ArBG Hamburg, Urteil vom 13.3.2008, 2 Ca 454/07
Auch ein Vermögensdelikt zum Nachteil Dritter kann Grund zur außerordentlichen Kündigung sein.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf Euro 10.182,00.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger ist seit dem 15. August 1994 bei der Beklagten als Lagerarbeiter und Staplerfahrer beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsgehalt betrug EUR 3.394,00. Am 11. Oktober 2007 beschäftigte die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer.
Die Aufgabe des Klägers im Betrieb der Beklagten ist die Warenannahme, das Verteilen der Waren auf dem Verkaufsstand der Beklagten und das Ausfahren der Waren mit einem Gabelstapler auf dem Gelände des Großmarktes zu einzelnen Kunden der Beklagten. Eine dieser Kundenfirmen ist die Firma S., die ebenfalls auf dem Großmarkt u. a. Lagerräume unterhält.
Der Kläger hatte in der Nacht vom 09. auf den 10. Oktober 2007 von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr morgens Dienst. In dieser Nacht ließ sich die Firma S. von einem anderen Händler, der Firma K., u. a. Paletten mit Gurken anliefern. Diese Ware wurde von der Firma K. vor dem Lagerraum der Firma S. abgestellt. In den frühen Morgenstunden des 10. Oktober 2007 stellte die Firma S. fest, dass nicht die von der Firma K. auf dem Lieferschein angegebene Menge von Kartons Gurken auf der Palette war. Die Firma S. monierte daraufhin die Fehlmenge bei der Firma K., diese konnte aber nachweisen, dass sie die bestellte und auf dem Lieferschein vermerkte Menge tatsächlich angeliefert hatte. Nach Einschaltung der Marktverwaltung durch die Inhaberin der Firma S. wurden durch die Marktverwaltung die Videoaufzeichnungen der Videoanlage des Großmarktes überprüft. Hierbei stellte sich heraus, dass am 10. Oktober 2007 um 01.02 Uhr und 6 Sekunden der Kläger mit einem Gabelstapler vor den Lagerraum der Firma S. fuhr, dort anhielt, sich in alle Richtungen umschaute, von der dort stehenden Palette einen Karton Gurken an sich nahm, diesen zum Gabelstapler verbrachte und dann mit dem Gabelstapler und dem Karton Gurken davonfuhr. Die Menge und der Wert der vom Kläger entwendeten Gurken ist nicht genau ermittelbar. Der Kläger bezahlte die Ware während seiner Schicht am 10. Oktober 2007 nicht.
Zu der nächsten Schicht am 10. Oktober 2007, 23.00 Uhr, erschien der Kläger krankheitsbedingt nicht, er hatte Fieber und Brechdurchfall. Er begab sich sodann am 11. Oktober 2007 morgens um 08.00 Uhr zu seinem Hausarzt und legte sich anschließend wieder ins Bett, um zu schlafen.
Der Geschäftsführer der Beklagten und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begaben sich am Nachmittag des 11. Oktober 2007 zur Wohnung des Klägers. Auf das Klingeln erschien der Kläger angezogen an der Hauseingangstür des Mehrfamilienhauses unten, der Geschäftsführer der Beklagten, deren Prozessbevollmächtigter und der Kläger gingen sodann gemeinsam in die Wohnung des Klägers ins Wohnzimmer. Dort wurde dem Kläger der festgestellte Sachverhalt dargelegt, ihm wurden auch Abzüge der Videoaufnahmen vorgelegt. Der Kläger bestätigte im Rahmen dieses Gespräches, dass er auf den Videoaufnahmen zu sehen sei. Daraufhin wurde ihm das Kündigungsschreiben vom 11. Oktober 2007 (Anlage K 1, Blatt 5 d. A.) übergeben, mit welchem die Beklagte, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, das Arbeitsverhältnis fristlos, höchstvorsorglich zum nächstzulässigen Termin kündigte.
