Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 02.08.2005 – 3 U 21/05
Zur Vereinbarkeit der Schiedsgerichtsklausel in Art. 23 der Allgemeinen Bedingungen der niederländischen Organisation für Spedition und Logistik (FENEX) in der Fassung vom 4.1.1999 mit Art. 33 CMR.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.1.2005 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (83 O 40/04) aufgehoben.
Die Sache wird zu weiterer Verhandlung und Entscheidung, auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1 Gründe:
2
I.
3 Gegenstand der Klage ist ein Schaden wegen eines Warenverlustes auf einem Straßentransport von Bernau nach Moskau. Die Parteien streiten über die Vereinbarkeit der Schiedsgerichtsklausel in Art. 23 der Allgemeinen Bedingungen der niederländischen Organisation für Spedition und Logistik (FENEX) in der Fassung vom 4.1.1999 mit Art. 33 CMR. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin, die durch Vertrag vom 26.2.2003 Bekleidungswaren an die Fa. T in Moskau verkauft hatte, veranlasste die Organisation des Transports einer Teilpartie über ihre Niederlassung in Moskau. Diese beauftragte die Fa. N in Moskau, die ihrerseits die Beklagte, ein niederländisches Unternehmen, beauftragte, und zwar unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen der niederländischen Organisation für Spedition und Logistik (FENEX) in der Fassung vom 4.1.1999. Die Beklagte erteilte den Transportauftrag an die Fa. X, die den Auftrag an die Fa. D S weitergab. Die Beladung erfolgte am 28.2.2003; die Ware erreichte den Bestimmungsort nicht.
4 Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
5 Das Landgericht hat die Schiedsgerichtsklausel für wirksam gehalten und auf die entsprechende Schiedseinrede der Beklagten hin die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klausel sei mit Art. 33 CMR vereinbar, da die nach dieser Vorschrift zwingende Anwendung der CMR durch das Schiedsgericht gewährleistet werde. Aus der Klausel ergebe sich, dass die Schiedsrichter nicht nach Billigkeit urteilen dürften, wenn zwingende Rechtsvorschriften eingreifen würden; unschädlich sei, dass die Klausel nicht ausdrücklich auf die CMR verweise.
6 Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie hält die Schiedsgerichtsklausel für unwirksam. Es handele sich um einen Beförderungsvertrag i.S.d. Art. 1 Abs. 1 S. 1 CMR und nicht um einen Speditionsvertrag. Die Schiedsgerichtsklausel in Art. 23 FENEX in der Fassung vom 4.1.1999 werde den Anforderungen des Art. 33 CMR nicht gerecht, da die Anwendung der CMR nicht hinreichend sichergestellt werde. Auch führe nach niederländischem Recht ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht zur Einbeziehung einer Schiedsgerichtsklausel. Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, hätte das Landgericht Köln den Rechtsstreit vor seiner Entscheidung an das Landgericht Frankfurt/Oder verweisen müssen, in dessen Bezirk der Übernahmeort liege.
7 Die Klägerin beantragt,
8 das angefochtene Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 6.1.2005 – 83 O 40/04 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Köln, hilfsweise an das Landgericht Frankfurt/Oder zurückzuverweisen.
9 Die Beklagte beantragt,
10 die Berufung zurückzuweisen.
11 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, der streitgegenständliche Vertrag sei nach niederländischem Recht als Speditionsvertrag und nicht als Beförderungsvertrag im Sinne der CMR zu qualifizieren. Nach niederländischem Recht genüge die Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Einbeziehung einer Schiedsgerichtsklausel. Die Klausel verstoße auch nicht gegen Art. 33 CMR.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13
II.
14 Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache vorläufig Erfolg.
15 Die Klage ist zulässig.
16 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben, obwohl die Beklagte ihren Sitz in den Niederlanden hat. Die internationale Zuständigkeit ist im Berufungsverfahren zu prüfen, da § 513 Abs. 2 ZPO insoweit keine Anwendung findet (BGH NJW 2003, 426; Zöller/Gummer/Heßler, 25. Aufl. 2005, § 513 ZPO, Rz. 8 m.w.N.). Sie ergibt sich hier aus Art. 31 Nr. 1 S. 1 lit. b) CMR, da der Übernahmeort (Bernau) in Deutschland liegt.
17 Die CMR ist anwendbar, da es sich bei dem Vertrag zwischen der Fa. N und der Beklagten um einen Beförderungsvertrag im Sinne des Art. 1 CMR handelte. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach dem Auftragswortlaut die Beförderung nicht selbst durchführen, sondern den Transport von Bernau nach Moskau lediglich organisieren sollte, was für einen Speditionsvertrag sprechen mag; im Auftragsschreiben der Fa. N (Anl. K3 im Anlagenhefter) heißt es:”…einen Autotransport … zu engagieren”, in der Auftragsbestätigung der Beklagten (Anl. B2, Bl. 49, sowie BK 2) heißt es: “… to arrange on your behalf and for your account the following”; der Transport wurde von der Fa. D S als Frachtführer unter Ausstellung eines CMR-Frachtbriefs (Anl. K4 im Anlagenhefter) durchgeführt. Jedoch handelte es sich im Verhältnis zwischen der Fa. N und der Beklagten um eine Spedition zu festen Kosten; ausweislich der Auftragsbestätigung (Bl. 49) war ein Entgelt von USD 3.050 “all in” vereinbart. Dies spricht für ein eigenes Interesse der Beklagten an der Beförderung und für eine Auslegung als Beförderungsvertrag im Sinne der CMR (Herber/Piper, 1996, Art. 1 CMR Rz. 26, ebenso i.E. Koller, TransportR, 5. Auf. 2004, Art. 1 CMR, Rz. 3; MünchKomm/Basedow, 4. Aufl. 2001, Art. 1 CMR Rz. 8); auch der Bundesgerichtshof wendet auf die Fixkostenspedition die CMR an (BGHZ 65, 340; VersR 1981, 1030). Unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag nach niederländischem Recht als Beförderungsvertrag anzusehen ist, kann dahinstehen, da die Rechtsbegriffe der CMR autonom, nämlich unabhängig vom nationalen Recht auszulegen sind (so Staub/Helm, 4. Aufl. 2002, Anh. VI § 452, Art. 1 CMR, Rz. 19; MünchKomm/Basedow, aaO, Rz. 8). Daher fällt die Fixkostenspedition im Streitfall in den Anwendungsbereich der CMR. Ferner ergibt sich die Anwendung der CMR auf den streitgegenständlichen Vertrag daraus, dass die Vertragsparteien ausweislich des Auftragsschreibens der Fa. N (Anl. K3) und der Auftragsbestätigung der Beklagten (Anl. B2, Bl. 49 und BK 1) die Geltung der CMR vereinbart haben, wogegen Bedenken nicht bestehen ( so Staub/Helm, 4. Aufl. 2002, Anh. VI § 452, Art. 1 CMR Rz. 4 für den deutschen Rechtsraum).
18 Die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts ist im Berufungsverfahren gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen, nachdem das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hat.
19 § 1032 Abs. 1 ZPO steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.
20 Es kann dahinstehen, ob mit der Einbeziehung der FENEX – deren wirksame Einbeziehung nach niederländischem Recht die Parteien in erster Instanz unstreitig gestellt haben – auch die Schiedsgerichtsklausel des Art. 23 FENEX wirksam in den Vertrag einbezogen ist, was entsprechend Art. 27 Abs. 4 i.V.m. Art. 11 Abs. 2 EGBGB nach niederländischem Recht zu beurteilen sein dürfte; die Klägerin meint, ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen genüge nicht, da § 1021 der niederländischen Zivilprozessordnung die Vereinbarung des Schiedsgerichts in einem schriftlichen Vertrag fordere. Die Schiedsgerichtsklausel in Art. 23 der FENEX in der Fassung vom 4.1.1999 ist nämlich nach Art. 41 CMR unwirksam.
21 Auf den streitgegenständlichen Vertrag findet die CMR Anwendung (s.o.). Nach Art. 33 CMR muss die Schiedsklausel “vorsehen” (englisch: “provide”; französisch: “prévoie”), dass das Schiedsgericht “dieses Übereinkommen” – die CMR – anzuwenden hat. Art. 23 Nr. 7 S. 3 der einschlägigen Fassung der FENEX lautet:
22 “Die Schiedsrichter urteilen “als goede mannen naar billijkheid” (als gute Männer nach Billigkeit) mit der Verpflichtung, die anwendbaren zwingenden Rechtsvorschriften, worunter die Bestimmungen internationaler Transportverträge, zu berücksichtigen.”
23 Die Literatur knüpft die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung daran, dass die Bestimmung ausdrücklich vorsieht, dass das Schiedsgericht die CMR anzuwenden hat; eine generelle Verweisung auf ein nationales Recht, dessen Teil die CMR ist, soll nicht genügen (Fremuth/Thume, Komm. zum Transportrecht, 2000, Art. 33 CMR Rz. 2; Thume/Demuth, Komm. zur CMR , 1994, Art 33 Rz. 3; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Art. 33 CMR. Rz. 5; Staub/Helm, Großkomm. HGB, 4. Aufl. 2002, Art. 33 CMR Rz. 5; MünchKomm./Basedow, 4. Aufl. 2001, Art. 33 CMR. Rz. 1; Herber/Piper, 1996, Art. 33 CMR Rz. 2; Loewe, TranspR 1988, 309, 319). Das Oberlandesgericht Hamm (TransportR 1999, 201), hält die gleichlautende Fassung der FENEX-Schiedsklausel für unwirksam und führt aus: “Mit dieser Formulierung wird die erforderliche zwingende Bindung des Schiedsgerichts an die CMR nicht genügend festgelegt. Die Schiedsrichter sollen in erster Linie nach Billigkeit entscheiden und (nur) im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung die zwingenden Bestimmungen internationaler Transportverträge berücksichtigen. Das lässt offen, ob sie bei Ausübung ihres Ermessens nicht von diesen Regelungen absehen können, wenn es die vorrangig genannte Billigkeit angemessen erscheinen lässt.” Dem schließt sich der Senat im Ergebnis an. Durch die Klausel wird nämlich die Anwendung der CMR nicht hinreichend gesichert, da unklar bleibt, ob das Schiedsgericht den unspezifischen Verweis auf internationale Transportverträge zutreffend in Richtung auf eine zwingende Anwendung der CMR auffasst und Billigkeitsgrundsätze erst in dem dadurch gesteckten Rahmen zur Anwendung kommen lässt. Es kommt hinzu, dass Art. 22 Nr. 1 der FENEX den Vertrag dem niederländischen Recht unterwirft. Dadurch wird der Vorrang der CMR vor einer Vereinbarung der Geltung nationalen Rechts (Art. 41 CMR) für das Schiedsgericht nicht hinreichend klargestellt. Daher ist in Übereinstimmung mit der wohl allgemeinen Ansicht in der Literatur ein ausdrücklicher Verweis auf die vorrangige Geltung der CMR erforderlich, wie ihn die aktuelle Fassung der FENEX vom 1.7.2004 auch vorsieht.
24 Die Klage ist auch im übrigen zulässig.
25 Die notwendige Prozessführungsbefugnis der Klägerin liegt vor. Da sie den Anspruch unter Berufung auf eine Abtretung der Fa. N als eigenes Recht geltend macht, liegt kein Fall der Prozessstandschaft vor; maßgeblich für die Prozessführungsbefugnis ist die behaupteteInhaberschaft des Rechts (Zöller/Vollkommer, 25. Aufl. 2005, Vor § 50 ZPO Rz. 18). Die streitige Wirksamkeit der Abtretung betrifft die Aktivlegitimation und damit erst die Begründetheit der Klage.
26 Der Senat hat auf den Antrag der Klägerin von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO Gebrauch gemacht, da eine Verkürzung des Rechtszuges im Zusammenhang mit der Beurteilung der Begründetheit der Klage nicht angezeigt erscheint.
27 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 ZPO.
28 Die Revision war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die streitgegenständliche Schiedsgerichtsklausel der FENEX, deren Einbeziehung nicht unüblich ist, kann noch in anderen Verfahren von Bedeutung sein, da die Neufassung erst im Jahre 2004 in Kraft getreten ist.
29 Berufungsstreitwert: 609.500,- EUR