bis zum 19.02.2014 eingetreten. Dass der Beklagte vor Zustellung der Klageerweiterung (erfolgt am 24.11.2014) mit der Zahlung des weiteren Betrages in Höhe von 212,50 EUR bereits in Verzug gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich, so dass sich der Anspruch auf Zinsen nur aus § 291 BGB rechtfertigt; Zinsbeginn ist der 25.11.2014.

44
Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,77 EUR vermag die Klägerin nicht zu verlangen. Die Kosten der verzugsbegründenden anwaltlichen Erstmahnung sind nicht erstattungsfähig (Palandt-Grüneberg, BGB 73. Aufl., § 286 Rn. 44f.).

45
Soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2) richtet, hat das Amtsgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

46
Ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist nicht ersichtlich. Wie die Parteien im Verhandlungstermin am 23.10.2015 unstreitig gestellt haben, ist der Beklagte zu 2) im Besitz eines gültigen Jagdscheins. Dem Beklagten zu 2) als Jagdgast des Beklagten zu 1) oblagen – im Gegensatz zum Beklagten zu 1) als dem Veranstalter der Treibjagd – gegenüber der Klägerin keine Organisations- oder Sorgfaltspflichten und damit keine Verpflichtung, dieser gegenüber zur Vermeidung eines etwaigen Schadenseintritts Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Ganz im Gegenteil durfte sich der Beklagte zu 2) als Teilnehmer der vom Beklagten zu 1) veranstalteten Treibjagd darauf verlassen, dass in deren Vorfeld der Beklagte zu 1) die gebotenen Vorkehrungen gegenüber den Eigentümern benachbarter Weideflächen, nämlich deren Unterrichtung von Termin und Ablauf der bevorstehenden Treibjagd, getroffen hatte.

47
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) beruht auf § 97 ZPO; die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

48
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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