BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – III ZR 387/15
Schriftformklausel in Online-Partnervermittlungsvertrag ist unzulässig
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts – 10. Zivilsenat – vom 26. Oktober 2015 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 12 – vom 30. April 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist bundesweit als Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer tätig; er ist ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG qualifizierter Verbraucherschutzverband. Die Beklagte betreibt verschiedene Telemediendienste, darunter eine Partnervermittlung über die Internetseite . Für verschiedene Klauseln, die in den hierfür zugrunde gelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, verlangt der Kläger die Unterlassung der Verwendung. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien bezüglich eines Teils des Rechtsstreits richtet sich der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch gegen die Verwendung der Klausel unter Nummer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dort heißt es:
„Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an E. GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“
Der Kläger hält diese Regelung nach § 309 Nr. 13 BGB für unwirksam, weil sie die Möglichkeiten zur Wahrung der Schriftform bei der Kündigung durch den Kunden unzulässig einschränke und die Vertragsauflösung ersichtlich erschwere. Darin liege auch eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, zumal die Beklagte ihrerseits eine fristlose Kündigung per E-Mail aussprechen könne und sowohl das Zustandekommen als auch die gesamte Durchführung des Vertragsverhältnisses auf rein elektronischem Weg erfolge.
Das Landgericht hat den noch im Streit befindlichen Unterlassungsanspruch bezüglich Nummer 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als begründet angesehen und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten weiter.
Gründe
Die Revision des Klägers ist zulässig und führt in der Sache zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückweisung der gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB nicht vorliege. Eine Schriftformklausel müsse nicht stets die elektronische Form gewähren, § 126 Abs. 3 BGB gelte grundsätzlich nur für gesetzliche Schriftformklauseln und sei im Rahmen gewillkürter Formerfordernisse nur anwendbar, wenn die Parteien keine anderweitige Regelung getroffen haben. Vorliegend sei aber ausdrücklich bestimmt, dass die Kündigung der Mitgliedschaft in elektronischer Form ausgeschlossen sein solle. Dies stelle auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel in § 127 Abs. 2 BGB eine im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässige Schriftformgestaltung dar, so dass sich die Vereinbarung, wonach nur ein Fax, jedoch keine andere elektronische Übermittlung der Kündigung möglich sein solle, im Rahmen der zulässigen Gestaltung der Anforderungen an die rechtsgeschäftlich vereinbarte Form halte. Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB liege im Ergebnis nicht vor. Ein Widerspruch zum Grundgedanken des § 127 Abs. 2 BGB bestehe nicht, weil sich daraus keine Einschränkung der vertraglichen Gestaltungsfreiheit dahin ergebe, dass nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der telekommunikativen Übermittlungsform abgesehen werden könne. Die Klausel sei zudem ausreichend transparent. Sie sei nicht in sich widersprüchlich oder unklar und biete keinen zu Missverständnissen führenden Auslegungsspielraum. Auch wenn das Vertragsverhältnis im Übrigen elektronisch ausgestaltet sei, führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher. Den Kunden sei es zumutbar, für die Kündigung andere Voraussetzungen zu beachten als für das Zustandekommen des Vertrags. Darüber hinaus sei der Beklagten ein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen, durch die Wahl des Schriftformerfordernisses der vorliegenden Art sicherzustellen, dass eine derart wesentliche Willenserklärung dem Kunden eindeutig zugeordnet werden könne.
II.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG bezüglich der von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Klausel in Nummer 7 Absatz 2 zu. Denn diese benachteiligt die Kunden der Beklagten (VIP-und/oder Premiummitglieder) unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.
1. Bei dieser Beurteilung braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die fragliche Klausel, wie die Revision meint, bereits gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 BGB in der noch bis zum 30. September 2016 geltenden Fassung verstößt. (Nach der ab dem 1. Oktober 2016 für von diesem Zeitpunkt an geschlossene Verträge geltenden Fassung [vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 – BGBl. I, S. 233] kann für Erklärungen von Verbrauchern, die, wie die Kündigung, gegenüber dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Dritten abzugeben sind, allenfalls noch die Textform, nicht aber die Schriftform wirksam vorgegeben werden [vgl. auch BT-Drucks. 18/4631, S. 17 f].) Zwar kann davon ausgegangen werden, dass eine Klausel, die den Anforderungen des § 309 Nr. 13 BGB entspricht, im Regelfall auch mit § 307 BGB vereinbar ist (vgl. Münch-KommBGB/Wurmnest, BGB 7. Aufl. § 309 Nr. 13 Rn. 4; Dammann in Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl, § 309 Nr. 13 Rn. 20, 21; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Januar 1989 – VIII ZR 142/88, NJW-RR 1989, 625, 626). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des dem Streitfall zugrunde liegenden Vertrags führt die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 309 Nr. 13 BGB zur Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel.
2. a) Unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Es bedarf dabei einer umfassenden Würdigung der wechselseitigen Interessen, wobei die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründen muss und Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags mit zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886, 887 mwN und vom 19. Dezember 2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818 Rn. 17).
b) Gemessen daran trägt die Beklagte mit Nummer 7 Absatz 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Interessen ihrer Kunden nicht ausreichend Rechnung; die Klausel benachteiligt gerade im Hinblick auf die besondere Art des Zustandekommens und der gesamten Abwicklung des Vertrags die Vertragspartner unangemessen.
Die Beklagte bietet eine reine Online-Partnervermittlung an, bei der eine ausschließlich digitale Kommunikation geführt wird und die ohne sonstige Erklärungen in Schriftform, also auch ohne Unterschrift oder eingeschränkte elektronische Übermittlung zur Begründung des Vertragsverhältnisses, auskommt. Auch die Leistungen der Beklagten werden ausschließlich elektronisch abgerufen. Bei einer derart umfassenden und bis auf die Kündigung durch den Kunden ausnahmslos digitalen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist es allein sachgerecht, für die Beendigungsmöglichkeit dieselben elektronischen Möglichkeiten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrags und seine gesamte Durchführung. Deshalb widerspricht es den schutzwürdigen Interessen des Kunden, der mit der Beklagten ausschließlich eine digitale Kommunikation führt, gerade und nur für seine Kündigung die über die Textform hinausgehende Schriftform (mit eigenhändiger Unterschrift) zu verlangen. Denn der Kunde kann nach der besonderen Ausgestaltung des Vertrags generell davon ausgehen, alle Erklärungen, also auch eine Kündigung, digital, insbesondere auch per E-Mail, abgeben zu können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte selbst vorbehalten hat, ihr Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags durch Erklärung per E-Mail wahrzunehmen (Nummer 8); auch das Widerrufsrecht des Kunden nach Nummer 11 Buchstabe a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann in „Textform (Brief, Fax, E-Mail)“ ausgeübt werden. Dieses Recht gehört aber ebenso wie die Möglichkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zu den wesentlichen Elementen der Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners.
Es ist deshalb kein berechtigtes Interesse der Beklagten dafür zu erkennen, speziell für die Kündigungserklärung durch den Kunden die Schriftform vorzuschreiben, während sie für jedwede andere Vertragserklärung die Textform als ausreichend ansieht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kunden, mit der alle Rechte und Pflichten erlöschen, weitergehende Vorkehrungen erforderlich macht als die Begründung des Vertrags auf dem Weg der elektronischen Übermittlung nur weniger persönlicher Daten. Auf etwaige Identitätsprobleme und einen möglichen Missbrauch digitaler Möglichkeiten kann sich die Beklagte dabei nicht mit Erfolg berufen; auch das von ihr hervorgehobene Interesse, wegen etwa noch offener Forderungen weitere persönliche Daten zu benötigen, oder aber wegen der Ernsthaftigkeit der Kündigungserklärung gesicherte Erkenntnisse zu erlangen, können die geforderte Schriftform hierfür sachlich nicht rechtfertigen. Die Beklagte verfügt bereits zuvor über die für sie maßgeblichen und für ein Zahlungsbegehren relevanten Daten des kündigenden Mitglieds; sie vertraut dabei von Beginn an darauf, dass die sich als Nutzer anmeldenden Personen nur ihre eigenen persönlichen Daten eingeben, nicht aber etwa frei erfundene Daten oder solche dritter Personen. Eine weitere Prüfung der Identität und eine Sicherung gegen Missbrauch erfolgen ersichtlich nicht. Im Übrigen ergibt sich aus Nummer 2 Buchstabe b Abs. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, dass der Kunde seine „Zahlungsdaten“ im Zusammenhang mit kostenpflichtigen Dienstleistungen zu übermitteln hat, so dass die Beklagte über diejenigen Informationen verfügt, die ihr die Einforderung der Gegenleistung ermöglicht. Weitere Daten kann sie mit der für das Kündigungsschreiben vorausgesetzten Schriftform ohnehin nicht erhalten. Dass etwa andere Personen, wie die Beklagte befürchtet, im Schutze der Anonymität des Internets gegen den Willen einer Vertragspartei das Vertragsverhältnis beenden, ist zudem fernliegend. Zwar muss die Beklagte eine Kündigungserklärung eindeutig zuordnen können. Hierfür besteht aber beispielsweise auch die Möglichkeit einer Abklärung durch eine entsprechende Bestätigung. Bei Zweifeln an der Authentizität der Kündigungserklärung bleibt ihr zudem die Möglichkeit gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 BGB, nachträglich eine den Erfordernissen des § 126 BGB entsprechende Beurkundung zu verlangen.
c) Durch die Verwendung der streitigen Klausel werden deshalb die Interessen der Verbraucher einseitig und spürbar beeinträchtigt. Insbesondere begründet die darin enthaltene Forderung nach Abgabe der Kündigungserklärung des Kunden ausschließlich in Schriftform die Gefahr, Verbraucher ungewollt in langfristigen Vertragsbeziehungen mit negativen Kostenfolgen zu halten, weil ihnen die ordnungsgemäße und fristgerechte Kündigung erschwert wird.
3. Ob die fragliche Klausel auch deswegen unwirksam ist, weil sie zusätzlich gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt, bedarf bei dieser Sachlage ebenfalls keiner Entscheidung.
III.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen.