Zu den Voraussetzungen der Aufhebung der Haftungsobergrenze im internationalen Transportrecht nach CMR

OLG Koblenz, Urteil vom 20.05.2010 – 5 U 1443/09

Der Tatbestand des Art. 29 CMR, der die Haftungsobergrenze des Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR aufhebt, verlangt eine vorsätzliche Verursachung des Schadens oder dessen Herbeiführung durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden. Ein solches Verschulden geht über den Grad der groben Fahrlässigkeit hinaus und erfordert auf der Grundlage von § 435 HGB eine Leichtfertigkeit und das Bewusstsein eines erheblichen Schadensrisikos. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn sich der Frachtführer in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzt (BGH TranspR 2004, 399; BGH TranspR 2007, 423) und sich ihm die Erkenntnis aufdrängt, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (Rn. 17). Der Verzicht darauf, einen bewachten Parkplatz anzufahren, begründet keinen gravierenden Schuldvorwurf (Rn. 19)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18.11.2009 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahin geändert, dass der Beklagte bei Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin den heutigen Euro-Gegenwert von 9.496,2 Sonderziehungsrechten des IWF nebst 5 % Zinsen seit dem 1.10.2007 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1 I. Die … (M) hatte die … (D) als Spediteurin beauftragt, von der … (L) gefertigte Computer aus …[A] zu Filialen einer Einzelhandelskette in Belgien transportieren zu lassen. In diesem Rahmen schloss die D am 22.08.2007 einen Frachtvertrag mit der niederländischen … (E), der sich auf 12.800 Geräte bezog. E setzte den Beklagten am 29.08.2007 für den Transport von 693 Stück als Subunternehmer ein.

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Der Fahrer des Beklagten nahm diese Computer, die sich verpackt und mit Folie überzogen auf Paletten befanden, am 30.08.2007 mit seinem Lkw in Empfang. Zur Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten machte er am Abend des Tags gegen 19.00 Uhr auf einem nahe der holländischen Grenze gelegenen Autobahnparkplatz Halt und legte sich später, nachdem eine um etwa 21.30 Uhr durchgeführte Kontrolle keine Auffälligkeiten ergeben hatte, zum Schlaf in seine Koje. Am nächsten Morgen stellte er gegen 5.00 Uhr fest, dass die Plane seines Fahrzeugs eingeschnitten worden war und man mehr als drei Paletten abgeräumt hatte. Insgesamt fehlten 76 Computer.

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Danach nahm der Sachversicherer der M, der zunächst für den Schaden aufkam, bei dem Haftpflichtversicherer der D (H) Regress und erhielt von diesem im Vergleichsweg eine Ersatzleistung von 20.923,56 EUR. Das waren 70 % des Warenwerts. Im Anschluss daran versuchte H, bei E Rückgriff zu nehmen. Es kam zu einem Prozess, in dem E, die dem Beklagten den Streit verkündete, uneingeschränkt zur Zahlung verurteilt wurde. In der abschließenden landgerichtlichen Entscheidung vom 21.10.2008 hieß es: „(E) hat die ausdrücklich vereinbarten Sicherungsvorkehrungen für den Transport nicht eingehalten bzw. nicht einhalten lassen. Nach der getroffenen Vereinbarung durften für den Transport ausschließlich Kofferfahrzeuge verwendet werden. Im Hinblick auf die extrem diebstahlsgefährdete Ware … durfte das Transportfahrzeug bei transportbedingten Ruhezeiten nur auf einem bewachten Parkplatz abgestellt werden. Diese Pflichten hat (E) nicht beachtet bzw. nicht beachten lassen.“

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Daraufhin leistete die Klägerin, die ihrem Vortrag nach Haftpflichtversicherer der E ist, den ausgeurteilten Betrag von 20.923,56 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 1.10.2007 und kam außerdem für die Prozesskosten von 5.216,39 EUR (Gebühren der Anwälte der E von 1.906,60 EUR und festgesetzter Erstattungsanspruch des H von 3.308,79 EUR) auf. Insoweit nimmt sie jetzt ihrerseits den Beklagten in Anspruch.

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Das Landgericht hat dem Klageverlangen stattgegeben. Es ist von einer betragsmäßig uneingeschränkten Haftung des Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1, 29 CMR ausgegangen. Der Beklagte habe gewusst, was Gegenstand des ihm erteilten Frachtauftrags gewesen sei und den Transport in grober Vernachlässigung der ihm danach obliegenden Sorgfaltspflichten durchgeführt. Es habe an Vorkehrungen zur Verhinderung des Diebstahls gefehlt.

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Dieses Urteil, auf das zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, greift der Beklagte mit der Berufung an und erstrebt die Abweisung der Klage, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz. Er leugnet wie schon vor dem Landgericht, auf die Art des Transportgutes hingewiesen worden zu sein. Das entscheidende Versäumnis liege in einer fehlenden Instruktion von Seiten der E. Das führe zum Haftungsausschluss, zumindest aber zu einem Mitverschuldenseinwand.

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II. Die Berufung hat weithin Erfolg. Sie führt in Änderung des angefochtenen Urteils zu einer erheblichen Herabsetzung des ausgeurteilten Betrages. Daneben ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz nicht veranlasst. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist hinreichend geklärt.

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Für die Inanspruchnahme des Beklagten ist dessen Rechtsverhältnis zur E maßgeblich, deren Ersatzforderungen auf die Klägerin als schadensregulierenden Haftpflichtversicherer übergegangen sind. Die Stellung der Klägerin als Haftpflichtversicherer ist durch Kopien der Versicherungspolice und ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache belegt, und die bereits erstinstanzlich mitgeteilte Schadensregulierung ist unbestritten. Auf dieser Grundlage ist es – entsprechend der Regelung des § 86 Abs. 1 VVG – nach holländischem Recht gemäß Art. 284 WvK zu einer gesetzlichen Anspruchsübertragung („Subrogatie“) auf die Klägerin gekommen, die schon mit der Klageschrift aufgezeigt wurde. Das hat auch der Beklagte nicht in Frage gestellt.

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Die Beziehung zwischen E und dem Beklagten unterliegt als Frachtvertrag nach der Vermutung des Art. 28 Abs. 4 EGBGB, die im Hinblick auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Anwendung gelangt (vgl. Art. 28 Rom I-VO), den Vorschriften des deutschen Rechts. Damit wird sie, weil die grenzüberschreitende Beförderung von Gütern auf der Straße vereinbart war, durch die CMR bestimmt (Art. 1 CMR). Das zieht eine Schadensersatzhaftung des Beklagten gemäß Art. 17 CMR nach sich.

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Der Beklagte war von E mit dem Transport von Computern betraut worden. Eine entsprechende Auftragserteilung ist außer Streit. Die Parteien sind lediglich uneins, ob der Auftrag schriftlich oder lediglich mündlich erteilt wurde und ob dem Beklagten verdeutlicht wurde, was er zu befördern hatte. Eine Täuschung des Beklagten über die Art des Frachtguts steht freilich nicht im Raum. Der mit seinem Stempel und dem Handzeichen des Fahrers versehene Frachtbrief lautet vielmehr auf „693 Stück PC …“ und verweist unter Nr. 5 auf die Beifügung eines Lieferscheins, in dem ausdrücklich der Begriff „Personal Computer“ genannt ist. Von daher war die Art der anvertrauten Waren für den Beklagten zumindest erkennbar. Das hat zur Folge, dass er für den Schaden, den E durch den Diebstahl in der Nacht vom 30. auf den 31.08.2007 erlitt, grundsätzlich nach Art. 17 Abs. 1 CMR einzustehen hat. Diesen Schaden hat das Urteil vom 21.10.2008, das gemäß §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO Bindungswirkung gegenüber dem Beklagten entfaltet, mit 20.923,56 EUR festgeschrieben.

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Art. 17 Abs. 1 CMR macht den Beklagten für jedweden Verlust des übernommenen Guts verantwortlich, der vor dessen Ablieferung eintrat. Für einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR ist kein Raum. Danach käme eine Befreiung nur in Betracht, wenn der Verlust durch Umstände verursacht worden wäre, die weder der Beklagte noch sein Fahrer hätten vermeiden können. Das bedeutet, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten Sorgfalt unabwendbar hätte sein müssen, mithin alle denkbaren präventiven Maßnahmen den Diebstahl nicht verhindert hätten (BGH NJW-RR 2000, 1633; KG TranspR 1995, 342; OLG Saarbrücken TranspR 2008, 409). Davon kann hier keine Rede sein. Es ist weder behauptet noch sonst ersichtlich, dass die Computer auch dann entwendet worden wären, wenn der Beklagte zum Transport ein Kofferfahrzeug eingesetzt hätte und der Lkw auf einem bewachten Parkplatz abgestellt worden oder während des Aufenthalts auf dem konkret gewählten Autobahnparkplatz durchgängig – etwa durch eine Begleitperson – bewacht worden wäre. Genauso wenig liegt ein haftungsbefreiender Fall des Art. 17 Abs. 4 CMR vor. Das gilt auch dann, wenn man von einer unzulänglichen Information des Beklagten über die Natur des Frachtguts ausgeht (OLG Saarbrücken TranspR 2008, 409).

