Zum Regress der privaten Krankenversicherung nach einer Prügelei (hier: Behandlungskosten für Schnittverletzungen infolge eines Sturzes in die Scherben eines fallen gelassenen Bierglases)

LG Bonn, Urteil vom 14. Februar 2020 – 1 O 205/19

Zum Regress der privaten Krankenversicherung nach einer Prügelei (hier: Behandlungskosten für Schnittverletzungen infolge eines Sturzes in die Scherben eines fallen gelassenen Bierglases)

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt,

1.

an die Klägerin 3.170,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2019 zu zahlen;

2.

die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 413,16 EUR freizustellen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz von Behandlungskosten ihres Versicherungsnehmers und Zeugen C in Anspruch.

2
Am 16.09.2017 kam zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen C und seiner damaligen Freundin, der Zeugin I2. In der Nähe von ihnen befanden sich die Zeuginnen L und T, die der Beklagte angesprochen hatte. Als der Zeuge C und die Zeugin I2 zu den Zeuginnen L und T gingen, verblieb der Beklagte, der ein Bierglas in der Hand hatte, bei ihnen. Im Anschluss daran kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen C und dem Beklagten, bei der der Beklagte und der Zeuge C zu Boden gingen und bei der sich der Zeuge C durch Glasscherben auf dem Boden verletzte.

3
Aufgrund des Geschehens ermittelte die Staatsanwaltschaft X – ### Js ####/17 – gegen den Beklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Das Verfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Y vom 30.10.2018 gemäß § 153 Abs.2 StPO eingestellt (Bl.### der Beiakte), die hiergegen gerichtete Beschwerde des Zeugen C durch Beschluss des Landgerichts Bonn vom 09.04.2019 als unzulässig verworfen (Bl.### – ### der Beiakte).

4
Die Klägerin forderte den Beklagten mehrfach zur Erstattung der von ihr auf 6.341,55 EUR bezifferten Behandlungskosten (Kostenaufstellung Anlage K1 = Bl.# d.A.) für die von dem Zeugen C erlittenen Schnittverletzungen auf, zuletzt mit an die Prozessbevollmächtigte des Beklagten gerichtetem Schreiben vom 18.12.2018 unter Fristsetzung bis zum 18.01.2019 (Anlage K2 = Bl.# d.A.).

5
Die Klägerin behauptet, die Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen C und der Zeugin I2 sei beendet gewesen, als sich diese zu den Zeuginnen L und T begaben. Der Beklagte sei bei diesen Zeuginnen geblieben und habe offensichtlich deren Bekanntschaft machen wollen. Obgleich alle Zeuginnen den Beklagten aufgefordert hätten, seine Annäherungsversuche zu unterlassen, sei er bei den Zeuginnen verblieben. Der Zeuge C habe daher den Beklagten beiseite geschoben, was der Beklagte zum Anlass genommen habe, auf den Zeugen einzuschlagen. Das Bierglas des Beklagten sei zersplittert und auf den Boden gefallen, der Zeuge durch den Faustschlag des Beklagten und den Sturz in die Scherben des zerbrochenen Bierglases verletzt worden.

6
Die Klägerin hat in der Klageschrift angekündigt, die in der dort eingereichten Kostenaufstellung (Anlage K1) genannten Belege zur Gerichtsakte zu reichen, falls der Beklagte diesen Kostenaufwand bestreiten sollte. Mit Schriftsatz vom 22.08.2019, dem der Beklagte nicht entgegen getreten ist, hat die Klägerin als Anlage K3 (Bl.## – ## d.A.) ein Konvolut über die in der Anlage K1 genannten Zahlungsbelege eingereicht und unter Zeugenbeweisantritt vorgetragen, dass sämtliche Zahlungen auch von ihr geleistet worden seien.

7
Die Klägerin beantragt,

8
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.341,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2019 zu zahlen;

9
2. den Beklagten zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR freizustellen.

10
Der Beklagte beantragt,

11
die Klage abzuweisen.

