Prozesskostenhilfe kommt auch im selbständigen Beweisverfahren in Betracht

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 13.02.2002 – 8 W 12/02

1) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch im selbständigen Beweisverfahren in Betracht.

2) Dabei ist nur zu prüfen, ob dem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens voraussichtlich stattzugeben ist und ob der Antrag nicht mutwillig erscheint.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 9.1.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.

Gründe:

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde „Beschwerde“ der Antragsteller gegen den Beschluß des Landgerichts Osnabrück vom 9.1.2002 ist nach § 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO i.V.m. mit § 569 Abs. 1 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 10 ZPO ab dem 1.2.2002 geltend Fassung zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht. Denn die objektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe sind gegeben und dem Landgericht wird entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 10 ZPO ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung die Prüfung übertragen, ob die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gegeben sind.

1) Der Senat vermag der Auffassung des Landgerichts nicht zu folgen, daß der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im vorliegenden Fall unzulässig ist.

Dabei folgt der Senat der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinung (vgl. Zöller – Herget, ZPO, 22. Aufl., Rz. 5 zu § 490 ZPO m.w.N.), daß die Gewährung von Prozeßkostenhilfe grundsätzlich nicht in dem hier vorliegenden selbständigen Beweisverfahren ausgeschlossen ist. Denn die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist nach allgemeiner Meinung nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt, sondern kommt auch in den besonderen Verfahrensarten wie dem Mahnverfahren, dem Arrestverfahren, dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder Anordnung in Betracht. Dies muß auch für das selbständige Beweisverfahren gelten. Mit der Bezeichnung „Prozeßkostenhilfe“ wollte der Gesetzgeber im übrigen nicht deren Bewilligung in solchen Verfahren ausschließen, in denen es sich nicht um Prozesse im engeren Sinne handelt (vgl. OLG Köln Rpfleger 1995, 303 f.).

Hinsichtlich der Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO ist dabei nach herrschender Meinung( vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Koblenz OLGR 2001, 214; LG Saarbrücken BauR 1985, 607 f.; LG Köln NJW – RR 1987, 319 f; LG Lüneburg Nds.Rpfl. 2001, 156 f.; Stein Jonas Münzberg, ZPO, 20. Aufl., Rz. 7 vor § 485 ZPO; MüKo – Schreiber, 2. Aufl., Rz. 20 zu § 485 ZPO Baumbach -Lauterbach -Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Rz. 38 zu § 114 ZPO; Werner/Pastor, Der Bauprozeß 9. Aufl., Rz. 140 ), der sich der Senat anschließt, allein auf diejenige des Antrages auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens abzustellen, nicht dagegen darauf, ob eine später zu erhebende Klage Erfolg verspricht.

Dagegen hält es der Senat nicht für erforderlich, daß darüber hinaus Gründe dargelegt werden müssen, welcher einer gleichzeitigen und erfolgversprechenden Klage noch entgegenstehen. Soweit das Landgericht diese Auffassung in dem angefochtenen Beschluß und in dem Nichtabhilfebeschluß unter Hinweis auf die Kommentarliteratur (vgl. Zöller – Herget, a.a.O.) vertritt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn einmal will die Prozesskostenhilfe die Chancen und

Waffengleichheit der an einem Streitverhältnis beteiligten Parteien gewährleisten. Es wäre mit diesem Grundsatz nicht vereinbar, wenn man der bedürftigen Partei bei der Begründung des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mehr abverlangen würde, als derjenigen Partei, die der Prozesskostenhilfe nicht bedarf (vgl. LG Köln a.a.O.). Zum anderen soll die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO gerade auch dem Zweck dienen, einen künftigen Rechtsstreit zu vermeiden. Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zielt daher nicht ausschließlich auf die Durchführung eines streitigen Verfahrens, so daß es für die Erfolgssaussichten eines selbständigen Beweisverfahrens auf die Darlegung der Gründe, die einer gleichzeitigen und erfolgversprechenden Klage noch entgegenstehen, nicht ankommen kann (vgl. LG Dortmund NJW – RR 2000, 516).

Im Rahmen des Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahrens für ein selbständiges Beweisverfahren ist allerdings auch zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Denn die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kann nach § 114 ZPO auch bei Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung verweigert werden. Dies setzt aber voraus, daß eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Vor diesem Hintergrund wäre die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens dann mutwillig, wenn abzusehen ist, daß das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit weder einer gütlichen Einigung dienen noch in einem Rechtsstreit Nutzen bringen wird (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).

2) Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze liegen im vorliegenden Fall die objektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO vor. Denn die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.

Die Antragsteller begehren i.S. von § 458 Abs. 2 die Feststellung verschiedener von ihnen behaupteter Baumängel des von ihnen gekauften Hauses, der Ursache dieser Mängel sowie des Aufwandes für die Beseitigung der Mängel. Sie haben den diesbezüglichen Tatsachenvortrag durch eine eigene eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.

Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, daß i.S. von § 458 Abs. 2 ZPO ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung besteht. Denn bei der gebotenen weiten Auslegung dieses Begriffes ist ein rechtliches Interesse dann zu bejahen, wenn die durch den Sachverständigen zu treffende Tatsachenfeststellung die Grundlage eines beliebigen sachlich – rechtlichen Anspruchs des Antragstellers bilden kann (vgl. Zöller – Herget, a.a.O., Rz. 7a zu § 485 ZPO m.V.). So liegt der Fall hier. Denn die Antragsgegnerin hat nach § 4 des von den Antragstellern vorgelegten Grundstückskaufvertrages Gewährleistung für sämtliche Mängel am Bauwerk nach den gesetzlichen Bestimmungen des Werkvertragsrechts des BGB zu leisten, wobei die Antragsteller zunächst wegen aller bei der Abnahme festgestellten und später auftretenden Mängel einen Anspruch auf Nachbesserung haben. Die Antragsteller haben insoweit glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin trotz Fristsetzung den behaupteten Nachbesserungsanspruch nicht erfüllt hat.

Unter diesen Umständen erscheint die Rechtsverfolgung der Antragsteller auch nicht mutwillig. Denn es ist nicht abzusehen, daß das Ergebnis der beantragten Tatsachenfeststellung mit hoher Wahrscheinlichkeit weder einer gütlichen Einigung dienen noch in einem Rechtsstreit Nutzen bringen wird.

3) Das Landgericht hat bisher die Frage, ob auf Seiten der Antragsteller die persönliche und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das selbständige Beweisverfahren vorliegen, offen lassen können. Es wird nunmehr zu prüfen haben, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe vorliegen. Dazu hat der Senat die Sache gemäß § 572 Abs. 3 ZPO n. F. an das Landgericht zurückverwiesen.

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