Anschließend wurde dem Kläger eine Vereinbarung überreicht, die er, nachdem er sie durchlas, unterzeichnete; nach Unterzeichnung durch den Kläger unterzeichnete der Geschäftsführer die Vereinbarung. Wegen des genauen Inhaltes dieser Vereinbarung wird auf die Anlage K 2, Blatt 6 der Akte Bezug genommen. Es heißt dort u. a.:
„… wegen dieses Vorfalles ist mir von meinem Arbeitgeber heute die fristlose Kündigung ausgesprochen worden. Diese Kündigung akzeptiere ich, bitte aber darum, dass wegen meines Verhaltens kein Strafverfahren eingeleitet wird.
Es besteht also Einvernehmen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers am 11. Oktober 2007 endet.“
Vor Unterzeichnung dieser Vereinbarung hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine Strafanzeige angekündigt.
Der Kläger wandte sich mit Anwaltsschreiben vom 12. Oktober 2007, wegen dessen genauen Inhalts Bezug genommen wird auf die Anlage K 3, Blatt 33 – 34 der Akte, gegen die Kündigung vom 11. Oktober 2007 und focht in diesem Schreiben die Vereinbarung „aus allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen an“.
Mit seiner am 23. Oktober 2007 erhobenen Kündigungsschutzklage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 11. Oktober 2007 geltend.
Der Kläger behauptet,
er habe sich bei der Entnahme der Gurken deshalb nach allen Richtungen umgeschaut, um zu sehen, ob nicht vielleicht ein Mitarbeiter der Firma S. zu finden sei, bei dem er einen Karton Gurken kaufen könne. Er habe den Kasten Gurken im Werte von EUR 5,00 an sich genommen, um diese später bei der Firma S. zu bezahlen. Wegen erhöhten Arbeitsaufkommens am 10. Oktober 2007 habe er diese während seiner Schicht nicht mehr bei der Firma S. bezahlen können, anschließend deshalb nicht, weil er am nächsten Tag krank war. Es sei auf dem Großmarkt im Umfeld des Klägers und der Beklagten durchaus üblich, dass die Mitarbeiter der Marktunternehmen, wenn diese an einem Großmarktstand Ware für private Zwecke erwerben wollen, diese beiseite nehmen, auch wenn der jeweilige Standinhaber oder dessen Mitarbeiter nicht anwesend sei und diese dann später im Rahmen der Schicht bezahlen. Die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007 sei unter Ausnutzung seiner vom Schlaf und Fieber noch bestehenden Benommenheit abgeschlossen worden. Er sei nicht von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten gefragt worden, ob er zum Abschluss einer zusätzlichen Auflösungsvereinbarung bereit gewesen sei. Er, der Kläger, sei davon ausgegangen, dass die Vereinbarung als Quittung für den Empfang der Kündigung gelte, dies habe er aus der Formulierung „diese Kündigung akzeptiere ich“ geschlossen.
Der Kläger ist der Auffassung,
die Kündigung sei unwirksam, auch ein Vorwurf des Diebstahls zu Lasten der Firma S. sei kein ausreichender Grund; der Diebstahl würde sich in diesem Fall nicht gegen den Arbeitgeber richten, sondern gegen einen unbeteiligten Dritten. Die Beklagte müsse sich vorhalten lassen, dass sie mit dem behaupteten Diebstahl allenfalls am Rande zu tun habe, es genüge eben nicht allgemeine Schlechtigkeit, sondern es müsse die Betriebsbezogenheit des vorgeworfenen Verhaltens deutlich erkennbar vorgetragen sein. Auf die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007 (Anlage K 2) könne sich die Beklagte nicht berufen, ein Klageverzicht oder ein Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsschutzes beinhalte die Vereinbarung nicht. Jedenfalls sei die Anfechtung der Willenserklärung begründet, da der Kläger bei Unterzeichnung der Vereinbarung der Meinung gewesen sei, dass er lediglich eine Quittung für den Empfang der Kündigung unterschreibe und sich somit möglicherweise über den Inhalt seiner Erklärung geirrt habe. Jedenfalls habe der Kläger mit der Anfechtungserklärung wirksam sein Widerrufsrecht gemäß §§ 312, 355 BGB ausgeübt, was im Streitfall gegeben sei, da die Vereinbarung in den Privaträumen des Klägers abgeschlossen wurde.