12
Der Beklagte behauptet, er habe sich aufgrund des Streites zwischen ihr und dem Zeugen C um die Zeugin I2 gesorgt und schlichten wollen. Er habe deshalb vor der Gruppe gestanden und erfahren wollen, ob die Zeugin I2 Hilfe benötigte. Hierbei sei er von dem Zeugen C angegriffen worden.

13
Der Beklagte hat schriftsätzlich vorgetragen, er sei bei diesem Angriff von dem Zeugen C zu Boden geschubst (S.1 der Klageerwiderung = Bl.## d.A.) beziehungsweise gestoßen worden (Schriftsatz vom 23.09.2019 = Bl.## d.A.). Erst dann habe er – der Beklagte – sich gewehrt (S.2 der Klageerwiderung). Der Zeuge C habe ihn auf das Jochbein geschlagen, so dass er – der Beklagte – ein blaues Auge davon getragen habe (Schriftsatz vom 23.09.2019). Der Beklagte hat ferner in der Klageerwiderung (dort S.2) vorgetragen, der Zeuge C habe sich bei der Rauferei, die dieser selbst begonnen habe, an den Scherben des Bierglases verletzt, für dessen Zerbrechen dieser letztlich selbst verantwortlich gewesen sei. Das Bierglas sei zu Bruch gegangen, weil der Zeuge C ihn zu Boden geschubst habe.

14
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dies wie folgt geschildert (S.2f. des Sitzungsprotokolls = Bl.##f. d.A.):

15
Herr C kam dann rüber, er stand an meiner linken Seite vor mir und hat mir auf das Jochbein geschlagen. Ich habe gedacht, dass ich mich wehren müsste und habe das Bierglas fallen lassen. Ich habe dann aus der Drehung quasi von rechts nach links zurückgeschlagen. Deswegen kann das auch nicht mein Bierglas gewesen sein in das er gefallen ist, weil das ja dann auf der anderen Seite gelegen hätte. Herr C hat dann wohl das Gleichgewicht verloren, er ist nach rückwärts gefallen und hat mich dabei festgehalten, er hat mich selber auch noch mitgenommen im Fallen. Er ist sozusagen mit mir zusammen umgefallen. (…) Er hat sich wohl mit seinen Händen auf dem Boden abgestützt. Ich schließe das aus den Scherben an den Händen und weil er sich ja dann, wenn er auf den Rücken fiel, abstützen müsste. Aber die Scherben von meinem Glas waren ja gefühlte 2 Meter weg.

16
Auf Nachfrage, ob nicht ein Schubsen stattgefunden habe, wie dies schriftsätzlich vorgetragen worden ist, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt (S.3 des Sitzungsprotokolls):

17
Also der Herr C hat mir direkt auf das Jochbein geschlagen. Das hätte die Polizei eigentlich auch sehen müssen.

18
Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, dass er mit weiteren Angriffen habe rechnen müssen und dass sein Handeln von Notwehr gedeckt gewesen sei.

19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2020 (Sitzungsprotokoll Bl.## – ## d.A.) Bezug genommen.

20
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und die Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft X ### Js ####/17. Hinsichtlich des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2020 sowie den Inhalt der Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe
21
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

22
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.170,76 EUR aus den §§ 823 Abs.1 und Abs.2, 249 Abs.2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 229 StGB aus übergegangenem Recht (§§ 86 Abs.1, 194 Abs.1 Satz 1 VVG) sowie auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,16 EUR aus den §§ 280 Abs.1 und Abs.2, 286 Abs.1, 249 Abs.1 BGB. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

23
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Unterzeichners (§ 286 Abs.1 ZPO) fest, dass der Beklagte am 16.09.2017 den Körper und die Gesundheit des Zeugen C dadurch fahrlässig und widerrechtlich verletzt hat (§ 823 Abs.1 BGB), dass er den Zeugen durch einen Schlag mit der Hand zu Fall gebracht hat, wodurch sich der Zeuge die in der Beiakte lichtbildlich dokumentierten Schnittverletzungen (Bl.## ebenda; vgl. auch S.4 der polizeilichen Strafanzeige vom 16.09.2017 = Bl.# der Beiakte) zugezogen hat.

24
a) Der damit von dem Beklagten verwirklichte objektive Straftatbestand der – fahrlässigen – Körperverletzung ist durch den Zeugen C und die Zeuginnen I2, L und T hinsichtlich des äußeren Geschehensablaufes glaubhaft und in den wesentlichen Einzelheiten übereinstimmend geschildert worden.

25
Der Zeuge C hat differenziert und ohne eine einseitige Belastungstendenz bekundet, den Beklagten weggeschoben beziehungsweise weggestoßen und daraufhin direkt die Faust des Beklagten fliegen gesehen zu haben, wodurch er dann irgendwann auf dem Boden gelandet sei (S.5 des Sitzungsprotokolls vom 17.01.2020 = Bl.## d.A.). Dabei hat der Zeuge nicht nur eingeräumt, von dem Beklagten „genervt“ gewesen zu sein, so dass ihm der Kragen geplatzt sei (S.6, ebenda), sondern auch klargestellt, dass er von einem Treffer durch die Faust des Beklagten lediglich ausgehe (S.5 ebenda), dies aber ebenso wie eine hierdurch verursachte Verletzung an der Oberlippe (S.6 ebenda) nach all der Zeit nicht mehr aus seiner Erinnerung bestätigen könne. Dieser eher zurückhaltenden Zuweisung der Verantwortlichkeiten durch den Zeugen C entspricht im Übrigen seine in der polizeilichen Strafanzeige wiedergegebene Tatschilderung 16.09.2017, die zudem die erlittene Schnittwunde als Tatfolge beschreibt (Bl.# der Beiakte).

26
Die Aussage der Zeugin I2 bestätigt diese Angaben. Die Zeugin hat lebensnah und inhaltlich übereinstimmend mit ihrer polizeilichen Vernehmung vom 27.10.2017 (Bl.## – ## der Beiakte) geschildert, dass der Zeuge C den Beklagten geschubst hat, dieser daraufhin den Zeugen geschlagen hat, beide zu Boden gegangen sind und dass das Glas des Beklagten bei dem Vorgang zu Bruch gegangen ist und der Zeuge geblutet habe, als er am Boden lag (S.7 und S.9 des Sitzungsprotokolls vom 17.01.2020 = Bl.##ff. d.A.). Auch diese Aussage war frei von jeglichen Belastungstendenzen, wobei die Zeugin – etwa hinsichtlich der Ursache für den Glasbruch, der Stärke des Schubsens durch den Zeugen sowie eines Schlages des Beklagten mit der Faust – sorgfältig zwischen den ihr noch erinnerlichen Einzelheiten und dem Inhalt der Fragen des Unterzeichners unterschieden hat (vgl. S.7 und S.8 ebenda).

27
Letzteres gilt auch für die Aussage der Zeugin L, ausweislich derer der Beklagte, nachdem er von dem Zeugen C weggeschubst worden war, auf den Zeugen losgegangen ist, anschließend beide auf dem Boden lagen und der Zeuge geblutet hat (S.10 bis 11 des Sitzungsprotokolls = Bl.##f. d.A.). Hinsichtlich der Ursache des Glasbruchs und eines etwaigen Schlages durch den Beklagten sowie der zu diesen Punkten seinerzeit noch etwas deutlicheren Schilderungen in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 24.11.2017 (Bl.## – ## der Beiakte) hat die Zeugin nachvollziehbar und wahrheitsgemäß auf ihre insoweit nur noch begrenzte Erinnerung hingewiesen (S.10 – 12 des Sitzungsprotokolls).

28
Die Aussage der Zeugin T fügt sich widerspruchsfrei in diese Schilderungen ein. Ihre Wiedergabe des Geschehens, wonach der Zeuge C den Beklagten geschubst hat, dieser den Zeugen geschlagen hat, beide sich danach geprügelt haben, das Bierglas des Beklagten in Scherben ging und danach die Scherben des Bierglases auf dem Boden lagen, überzeugt (S.13 – 14 des Sitzungsprotokolls = Bl.##f. d.A.). Auch die Zeugin T hat ohne Belastungs- oder Begünstigungstendenzen wechselseitige Beiträge des Zeugen C und des Beklagten zu der Auseinandersetzung beschrieben und zu dem Bruch des Bierglases sehr differenzierte Angaben gemacht (S.14 ebenda). Ihre polizeiliche Vernehmung vom 22.11.2017 (Bl.## – ## d.A.) entspricht ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung.

29
Die hiervon abweichenden Schilderungen des Beklagten und des Zeugen I sind unglaubhaft.

30
Die im Tatbestand dieses Urteils zitierte Schilderung des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung weicht in wesentlichen Punkten von seinem schriftsätzlichen Vorbringen ab, ohne dass es hierfür irgendwelche und insbesondere plausible Erklärungen gibt. Eine Einleitung der tätlichen Auseinandersetzung durch einen Schlag des Zeugen C auf das Jochbein des Beklagten, die der Beklagte erstmals in der mündlichen Anhörung behauptet hat, ergibt sich weder aus seinen Schriftsätzen in diesem Rechtsstreit, aus seinen in der polizeilichen Strafanzeige vom 16.09.2017 zitierten Angaben (dort S.3 = Bl.# der Beiakte) noch aus seiner Einlassung in dem Ermittlungsverfahren (vgl. Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 05.02.2018 = Bl.## – ## d.A.). Gleiches gilt für die erstmals in der mündlichen Verhandlung beschriebene Lage der Glasscherben, mit der der Beklagte nun abweichend von der Klageerwiderung die Ursächlichkeit der Scherben seines Glases für die Schnittverletzungen des Zeugen C bestreiten möchte.

31
Der Zeuge I hat zwar in Übereinstimmung mit der vorstehend zitierten Schilderung des Beklagten bekundet, der Zeuge C sei auf den Beklagten zugegangen und habe zugeschlagen (S.15 des Sitzungsprotokolls = Bl.## d.A.). Indes weist diese Aussage nicht nur in Bezug auf das Randgeschehen auffallende Lücken und eher pauschale Zusammenfassungen auf („flogen schon die Fäuste“, vgl. S.15 und S.17 ebenda), vielmehr musste der Zeuge seine Aussage auf Nachfrage deutlich relativieren. Wie der Zeuge C konkret geschlagen habe, konnte der Zeuge nämlich auf Nachfrage nicht näher beschreiben (S.16, letzter Satz, ebenda), zumal er hinter dem ihm den Rücken zudrehenden Beklagten stand (S.17 ebenda). Dementsprechend gab der Zeuge ausweislich der polizeilichen Strafanzeige vom 16.09.2017 (dort S.3 = Bl.# der Beiakte) damals an, er habe nur gesehen, dass es eine Rauferei zwischen den Beiden gab. Die hiervon abweichende Aussage in der mündlichen Verhandlung ist vor diesem Hintergrund inhaltlich nicht nachzuvollziehen.

32
Nach alledem bestand für eine (ergänzende) Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen keine Grundlage. Es fehlt an der dafür erforderlichen gewissen Anfangswahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Beklagtenvortrages (§ 448 ZPO; vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 40.Aufl. 2019, § 448 Rd.2).

