Amtsgericht München, Urteil vom 15.5.12 – 481 C 2412/12 WEG
Die öffentliche Beleidigung
Auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen dürfen keine Schreiben mit beleidigendem Inhalt öffentlich zugänglich gemacht werden.
Zwischen zwei Eigentümern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft in München kam es schon länger zu Streitigkeiten. Eine Eigentümerin beschwerte sich darüber, dass von einer anderen Partei im Hause ständig Lärmbelästigungen ausgingen.
Ende November 2011 eskalierte der Streit. Die Eigentümerin, die sich belästigt fühlte, befestigte an der Außenseite der Wohnungseingangstüre der anderen mit Tesafilm ein handgeschriebenes Schriftstück, das mit den Worten begann: “ihr unverschämtes, egoistisches Herumschlagen in den frühen Morgenstunden ..” Jeder, der vorbeikam, konnte das Schreiben lesen.
Die so Beschimpfte verlangte von der anderen Wohnungseigentümerin, dass diese zusichere, kein Schreiben mehr hinzuhängen oder sonst irgendwo in dem Anwesen öffentlich bekannt zu machen. Das Schreiben sei sehr verletzend und beleidigend.
Sie habe nur die Wahrheit gesagt, so die andere, beleidigend sei dies nicht.
Es kam zur Klage vor dem Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab der Beschimpften Recht und verurteilte die Gegenseite zur Unterlassung. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro, ersatzweise 6 Monate Ordnungshaft angedroht.
Die Beklagte habe keinen Anspruch darauf, Schreiben mit beleidigendem Inhalt gegen die Klägerin öffentlich zugänglich zu machen. Sie könne sich auch dann nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn die zugrunde liegenden Vorwürfe zutreffen sollten. Es könne daher dahinstehen, ob die Vorwürfe berechtigt seien. Die Beklagte können zur Durchsetzung ihrer Rechte andere Wege beschreiten, zum Beispiel den einer Klage gegen die Lärmbelästigungen. Sie hätte auch ein verschlossenes Schreiben schicken können oder ihr Anliegen im Rahmen einer Eigentümerversammlung vortragen können.
Das Schreiben sei beleidigend und habe einen verletzenden Inhalt. Zunächst sei von “unverschämten egoistischem Herumschlagen” der Gegenseite die Rede, ebenso auch davon, dass die Klägerin den Hausfrieden “durch ihre sechsmonatige Renovierungsarbeiten sowie auch noch danach durch viele Vorfälle bis aufs äußerste beeinträchtigt” habe. Diese Äußerungen seien wertend und geeignet, die Klägerin zu diffamieren. Das Anheften eines für jeden Passanten sicht- und lesbaren Zettels diene allein dem Zweck, die Gegenseite in Misskredit zu bringen. Eine Rechtfertigung sei hierfür nicht ersichtlich.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle. Pressemitteilung 37/13 des AG München vom 26. August 2013