Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.04.2012 – 5 Sa 267/11
1. Der Urlaubsanspruch ist ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von der Arbeitspflicht befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird. Die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zum Zwecke der Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährt wird. Denn andernfalls ist nicht bestimmbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Absatz 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung lediglich im Sinne von § 615 BGB auf deren Annahme verzichtet (BAG 14. März 2006 – 9 AZR 11/05 – AP Nr. 32 zu § 7 BUrlG = NZA 2006, 1008; BAG 25. Januar 1994 – 9 AZR 312/92 – BAGE 75, 294 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG = DB 1994, 1243). Die Rechtsauffassung, im Regelfall sei bei einer Freistellung von der Arbeitspflicht zum Ende des Arbeitsverhältnisses davon auszugehen, dass diese auch zum Zwecke der Urlaubsgewährung erfolge, findet im Gesetz keine Stütze.
2. Der Richter darf eine Zeugenaussage, die das Beweisthema zu bestätigen scheint, nicht unkritisch übernehmen, vielmehr muss er von der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der vernommenen Person tatsächlich überzeugt sein.
3. Wird im schriftlichen Arbeitsvertrag eine Sonderzahlung vereinbart, die jährlich „zu Weihnachten“ zu zahlen ist, kann aus der bloßen Nichtzahlung über mehrere Jahre und der fehlenden Kritik des Arbeitnehmers an der fehlenden Zahlung nicht gefolgert werden, der Arbeitsvertrag sei konkludent abgeändert worden. Die Umstände reichen für sich allein auch nicht aus, um von einer Verwirkung des Anspruchs auf die Sonderzahlung zu sprechen.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Im beendeten Arbeitsverhältnis streiten die Parteien im Berufungsrechtszug noch um Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 sowie um Urlaubsabgeltung.
2
Die Klägerin stand von Anfang August 2006 bis Ende August 2010 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmer verleiht, zunächst als Personaldisponentin und später auch als Niederlassungsleiterin für D-Stadt und W..
3
Die Parteien hatten zunächst zu Beginn des Arbeitsverhältnisses den undatierten Arbeitsvertrag, der in Kopie als Anlage K 1 zur Akte gereicht wurde (hier Blatt 4 ff), abgeschlossen. Dort ist ein Bruttomonatseinkommen der Klägerin in Höhe von 2.500,00 Euro vorgesehen. Bereits wenige Wochen später kam es zu einer Abänderung des Arbeitsvertrages (Anlage K 2, hier Blatt 7 ff mit der Überschrift „Änderungskündigung“), die von der Klägerin – wie zuvor schon von der Beklagten – unter dem 29. September 2006 unterzeichnet wurde. Mit dieser Veränderung ist das Entgelt der Klägerin auf 2.150,00 Euro brutto monatlich abgesenkt worden. Ansonsten stimmen der ursprüngliche Arbeitsvertrag und der veränderte Arbeitsvertrag weitgehend wörtlich überein. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Initiative für diese Vertragsänderung von der Klägerin ausgegangen war. Über die Motive der Vertragsveränderung besteht Streit.
4
Die nach Punkt 4.a) des Arbeitsvertrages geschuldete jährliche Sonderzahlung zu Weihnachten in Höhe eines Monatsentgelts ist unstreitig in keinem Jahr der Zusammenarbeit mit dieser Bezeichnung gezahlt worden. Allerdings hat die Beklagte einmalig im November 2007 der Klägerin ein zusätzliches Bruttomonatsentgelt vergütet und diese Zahlung in der Abrechnung als „Jahresprämie“ bezeichnet.
5
Nach der Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien ist die Klägerin in derselben Branche in ähnlicher Stellung in der Region W. und D-Stadt weiter tätig geworden. In engem zeitlichem Zusammenhang zu der Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien haben eine Reihe der Arbeitnehmer, die die Klägerin geführt hatte, das Unternehmen ebenfalls verlassen. Die Beklagte geht davon aus, dass diese Arbeitnehmer mit der Klägerin das Unternehmen gewechselt haben.
6
Herr B., ein Mitarbeiter der Beklagten, der die Klägerin zu führen hatte, hatte Ende Juli 2010 jedenfalls in Umrissen Kenntnis von den Abwanderungsplänen der Klägerin erhalten. Er hat sie daher am 23. Juli 2010 telefonisch zur Rede gestellt und von ihr ein Bekenntnis zur weiteren Zusammenarbeit mit der Beklagten gefordert. Die Klägerin hat sich Bedenkzeit erbeten und hat ihm dann am Montag, den 26. Juli 2010, gleich früh morgens telefonisch mitgeteilt, dass sie das Unternehmen verlassen wolle. Darauf haben sich Herr B. und der Geschäftsführer der Beklagten sofort zur Klägerin nach D-Stadt begeben, wo es dann noch in den frühen Vormittagsstunden zu dem Gespräch gekommen ist, in dessen Verlauf die Klägerin ihr Kündigungsschreiben zum 31. August 2010 dem Geschäftsführer der Beklagten übergeben hat.
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Noch während des Gesprächs wurde die Klägerin vom Geschäftsführer umgehend von der weiteren Erfüllung der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Geschäftsführer dabei deutlich gemacht hat, dass die Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch erfolgen solle. Zu diesem Zeitpunkt standen der Klägerin noch 25 offene Urlaubstage zu. Die Klägerin musste dann noch die Schlüssel und das Telefon abgeben und ihr wurde verboten, die Betriebsräume weiter zu betreten. Tags darauf hat sie auch noch aufforderungsgemäß ihren Dienstwagen abgegeben.
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Mit Schreiben vom 30. Juli 2010 hat der Geschäftsführer der Beklagten den Eingang der Kündigung zum 31. August 2010 bestätigt und hat die Klägerin in diesem Zusammenhang auch noch eingehend über ihre Verschwiegenheitspflicht nach Ziffer 6 des Arbeitsvertrages belehrt (Kopie als Anlage K 8 zur Akte gereicht, hier Blatt 36, es wird Bezug genommen).
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Mit der im November 2010 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin – soweit inzwischen noch von Interesse – die Zahlung von Urlaubsabgeltung für 25 Urlaubstage in Höhe von 2.443,25 Euro brutto sowie die Sonderzahlung für das Jahr 2009 in Höhe von 2.150,00 Euro brutto.
10
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer habe am 26. Juli 2010 mündlich erklärt, die Klägerin sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von ihrer Arbeitspflicht unter Anrechnung noch bestehender Urlaubsansprüche freigestellt worden durch Einvernahme des Zeugen B.. Sodann hat das Arbeitsgericht der Klage, soweit sie jetzt noch rechtshängig ist, mit Urteil vom 17. August 2011 stattgegeben und in der Hauptsache wie folgt tenoriert:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 iHv. 2.150,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.
12
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.443,25 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.
13
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, die Beklagte zur Tragung von 80 Prozent der Kosten verurteilt und den Streitwert auf etwas über 6.000,00 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
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Mit der Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt die Beklagte das Ziel, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter.
15
Zur Urlaubsabgeltung meint die Beklagte, das Arbeitsgericht habe den erhobenen Beweis falsch gewürdigt. Der Zeuge B. habe bestätigt, dass der Geschäftsführer am 26. Juli 2010 der Klägerin gegenüber erklärt habe, dass die Freistellung unter Anrechnung auf die noch offenen Urlaubsansprüche erfolgen solle. Die Aussage sei auch glaubhaft, es sei nicht nachzuvollziehen, wie das Arbeitsgericht zu der Feststellung komme, der Zeuge habe sich an Details des seinerzeitigen Gesprächs nicht erinnern können. Dass er wegen seiner Teilnahme an der Güteverhandlung um die Bedeutung seiner Aussage für die Begründung der Klage gewusst habe, spiele daneben keine Rolle.
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Zum Anspruch auf die Sonderzahlung 2009 behauptet die Beklagte, die Klägerin habe auf eine Auszahlung des Weihnachtsgeldes von sich aus verzichtet. Es sei ihr Wunsch gewesen, ihr Einkommen niedrig zu halten, denn das habe für sie den positiven Nebeneffekt gehabt, dass ihr Anteil am Unterhalt für das Studium ihres Sohnes im Verhältnis zu dem Anteil des Kindsvaters an dem notwendigen Unterhalt geringer ausfalle. Das sei auch der Grund gewesen, weshalb die Klägerin schon kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses um eine Absenkung ihres eigenen Einkommens nachgesucht habe. Für die Änderungskündigung, in die die Klägerin mit ihrer Unterschrift vom 29. September 2006 eingewilligt habe, habe es kein eigenes betriebliches Interesse der Beklagten gegeben. Dass der Anspruch auf die Sonderzahlung nach dem Vertragstext auch nach der Änderungskündigung noch Bestandteil der Abmachungen gewesen ist, sei ein Versehen gewesen, das nicht den Absprachen entspreche. Dass die Klägerin während des Laufs des Arbeitsverhältnisses nie die fehlende Sonderzahlung moniert habe, zeige indirekt, dass auch sie immer davon ausgegangen wäre, dass dieser Anspruch durch die Vertragsänderung aufgehoben werden sollte. Dass im Jahre 2007 im November eine „Jahresprämie“ in Höhe eines Gehaltes gezahlt wurde, habe keinen Zusammenhang zu der Sonderzahlung gehabt. Dafür wären andere Gründe maßgeblich gewesen; es habe sich um eine einmalige freiwillige Zahlung des Arbeitgebers gehandelt.
