Reparaturrechnung ist nach AKB alleiniges Beweismittel einer vollständigen und fachgerechten Reparatur

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16.09.2013 – 8 O 6658/12

Eine Reparaturrechnung ist nach A.2.7.1 Buchst. a AKB 2008 das alleine zugelassene Beweismittel zum Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.712,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.04.2011 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 33% und die Beklagte 67% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand
1

Der Kläger macht als Versicherungsnehmer Ansprüche aus einem Kaskoversicherungsvertrag geltend.

2

Der Kläger hielt am 21.05.2010 bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung für sein Fahrzeug Renault Laguna (amtl. Kennzeichen …). Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB 2008 zugrunde. Am 02.06.2010 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Schadensfall. Leistungen hat die Beklagte hierauf nicht erbracht.

3

Der Kläger behauptet, am 21.05.2010 nachts in Rednitzhembach gegenüber der Kraftfahrtstraßenausfahrt E 2 (Ausfahrt Rednitzhembach) auf einem Feld-/Waldweg fahrend aus Unachtsamkeit von diesem abgekommen und mit der linken Fahrzeugseite gegen die dort angebrachte Leitplanke und über diese überstehende Äste gestoßen zu sein. Er sei mit dem linken Vorderrad gegen einen metallenen Stützpfeiler der Leitplanke gestoßen, wodurch das Fahrzeug schlagartig zum Stehen gekommen sei. Der Kläger, der unstreitig Inhaber einer Kfz-Werkstatt ist, habe den Wagen selbst repariert; der Kläger erstellte hierüber unstreitig eine Rechnung an sich selbst in Höhe von 5.508,83 EUR.

4

Der Kläger trug prozessual zunächst vor, dass sämtliche geltend gemachten Schäden an der linken Fahrzeugseite durch den Anprall an die Äste und Leitplanke entstanden seien. Nach Durchführung der Beweisaufnahme im Verhandlungstermin vom 11.03.2013 trug der Kläger binnen nachgelassener Schriftsatzfrist vor, dass die vom Sachverständigen als nicht unfallkompatibel bewerteten Schäden am hinteren Radkasten und die wellenartigen Kratzer an der linken Fahrzeugseite jedenfalls vor dem Unfallgeschehen nicht vorhanden gewesen seien. Diese seien erst bei Bergung des Fahrzeuges am nächsten Tag, nachdem das Fahrzeug nachts als fahruntüchtig am rechten Wegrand abgestellt worden war, vorhanden gewesen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass in der Zwischenzeit der Schaden durch Vandalismus verursacht worden sei. Da im Rahmen des Versicherungsvertrages auch Vandalismusschäden versichert seien, sei die Beklagte jedenfalls auch aus diesem Gesichtspunkt einstandspflichtig. Der Vandalismusschaden trage von der Klagesumme einen Anteil von 1.496,01 EUR.

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Der Kläger beantragt:
6

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.508,83 € nebst hieraus 5% über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2011 zu bezahlen.

7

Die Beklagte beantragt:
8

Die Klage wird abgewiesen.

9

Die Beklagte bestreitet, dass sich der Schaden wie vom Kläger vorgetragen ereignet habe. Die zunächst auch als Unfallschäden geltend gemachten Kratzer und der Knick am linken hinteren Radkasten könnten nicht durch den Anprall an der Leitplanke entstanden sein. Dies gelte in gleicher Weise für den Schaden an der linken vorderen Felge. Zudem habe der durch die Beklagte beauftragte Privatgutachter B, der vorprozessual die Unfallstelle besichtigt habe, die Unfallstelle nicht wie vom Kläger beschrieben vorfinden können. Bei der Besichtigung des Wagens durch den Privatgutachter B habe eine starke Rauchentwicklung außerdem auf einen Motorschaden hingedeutet. Gegenüber dem Gutachter B habe der Kläger auch diesen Motorschaden geltend gemacht. Desweiteren seien Schäden am Unterbodenschutz und am Kondensator festgestellt worden, die nicht mit dem geschilderten Geschehensablauf in Übereinstimmung zu bringen seien. Darüber hinaus sei in der Klagesumme die vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 EUR nicht berücksichtigt.