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Aus einem entsprechenden Informationsversäumnis leitet der Beklagte allerdings eine Schadensmitverantwortlichkeit der E her. Dazu hat er vorgetragen, dass er bei einer weitergehenden Unterrichtung entweder den Einsatz von zwei Fahrern ausgehandelt oder aber den Transport überhaupt abgelehnt hätte. Wie das vom Ansatz her rechtlich eingeordnet werden muss, steht freilich in Frage. Die unmittelbare Anwendbarkeit von § 254 BGB im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 CMR ist ungeklärt (unentschieden BGH TranspR 2006, 116). Lehnt man sie ab, würde ein Mitverschulden indessen über Art. 17 Abs. 5 CMR zu einer Schadensquotelung führen, die den Grundsätzen des § 254 BGB folgt (OLG Saarbrücken TranspR 2008, 409 m. w. N.).

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Gleichwohl ist der Vorwurf des Beklagten, von E keine ausreichenden Angaben erhalten zu haben, im Ergebnis ohne Belang. Seine Haftung aus Art. 17 Abs. 1 CMR ist nämlich nach Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR begrenzt, und die danach zu bestimmende Haftungshöchstsumme wird von einem Mitverschuldenseinwand erst dann berührt, wenn der ohne die vorgenommene Grenzziehung ausgleichspflichtige Betrag in Heranziehung der Maßstäbe des § 254 BGB einen geringeren Umfang hätte (OLG Saarbrücken TranspR 2008, 409; Koller, TranspR, 6. Aufl., Art. 23 CMR Rn. 8). Das ist nicht der Fall.

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In Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR wird als Haftungsgrenze je Kilogramm des abhanden gekommenen Frachtguts der Wert von 8,33 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds angesetzt. Bei dem Gesamtgewicht von 10.395 kg, das die Klägerin für die dem Beklagten überlassenen 693 Computer genannt hat, errechnet sich ein Stückgewicht von 15 kg. Allerdings hat der Beklagte die Gewichtsangaben der Klägerin bestritten. Das ist jedoch substanzlos geschehen. Die Angaben entsprechen den Zahlen auf dem quittierten Frachtbrief. Sie waren auch schon in den Vorprozess zwischen D und E eingeführt worden, ohne dass ihnen der Beklagte aus seiner Rolle als Streitverkündeter heraus entgegen getreten wäre. Von daher kann er sich nicht auf ein bloßes Leugnen beschränken. Das gilt um so mehr, als die Klägerin über keine besseren Informationen verfügt als er selbst.

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Mithin wogen die abhanden gekommenen 76 Geräte 1.140 kg. Das führt zu einer Entschädigungsobergrenze von 9.496,2 (= 1.140 x 8,33) Sonderziehungsrechten mit einem Umrechnungswert in der Größenordnung von 11.011,79 EUR (Wert am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat: 11.011,79 EUR = 9.496,2 mal 1,1596 EUR als Summe aus 0,632 US-Dollar + 0,41 EUR + 0,0903 Pfund Sterling + 18,4 Yen). Ein solcher Betrag bleibt hinter dem Haftungsanteil zurück, den der Beklagte in Bezug auf den der E effektiv entstandenen Schaden von 20.923,56 EUR zu tragen hat. Deren Mitverschuldensquote ist nämlich nicht höher als mit 40 % zu bemessen. Das gilt selbst dann, wenn der Beklagte – was indessen im Rahmen des § 254 BGB in seine Beweislast gestellt ist – den von der Klägerin in Kopie vorgelegten schriftlichen Transportauftrag vom 29.08.2007 nicht empfangen hat. Allerdings wurde ihm in diesem Fall der Wert der Ware nicht deutlich vor Augen geführt, und außerdem hatte er dann auch keine klaren Vorgaben zur Sicherung des Frachtguts. Aber das entlastet ihn nicht entscheidend.

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Man kann sich nämlich bereits auf den Standpunkt stellen, der Wert des Transportguts sei verhältnismäßig gering gewesen, so dass kein ungewöhnlich hoher Verlust im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gedroht habe und ein Hinweis der E deshalb überhaupt entbehrlich gewesen sei (so BGH NSW BGB § 254 Db, der ein relevantes Mitverschulden erst bei einer Schadensgefahr annimmt, die sich auf das Zehnfache der in Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR gezogenen Grenze beläuft). Sieht man die Dinge anders, muss jedenfalls berücksichtigt werden, dass der Beklagte nicht über die Art des Transportguts in die Irre geführt wurde. Im Gegenteil: Dem von seinem Fahrer abgezeichneten Frachtbrief und dem beigefügten Lieferschein ließ sich unschwer entnehmen, dass es sich um Computer handelte. Es war Sache des Beklagten, den Transport daraufhin eigenverantwortlich so zu organisieren, dass das Diebstahlrisiko minimiert wurde. Das ist nicht geschehen. Der Schaden trat nicht aufgrund bestimmter verfehlter Weisungen der E oder infolge von Materialmängeln ein, sondern war durch Nachlässigkeiten auf Seiten des Beklagten bedingt.

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Ungeachtet dieser relativen Verschuldensgewichtung zu Lasten des Beklagten ist dessen Schadensverantwortlichkeit absolut nicht so hoch anzusetzen, wie es das Landgericht getan hat. Der Tatbestand des Art. 29 CMR, der die Haftungsobergrenze des Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR aufheben würde, ist nicht erfüllt. Die Vorschrift verlangt eine vorsätzliche Verursachung des Schadens oder dessen Herbeiführung durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden. Ein solches Verschulden geht über den Grad der groben Fahrlässigkeit hinaus und erfordert auf der Grundlage von § 435 HGB eine Leichtfertigkeit und das Bewusstsein eines erheblichen Schadensrisikos. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn sich der Frachtführer in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzt (BGH TranspR 2004, 399; BGH TranspR 2007, 423) und sich ihm die Erkenntnis aufdrängt, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen (BGH NJW 2003, 3626; BGH TranspR 2004, 399). So verhielt es sich hier nicht.

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Freilich war das transportierte Gut erkennbar diebstahlsgefährdet. Aber es lässt sich nicht feststellen, dass dies von E verdeutlicht worden wäre. Der Zugang des schriftlichen Transportauftrags vom 29.08.2007, in dem Sicherheitshinweise enthalten sind, ist bestritten und nicht hinreichend indiziell belegt. Soweit die auf dem Auftragsschreiben befindliche Dossiernummer in der Rechnung des Beklagten auftaucht, kann dies durch eine zwischenzeitliche mündliche Mitteilung zu erklären sein. Für eine derartige Übermittlung spricht, dass die Nummer der Rechnung nicht ganz korrekt wiedergegeben wurde.

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Insofern lag für den Beklagten eine besondere Gefahrenlage nicht schon auf der Hand. Ohne entsprechende Weisung der E statt eines Planen-Lkw einen Koffer-Lkw einzusetzen, drängte sich nicht zwingend auf (vgl. BGH TranspR 2007, 423). Der Verzicht darauf, einen bewachten Parkplatz anzufahren, begründet ebenfalls keinen gravierenden Schuldvorwurf (BGH TranspR 2007,423). Es ist unwiderlegt, dass es wegen Überfüllung keine nahegelegenen alternativen Parkmöglichkeiten gab. Außerdem wurde der Lkw nach dem – ebenfalls nicht entkräfteten – Vorbringen des Beklagten in der Nähe zweier anderer Fahrzeuge abgestellt und konnte von der Autobahn aus gesehen werden.

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Vor diesem Hintergrund lässt sich bereits ein im Sinne des § 435 HGB leichtfertiges Verhalten auf Seiten des Beklagten und seines Fahrers nicht feststellen. Auf die Frage, ob ihnen bewusst war, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, kommt es daneben nicht mehr an.

21

Die Bindungswirkung, die das Urteil vom 21.10.2008 zwischen den Parteien entfaltet, steht der vorangehenden Bewertung nicht entgegen. Allerdings wurde seinerzeit eine Haftung der E gemäß Art. 29 CMR bejaht. Aber das gründete sich nicht auf die Zurechnung eines entsprechenden Verhaltens des Beklagten, sondern auf die Gesamtumstände und dabei namentlich auf persönliche Versäumnisse der E gegenüber ihrem Auftraggeber D.

22

Genauso wenig wie der Beklagte über Art. 29 CMR unbeschränkt haftet, kann er sich umgekehrt über die Grenzen des Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus mit der Begründung freizeichnen, dass E gegen die Informationspflichten der Nr. 3.6 ADSp verstoßen habe und er deshalb so gestellt werden müsse, als hätte er den Frachtauftrag gar nicht oder unter anderen Bedingungen durchgeführt. Es ist nämlich nicht zu ersehen, wie die ADSp zwischen E und dem Beklagten Geltung erlangt haben sollten. Insoweit bedurfte es einer Vereinbarung, die hier allenfalls stillschweigend erfolgt sein könnte. Das würde indessen voraussetzen, dass entweder E oder der Beklagte zumindest den Anschein erweckt hätte, den eigenen Geschäften üblicherweise die ADSp zugrunde zu legen (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., Einl ADSp Rn. 2). Daran fehlt es – im Hinblick auf E, weil sie im Ausland ansässig ist, und in Bezug auf den Beklagten, weil er lediglich als Frachtführer arbeitet (Koller, TranspR 6. Aufl., vor Nr. 1 ADSp Rn. 3). Mit diesem äußeren Bild stand auch der jeweilige Parteiwille in Einklang. Das von der Klägerin in Kopie vorgelegte Auftragsschreiben der E und die Rechnung des Beklagten verweisen ausschließlich auf andere Regelungen als die ADSp.

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Unabhängig davon ist zu sehen, dass die Behauptung der Klägerin, E habe den – in Kopie vorliegenden – schriftlichen Auftrag vom 29.08.2007 auf den Weg gebracht, nicht entkräftet ist. Dieser Auftrag enthält die Informationen, die der Beklagte vermisst. Von daher ließe sich auch auf der Grundlage der ADSp eine schuldhafte Pflichtverletzung auf Seiten der E nicht feststellen.

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Schließlich scheitert auch die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede. Der Schadensersatzanspruch der E gegen den Beklagten wurde vom 28.05.2008 durch die zu diesem Zeitpunkt wirksame Streitverkündung im Vorprozess gehemmt. Diese Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 BGB am 21.06.2009, als das Urteil vom 21.10.2008 sechs Monate rechtskräftig war. Unterdessen war schon die hiesige Klage erhoben, so dass die einjährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR nicht abgelaufen sein kann.

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Die Ansprüche auf Prozesskostenersatz, die die Klägerin neben der Schadensersatzforderung über 20.923,56 EUR verfolgt, sind insgesamt unbegründet. Die Führung des Rechtsstreits zwischen D und E, durch den die Kosten entstanden, hat E umfassend selbst zu verantworten (§ 254 BGB). Ihre Haftung konnte nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Sie musste sich alle Versäumnisse des Beklagten und darüber hinaus auch solche Fehler zurechnen lassen, die ihr selbst unterlaufen waren. Im Hinblick darauf, dass man die klaren Vorgaben der D nicht umgesetzt hatte, war sie von vornherein gehalten, diese klaglos zu stellen. Dass dies nicht geschah, ist dem Beklagten nicht maßgeblich anzulasten, sondern Folge einer freien eigenen Disposition (vgl. OLG Frankfurt RuS 2000, 242). Anders wäre es allenfalls dann, wenn E mangels entsprechender finanzieller Mittel nicht leistungsunfähig gewesen wäre. Das ist aber weder behauptet noch sonst ersichtlich – zumal die Klägerin als Versicherer hinter E stand. Die Erwägung, der Rechtsstreit mit D habe – insbesondere weil er eine Streitverkündung an den Beklagten ermöglicht habe – der Vorbereitung des hiesigen Verfahrens gedient, reicht zur Begründung einer Ersatzforderung nicht hin (OLGR Saarbrücken 2007, 480). Von daher kann auf sich beruhen, ob die Haftungsbegrenzung gemäß Art 23 Abs. 3 und 7 CMR, die dem Beklagten zugute kommt, überhaupt Raum dafür ließe, ihn auf Prozesskostenersatz in Anspruch zu nehmen (verneinend etwa OLGR Hamburg 1998, 211).

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision fehlen; die entscheidungserheblichen Fragen sind im Grundsätzlichen höchstrichterlich beantwortet.

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Rechtsmittelstreitwert: 26.139,95 EUR

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