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Die Beklagte beantragt,
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unter teilweise Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils, die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21
Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie behauptet, hinsichtlich der vertraglich vorgesehenen jährlichen Sonderzahlung hätten sich die Parteien lediglich darauf geeinigt, dass dieses zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden sollte (Stundungsabrede).
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin den Anspruch auf die Urlaubsabgeltung und auf die Sonderzahlung 2009 zugesprochen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.
I.
24
Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung in der ausgeurteilten Höhe. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Freistellung Ende Juli 2010 noch 25 Urlaubstage zu gewähren waren und dass deren Abgeltungsbetrag sich auf die eingeklagten 2.443,25 Euro brutto summiert. Der Beklagten ist der Nachweis nicht gelungen, dass sie den Urlaubsanspruch vor dem 31. August 2010 durch Erfüllung zum Untergang gebracht hat.
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Mit der Beklagten geht das Gericht davon aus, das der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers auch dadurch erfüllt werden kann, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freistellt (BAG 14. März 2006 – 9 AZR 11/05 – AP Nr. 32 zu § 7 BurlG = NZA 2006, 1008).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaubsanspruch ein durch das BUrlG bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den nach dem Arbeitsverhältnis bestehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts berührt wird. Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss daher hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub gewährt wird. Andernfalls ist nicht bestimmbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Absatz 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung lediglich im Sinne von § 615 BGB auf deren Annahme verzichtet (BAG 14. März 2006 aaO; BAG 25. Januar 1994 – 9 AZR 312/92 – BAGE 75, 294 = AP Nr. 16 zu § 7 BurlG = DB 1994, 1243). Die Rechtsauffassung der Beklagten, im Regelfall sei bei einer Freistellung zum Ende des Arbeitsverhältnisses davon auszugehen, dass diese auch zum Zwecke der Urlaubsgewährung erfolge, findet daher im Gesetz keine Stütze.
27
Nach Beweisaufnahme ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass der Geschäftsführer der Beklagten am 26. Juli 2010 bei seiner mündlichen Freistellungserklärung betont habe, dass die Freistellung (auch) zum Zwecke der Erfüllung des Urlaubsanspruchs der Klägerin erfolge. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Würdigung des erhobenen Beweises lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Kritik der Beklagten an der Würdigung durch das Arbeitsgericht ist nicht tragfähig.
28
Zutreffend hat das Arbeitsgericht nicht nur die Aussage des Zeugen für seine Entscheidung herangezogen, sondern deren Aussagekraft unter Berücksichtigung von Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen gewürdigt.
29
Die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage betrifft die sachliche Aussage und ihre Vereinbarkeit mit den übrigen Erkenntnissen des Gerichts oder dem Parteivortrag. Insoweit hat das Gericht Abstriche bei der Glaubhaftigkeit des Zeugen vorgenommen, weil er sich neben der prozessentscheidenden Kernaussage an keine weiteren Details des Gesprächs erinnern konnte. Diese Bewertung ist nicht fehlerhaft. Ausweislich des Protokolls der Beweisaufnahme konnte der Zeuge außerhalb der Darstellung des Rahmens des Gesprächs (Anlass und Ziel) keine einzige positive Erinnerung wiedergeben, bis auf die hier Streitentscheidende. Ja, er hat sogar selbst bekundet, dass er das Gespräch eigentlich nur beiläufig verfolgt habe, da es in den Aufgabenbereich des Geschäftsführers gefallen wäre, die Übergabe mit der Klägerin durchzuführen. Zu den Einzelheiten der Übergabe wollte sich der Zeuge nicht einlassen, er hat lediglich betont, dass es sich um eine normale Übergabe gehandelt habe. Auf die nicht ganz fernliegende Frage des Gerichts, ob es auch um die Übergabe von Bargeld gegangen sei, hat er nicht mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet, sondern nur die Normalität der Übergabe betont. Wenn das Gericht daraus Zweifel an der tatsächlichen Erinnerung des Zeugen an die seinerzeitigen Vorgänge ableitet, ist das ohne weiteres nachvollziehbar.
30
Das Arbeitsgericht hat sich zusätzlich in einer nicht zu beanstandenden Art mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen auseinander gesetzt. Die Glaubwürdigkeit eines Zeugen betrifft seine Person, etwa seine Urteilsfähigkeit, sein Erinnerungsvermögen oder seine Wahrheitsliebe. Insoweit hat das Arbeitsgericht zu Lasten des Zeugen bei seiner Würdigung berücksichtigt, dass er nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht und daher ein Loyalitätskonflikt zwischen seinem (fehlenden) Erinnerungsvermögen und der Erwartung seines Arbeitgebers bestehen könnte. Ergänzend hat das Arbeitsgericht gewürdigt, dass der Zeuge aufgrund seiner Anwesenheit während der Güteverhandlung und der dortigen Erörterung der etwas kantigen Urlaubsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wusste, dass es für den positiven Ausgang des Rechtsstreits zu Gunsten der Beklagten darauf ankam, dass sich nachweisen lässt, dass der Geschäftsführer die gewährte Freistellung in Zusammenhang mit dem Urlaubsanspruch der Klägerin gestellt hat.
