Zum Rücktritt des Verbrauchers vom Kaufvertrag auch ohne Nacherfüllungsverlangen

Amtsgericht Köln, Urteil vom 28.01.2010 – 137 C 436/09

Zum Rücktritt des Verbrauchers vom Kaufvertrag in auch ohne Nacherfüllungsverlangen

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 600,00 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe eines Polstermöbels Modell Iruda, Ecksofa 2-sitzig, Lehne links Ottomane rechts, Rücken echt, inkl. Rücken und Zierkissen, Bezug Vorzugsstoff in Nubuk Braun / Beige.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 120,67 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 920,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Weise Sicherheit leistet.

Die Berufung der Beklagten wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger kaufte von der Beklagten das im Ausspruch beschriebene Möbelstück, ein Sofa, zu einem Preis von € 749,00. Er holte dieses am 05. 01. 2008 vom Lager der Beklagten ab. Der Kaufpreis wurde von ihm gezahlt.

Umgehend nach Lieferung, nämlich am 27. 03. 2008, rügte der Beklagte Mängel, nämlich dass die Metallfüße des Sofas zerkratzt seien, sowie, dass das –von einer Position vor dem Sofa stehend betrachtet- linke Element des Sofas tief hänge und zum Nebenelement nicht bündig sitze. Die neu gelieferten Füße wurden wiederum beim Werk eingesandt. Der Kläger erhielt darauf andere.

Mit Anwaltsschreiben vom 24. 04. 2009 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag.

Der Kläger behauptet, die bei Abholung gelieferten Metallfüße seien zerkratzt gewesen. Die dann neu gelieferten seien wiederum beschädigt gewesen. Die dann abermals gelieferten Füße wichen im Aussehen von den Füßen ab, die im Januar 2005 erworben worden seien. Zudem wiesen sie Kratzer im Lack auf, als seien sie bereits einmal benutzt gewesen.

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Bei dem Sofa habe das –von einer Position davon stehend betrachtet- linke Element 2 cm tief gehangen und zum Nebenelement nicht bündig gesessen. Nach erneuter Lieferung habe der Höhenunterschied zwischen den Polstern bzw. den Sitzelementen noch immer bestanden. Auf Grund der Beschädigung des Fertigparkettbodens müsse dieser zwecks Austauschs der beschädigten Stellen insgesamt aufgenommen und dann neu verlegt werden. Für die Verlegung seien im Jahr 2005 € 475,40 aufgewendet worden.

Der Kläger verlangt Rückgewähr des Kaufpreises, Zahlung von € 475,40 wegen Beschädigung des Parkettbodens sowie Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 186,24.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von € 749,00 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe eines Polstermöbels Modell Iruda, Ecksofa 2-sitzig, Lehne links Ottomane rechts, Rücken echt, inkl. Rücken und Zierkissen, Bezug Vorzugsstoff in Nubuk Braun / Beige,

die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn einen Betrag von € 630,70 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Bezüglich des Schiefhängens eines Sofaelements erklärt sie, hinsichtlich eines leichten Versatzes der beiden Elemente, der aber noch in der Toleranz liege und daher keinen Mangel darstelle, habe sie dem Kläger Nacharbeit angeboten, die dieser jedoch abgelehnt habe.

Ferner macht sie unwidersprochen geltend, bei dem vorliegend niedrigpreisigen Möbelstück dürfe die anzunehmende pauschalierte Lebensdauer bei 5 Jahren liegen.

Der Kläger trägt unwidersprochen vor, er habe lediglich eine Mangelbeseitigung vor Ort abgelehnt, worauf die Garnitur von der Beklagten zur Nachbesserung abgeholt worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet und teilweise unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von € 600,00 gemäß § 346 Abs. 1 BGB.

Der Kläger trat von dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag auf Grund eines gemäß § 323 Abs. 1 BGB entstandenen Rechts zurück.

Das Sofa war bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet. Dieser bestand darin, dass das linke Element 2 cm schief hing. Das entsprach nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Parteien vereinbarten zwar nicht ausdrücklich, dass die aus mehreren Elementen bestehende Sitz- oder Liegefläche eine Ebene zu bilden hat. Eine solche Vereinbarung ergibt sich aber durch Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB). Eine Höhendifferenz von 2 cm zwischen einem Sitz-/Liegeelement und dem Nachbarelement entspricht dem nicht.

Eine solche Höhendifferenz sieht das Gericht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig an. Sie wird vom Kläger dargelegt, ohne dass die Beklagte sie bestreitet. Als ein solches Bestreiten ist es nicht zu werten, wenn sie einen leichten Versatz der beiden Elemente erwähnt, der aber noch in der Toleranz liege und daher keinen Mangel darstelle. Das lässt offen, ob die Beklagte eine Höhendifferenz von 2 cm einräumt und nur die Rechtsauffassung vertritt, diese stelle „bei dem vorliegend niedrigpreisigen Möbelstück“ keinen Sachmangel dar.

Der Kläger konnte von dem Kaufvertrag zurücktreten, selbst wenn er der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung wegen des hängenden linken Elements gesetzt hatte und diese noch nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB fehlgeschlagen war. Die Setzung einer solchen Frist oblag ihm deshalb nicht, weil ein Verbrauchsgüterkauf vorlag, d.h. ein Vertrag, durch den ein Unternehmer einem Verbraucher eine bewegliche Sache verkauft (vgl. § 474 Abs. 1 BGB). Dem Wortlaut von §§ 474 bis 479 BGB ist zwar nicht zu entnehmen, dass beim Verbrauchsgüterkauf das grundsätzliche Erfordernis der erfolglosen Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB entfällt. Das Gericht sieht sich jedoch auf Grund des Umsetzungsangebotes gemäß Artikel 249 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der bis 30.11.2009 geltenden Fassung (im Folgenden nur EG-Vertrag genannt) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Artikel 10 EG-Vertrag gehalten (vgl. BGH MDR 2009, 248), § 323 Abs. 1 BGB einschränkend bzw. § 474 Abs. 2 BGB erweiternd dahin auszulegen, dass beim Verbrauchsgüterkauf der Verbraucher vor Rücktritt wegen vertragswidrig gelieferter Ware seinem Vertragspartner nicht erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss.

Das Gericht hat die genannten Bestimmungen des nationalen Rechts richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGH a. a. O.), d. h. unter Berücksichtigung der Richtlinie 1999/44 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 05. 1999 (im Folgenden nur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie genannt). Diese besagt unter Artikel 3 Abs. 3 lediglich, dass der Verbraucher zunächst vom Verkäufer Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen kann. Das Wort „zunächst“ bedeutet aber nicht, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen muss, sondern nur, dass er –naturgemäß- nicht noch Nachbesserung oder Ersatzlieferung verlangen kann, wenn er schon mit Erfolg Minderung des Kaufpreises oder Vertragsauflösung (vgl. Artikel 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) beansprucht hat. Auch Unterabsatz 3 von Artikel 3 Abs. 3 verlangt nicht, dass der Verbraucher vor Vertragsauflösung eine Frist zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung gesetzt haben muss. Er fordert lediglich, dass beides –ersichtlich, wenn es denn verlangt wird- binnen einer angemessenen Frist erfolgen muss. Der Appell an einen durch Rechtsnorm Verpflichteten, etwas in bestimmter Zeit zu tun, bedeutet nicht, dass der Berechtigte zum Erhalt oder zur Herstellung anderer Rechte die bestimmte Frist abwarten muss oder gar, dass er zusätzlich in Konkretisierung des Appells an den Verpflichteten die Zeit zu bestimmen hat, die der Rechtsnormgeber, wenn auch unbestimmt („angemessen“), bereits bestimmt hat.

Selbst wenn es vertretbar wäre, die Richtlinie anders zu interpretieren, bedarf es nicht gemäß Artikel 234, letzter Absatz, EG-Vertrag der Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zwecks Einholung einer Vorabauskunft. Im Hinblick auf die Zulassung der Berufung entscheidet das Gericht nicht zwingend letztinstanzlich.

Zu einer korrigierenden Auslegung, etwa bezüglich § 323 Abs. 1 BGB einschränkend, besteht Anlass, weil der Gesetzgeber mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Rechnung tragen wollte (vgl. BGH a. a. O.).

