LG Hamburg, Urteil vom 14.10.2016 – 322 O 615/15
Keine Haftung des Rechtsanwalts für verspätete Klageerhebung, wenn diese auf unzutreffende Angaben seines Mandanten beruht
Tenor
1. Die Klage wird als unzulässig verworfen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche geltend. Sie trägt zu deren Begründung vor, dass sie fehlerhaft anwaltlich beraten und vertreten worden sei. Als Folge davon habe sie per 30.06.2012 ihren Arbeitsplatz verloren.
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Die Klägerin war bei der P. u. W. H. GmbH als Servicekraft beschäftigt; sie ist mit der Versorgung mit Speisen befasst gewesen. Seit dem 27.11.2009 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eingliederungsmaßnahmen hatten zu keinem Erfolg geführt. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das seit dem 01.07.1995 bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.12.2011. Eine Zustimmung des Betriebsrates lag nicht vor. Zur Begründung wurde von der Arbeitgeberin ausgeführt, dass bei der Klägerin krankheitsbedingte Fehlzeiten aufgetreten seien und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zeitlich nicht absehbar sei. Bei der Fa. P. u. W. H. GmbH waren damals ca. 1.600 Mitarbeiter beschäftigt.
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Die Klägerin suchte wegen dieser Kündigung anwaltlichen Rat; sie wurde im Zusammenhang damit jeweils von ihrem Ehemann H. B. vertreten, der sich an den hier verklagten Rechtsanwalt wandte. Sie beauftragte diesen, Kündigungsschutzklage zu erheben; die Mandatserteilung durch den Ehemann der Klägerin erfolgte Anfang Januar 2012. Dieser legte dem Beklagten das Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin der Klägerin vor.
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Der Beklagte holte daraufhin mit Schreiben vom 05.01.2012 eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung der Klägerin ein und erhielt sie am 09.01.2012. Er nahm dies zum Anlass, mit Schriftsatz vom 13.01.2012 per FAX vom genannten Tage Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Für die Erhebung einer solchen Klage besteht eine Ausschlussfrist von drei Wochen.
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In dem arbeitsgerichtlichen Verfahren stritten die dortigen Parteien in erster Linie darüber, ob die Kündigung rechtzeitig innerhalb der dafür geregelten Ausschlussfrist von drei Wochen eingereicht worden sei. Die Arbeitgeberin behauptete, dass die Kündigung bereits am 22.12. 2011 um 10.52 Uhr durch einen Boten zugestellt worden sei.
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Vor dem Arbeitsgericht kam es im Gütetermin vom 18.04.2012 zu einem Vergleich, durch welchen sich die Arbeitgeberin verpflichtete, zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis 5.000,00 € an die Klägerin zu zahlen.
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Von dem am 18.04.2012 geschlossenen Vergleich trat die Klägerin zurück, woraufhin es zu zwei weiteren Terminen mit Beweisaufnahmen kam, im Zuge derer die Arbeitgeberin der Klägerin nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts den Beweis erbrachte, dass eine Zustellung bereits am 22.12.2011 erfolgt ist. Daraus ergab sich, dass die dreiwöchige Klagfrist bei Einreichung der Klage am 13.1.2012 bereits abgelaufen war. Trotz dieses Umstandes war die damalige Beklagte bereit, sich in dem letzten Termin vor der erstinstanzlichen Entscheidung – auch nach der Beweisaufnahme – auf Basis des ursprünglichen Vergleichs zu verständigen. Dazu kam es jedoch nicht, da der die Klägerin vertretende Ehemann dem Vorschlag nicht zustimmte.
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Daraufhin wies das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 24.10.2012 (Anlage K 10) ab. Die dagegen eingelegte, am 21.12.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, für die der Beklagte aufgrund seines Schreibens vom 16.11.2012 (Anl. K 11) Deckungszusage erreichen konnte, verwarf das Landearbeitsgericht mit Beschluss vom 18.1.2013 (Anl. K 13) als unzulässig, da die Berufung verspätet eingelegt worden sei. Das Urteil des Arbeitsgerichts war am 10.11.2012 zugestellt worden. Es entstanden Kosten für die Berufung in Höhe von € 682,70, die von der Rechtsschutzversicherung der Klägerin gezahlt wurden.