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Es wurde Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin M sowie durch Erholung eines mündlichen kfz-technischen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2013 (Gerichtsakte Seite 36 ff.), im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen

Entscheidungsgründe

A.

11

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

12

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen des Versicherungsfalls “Unfall” aus dem Versicherungsvertrag Anspruch auf Zahlung von 3.712,82 € (§ 1 S. 1 VVG, AKB A.2.3.2 i.V.m. A.2.7.1 Buchst. a)).

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1. Der Kläger hat den Versicherungsfall “Unfall” bewiesen.

14

a) Versichert sind nach AKB A.2.3.2 Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt danach ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass das Fahrzeug des Klägers wie von diesem behauptet durch den Anprall an die Leitplanke – zweifelsohne ein plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis – beschädigt wurde.

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b) Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die vom Kläger behauptete Kollision mit der Leitplanke tatsächlich stattgefunden hat.

16

Der Gerichtssachverständige konnte die vom Kläger behauptete Unfallstelle lokalisieren. Anders als der Zeugen B, der vorgerichtlich für die Beklagte die Unfallstelle auf dem Waldweg nicht finden konnte, vermochte der Sachverständige die Stelle an der Leitplanke festzustellen, an der sich noch Spuren vom drehenden Rad des versicherten Fahrzeugs befanden; ebenso konnte er den gestauchten Stützträger der Leitplanke lokalisieren, an dem sich noch Teile des linken Vorderreifens befanden. Dass die dortigen Schäden mit den Schäden am versicherten Fahrzeug in dessen linken vorderen Bereich mit einer Kollision korrespondieren, hat der Gerichtssachverständige u.a. durch Gegenüberstellen von Leitplanke und Fahrzeug demonstriert. Auch der Zeuge B hat auf entsprechenden Vorhalt eingeräumt, dass die Schäden an der Leitplanke “schlüssig erscheinen”. Schließlich hat auch die Zeugin M als Beifahrerin des Klägers dessen Unfallschilderung bestätigt (genauer dazu unter A. I. 2. b).

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2. Der Beklagten ist der ihr obliegende Beweis dafür, dass der Unfall kein unfreiwilliges Ereignis war (§ 81 Abs. 1 VVG), nicht gelungen.

18

a) Nach § 81 Abs. 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt. Ist bei einer Fahrzeugvollversicherung streitig, ob der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug durch Auffahren auf ein Hindernis vorsätzlich beschädigt hat, so trifft den Versicherer die Beweislast (BGH VersR 1981, 450).

19

b) Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen.

20

Der wesentliche, zunächst von der Beklagten erhobene Einwand, dass sich an der Leitplanke überhaupt keine kompatiblen Beschädigungen für das vom Kläger behauptete Unfallereignis feststellen ließen, ist durch den Gerichtssachverständigen entkräftet worden (s.o.).

21

Indiz für ein absichtliches Ereignis sind allerdings Ort und Zeit des Unfalls, nachts auf einem abgeschiedenen Waldweg. Diese Umstände wurden aber durch die Zeugin M – “zwischen den Zeilen” – damit erklärt, dass man in der Anfangszeit der damals gemeinsamen Beziehung mit dem Kläger auf dem Weg nach Hause noch etwas Ruhe gesucht habe. Zu dem Unfall sei es ihrer Ansicht nach deshalb gekommen, weil sie den Kläger am Steuer abgelenkt habe.

22

Die Zeugin hat ihre Aussage ohne erkennbare Tendenz zugunsten des Klägers gemacht. Sie hat als damalige Freundin des Klägers auch kein relevantes Interesse an einer für den Kläger günstigen Aussage. Ihre Aussage war schlüssig und detailreich, wie etwa der Hinweis auf ihre auf dem Fußweg nach Hause ruinierten Stöckelschuhe belegt. Auf der Grundlage der Aussage der Zeugin liegt deshalb ein manipuliertes Ereignis eher fern.

