Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2010 – L 6 U 3210/09
Der sachliche Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Arbeitstätigkeit besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Arbeitsätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Der Unfallversicherungsschutz setzt voraus, dass der Weg mit der versicherten Haupttätigkeit zusammenhängt, weil der Weg nur versichert ist, solange und soweit er eng mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit verbunden ist.Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, die Haupttätigkeit aufzunehmen oder nach deren Beendigung in seinen Privatbereich zurückzukehren; denn nur dann hängt sein Handeln mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit zusammen. Fehlt es an diesem Zusammenhang, ist das Zurücklegen des Weges auch dann keine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte dieselbe Strecke zurücklegt, die er als Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (Rn. 25)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2009 abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der von M. E.am 20.02.2008 erlittene Verkehrsunfall ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass der von ihrem Ehemann M. E. am 20.02.2008 erlittene Verkehrsunfall ein Arbeitsunfall war.
2
Der im Jahre 1965 geborene M. E. (Versicherter) war ab 1994 bei der Firma I. GmbH beschäftigt und dort ab 1996 als Entwicklungsingenieur Software, zuletzt mit einem Jahresbruttoentgelt von mehr als € 86.000, tätig. Im Rahmen dieser bei der Beklagten versicherten Tätigkeit unterlag er nicht der Zeiterfassung und stand ihm die Einteilung seiner Arbeitszeit ebenso frei, wie die Wahl, seine Arbeit im Betrieb oder an seinem häuslichen Arbeitsplatz zu erledigen. Die Fahrten von der mit der Klägerin und den beiden gemeinsamen, in den Jahren 2003 bzw. 2006 geborenen Söhnen bewohnten Familienwohnung in der Innenstadt von St. zu seinem Arbeitsplatz im Betrieb in B. und zurück legte der Versicherte mit seinem PKW der jeweiligen Verkehrslage angepasst auf unterschiedlichen Wegen zurück.
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Am 20.02.2008 arbeitete der Versicherte zunächst zuhause, während die Klägerin mit einer Freundin deren Mutter zum Flughafen brachte. Gegen 10:00 Uhr hatte der Versicherte über das betriebliche Chat-System seiner Arbeitgeberin Kontakt mit einem Arbeitskollegen und kündigte an, wegen eines Kundenproblems gegen 12:00 Uhr zu diesem in den Betrieb zu kommen. Nach Rückkehr der Klägerin gegen 11:00 Uhr erklärte ihr der Versicherte, er habe einen Termin, verließ gemeinsam mit dem seinerzeit knapp fünfjährigen älteren der beiden gemeinsamen Söhne die Familienwohnung und brachte diesen in den nahe der der J.straße, am Rande der Innenstadt, gelegenen M.-Kindergarten. Das dem Versicherten von seiner Arbeitgeberin zur Verfügung gestellte Laptop blieb in der Wohnung zurück; hinsichtlich des Verbleibs seines Mobiltelefons bestehen keine Erkenntnisse.
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Gegen 11:45 Uhr befuhr der Versicherte mit seinem PKW die zwischen der J.straße und dem Autobahnanschluss St.-P. (St.-Flughafen-Nord) verlaufende zweispurige mittlere F.straße (L 1016) in Fahrtrichtung J.straße. Nach dem Ortsausgang P. geriet er nach einer leichten Linkskurve aus ungeklärter Ursache auf die linke Fahrspur und stieß auf gerader Strecke frontal mit einem entgegenkommenden Lastzug zusammen. Dabei wurde das Fahrzeug des Versicherten bis hinter den B-Holm eingedrückt. Hierdurch verstarb der Versicherte noch an der Unfallstelle.
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In dem von Beamten des Polizeivollzugsdienstes an der Unfallstelle u. a. sichergestellten Geldbeutel des Versicherten fand sich eine handgeschriebene Notiz mit dem Wortlaut „Bitte meine Frau A. E. 0171-… 0711-… informieren.“ Im Rahmen der anschließenden Zeugenvernehmung durch Beamte des Verkehrsunfalldienstes des Polizeipräsidiums St. gab der Unfallgegner T. M. an, das Fahrzeug des Versicherten sei ca. 30 m vor ihm auf seinen Fahrstreifen gewechselt und dabei beschleunigt worden. Während er versucht habe, abzubremsen, sei bereits die Kollision erfolgt. Die Zeugin V. M., die mit ihrem Fahrzeug hinter dem LKW des Unfallgegners hergefahren war, erklärte, sie habe gesehen, wie der PKW des Versicherten mit voller Absicht auf den LKW gefahren sei; sie habe den Eindruck gehabt, als wolle der Fahrer Selbstmord begehen. Die weiteren Zeugen M. R. und J. B. vermochten keine Beobachtungen zum genauen Unfallhergang anzugeben.
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Die Klägerin gab noch am Unfalltage bei Aushändigung der persönlichen Gegenstände des Versicherten gegenüber Beamten des Polizeipräsidiums St. an, es habe finanzielle Probleme innerhalb der Familie gegeben. Bei verschiedenen Banken bestünden Kredite in Höhe von ca. € 50.000; auch seien in den letzten Tagen mehrere Mahnungen von unbezahlten Rechnungen bzw. Briefe von Inkassounternehmen gekommen. Eine genaue Übersicht über die finanzielle Situation habe sie jedoch nicht. Den Sinn des in der Geldbörse des Versicherten aufgefundenen Schreibens könne sie nicht erklären. Ein Suizid sei unvorstellbar.
7
Im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft St. eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erstatteten der Direktor des Instituts für Gerichtliche Medizin der Universität T. Prof. Dr. Dipl. Phys. W. das forensisch-psychologische Gutachten vom 31.03.2008, in dem er zu dem Ergebnis kam, im Zeitpunkt des Todes sei von einer geringen Ethanolbeeinflussung des Versicherten auszugehen. Im darüber hinaus eingeholten Unfallgutachten des Dipl. Ing. für das Kraftfahrwesen F. vom 01.04.2008 ist ausgeführt, bei zulässiger Geschwindigkeit im Unfallstellenbereich von 60 km/h habe die Fahrgeschwindigkeit des LKW vor dem Unfallgeschehen 63 km/h und diejenigen des PKW des Versicherten ungefähr 80 km/h betragen. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien für den Unfall nicht ursächlich geworden. Aus technischer Sicht könne das Abkommen des PKW auf die Gegenfahrbahn nicht erklärt werden. Mit Verfügung vom 17.04.2008 stellte die Staatsanwaltschaft St. das Ermittlungsverfahren ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, es habe sich kein Anhalt für ein Fremdverschulden ergeben; es handle sich um einen Unfalltod, wobei letztlich nicht mit Sicherheit habe geklärt werden können, ob dieser von dem Verstorbenen absichtlich herbeigeführt worden sei.
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Nach Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten verneinte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 27.05.2008 unter der Überschrift „Unfall Ihres verstorbenen Ehemannes vom 20.02.2008“ das Vorliegen eines Arbeitsunfalles und das Bestehen von Ansprüchen auf Leistungen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Versicherte sei zum Unfallzeitpunkt stadteinwärts unterwegs gewesen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er sich aus beruflichen Gründen auf diesem Weg befunden haben solle.
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Am 05.06.2008 erhob die Klägerin Widerspruch. In der Folgezeit begehrte sie die Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles und machte für sich sowie für die beiden Kinder Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen geltend. Sie trug vor, der Versicherte habe offensichtlich seine Fahrt zur Arbeit vom Kindergarten des älteren Sohnes aus über die mittlere F.straße fortgesetzt. In Sichtweite der A 8 müsse er einen Stau auf der Autobahn gesehen haben und aufgrund seiner ausgeprägten Abneigung gegenüber einem Warten im Verkehrsstau, wegen der er häufig sogar Umwege in Kauf genommen habe, umgekehrt sein, um seine Fahrt zur Arbeit auf einem anderen Weg fortzusetzen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 wies die Beklagte wiederum unter der Überschrift „Unfall Ihres verstorbenen Ehemannes vom 20.02.2008“ den Widerspruch der Klägerin zurück. Eine Wegeänderung aufgrund eines Staus sei nicht nachweisbar. Unabhängig davon sei aber eine Fahrt zurück nach St.-D. nicht erklärlich; vielmehr wären direkte, kürzere und verkehrsgünstigere Umfahrungen möglich gewesen.
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Am 14.10.2008 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart Klage und verfolgte ihr Begehren weiter. Sie trug vor, die Umkehr des Versicherten schließe einen Wegeunfall nicht aus, so lange nicht feststehe, dass diese auf privaten Gründen beruhe. Dies sei aber nicht der Fall. Mit Blick auf den staatsanwaltschaftlichen Verdacht einer Selbsttötung habe sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass finanzielle Schwierigkeiten nicht vorgelegen hätten. Ein seinerzeit bestehendes Darlehen in Höhe von ca. € 30.000 habe angesichts des Einkommens des Versicherten kein Problem dargestellt und sei regelmäßig zurückgeführt worden. Auch habe der Versicherte eine Notiz, wer im Notfall zu verständigen sei, ständig mit sich geführt. Diese Angewohnheit habe er von seiner Mutter übernommen. Das Umkehren auf dem Weg zur Arbeit lasse sich nicht nur durch einen Stau, sondern auch dadurch erklären, dass der Versicherte sein dienstliches Laptop habe holen wollen, da er dieses möglicherweise benötigt habe; es sei ungewöhnlich gewesen, dass er das Laptop nicht dabei gehabt habe. Dass der Versicherte ohne ersichtliche äußere Ursache auf die Gegenfahrbahn geraten sei, lasse sich ohne Weiteres durch ein Bücken nach einem herunter gefallenen Gegenstand, beispielsweise dem nicht aufgefundenen und möglicherweise bei dem Unfall weggeschleuderten Mobiltelefon, erklären. Im Übrigen liege infolge des Todes des Versicherten ein Beweisnotstand vor, weshalb ihr eine Beweiserleichterung dergestalt zu gewähren sei, dass an die Bildung der richterlichen Überzeugung verringerte Anforderungen zu stellen seien.
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Die Beklagte brachte vor, ein Stau auf der A 8 habe sich bezogen auf den Unfallzeitpunkt nicht nachweisen lassen. Hierzu legte sie die von ihr eingeholte Auskunft des Landespolizeipräsidiums B.-W. vom 22.12.2008 vor. Diese ist mit die dem Hinweis versehen, der Polizei würden nicht alle Behinderungen und Staus bekannt; Meldungen von sogenannten Staumeldern oder Automobilclubs an verschiedene Rundfunkanstalten seien in der Auskunft ebenfalls nicht berücksichtigt.
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Mit Urteil vom 23.04.2009 wies das Sozialgericht die Klage der Klägerin und ihrer in das gerichtliche Verfahren einbezogenen Söhne ab. Zur Begründung ist ausgeführt, ein Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) liege nicht vor, da sich nicht feststellen lasse, dass sich der Versicherte auf dem Weg zur Arbeit bzw. von der Arbeit befunden habe. Das von den Klägern vorgetragene Stauargument habe nicht bewiesen werden können, da von der Unfallstelle keine Sicht auf die Autobahn bestehe und sich eine solche erst in unmittelbarer Nähe der Anschlussstelle 53 (St.-Flughafen) ergebe. In diesem Fall wäre es dem Versicherten möglich gewesen, in St.-P. oder St.-B. abzubiegen, weshalb der weitere Umweg über Fernsehturm/St./D. nicht plausibel sei. Ein Wegeunfall liege auch nicht mit Blick auf das Argument des vergessenen Laptops vor. Dem stehe die neuere Rechtsprechung zu § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII, insbesondere das Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.05.2003 (B 2 U 33/02 R) entgegen. Diese Entscheidung wurde den Klägern am 17.06.2009 zugestellt.
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Am 16.07.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das zugleich eingeleitete Berufungsverfahren ihrer Söhne ist mit Teilvergleich vom 15.04.2010 beendet worden.
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Zur Begründung trägt die Klägerin ergänzend vor, zwar lasse sich im Nachhinein wohl nicht mehr aufklären, ob sich der Verkehr zur fraglichen Zeit auf der A 8 gestaut habe. Möglich sei dies allerdings. Ob der Versicherte einen solchen Stau von seinem Auto aus gesehen habe, könne dahingestellt bleiben. Denn es sei ebenfalls möglich, dass er wegen einer entsprechenden Staumeldung im Radio umgekehrt sei. Denkbar sei schließlich auch eine Umkehr wegen eines Staus auf der Mittleren F.straße. Dass der Versicherte die vom Sozialgericht angeführten kürzeren Wegstrecken gekannt habe, sei nicht sicher. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Versicherte angesichts der fortgeschrittenen Zeit und des vereinbarten Termins unter Zeitdruck gewesen sei, weshalb nichts dafür gesprochen habe, sich für einen solchen ihm unbekannten Weg zu entscheiden. Insoweit komme hinzu, dass der Versicherte als zuverlässig, gewissenhaft und pünktlich bekannt gewesen sei, was im Übrigen auch gegen die Annahme spreche, er habe sich ohne Anlass entschlossen, die Fahrt zur Arbeit aufzugeben und sich einem privaten Zweck zugewandt. Die ferner bestehende Möglichkeit, dass er sein Laptop zuhause habe holen wollen, sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts als versicherte Tätigkeit anzusehen. Selbst wenn er bei der Umkehr seine ursprünglich gefasste Absicht, in den Betrieb zu fahren, aufgegeben gehabt haben sollte, sei er versichert gewesen, da er am fraglichen Tage seinen Hausarbeitstag gehabt habe und daher sein Arbeitsplatz in der Wohnung demjenigen im Betrieb gleichgestellt gewesen sei.
16
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2009 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 aufzuheben und festzustellen, dass der von M. E.am 20.02.2008 erlittene Verkehrsunfall ein Arbeitsunfall war.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, ein Arbeitsunfall sei nicht nachweisbar.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i. V. mit § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) der Klägerin abgewiesen. Denn sie hat auf der Grundlage der in § 63 Abs. 1 SGB VII geregelten Hinterbliebenenleistungen bei infolge eines Versicherungsfalls eingetretenem Tod eines versicherten Angehörigen Anspruch auf Feststellung, dass der Verkehrsunfall ihres Ehemannes ein Arbeitsunfall war. Der dem entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 27.05.2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 sind darum zu Lasten der Klägerin rechtswidrig und aufzuheben
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Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versichert ist dabei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Ferner zählt gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VII zu den versicherten Tätigkeiten das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen.
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Der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von der Arbeitsstätte oder einer anderen versicherten Tätigkeit wird damit begründet, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit unternommen werden und somit eine Art Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit darstellen. Andererseits sind diese Wege noch nicht Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit und rein tatsächlich werden mit solchen Wegen häufig auch private Verrichtungen und Zwecke verbunden (vgl. zur Vorgängerregelung des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung [RVO] BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R – BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 29).
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Die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gebrauchte Formulierung „Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“ kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Da der Gesetzgeber die Grundentscheidung „Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit“ in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII getroffen hat, ist von der Rechtsprechung nur zu klären, ob der Versicherte, als er verunglückte, einen solchen versicherten Weg zurückgelegt und infolge dessen einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Dieser Unfallschutz setzt voraus, dass der Weg mit der versicherten Haupttätigkeit zusammenhängt, weil er nur versichert ist, solange und soweit er eng mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit verbunden ist. Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet war, die Haupttätigkeit aufzunehmen oder nach deren Beendigung in seinen Privatbereich zurückzukehren; denn nur dann hängt sein Handeln mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit zusammen. Fehlt es an diesem Zusammenhang, ist das Zurücklegen des Weges auch dann keine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte dieselbe Strecke zurücklegt, die er als Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (vgl. auch hierzu BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R – a. a. O., m. w. N.)
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In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des Versicherten vor.
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So befand sich der Versicherte am Vormittag des 20.02.2008 zunächst auf dem gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 i. V. mit Nr. 2 Buchst. a SGB VII versicherten Weg zu seiner Arbeitsstelle bei der Firma I. GmbH in B. Denn er hat sich zur Überzeugung des Senats gegen 11:00 Uhr mit dem an seine Ehefrau gerichteten Hinweis, er habe einen Termin, auf den Weg gemacht, um, wie zuvor gegenüber einem Arbeitskollegen angekündigt, gegen 12:00 Uhr wegen eines Kundenproblems bei diesem im Betrieb zu erscheinen. Dass er dabei seinen zu jener Zeit knapp fünfjährigen Sohn zum Kindergarten gebracht hat, ist für seinen Unfallversicherungsschutz unschädlich (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VII). Bedenken an der angesichts der Lage des Kindergartens sowie des Unfallortes und der Betriebsstätte seiner Arbeitgeberin offensichtlich zunächst gewählten Wegstrecke über die Mittlere F.straße (L 1016), den Autobahnanschluss St.-P. (St.-Flughafen-Nord) und die A 8 bestehen unter Berücksichtigung der weitgehenden Wahlfreiheit des Versicherten bei der Auswahl des zurückzulegenden Weges (vgl. Franke/Molkentin, SGB VII, 2. Aufl. 2007, Rdnr. 180 zu § 8) nicht. Der danach zunächst bestehende Versicherungsschutz ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
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An diesem Versicherungsschutz hat sich im Ergebnis auch bis zu dem vom Versicherten erlittenen Unfall nichts geändert.
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Zwar befuhr er zum Zeitpunkt des Unfalles gegen 11:45 Uhr die mittlere F.straße nicht (mehr) in Fahrtrichtung des genannten Autobahnanschlusses, sondern in Richtung J.straße und war er damit auf dem seiner ursprünglichen Fahrtrichtung entgegengesetzten Weg in Richtung der St. Innenstadt. Allerdings setzt eine durch die – sich hieraus ergebende – Umkehr in Betracht kommende Beendigung des Versicherungsschutzes (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 26/07 R – Breithaupt 2009, 994 ff.) voraus, dass der ursprüngliche Weg zum Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen wird; erst hierdurch entfällt nämlich der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 17/07 R – zit. nach juris). Dabei liegt eine Änderung der Handlungstendenz in Richtung auf eine unversicherte private Tätigkeit nur dann vor, wenn sie einen klaren und damit objektivierbaren Ausdruck gefunden hat. Hierfür trägt die Beklagte die objektive Beweislast, nachdem sich der Unfall auf einem grundsätzlich versicherten Wegeabschnitt ereignet hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2008 – L 9 U 2815/06 – zit. nach juris). Ist nämlich – wie hier – eine versicherte Tätigkeit als (anspruchsbegründende) Voraussetzung für einen Arbeitsunfall nachgewiesen, so handelt es sich bei der Unterbrechung oder Beendigung derselben um eine anspruchshindernde Tatsache, deren Nichterweislichkeit in Abweichung von der üblichen Beweislastverteilung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht (vgl. Hauck/Noftz, SGB VII, Rdnrn. 331, 340 zu § 8).
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In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich schon nicht feststellen, dass die Handlungstendenz des Versicherten nach seiner Umkehr nicht mehr darauf gerichtet war, seine Arbeitsstätte in B. aufzusuchen. Im Gegenteil spricht angesichts der bereits angeführten Ankündigung gegenüber dem Arbeitskollegen, er wolle gegen 12:00 Uhr bei diesem sein, und des hierfür maßgeblichen „Kundenproblems“ manches dafür, dass der Versicherte trotz der Umkehr weiterhin auf dem versicherten Weg zu seiner Arbeitsstelle war. Die von der Klägerin für die Umkehr angeführte Möglichkeit der Umkehr wegen eines Verkehrsstaus auf der Autobahn oder der Mittleren F.straße und Fortsetzung der Fahrt zur Arbeit auf einem anderen Weg ist angesichts der hierfür abgegebenen Erklärung, der Versicherte habe aufgrund seiner ausgeprägten Abneigung gegenüber einem Warten im Stau häufig sogar Umwege in Kauf genommen, zumindest nicht unplausibel. Dass sich ein Verkehrsstau auf der A 8 bezogen auf den Unfallzeitpunkt nicht hat nachweisen lassen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen, zumal ausweislich der von der Beklagten insoweit eingeholten Auskunft des Landespolizeipräsidiums B.-W. vom 22.02.2008 der Polizei nicht alle Behinderungen und Staus bekannt werden. Zutreffend hat die Klägerin schließlich darauf hingewiesen, dass eine Kenntnis des Versicherten von – gegenüber der Rückfahrt über den Unfallort auf der Mittleren F.straße – kürzeren Ausweichstrecken nicht feststellbar ist.
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Unabhängig davon vermag sich der Senat aber auch nicht davon zu überzeugen, dass der Versicherte den ursprünglichen Weg zum Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen hat. Vielmehr erscheint, sofern man von einer Änderung des Ziels der Fahrt ausgeht, die – wiederum – von der Klägerin angeführte Möglichkeit, dass der Versicherte sein zu Hause befindliches Laptop holen wollte, da er dieses bei der beabsichtigten Lösung des „Kundenproblems“ benötigt habe, ohne weiteres plausibel. Eine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz ergibt sich hieraus aber nicht:
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Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch ein mehrmaliges Zurücklegen des Weges vom oder zum Ort der Tätigkeit während eines Arbeitstages im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen kann, wenn der erneute Weg betrieblich veranlasst ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Versicherte an seinem Arbeitsplatz bemerkt, dass er zu Hause befindliche Unterlagen oder Werkzeuge, einen vergessenen Spindschlüssel oder auch eine dort vergessene Brille für die weitere betriebliche Tätigkeit benötigt, und sich aus diesem Grund auf den Weg zu seiner Wohnung und zurück zum Ort der Tätigkeit begibt (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 – B 2 U 19/06 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 23 [Unterlagen und Werkzeugen] m. w. N.; Urteil vom 29.01.1959 – 2 RU 198/56 – SozR Nr. 11 zu § 543 RVO [Spindschlüssel]; Urteil vom 25.01.1977 – 2 RU 99/75 – SozR 220 § 550 Nr. 25 [Brille]). Dementsprechend steht auch die Umkehr auf Wegen nach dem Ort der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit dem einmal aufgenommenen geschützten Weg, wenn sie notwendig ist, um die versicherte Tätigkeit aufzunehmen, z. B. im Falle einer zu Hause vergessenen Zahnprothese (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.1977 – 2 RU 97/75, zit. nach juris). Insbesondere dann, wenn dem Versicherten – wie hier – von Seiten seines Arbeitgebers nachgelassen ist, seine Arbeit auch an einem häuslichen Arbeitsplatz zu verrichten und er sich auf dem Weg zwischen diesem Arbeitsplatz und seiner betrieblichen Arbeitsstätte befindet, um ein zu Hause vergessenes, aber für seine Tätigkeit im Betrieb notwendiges Arbeitsmittel zu holen, liegt auch ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit vor, so dass die Fahrt nach den Gesamtumständen als Bestandteil der nach § 8 SGB VII versicherten Tätigkeit anzusehen ist (vgl. zu den Anforderungen an sog. Vorbereitungshandlungen BSG, Urteil vom 07.09.2004 – B 2 U 35/03 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 6 unter Hinweis auf das Urteil vom 28.04.2004 – B 2 U 26/03 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 5).
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Schließlich bestehen auch keine genügenden Anhaltspunkte für eine auf Selbsttötungsabsicht beruhende Änderung der Handlungstendenz des Versicherten. Angesichts des mit einer Beschleunigung des Fahrzeugs verbundenen Verlassens des rechten Fahrstreifens sowie der auf gerader Strecke erfolgten Kollision mit dem entgegenkommenden Lastzug ist derartiges zwar nicht auszuschließen. Indes lässt sich all dies auch mit einer möglichen Ablenkung infolge einer Suche nach einem noch in der zuvor befahrenen Linkskurve heruntergefallenen Gegenstand – möglicherweise dem nach seinem Tod nicht aufgefundenen Mobiltelefon des Versicherten – erklären. Angesichts des Umstandes, dass der Versicherte zunächst sein Kommen im Betrieb angekündigt, sodann seinen Sohn in den Kindergarten gebracht und anschließend seinen Weg in den Betrieb fortgesetzt hat, erscheint eine Umkehr zum Zwecke der Selbsttötung schließlich auch wenig einleuchtend. Dies gilt unter Berücksichtigung des Einkommens des Versicherten auch für den Fall finanzieller Schwierigkeiten. Die vom Polizeivollzugsdienst im Geldbeutel des Versicherten aufgefundene handgeschriebene Notiz („Bitte meine Frau A. E. 0171-… 0711-… informieren.“) gibt für eine Suizidabsicht nichts her.
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Auch sonstige Gründe für die Umkehr des Versicherten sind nicht zu erweisen. Auf die Frage, ob – wie die Klägerin wohl meint – dann, wenn dem Versicherten von Seiten seines Arbeitgebers nachgelassen ist, seine Arbeit auch von einem häuslichen Arbeitsplatz zu verrichten, eine Umkehr auf dem Weg zur betrieblichen Arbeitsstätte zum Zwecke der Aufnahme der Arbeit am häuslichen Arbeitsplatz für den Versicherungsschutz generell unschädlich ist, kommt es nach alledem vorliegend nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
36
Die Revision wird gem. § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Beweislastverteilung bei der Entscheidung über die Änderung der Handlungstendenz des Versicherten zugelassen.