9
Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter anwaltlicher Vertretung im Zusammenhang mit der von der P. u. W. H. GmbH ausgesprochenen Kündigung sind Gegenstand eines vor dem Landgericht Hamburg zum Aktenzeichen 316 O 328/13 (jetzt 5 U 128/15) anhängigen Vorprozesses. Im Rahmen dieses Rechtsstreits hat die Klägerin geltend gemacht, es sei fehlerhaft gewesen, dass der Beklagte ihr nicht dazu geraten habe, es bei dem vor dem Arbeitsgericht Hamburg protokollierten Vergleich zu belassen. Darauf gestützt hat sie in diesem Prozess die entgangene Vergleichssumme (5.000,00 €) und die Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht geltend gemacht. Diese Klage ist vom Landgericht Hamburg abgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Beklagte seiner Verpflichtung, über das Für und Wider des Abschlusses des Vergleichs zu beraten, in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Es heißt in dem Urteil, die Kammer sei im Ergebnis nicht davon überzeugt, dass der (dortige und hiesige) Beklagte dem Ehemann der Klägerin gegenüber auch nur ansatzweise mitgeteilt hat, dass noch Chancen bestünden, diesen Prozess zu gewinnen. Im Urteil ist weiter ausgeführt worden, die Frage der Versäumung der Klagfrist sei im Rahmen der zu treffenden Entscheidung nicht von Bedeutung, da eine dahingehende Pflichtverletzung nicht Gegenstand des Verfahrens sei.
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Die Klägerin meint, die Kündigungsschutzklage sei aufgrund eines dem Beklagten anzulastenden Verhaltens verspätet – nach Ablauf der dafür geregelten Frist von drei Wochen – eingelegt worden. Es komme nicht darauf an, was sie dem Beklagten über ihren Ehemann zum Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung vor und während des arbeitsgerichtlichen Prozesses berichtet habe; hierzu führt sie aus, ihr Ehemann habe möglicherweise darauf hingewiesen, dass die Kündigung am 23.12.2011 zugestellt worden sei. Er, der Beklagte, hätte jedenfalls den sichersten Weg gehen und die Klage so rechtzeitig einreichen müssen, dass die dafür geregelte Frist auch dann eingehalten wird, wenn der Zeitpunkt der Zustellung vor dem 23.12.2011 liege. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Kündigung erst am 23.12.2011 oder noch später zugegangen ist.
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Die Klägerin behauptet, die Kündigungsschutzklage hätte dann, wenn sie rechtzeitig eingelegt worden wäre, Erfolg gehabt. Sie trägt dazu vor, die Kündigung wäre nicht allein wegen ihrer Erkrankung und der Fehlzeiten begründet gewesen. Bei ihr habe – unstreitig – eine Langzeiterkrankung vorgelegen; angesichts dessen sei ihr Arbeitgeber nicht berechtigt gewesen, ihr ordentlich zu kündigen. Die Kündigung habe nicht auf die betrieblichen Folgen der dauernden Erkrankung gestützt werden können. Voraussetzung dafür wäre neben der langfristigen Arbeitsunfähigkeit und der weiteren Voraussetzung, dass damit zu rechnen ist, dass sie auch weiterhin arbeitsunfähig sein wird, eine negative Prognose hinsichtlich der zukünftigen Leistungsfähigkeit gewesen. Darüber hinaus wäre es für eine solche Kündigung erforderlich gewesen, dass es durch die prognostizierte Arbeitsunfähigkeit zu weiteren erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen kommt und eine Abwägung der beiderseitigen Vertragsinteressen ergibt, dass weitere Überbrückungsmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Ab dem 14.05.2012 sei sie im Übrigen wieder arbeitsfähig gewesen und habe sich im Hinblick darauf ihrer Arbeitgeberin wieder zur Verfügung gestellt.
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Die Klägerin macht mit der Klage Verdienstausfall für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.08.2014 geltend (26 Monate). Pro Monat hat die Klägerin einen Betrag von 1.404,60 € errechnet, wobei sie von einem Bruttoeinkommen von 1.562,37 € ausgegangen ist. Davon hat sie Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung abgezogen. Außerdem beansprucht sie für die benannten 26 Monate die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung (4.265,04 €). Von dem danach errechneten Gesamtbetrag von 40.784,64 € bringt sie die Leistungen des Job-Centers (15.013,92 €) in Abzug.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie die Klägerin 25.770,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf EUR 5.000,00 seit dem 22.01.2016 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, die Klage sei wegen einer doppelten Rechtshängigkeit unzulässig. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den mit Urteil der Zivilkammer 16 (316 O 328/13) entschiedenen und jetzt beim 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes (5 U 128/15) anhängigen Prozess. Die Lebenssachverhalte beider Klage seien identisch, da es jeweils um die Nichteinhaltung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage gehe.
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Eine Pflichtverletzung sei im Übrigen nicht ersichtlich. Hierzu verweist der Beklagte darauf, dass die Klägerin schließlich selbst nicht ausgeschlossen habe, dass seitens ihres Ehemannes eine Zustellung der Kündigung am 23.12.2011 gegenüber dem Beklagten mitgeteilt worden ist. Er hebt hervor, dass die Klägerin vor dem Arbeitsgericht sogar hat vortragen lassen, dass die Zustellung erst nach Weihnachten – am 27. bzw. 28.12.2011 per Einschreiben – erfolgt sei. Er habe, so meint der Beklagte, keine Veranlassung gehabt, an den Angaben der Mandantin bzw. des Ehemannes zum Zeitpunkt der Zustellung zu zweifeln. Angesichts dessen habe er davon ausgehen können, dass eine am 13.01.2012 eingereichte Klage noch rechtzeitig ist.
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Der Beklagte tritt auch der Berechnung der Klagforderung entgegen. Er zieht den dabei zugrunde gelegten Zeitraum in Zweifel sowie die angegebene 22-stündige Beschäftigungszeit mit Bruttoeinkünften von 1.562,37 €. Die allein vorgelegte Gehaltsabrechnung für Juni 2012 sei in diesem Zusammenhang nicht hinreichend aussagekräftig. Es müssen Lohnsteuer in Abzug gebracht werden; auch seien die Abzüge im Hinblick auf die Sozialversicherung nicht nachvollziehbar.
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Auch bei einer rechtzeitigen Klageinreichung hätte die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage – so meint der Beklagte – keinen Erfolg gehabt. Er bestreitet, dass die Klägerin am 14.05.2012 ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt und die Arbeitskraft dem Arbeitgeber auf Dauer wieder zur Verfügung gestellt hat. Er meint, die Klägerin habe den Beweis dafür, dass die Fehlzeiten keinen Prognosewert für ihre gesundheitliche Entwicklung haben bzw. hatten, nicht erbracht.
21
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
23
Die Klage ist unzulässig und daher zu verwerfen. Dem Rechtsschutzbegehren der Klägerin steht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen, § 261 Abs.3 Nr. 1 ZPO).
24
Der jetzt vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht zum Aktenzeichen 5 U 128/15 geführte Prozess wird zwischen denselben Parteien wie der vorliegende Prozess geführt. Es werden Ansprüche aus demselben Lebenssachverhalt geltend gemacht. In beiden Prozessen geht es um Schadensersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung, wobei sich die Klägerin auf den Standpunkt stellt, dass sie dadurch keinen Erfolg mit ihrer gegen die P. u. W. H. GmbH eingereichten Kündigungsschutzklage gehabt habe. Darauf, ob der Ansatz in beiden Verfahren – jedenfalls in erster Instanz – unterschiedlich gewesen ist, kommt es nicht an. Jedenfalls der Kernpunkt beider Verfahren ist identisch. Die in den Prozessen jeweils gerügten Fehler entspringen einem einheitlichen Lebenssachverhalt (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Beschluss vom 21.10.2014, XI ZB 12/12 Rn 145 juris – Streitgegenstand bei Prospekthaftungsklage). Die Zivilkammer 16 hat sich in ihrem Urteil im Übrigen nicht nur mit der Frage befasst, ob die Klägerin ein Schaden in Höhe des ihr entgangenen Vergleichsbetrages zusteht. Streitgegenständlich sind auch die Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg gewesen (682,70 €). Bei diesen Kosten geht es um den möglichen Erfolg der Berufung, mithin auch allgemein – wie im vorliegenden Prozess – der Klage vor dem Arbeitsgericht.
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Würde man den Einwand der doppelten Rechtshängigkeit nicht durchgreifen lassen, so könnte die Folge davon (die Erfolgsaussicht der Klägerin im Übrigen unterstellt) sein, dass die Klägerin in dem Verfahren zum Aktenzeichen 5 U 128/15 mit dem Argument obsiegt, der Beklagte hätte ihr raten müssen, es bei dem vor dem Arbeitsgericht abgeschlossenen Vergleich zu belassen (weil die Kündigungsschutzklage unabhängig von der Frage der Rechtzeitigkeit der Einreichung keine Aussicht auf Erfolg hat), während im vorliegenden Rechtsstreit notwendige Voraussetzung für ein Obsiegen ist, dass die Kündigungsschutzklage – eine rechtzeitige Einreichung unterstellt – erfolgreich gewesen wäre.