23

Damit verbleiben als Indizien zum einen die Tatsache, dass der Kläger als Inhaber einer Werkstatt selbst in der Lage war, den Schaden wohl günstiger als ein sonstiger Versicherungsnehmer zu reparieren, da er – neben den Ersatzteilen – “nur” seine eigene Arbeitszeit aufbringen, aber hierfür keine finanziellen Mittel bereitstellen musste. Zum anderen ist davon auszugehen, dass der Kläger versucht hat bzw. weiterhin versucht, nicht aus dem Anprall an die Leitplanke herrührende, auch sonst nicht versicherte Schäden abzurechnen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind nicht sämtliche zunächst vom Kläger auf den Unfall zurückgeführten Schäden am Fahrzeug tatsächlich der Kollision mit Leitplanke und überstehenden Ästen zuzuordnen. Der Sachverständige hat ohne weiteres einleuchtend dargelegt, dass die wellenförmigen Kratzer an beiden Türen und dem linken Seitenteil sowie dessen senkrechte Verformung nicht durch den Unfall entstanden sein können. Dem ist der Kläger im weiteren auch nicht mehr entgegengetreten, wie der Umstand zeigt, dass er diese Schäden nun auf eine mut- oder böswillige Handlung Dritter stützen will.

24

In der gebotenen Gesamtschau der Indizien für ein manipuliertes Unfallereignis sind damit durchaus Umstände von nicht unerheblichem Gewicht festzustellen, die für eine Manipulation des Unfalls sprechen. Die Umstände, dass der Kläger versucht unfallfremde Schäden abzurechnen und ihm dies als Werkstattbesitzer möglicherweise finanziell entgegenkommt, lassen berechtigte Zweifel am vollen Wahrheitsgehalt seiner Unfallschilderung aufkommen. Diese vermögen vor dem Hintergrund der Aussage der Zeugin M aber kein solches Gewicht zu erlangen, dass die volle Überzeugung von einer absichtlichen Herbeiführung des Unfalls gewonnen werden kann (§ 286 ZPO).

25

c) Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 Abs. 2 VVG) durch den Kläger hat die Beklagte nicht behauptet und hierzu auch nichts vorgetragen.

26

3. Der Kläger hat Anspruch auf Versicherungsleistungen in Höhe von 3.712,82 €.

27

a) Nach AKB A.2.7.1 Buchst. a) werden im – hier gegebenen – Fall der Beschädigung des versicherten Fahrzeugs, bei dessen vollständiger und fachgerechter Reparatur die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6 erstattet, wenn dies durch eine Rechnung nachgewiesen wird.

28

Die Beklagte hat die Durchführung der Reparatur bestritten, hat aber nicht behauptet, dass diese nicht fachgerecht erfolgt sei. Ersteres ist nach AKB A.2.7.1 Buchst. a) vom Versicherungsnehmer durch eine Rechnung nachzuweisen. Eine solche hat der Kläger mit der (Eigen-)Rechnung vom 17.02.2011 aber vorgelegt. Die Reparaturrechnung ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen das alleine zugelassene Beweismittel (Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.7 Rn. 9; a.A. ohne Begründung Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 3. Aufl. AKB A.2 Rn. 123) zum Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur. Dies wird durch den nachfolgenden Satz (“Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir …”; Hervorhebung durch das Gericht) verdeutlicht. Diese Regelung berücksichtigt das Interesse des Versicherers an einem einfachen und schnellen Nachweis der Durchführung der Reparatur ohne gleichzeitig den Versicherungsnehmer unzumutbar einzuschränken. Dem Versicherungsnehmer wird dadurch auch nicht die Möglichkeit einer fachgerechten Eigenreparatur abgeschnitten (mit solchen Bedenken aber Burmann in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 10 Rn. 310), da er die Möglichkeit hat, einen “Eigenbeleg” zu erstellen. Diese Möglichkeit schließen die Versicherungsbedingungen nicht aus.

29

Es hätte deshalb dann der Beklagten oblegen, den von ihr – zumindest unterschwellig – erhobenen Einwand einer Fälschung der Rechnung zu beweisen. Substantiierter Vortrag und Beweisantritt ist hierzu aber nicht erfolgt.

30

b) Vorschäden des Fahrzeugs gehören nicht zu den erforderlichen Reparaturkosten i.S.d. Versicherungsbedingungen (LG Saarbrücken VersR 2012, 98; Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.7 Rn. 7). Dies gilt auch für sonstige Schäden am Fahrzeug, die nicht auf ein anderweitig versichertes Ereignis zurückzuführen sind. Solche Schäden liegen mit den wellenförmigen Kratzern an beiden Türen und dem linken Seitenteil sowie dessen senkrechter Verformung vor. Diese sind auch nicht durch einen Versicherungsfall “mut- oder böswillige Handlung Dritter” entstanden (dazu sogleich unter A. II.).

31

c) Der Einwand der Beklagten, der Kläger müsse den Nachweis erbringen, dass es ausgeschlossen ist, dass die kompatiblen Schäden auch von einem anderen Schadensereignis herrühren können, greift nicht durch.

32

Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten erkennbar in Bezug genommene Rechtsprechung aus dem Haftungsrecht (z.B. OLG Köln r+s 2013, 305 m.w.N.) auf Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag überhaupt uneingeschränkt übertragen werden kann (so wohl z.B. LG Saarbrücken VersR 2012, 98; AG Düsseldorf Schaden-Praxis 2012, 334). Tatsächlich geht es hier nämlich zum einen nicht um ein Schadensereignis mit “verschiedenen” Schadensfolgen, sondern um – vom Kläger behauptete – zwei verschiedene Schadensereignisse (Versicherungsfälle): Unfall und Vandalismus. Zum anderen steht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen die Zuordnung der Schäden zum Unfall einerseits und zu einem – wie auch immer gearteten – anderen Schadensereignis andererseits fest. Die beiden Schadensbilder sind deshalb unproblematisch voneinander abzugrenzen (ähnlich OLG Koblenz r+s 2010, 234; LG Saarbrücken VersR 2012, 98: “Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs”). Die ermöglicht und rechtfertigt eine gesonderte Ermittlung der auf den Versicherungsfall Unfall entfallenen Reparaturkosten. Weitere vom Kläger prozessual eingeräumte Vorschäden am Unterbodenschutz, Motor (Luftladeschlauch), Rücklichtscheibe und Kondensator werden vom ihm nicht geltend gemacht und sind in der Reparaturrechnung auch nicht ausgewiesen.

33

d) Den konkret auf die nicht kompatiblen Schäden entfallenen Reparaturkosten hat der Kläger – von der Beklagten bestritten – mit 1.496,01 € beziffert.

34

Die im Übrigen durch die Beklagte nicht beanstandete Reparaturkostenrechnung des Klägers bildet in Verbindung mit der Berechnung des Klägers eine ausreichende Schätzgrundlage (§ 287 ZPO, vgl. LG Saarbrücken VersR 2012, 98), um die Reparaturkosten für die beiden Türen und das linke Seitenteil auszugrenzen. Die Berechnung des Klägers im Schriftsatz des Klägervertreters vom 02.04.2013 (Gerichtsakte S. 50) weicht hinsichtlich der Lackierkosten etwas nach oben von den anzusetzenden Beträgen aus der Reparaturkostenrechnung vom 17.02.2011 ab; demgegenüber ist der Arbeitslohn für das Instandsetzen der Seitenwand geringfügig zu niedrig angesetzt. Die beiden Abweichungen heben sich betragsmäßig annähernd auf, so dass letztlich der vom Kläger angesetzte Betrag von 1.496,01 € als erforderlich geschätzt werden kann.