Der Kläger beantragt,
es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 11. Oktober 2007, zugestellt am 11. Oktober 2007, beendet ist, sondern zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet,
der Kläger habe sich bei Entwendung der Gurken deshalb umgesehen, um zu überprüfen, ob er beobachtet werde. Dies ergebe sich aus dem Gesamtverhalten des Klägers bei der Entwendung der Gurken. Es habe sich wie ein Lauffeuer auf dem Großmarkt herumgesprochen, dass ein Mitarbeiter der Beklagten auf dem Markt Ware gestohlen habe, mehrere Kunden der Beklagten hätten daraufhin dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt, dass man die Belieferung durch den Kläger ab sofort nicht mehr wünsche, weil man nicht auch noch das Risiko eingehen wolle, bestohlen zu werden. Der Kläger habe in dem Gespräch am 11. Oktober 2007 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingeräumt, „Mist gebaut“ zu haben und eindeutig zu verstehen gegeben, dass er eine Verfehlung begangen habe und hierbei erwischt worden sei. Vor Abschluss der Vereinbarung sei er gefragt worden, ob er zum Abschluss dieser Vereinbarung bereit sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung sei wirksam, ebenso die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007; es sei eine reine Schutzbehauptung, dass der Kläger die Ware habe bezahlen wollen. Die Anfechtung greife nicht durch, ebenso wenig bestehe ein Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann die Unwirksamkeit der Kündigung vom 11. Oktober 2007 auf Grund der Vereinbarung vom selben Tag (Anlage K 2) nicht mehr geltend machen. Diese Vereinbarung ist wirksam. Selbst wenn diese Vereinbarung unwirksam wäre, wäre die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB rechtmäßig.
Die Entscheidung beruht – kurz zusammengefasst – auf folgenden Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (§ 313 Abs. 3 ZPO).
I.
Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 11. Oktober 2007 ist wirksam. Die Klage ist abzuweisen.
1. Der Kläger kann sich hinsichtlich der Kündigung der Beklagten vom 11. Oktober 2007 nicht mehr auf den Kündigungsschutz gemäß §§ 626 BGB, 1 KSchG berufen. Dies folgt aus der Vereinbarung vom 11. Oktober 2007, Anlage K 2. Mit dieser hat der Kläger wirksam auf die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen im Gerichtswege verzichtet. Die Abrede „diese Kündigung akzeptiere ich, bitte aber darum, dass wegen meines Verhaltens kein Strafverfahren eingeleitet wird. … es besteht also Einvernehmen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers am 11. Oktober 2007 endet“ bringt hinreichend deutlich einen solchen Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit dieser Kündigung zum Ausdruck.
Ein Arbeitnehmer kann nach erklärter Kündigung auf die Erhebung oder Durchführung der Kündigungsschutzklage verzichten (vgl. BAG, Urteil vom 03. Mai 1979, 2 AZR 679/77 zu II. 2 a der Gründe), was auch im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichsvertrages möglich ist. Die Erklärung, auf den Kündigungsschutz zu verzichten, kann je nach Lage des Falles einen Aufhebungsvertrag, einen Vergleich, einen Klageverzichtsvertrag oder ein vertragliches Klagerücknahmeversprechen darstellen (vgl. BAG a.a.O.). Der Verzicht muss in jedem Falle als vertragliche Erklärung aus Gründen der Rechtsklarheit in der Urkunde selbst unmissverständlich zum Ausdruck kommen, etwa in der Weise, dass der Arbeitnehmer erklärt, er wolle von seinem Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, Abstand nehmen oder eine mit diesem Ziel bereits erhobene Klage nicht mehr durchführen.