33
b) Anschließend an die Beweiswürdigung unter 1.a) bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Beklagte die zeitnah an die tätliche Auseinandersetzung dokumentierten Schnittverletzungen des Zeugen C verursacht hat. Denn der den Sturz des Zeugen C auslösende Schlag des Beklagten kann nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass zugleich der Verletzungserfolg in Form der Schnittwunden entfiele (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 79.Aufl. 2020, Vorbemerkung von § 249 Rd.25). Dass sich der Zeuge C bei diesem Geschehen durch den Bruch des Glases des Beklagten derartige Verletzungen zuziehen konnte, lag auch nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, sondern entsprach bei objektiver Betrachtung des Tatgeschehens geradezu dem regelmäßigen Verlauf der Dinge (sog. Adäquanzlehre; vgl. BGH NJW 2017, 263; BGH VersR 2013, 1570). Schließlich sind dem Beklagten diese Verletzungsfolgen auch bei wertender Betrachtungsweise objektiv zurechenbar (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, aaO., Vorbemerkung von § 249 Rd.29ff.). Auf die Hinweise des Unterzeichners in der mündlichen Verhandlung (S.1 des Sitzungsprotokolls = Bl.## d.A.) wird dazu ergänzend Bezug genommen.

34
c) Die Verletzungshandlung des Beklagten war nicht durch Notwehr im Sinne von § 227 Abs.1 BGB, § 32 Abs.1 StGB gerechtfertigt und deshalb widerrechtlich.

35
Es fehlt an einer Darlegung entsprechender Tatsachen und deren Nachweis durch den insoweit beweisbelasteten Beklagten (vgl. BGH NJW 2008, 571 m.w.N.), die eine Notwehrlage in Form eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs des Zeugen C auf den Beklagten im Sinne von § 227 Abs.2 BGB, § 32 Abs.2 StGB begründen könnten. Mit dem Wegschubsen des Beklagten durch den Zeugen C war dieser „Angriff“ beendet. Konkrete Tatsachen, anhand derer der Beklagte mit weiteren Tätlichkeiten des Zeugen rechnen musste, sind weder ersichtlich noch von dem Beklagten dargetan worden. Insoweit wird auf das eingangs unter 1.a) dargestellte Geschehen sowie den Hinweis in der mündlichen Verhandlung (S.2 des Sitzungsprotokolls = Bl.## d.A.) auf den Vermerk des Direktors des Amtsgerichts Y – ### Ds ##/18 – (Bl.### der Beiakte) Bezug genommen.

36
d) Da der Beklagte hinsichtlich des Schlages gegen den Zeugen C vorsätzlich gehandelt und dadurch die Schnittverletzungen des Zeugen fahrlässig verursacht (oben unter 1.b)) hat, liegen auch die subjektiven Voraussetzungen für eine deliktische Haftung des Beklagten vor (vgl. § 823 Abs.1 und Abs.2 BGB, §§ 229, 223 Abs.1 StGB). Denn der Beklagte hat hinsichtlich der Verletzungsfolgen die von ihm zu erwartende erforderliche Sorgfalt im Sinne von § 276 Abs.2 BGB außer Acht gelassen, weil er damit rechnen musste, dass sein Glas bei der Auseinandersetzung zu Bruch gehen und der Zeuge C infolge des Schlages in die Scherben dieses Glases stürzen und sich dabei Schnittverletzungen zuziehen könnte. Nicht anderes würde im Übrigen für eine Verletzung des Zeugen durch in dem Umfeld eines Festzeltes von Dritten zurückgelassene leere Gläser oder Glasscherben gelten.

37
e) Aus den bereits in der mündlichen Verhandlung (S.1f. des Sitzungsprotokolls = Bl.##f. d.A.) dargelegten Erwägungen muss sich der Zeuge C jedoch gemäß § 254 Abs.1 BGB ein Mitverschulden an der Entstehung seiner Schnittverletzungen und den daraus resultierenden Schäden (§ 249 Abs.2 Satz 1 BGB) von 50% anrechnen lassen.