35

Der Kläger muss sich gegen den sich dann errechnenden Anspruch in Höhe von 4.012,82 € (5.508,83 € – 1.496,01 €) jedoch die unstreitig vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 300,00 € anrechnen lassen (AKB A.2.12). Damit besteht ein Anspruch in Höhe von 3.712,82 €.

36

e) Dass der Kläger den Schaden in seiner eigenen Werkstatt instand setzen ließ, steht seinem Anspruch nicht entgegen (Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.7 Rn. 6; vgl. LG München I VersR 1981, 183).

37

Der Sachverständige hat von den Parteien nicht weiter angegriffen ausgeführt (Gerichtsakte S. 43), dass die in der Rechnung des Klägers vom 17.02.2011 aufgeführten Arbeiten und Ersatzteile für die Beseitigung der Fahrzeugschäden erforderlich waren (Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.7 Rn. 6). Die Angemessenheit der mit der Rechnung des Klägers geltend gemachten Preise hat die Beklagte nicht bestritten. Ihr Bestreiten bezog sich vielmehr auf die Durchführung der Reparatur an sich, der “Anfall” der Reparaturkosten und deren Bezahlung durch den Kläger (Gerichtsakte S. 16). Letzteres ist nach den AKB aber zum einen nicht Leistungsvoraussetzung, sondern nur die Erforderlichkeit der Kosten. Zum anderen leuchtet ein, dass dem Kläger im Falle der Eigenreparatur im Rahmen seines Reparaturbetriebes durch den Einsatz eigener Arbeitskraft und den Kauf von Ersatzteilen entsprechende Aufwendungen entstanden sind.

38

II. Ein weitergehender Anspruch des Klägers nach § 1 S. 1 VVG, AKB A.2.3.3 i.V.m. A.2.7.1 Buchst. a) wegen eines weiteren Versicherungsfalls “mut- oder böswillige Handlungen” besteht hingegen nicht.

39

1. Dem Versicherungsnehmer ist es grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf das Vorliegen zweier Versicherungsfälle zu berufen (vgl. BGH r+s 2009, 233). Versichert sind nach AKB A.2.3.3 auch mut- oder böswillige Handlungen von Personen, die in keiner Weise berechtigt sind, das Fahrzeug zu gebrauchen. Die Beweislast für das Vorliegen einer mut- oder böswilligen Beschädigung nach AKB A.2.3.3 obliegt dem Versicherungsnehmer (Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.3 Rn. 83).

40

2. Ungeachtet dessen ist das Gericht überzeugt davon, dass der Kläger die wellenförmigen Kratzer an der linken Seite des versicherten Fahrzeugs vorsätzlich selbst herbeigeführt hat (§ 81 Abs. 1 VVG) bzw. – was dasselbe Ergebnis nach sich zieht –, dass der Urheber der Kratzer nicht betriebsfremd war, was ebenfalls zur Beweislast des beklagten Versicherers steht (BGH VersR 1997, 1095).

41

Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass der Kläger erstmals nach der Beweisaufnahme die “Variante” Vandalismus behauptet hat, obwohl aufgrund der Gesamtumstände nur davon ausgegangen werden kann, dass er wusste, dass die seitlichen Schäden nicht von dem Unfall herrühren konnten.

42

Der Kläger ist von Berufs wegen regelmäßig mit der Behebung von Unfallschäden befasst, er ist “vom Fach”. Ein Auge, das Fahrzeugbeschädigungen kennt, wird – ebenso wie ein in Verkehrsunfallsachen erfahrener Richter – erkennen, dass die wellenförmigen, tiefen und “wild” verteilten Kratzer kaum durch derart zarte (bewegliche und nachgiebige) Äste und Buschwerk entstanden sein können, wie sie ansatzweise auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar sind (Baumstämme ausgenommen). Der Vortrag des Klägers, dass die wellenförmigen Kratzer durch Äste entstanden sein soll, ist zudem durch die Aussage des Zeugen B widerlegt. Dieser hat angegeben, dass im gesamten Bereich des Waldweges keine Äste oder Zweige waren, die für eine Schadensverursachung in Frage hätten kommen können.

43

Das Gericht hält den Zeugen uneingeschränkt für glaubwürdig, auch wenn dieser vorgerichtlich durch die Beklagte beauftragt worden war. Grund hierfür ist, dass der Zeuge seine Aussage mit äußerster Vorsicht und nach sorgfältigem Abwägen machte. So räumte er insbesondere die Möglichkeit ein, die Unfallstelle übersehen zu haben. Im Weiteren gestand er dieses Übersehen sogar ein, indem er die vom Gerichtssachverständigen an der Leitplanke dokumentierten Schäden als schlüssig bezeichnete.

44

Hinzu kommt schließlich, dass der Kläger gegenüber dem Zeugen B zunächst auch den beim Anlassen rauchenden Auspuff – ungeachtet seiner Ursache – als unfallbedingt im Raum stehen ließ, obwohl dieser Schaden nach seinem prozessualen Vortrag bereits vor dem Unfall vorhanden war.

45

Auch aufgrund des Unfallablaufs muss der Kläger davon ausgegangen sein, dass Schäden an der linken Fahrzeugseite, die sich ausweislich der vorliegenden Fotos bis in den Bereich des hinteren Stoßfängers zogen, nicht durch den Anprall vorne links an die Leitplanke entstanden sein konnten. Nach der vom Gerichtssachverständigen zur Unfalldynamik vorgelegten Skizze (Gerichtsakte S. 47) kam es zu keinem Zeitpunkt zu einer seitlichen Berührung mit der Leitplanke; in der Endposition war das Fahrzeug sogar noch weiter mit der Seite von der Leitplanke weggestoßen worden.

46

In der Gesamtschau ist deshalb die Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger die Situation des – anzunehmend unfreiwilligen – Unfalls ausnützen wollte, um durch eine Eigenreparatur aus der Schadensregulierung noch mehr “herauszuholen”.

47

3. Hinsichtlich des Schadens am Seitenteil kann die Überzeugung einer anspruchsschädlichen Beteiligung des Klägers an deren Entstehung hingegen nicht gewonnen werden. Dieser Schaden kann seiner Ausprägung nach ohne weiteres auch durch einen (anderen) Unfall entstanden sein. Beweiserleichterungen dahingehend, dass bereits das äußere Bild mutwilliger Zerstörung genügen würde, kommen dem Kläger als Versicherungsnehmer insoweit nicht zugute. Im Fall der Beschädigung kann das versicherte Objekt zur Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, nämlich grundsätzlich besichtigt werden (BGH VersR 1997, 1095). Dahingehenden Beweis hat der Kläger jedoch nicht angeboten. Der Zeuge H ist nur zum Beweis von Umständen benannt, die allenfalls zum Nachweis des äußeren Bildes mutwilliger Zerstörung genügen würden: Abstellen des Fahrzeugs im unbeschädigten Zustand, Abholen im beschädigten Zustand. Diese können hingegen als wahr unterstellt werden, da sie angesichts des nicht erfassten Zeitfensters dazwischen zum Nachweis der Mutwilligkeit der Schadensverursachung nicht genügen würden.

48

Zwar wäre hinsichtlich des Schadens am Seitenteil auch eine “Wahlfeststellung” zwischen den Versicherungsfällen Unfall und Vandalismus möglich. Jedoch wird vom Kläger ein Unfallereignis als Ursache für den Schaden am Seitenteil nicht behauptet, sondern vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen. Damit kann für diesen Schaden weder ein Unfallereignis noch eine mutwillige Zerstörung als bewiesen angesehen werden. Ein Leistungsanspruch besteht deshalb auch insoweit nicht.

49

III. Der im Tatsächlichen unstreitige Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

B.

50

Die Kostentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 ZPO.

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