Gemessen an diesen Grundsätzen, denen die Kammer folgt, ist in der Vereinbarung (Anlage K 2) klar und eindeutig zwischen den Parteien vereinbart, dass der Kläger die ausgesprochene Kündigung vom selben Tag akzeptiert, was nichts anderes bedeuten kann, als sich gegen diese jedenfalls nicht weiter zu wehren. Deutlich wird dies vor allem auch dadurch, dass die Vereinbarung beinhaltet, dass das Arbeitsverhältnis am 11.10.2007. Damit handelt es sich bei der Vereinbarung um einen Klageverzicht, eingebettet in eine Abwicklungsvereinbarung. Die Parteien dieser Vereinbarung haben nach Ausspruch und Zugang der fristlosen Kündigung vom 11. Oktober 2007 vertraglich vereinbart, dass diese das Arbeitsverhältnis zum 11. Oktober 2007 beendet, was sich unmissverständlich aus dem zweiten Absatz der Vereinbarung ergibt. Damit handelt es sich bei der Abwicklungsvereinbarung im eigentlichen Sinne um einen Vergleichsvertrag gemäß § 779 BGB; die Abwicklungsvereinbarung sollte die durch die zuvor ausgesprochene Kündigung entstandene rechtliche und tatsächliche Unsicherheit beseitigen. Die Annahme des Klägers, er habe lediglich den Erhalt der ausgesprochenen Kündigung quittieren wollen, kann die Kammer angesichts der Eindeutigkeit der Formulierungen in der Vereinbarung nicht nachvollziehen. Mit dieser Vereinbarung erklärt der Kläger ausdrücklich, dass er die ausgesprochene Kündigung akzeptiert, dass das Arbeitsverhältnis endet, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis per 11. Oktober 2007 abrechnet und dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erledigt sind.
2. Die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007, Anlage K 2, ist weder durch Anfechtung gemäß § 142 BGB noch auf Grund eines wirksamen Widerrufs gemäß §§ 312, 355 BGB nichtig bzw. unwirksam.
Die Vereinbarung ist nicht nach § 142 BGB durch Anfechtung nichtig. Zwar hat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 12. Oktober 2007 die Willenserklärung zum Abschluss des Abwicklungsvertrages vom 11. Oktober 2007 angefochten. Dem Kläger steht aber weder ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB noch nach § 123 BGB zur Seite.
Die Voraussetzungen des Inhaltsirrtums nach § 119 BGB sind nicht gegeben. Ein solcher ist anzunehmen, wenn der äußere Erklärungstatbestand dem Willen des Erklärenden auch entspricht, dieser aber über Bedeutung oder Tragweite der Erklärung irrt (vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, § 119 Randnummer 11). Die Kammer geht auf Grund der Eindeutigkeit der Formulierung der Vereinbarung vom 11. Oktober 2007 nicht davon aus, dass der Kläger sich bei Abgabe der Willenserklärung über die Bedeutung dieser Erklärung irrte. Es ist schlichtweg angesichts dessen, dass der Kläger sich die Vereinbarung vor Unterzeichnung durchlesen konnte, als Schutzbehauptung zu werten und für die Kammer nicht nachvollziehbar gewesen, dass der Kläger lediglich die Quittierung des Empfangs der Kündigung unterschreiben wollte. Dementsprechend verwundert auch nicht, dass im Anfechtungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. Oktober 2007 eine in diese Richtung gehende Begründung der Anfechtung nicht aufgeführt ist. Schließlich ist auch die Ausführung des Klägers im Schriftsatz vom 04. Januar 2008, S. 9 (Blatt 29 d. A.), wenig deutlich, dort wird ausgeführt, der Kläger habe sich „möglicherweise“ über den Inhalt seiner Erklärung geirrt.
Auch nach § 123 Abs. 1 BGB kann der Kläger wegen widerrechtlicher Drohung die Vereinbarung nicht anfechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Androhung einer ordentlichen oder einer fristlosen Kündigung dann nicht widerrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB, sofern ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (BAG vom 05. Dezember 2001, 2 AZR 478/01, DB 2003, 1685). Im Streitfall geht es nicht um die Androhung einer fristlosen Kündigung, denn diese war bei Unterzeichnung der Vereinbarung ja bereits ausgesprochen worden. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine Strafanzeige angekündigt. Für die Androhung einer Strafanzeige gilt aber Entsprechendes. Im Streitfall konnte die Beklagte als verständiger Arbeitgeber die Androhung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen, da der Kläger unstreitig die Gurken entwendet hatte.