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von € 749,00 gemäß § 346 Abs. 1 BGB verkürzt sich nach der gleichen Vorschrift auf € 600,00 wegen zwischenzeitlich gezogener Nutzungen. Einer Aufrechnung durch die Beklagte bedarf es dazu nicht, weil durch den Rücktritt ein einheitliches Abwicklungsverhältnis entstand (vgl. Palandt-Heinrichs, 64. Auflage, § 346 Rn 6). Für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gezogenen Nutzungen, die Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB), hat der Kläger gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten. Er ist zeitanteilig linear zu ermitteln. Die Kaufsache hat eine Lebensdauer von 5 Jahren. Zu dieser Feststellung sieht sich das Gericht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO gezwungen. Die Beklagte trägt dies so vor, ohne dass der Kläger das bestreitet. Zwar erstaunt es, dass die Beklagte den von ihr vertriebenen Waren keine höhere Lebensdauere zumisst. Das Gericht sieht sich jedoch nicht in der Lage, mit der erforderlichen Gewissheit von einem Vortrag auszugehen, der entgegen dem Gebot aus § 138 Abs. 1 ZPO nicht wahrheitsgemäß und damit unbeachtlich ist.

Bei einer demnach zu veranschlagenden Lebensdauer von 60 Monaten und bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits verbrauchten ca. 20 Monaten macht die Abnutzung demnach etwa 1/5 aus und ist deswegen mit € 149,00 zu bewerten. Damit sind von dem Kaufpreis von € 749 nur noch € 600,00 als dem Kläger zu erstattend zu berücksichtigen.

An der Beachtung von Gebrauchsvorteilen ist das Gericht nicht durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gehindert. Das zeigt deren Erwägungsgrund Nr. 15, wonach die Mitgliedsstaaten vorsehen können, dass eine dem Verbtaucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch ihn seit der Lieferung erfolgt ist (vgl. BGH MDR 2009, 1378).

Der Kläger hat wiederum keinen Anspruch gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Parkettbodens, insbesondere nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur sachmängelfreien Lieferung gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht wurde, indem sie dem Kläger das Sofa mit Metallfüßen veräußerte, deren Aufsatzfläche möglicherweise am Rand nicht mit einer Abdeckung aus Filz versehen war. Dass das ursächlich für die vorgetragenen Beschädigungen des Fertigparketts wurde, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Vielmehr ist auch danach möglich, dass die Ursache darin lag, dass er, wie von der Beklagten unwidersprochen vorgetragen, das Sofa schräg/hochkant an den Platz schob, an dem es sich bestimmungsgemäß befindet. Einen Sachmangel stellt es indes nicht dar, dass das Sofa, wie von den Parteien vorgesehen, mit Metallfüßen versehen war, die durch ein schräges oder „hochkantes“ Schieben auf einem –bekanntermaßen empfindlichen- Fertigparkettboden Spuren hinterließen. Soweit der Kläger ein Sofa nicht anders an den vorgesehenen Platz bekommen konnte, hätte er eines nicht kaufen dürfen, das vereinbarungsgemäß Metallfüße hat. Dann kann auf sich beruhen, ob er durch Abdeckung der Füße beim Schieben mit etwas Weichem, etwa Lappen o.ä., die Beschädigung seines Eigentums ebenfalls hätte vermeiden können.

Soweit die Füße einen Sachmangel in Form von Verkratzungen hatten, lässt auch das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass diese ursächlich für die Beschädigungen des Fertigparketts waren. Insbesondere zeigen die von ihm vorgelegten Ablichtungen Kratzer nicht in dem Bereich, der beim Schieben mit dem Fußboden auch nur in Berührung gekommen sein könnte.

Danach hat der Kläger Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 280 Abs. 1 BGB allein wegen des Sachmangels in Form der unebenen Sitz-/Liegefläche wie folgt:

Gegenstandswert von (zu der Zeit noch) über € 600,00
Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG € 84,50
Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG € 16,90
netto € 101,40
zzgl. 19% USt gemäß Nr. 7008 VV RVG € 90,27
insgesamt € 120,67

Zahlung kann der Kläger auch unter Berücksichtigung von § 249 Abs. 1 BGB verlangen. Überzeugend trägt er unter Vorlage eines Kontoauszugs seiner Prozessbevollmächtigten vor, dass er € 150,00 an diese überwies.

Die Entscheidungen über die Kosten, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Vollstreckungsabwendungsbefugnis beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Berufung der Beklagten wird gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung, als das Gericht, ohne das Vorliegen von Gründen gemäß §§ 323 Abs. 2, 440 Satz 1 BGB zu bejahen, ein Rücktrittsrecht ohne Setzung einer angemessenen Frist annimmt. Insoweit mag auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung zumindest des Berufungsgerichts erfordern.

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