31
Der Richter darf eine Zeugenaussage, die das Beweisthema zu bestätigen scheint, nicht unkritisch übernehmen, vielmehr muss er von der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der vernommenen Person tatsächlich überzeugt sein. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht aufgrund der aufgezeigten Gesichtspunkte sich nicht die Überzeugung bilden konnte, dass die vom Zeugen wiedergegebene Bekundung dem damaligen Geschehen entspricht.
32
Mit der Berufung macht die Beklagte letztlich lediglich geltend, dass sie den erhobenen Beweis anders gewürdigt hat. Das ist jedoch unbeachtlich und kann eine erneute Vernehmung des Zeugen im Berufungsrechtszug nicht rechtfertigen. Nicht ausdrücklich gewürdigt hat das Arbeitsgericht allein den Umstand, dass der Zeuge mit der Aussage zur Rückgabe des Dienstwagens erst am Folgetag tatsächlich ein Detail bezeugt hat, das mit dem unstreitigen Parteivortrag übereinstimmt. Diese durchaus glaubhafte Erinnerung kann aber die Würdigung der streiterheblichen Aussage des Zeugen nicht in Frage stellen. Denn trotz der Erinnerung dieses Details bleibt die Aussage des Arbeitsgerichts zutreffend, dass der Zeuge sich nicht bzw. kaum an weitere Details des Gesprächs erinnern konnte. Angesichts der sorgfältig und umfassend vorgenommenen Würdigung des erhobenen Beweises kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsgericht diesen Gesichtspunkt bei seiner Würdigung übersehen hat, es hat ihn lediglich nicht ausdrücklich in den Entscheidungsgründen erwähnt.
II.
33
Die Klägerin hat auch Anspruch auf die vom Arbeitsgericht zugesprochene Jahressonderzahlung für das Jahr 2009. Insoweit nimmt das Berufungsgericht zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug.
34
Der Ausgangspunkt des Anspruchs ist die Feststellung, dass auch nach dem Vortrag der Beklagten die streitige Zahlung im ursprünglichen undatierten Arbeitsvertrag (Anlage K 1, hier Blatt 4 ff) verbindlich rechtsgeschäftlich vereinbart war. Die Abschaffung dieser rechtsgeschäftlichen Vereinbarung gehört daher in die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten.
35
Der Beklagten ist es nicht gelungen einen Lebenssachverhalt schlüssig vorzutragen, aus dem das Gericht den Schluss ziehen könnte, die im Arbeitsvertrag der Parteien niedergelegte jährliche Sonderzahlung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, zahlbar „zu Weihnachten“ sei später durch eine Abmachung der Parteien abgeschafft worden.
36
Es ist nicht ersichtlich, dass die Abschaffung der jährlichen Sonderzahlung schon im September 2006 anlässlich der mit „Änderungskündigung“ bewirkten Vertragsänderung (hier Blatt 7 ff) erfolgt ist. Denn im Gegenteil ist diese Arbeitgeberleistung in dem veränderten Vertrag unverändert aufgeführt. Für ihre Behauptung, dies sei nur ein Redaktionsversehen gewesen, in Wirklichkeit habe auch diese Leistung abgeschafft werden sollen, hat die Beklagte keine weiteren Indizien anführen können. Sie ist daher unbeachtlich.
37
Allein der Umstand, dass die Klägerin in den Folgejahren nicht auf der Erfüllung der jetzt streitigen Zahlung bestanden hat, lässt nicht den Schluss zu, sie sei selbst davon ausgegangen, sie habe keinen Anspruch (mehr) auf diese Leistung. Denn es gibt im laufenden Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer immer wieder viele gute Gründe nicht auf der Einhaltung des Vertrages in allen seinen Einzelheiten zu bestehen, ohne dass man dies direkt als Bestätigung, Bereitschaft oder gar Zustimmung zu einer Vertragsabänderung deuten kann.
38
Dass der klägerische Vortrag zur Stundungsabrede hinsichtlich der Fälligkeit der Zahlung auch sehr vage geblieben ist, kann eine andere Bewertung nicht rechtfertigen. Denn es liegt in der Darlegungslast der Beklagten, einen Lebenssachverhalt zu schildern, den das Gericht als Vertragsänderung werten kann.
III.
39
Da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist, hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).
40
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.