Die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007 ist auch nicht nach §§ 312, 355 BGB erfolgreich widerrufen worden. Zwar kann die Erklärung im Anwaltsschreiben vom 12. Oktober 2007 als Widerrufserklärung ausgelegt werden. Das reklamierte Widerrufsrecht steht dem Kläger aber nicht zu. Nach § 312 BGB besteht bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 355 u. a. dann, wenn der Verbraucher zum Vertragsabschluss durch mündliche Verhandlung an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist, Haustürgeschäft gemäß § 312 Satz 1 Nr. 1 BGB. Die Kammer sieht den Tatbestand dieser Norm hier nicht erfüllt. Es kann dabei dahinstehen, ob der Kläger als Arbeitnehmer die Verbrauchereigenschaft gemäß § 13 BGB besitzt. Die Voraussetzungen des § 312 Abs. 1 BGB sind aus anderen Gründen nicht gegeben. Dem Arbeitnehmer steht ein Widerrufsrecht auch dann nicht zu, wenn die Vereinbarung am Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung verhandelt worden ist, da eine derartige Vereinbarung nicht zu den in § 312 BGB geregelten Haustürgeschäften gehört, was aus dem Normzweck und der systematischen Stellung der Norm im Gesetz folgt. § 312 BGB findet sich im zweiten gesetzlichen Untertitel unter der Überschrift „Besondere Vertriebsformen“ und dient dem Verbraucherschutz vor den Gefahren entgeltlicher Rechtsgeschäfte, die an spezifisch ungewöhnlichen Orten angebahnt werden. Dies ist bei den hier abgehandelten Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht der Fall. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit umfassender Begründung in seiner Entscheidung vom 03. Juni 2004 (2 AZR 427/03, zitiert nach Juris) umfangreich begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer auf die Begründung des Bundesarbeitsgerichts in dieser zitierten Entscheidung Bezug. Danach kommt es auch nicht darauf an, ob – wie hier – die Abwicklungsvereinbarung tatsächlich im Betrieb oder in den Privaträumen des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde.
3. Eine Nichtigkeit der zur Vereinbarung Anlage K 2 führenden Willenserklärung des Klägers nach §§ 104, 105 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Für einen die freie Willensbildung ausschließenden Zustand der Geistestätigkeit, sei es dauerhaft oder nur vorübergehend, müssen Tatsachen vorgetragen werden, die diesen Schluss rechtfertigen. Solche Tatsachen trägt der Kläger nicht vor, allein die Behauptung, die Vereinbarung sei unter Ausnutzung seiner vom Schlaf und Fieber noch bestehenden Benommenheit abgeschlossen worden, genügt nicht.
4. Schließlich wäre die Klage aber auch dann als unbegründet abzuweisen, wenn die Vereinbarung vom 11. Oktober 2007 der Geltendmachung des Kündigungsschutzes vor dem Arbeitsgericht nicht entgegenstünde. Denn die Kündigung vom 11. Oktober 2007 ist gemäß § 626 BGB rechtswirksam.
a) Eine außerordentliche Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, wenn sie aufgrund eines wichtigen Grundes ausgesprochen wird, aufgrund dessen es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der geltenden Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Im Rahmen der außerordentlichen Kündigung ist mithin zunächst in einer ersten Stufe zu prüfen, ob ein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß vorliegt bzw. der Kündigungssachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abzugeben. Vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber begangene Straftaten, insbesondere Diebstähle oder sonstige Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers, rechtfertigen in der Regel eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung; das gilt auch bei einem bloßen Versuch (vergl. BAG 11. Dezember 2003, 2 AZR 36/03). In der zweiten Prüfungsstufe ist sodann zu klären, ob es dem Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG, Urt. v. Urt. V. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 -, AP 192 zu § 626 BGB; BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 36/03 -, AP Nr. 179 zu § 626 BGB jeweils m. w. Nachweisen). Die außerordentliche Kündigung ist mithin nach dem das Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima-ratio-Prinzip) für den Kündigungsberechtigten ist (BAG, Urt. v. 09.07.1998 – 2 AZR 201/98 -, zit. n. Juris). Bei der Interessenabwägung ist Maßstab, ob unter Berücksichtigung der im konkreten Fall schutzwürdigen personenbedingten Interessen des Gekündigten eine so starke Beeinträchtigung betrieblicher oder vertraglicher Interessen des Kündigenden vorliegt, dass das Kündigungsinteresse gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Gekündigten überwiegt (KR-Fischmeier, 8. Aufl., Rn. 239 zu § 626 BGB).
b) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall erweist sich die Kündigung nach § 626 BGB als rechtswirksam.
Der Kläger hat durch die Entwendung der in fremden Eigentum stehenden Gurken ein Vermögensdelikt begangen, kündigungsrechtlich ist unerheblich, ob es sich dabei um eine Unterschlagung nach § 246 StGB oder einen Diebstahl nach § 242 StGB handelt.
Soweit sich der Kläger auf die Üblichkeit der entsprechenden Vorgehensweise beruft, hilft ihm dies nicht weiter. Zum einen ist sein gesamtes Vorbringen an dieser Stelle nicht ausreichend konkret, um eine Einlassungsverpflichtung der Beklagten auszulösen. Der Kläger hätte wenigstens – wenn man derartiges Vorbringen überhaupt als rechtfertigend zulassen will – konkret unter Bezugnahme auf Einzelfälle vortragen müssen, wann die Entnahme von Waren ohne die Kenntnis des Eigentümers und ohne vorherige Verhandlung über den Preis und die Menge der entnommenen Ware in der Vergangenheit einmal akzeptiert worden ist. Weiter hätte zu einem ausreichend substantiierten entlastenden Vorbringen im Streitfall jedenfalls gehört, dass der Kläger eine entsprechende Üblichkeit und Akzeptanz auch in Bezug auf die hier geschädigte Firma S. vorträgt. Nur dann könnte von einer Einwilligung ausgegangen werden. Der Vortrag des Klägers in diesem Zusammenhang ist aber vage und beschränkt sich auf allgemeine pauschale Ausführungen. Eine Beweisaufnahme zu dieser Problematik erübrigt sich daher.
Darüber hinaus hat es die Kammer nicht überzeugt, dass der Kläger der Auffassung ist, dass die Tatsache, dass er nicht seinen Arbeitgeber sondern einen „unbeteiligten“ Dritten geschädigt hat, der Beklagten den wichtigen Grund nimmt. Denn der betriebliche Zusammenhang zwischen der Beklagten und der Firma S. ist unübersehbar. Wenn auf dem Großmarkt ansässige Firmen befürchten müssen, von einem Mitarbeiter der Beklagten bestohlen zu werden, steht für die Beklagte die gesamte Geschäftsbeziehung zum Großmarkt auf dem Spiel. Damit beinhaltet ein Vermögensdelikt zu Lasten anderer Firmen eine fast noch schwerwiegendere Vermögensgefährdung als die Schädigung des eigenen Arbeitgebers.
Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt schließlich das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsinteresse des Klägers. Zwar ist der Kläger bereits seit nicht unerheblich langer Zeit beschäftigt. Andererseits hat die Beklagte ein erhebliches, jegliches Bestandsinteresse des Klägers überwiegendes, Interesse daran, gegenüber dem Großmarktbetreiber und anderen Firmen, die auf dem Großmarkt ansässig sind, unangreifbar zu sein und ist daher darauf angewiesen, dem Kläger, der bei einem Teil seiner Aufgaben unbeaufsichtigt ist, voll umfänglich zu vertrauen. Die Beklagte hat daher keine andere Möglichkeit, als sich – fristlos – vom Kläger zu trennen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Streitwert ist gemäß § 42 Abs. 4 GKG, § 61 ArbGG auf drei Bruttogehälter des Klägers festgesetzt worden. Die gesonderte Zulassung der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht angezeigt. Der Kläger kann, da es sich um ein Kündigungsschutzverfahren handelt, gegen diese Entscheidung Berufung einlegen. Näheres ergibt sich aus der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung.