Zum Anspruch auf Geldentschädigung bei wiederholter Zusendung grober Beleidigungen per SMS durch den ehemaligen Vermieter

LG Duisburg, Urteil vom 30. Juli 2015 – 12 S 146/14

Zum Anspruch auf Geldentschädigung bei wiederholter Zusendung grober Beleidigungen per SMS durch den ehemaligen Vermieter

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Wesel vom 1. Dezember 2014 – Az. 30 C 9/14 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
I.

1
Der Kläger begehrt von dem Beklagten, seinem ehemaligen Vermieter, die Zahlung eines Schmerzensgeldes, da dieser ihn in SMS mehrfach beleidigte (u. a. „Lusche aller ersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“, „asozialer Abschaum“ und „kleiner Bastard“). Mit Urteil vom 1. Dezember 2014 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Schmerzensgeld sei dem Kläger nicht zuzubilligen, da es an einem besonders schwerwiegenden Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht fehle. Gegen dieses ihm am 1. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Dezember 2014 Berufung eingelegt und diese am 30. Januar 2015 begründet. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

2
Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg, weshalb sie zurückzuweisen war.

3
Zu Recht hat das Amtsgericht einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen den Beklagten im Hinblick auf die von dem Beklagten getätigten Beleidigungen verneint. Zwar kommt aufgrund des Schutzauftrages von Art. 1 und 2 GG gemäß § 823 BGB eine Geldentschädigung bei Verletzung der menschlichen Würde und Ehre auch für einen immateriellen Schaden in Betracht, da sonst derartige Verletzungen zivilrechtlich sanktionslos bleiben würden (vgl. BGH, NJW 2005, 215). Voraussetzung eines Schmerzensgeldanspruches aber ist eine schwerwiegende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (vgl. BGH, a. a. O.; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2014, 285). Ob eine solche schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von Art, Bedeutung und Tragweite (Tiefe und Nachhaltigkeit) des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. Palandt, BGB, 74. Auflage, § 823 Rn. 130 mit weiteren Nachweisen). Erforderlich ist eine Gesamtabwägung.

4
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht zutreffend eine schwerwiegende Verletzung verneint. Zwar handelte es sich um durchaus heftige Beleidigungen, die zudem mehrfach geäußert wurden. Zu berücksichtigen war aber auch, dass die Beleidigungen nur über einen relativ kurzen Zeitraum ausgesprochen wurden und der Beklagte sich zu seinen Äußerungen (wenn auch in keinster Weise gerechtfertigt) durch Streitigkeiten aus dem ehemaligen Mietverhältnis der Parteien veranlasst sah. In die Abwägung einzubeziehen war des Weiteren, dass der Kläger lediglich als Privatperson (Mieter) und nicht etwa beruflich von den Beleidigungen des Beklagten betroffen war, was die Verletzungen als weniger schwer wiegend erscheinen lässt. Auch wurden die Beleidigungen nicht etwa in breiter Öffentlichkeit geäußert, mit den beiden vom Kläger behaupteten Ausnahmen vielmehr nur gegenüber dem Kläger selbst in verschiedenen SMS. Auch dem Umstand, dass es sich ausnahmslos um schlichte und primitive Beleidigungen ohne Tatsachenkern handelte, war im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. auch LG Oldenburg, NJW-RR 2013, 927ff.; AG Coburg, BeckRS 2009, 08247; a. A. OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2010, 403f.; LG Berlin, WE 2010, 113f.). Eine tiefe Verachtung, die das Bundesverfassungsgericht für einen Schmerzensgeldanspruch fordert (vgl. BVerfG, NJW 2004, 2371ff.), dürfte mit den hier in Rede stehenden primitiven Beleidigungen ohne Tatsachenkern im Sinne von § 185 StGB nicht zum Ausdruck gebracht worden sein.

5
Nicht mehr zu entscheiden war die Frage, ob das Amtsgericht dem Kläger zu Recht entgegen gehalten hat, dass er hinsichtlich des Strafverfahrens den Privatklageweg nicht beschritten hat (so einen Schmerzensgeldanspruch verneinend: Juris-PK, Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, BGB, 7. Auflage, § 253 Rn. 44).

6
Dass der Kläger aus Beleidigungen Dritter (seiner Anwälte und seiner Lebensgefährtin) keine eigenen Ansprüche herleiten kann, versteht sich von selbst.

7
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II Nr. 1 und 2 ZPO zu bejahen sind.

9
Streitwert für das Berufungsverfahren: 800,- Euro.

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Eine Antwort zu Zum Anspruch auf Geldentschädigung bei wiederholter Zusendung grober Beleidigungen per SMS durch den ehemaligen Vermieter

  1. raskwar sagt:

    Der Auffassung des Berufungsgericht, die von dem Beklagten per SMS geäußerten Beleidigungen (u. a. „Lusche aller ersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“, „asozialer Abschaum“ und „kleiner Bastard“) brächten keine einen Schmerzensgeldanspruch begründende tiefe Verachtung zum Ausdruck, vermag nicht gefolgt zu werden.

    Es stellt sich vielmehr die Frage, welche Äußerungen der Beklagte noch hätte tätigen müssen.

    Ebensowenig vermag die Darlegung des Berufungsgerichts zu überzeugen, dass die Beleidigungen deshalb weniger schwerwiegend gewesen sein sollen, weil es sich um schlichte und primitive Beleidigungen ohne Tatsachenkern handelte, die über einen relativ kurzen Zeitraum erfolgten und den Kläger lediglich als Privatperson angesprochen haben.

    Grobe Beleidigungen werden in aller Regel primitiv und ohne Tatsachenkern geäußert. Denn bei ihrer Äußerung geht es nicht um Fakten. Sie haben vielmehr allein den Zweck, den Adressaten zu demütigen und zu verletzen. Der Umstand fehlender Fakten macht die Beleidigungen nicht weniger schwerwiegend.

    Natürlich geschieht eine solche Demütigung und Verletzung in aller Regel im privaten Bereich – man denke hier insbesondere an häusliche Gewalt – und nur im Ausnahmefall in der Öffentlichkeit, nämlich dann, wenn der Äußerer jegliche Kontrolle über sich verloren hat.

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