38
Dies folgt daraus, dass der Zeuge C gegen den Beklagten ausweislich der eingangs unter 1.a) dargestellten Beweiswürdigung tätlich geworden ist und damit eine – wenn auch nicht durch Notwehr gerechtfertigte (oben unter 1.c)) – Tätlichkeit des Beklagten als Gegenreaktion herausgefordert hat (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 254 Rd.30 m.w.N.). Denn ein Wegschubsen des Beklagten durch den Zeugen C vor den Zeuginnen L und T, mit denen der Beklagte nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin durch Annäherungsversuche eine Bekanntschaft zu machen versuchte, war in der konkreten Situation dazu geeignet, selbst bei einem besonnenen Menschen nach der Lebenserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine tätliche (Gegen-) Reaktion herbeizuführen (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8.Aufl. 2018, § 254 Rd.15). Hinzu kam im vorliegenden Fall die dieser Tätlichkeit vorausgegangene Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen C und der Zeugin I2, die für den Zeugen C erkennbar von dem Beklagten zum Anlass genommen wurde den Zeuginnen seine vermeintliche „Hilfe“ anzubieten, sowie der Alkoholkonsum der Beteiligten und nicht zuletzt das verletzungsbegründende und für den Zeugen C erkennbare Bierglas in der Hand des Beklagten. Insoweit wird auf die protokollierten Aussagen des eingangs unter 1.a) benannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

39
Da das Verhalten des Beklagten in Anbetracht dieser Gesamtumstände in einem deutlich milderen Licht erscheint und insbesondere die streitgegenständlichen Verletzungsfolgen des Zeugen C unschwer vermieden worden wären, wenn sich der Zeuge gegenüber dem Beklagten auf eine verbale Ansprache beschränkt hätte, führt die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge hier zu einer hälftigen Haftungsquotierung (vgl. zur Frage dieser Haftungsquotierung: BGH, Urteil vom 21.09.1965 – VI ZR 98/64 = VersR 1965, 1152; OLG Koblenz NJW-RR 1994, 864, 865; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 477).

40
f) Der Höhe nach hat die Klägerin mit dem Anlagenkonvolut K3 die entsprechenden Arztrechnungen und Leistungsaufstellungen ihres Hauses übersandt, aus denen sich die auf 6.341,55 EUR addierenden Einzelbeträge für die Behandlung der Schnittverletzungen des Zeugen C aus der Kostenaufstellung der Anlage K1 zur Klageschrift zusammensetzen. Der Beklagte hat auf diese substantiierte Darlegung der Behandlungskosten nebst deren Ausgleich durch die Klägerin (S.2 des Schriftsatzes vom 22.08.2019 = Bl.## d.A.) nicht erwidert, so dass dieses Vorbringen gemäß § 138 Abs.3 ZPO als zugestanden gilt. Die hier zitierten Anlagen waren zudem Gegenstand der mündlichen Verhandlung (vgl. S.19 des Sitzungsprotokolls = Bl.## d.A.).

41
Ausgehend von einem hälftigen Mitverschulden des Zeugen C hat die Klägerin gegen den Beklagten daher aus übergegangenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.170,76 EUR.

42
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1 BGB.

43
2. Der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf dem Zahlungsverzug des Beklagten.

44
Die der Klägerin entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung sind als Verzugsschaden ersatzfähig, da sie zur Wahrnehmung und Durchsetzung eines begründeten Zahlungsanspruches erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2015, 3782), nachdem sich der Beklagte infolge der mehrfachen Zahlungsaufforderungen der Klägerin in Zahlungsverzug befand (§ 286 Abs.1 BGB). Der Höhe nach war den entstandenen Rechtsanwaltskosten jedoch aus den Gründen zu 1.e) und f) nur ein Gegenstandswert in Höhe der berechtigten Hauptforderung zugrunde zu legen (BGH NJW 2018, 935; BGH VersR 2017, 1282). Bei einem Gegenstandswert von 3.170,76 EUR ergibt sich daher im Anschluss an Seite 5 der Klageschrift folgende Berechnung, wobei anstelle einer Verfahrensgebühr eine Geschäftsgebühr anzusetzen ist (vgl. § 13 Abs.1 RVG, Ziffer 2300 der Anlage 1 zum RVG):

45
1,3 Geschäftsgebühr 327,60 EUR
Auslagenpauschale 20,00 EUR
19% Umsatzsteuer 66,04 EUR
Gesamtbetrag 413,64 EUR

46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

47
Streitwert: 6.341,55 EUR.

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