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Der Beklagte hat im Übrigen zur Verdeutlichung des Zusammenhangs beider Klagen auf den Inhalt der Berufungsbegründung im Rechtsstreit vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht hingewiesen.
II.
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Die Klage hätte im Übrigen auch dann keinen Erfolg, wenn man von ihrer Zulässigkeit ausginge. Dem Beklagten kann nicht zur Last gelegt werden, dass er die Kündigungsschutzklage erst am 13.01.2012 beim Arbeitsgericht Hamburg eingereicht hat.
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Die Frist für die Einreichung der Klage belief sich auf drei Wochen (vgl. §§ 7 KschG, 13 Abs.1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG). Die Einreichung der Klage am 13.01.2012 wäre daher nicht verspätet gewesen, wenn die Kündigung der Klägerin am 23.12.2012 oder zu einem noch späteren Zeitpunkt zugegangen wäre. Davon konnte der Beklagte vor dem Hintergrund der Mandantenbesprechung ausgehen. Der Beklagte weist mit Recht darauf hin, dass die Klägerin schließlich selbst nicht habe ausschließen können, dass ihm, dem Beklagten, Mitteilung von einer Zustellung der Kündigung am 23.12.2011 (mithin nicht schon am 22.12.2011) gemacht worden sei. Die Klägerin behauptet jedenfalls nicht konkret, dass die Kündigungsschutzklage eingereicht worden ist, ohne dass gegenüber dem Beklagten vom Zustellungszeitpunkt die Rede gewesen ist. Legt man das Vorbringen im Arbeitsgerichtsprozess und die Angaben der klägerischen Zeugen zugrunde, so wäre ggf. davon auszugehen, dass von einem noch späteren Zeitpunkt der Zustellung die Rede war. Das damalige Vorbringen seiner Mandantschaft brauchte der Beklagte nicht in Frage zu stellen. Die Klägerin macht nicht geltend, dass und ggf. welche Zweifel sich dem Beklagten insoweit hätten bieten müssen. Insbesondere war es, da die Klägerin ihren Ehemann für sich handeln ließ, nicht erforderlich, dass der Beklagte bei der Klägerin persönlich nachfragt, welche Informationen sie im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung habe. Dazu bestand insbesondere auch angesichts der sich aus dem Urteil des Arbeitsgerichts ergebenden Umstände kein Anlass. Ein Anwalt mag gehalten sein, bei Angaben zum Zeitpunkt der Zustellung um eine nähere Konkretisierung zu bitten, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass sein Mandant den Zeitpunkt der Zustellung so deutet wie er später von den Gerichten beurteilt werden wird. Das könnte etwa der Fall sein, wenn eine Zustellung durch Niederlegung vorgenommen wird und die Sendung erkennbar erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Hände des Mandaten gelangt ist. Hier hat die Arbeitgeberin aber nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts H. in seinem Urteil zum Geschäftszeichen… am 22.12.2012 eine Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten vornehmen lassen, wobei sie sich dafür eines Boten bedient hat. Vor allem aber ist dort die Behauptung der Klägerseite festgehalten worden, dass der Ehemann der Klägerin jeden Tag werktäglich nach der Arbeit in den Briefkasten gesehen hat: Dort habe sich weder am 22. Dezember 2011 noch an den folgenden Tagen vor dem 28.12.2011 das Kündigungsschreiben befunden. Danach kann eine Angabe des 23.12.2011 als Zustellungszeitpunkt nicht auf einer fehlerhaften Beurteilung der Frage beruht haben, was nach dem Gesetz als Zeitpunkt der Zustellung anzusehen ist.
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Dem Beklagten oblag es auch nicht, aus Gründen anwaltlicher Vorsicht die Kündigungsschutzklage unabhängig davon, ob er nach dem Vorstehenden von einer Zustellung am 23.01.2011 ausgehen konnte, möglichst früh, also vor dem 13.01.2012 bei Gericht einzureichen. Dass Fristen ausgeschöpft werden, ist üblich und unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. Der Anwalt mag damit das Risiko eingehen, dass er sich bei der Berechnung des Fristablaufs geirrt hat oder dass am letzten Tag der Frist in seiner Sphäre liegende, ihm zuzurechnende Hindernisse auftreten. Darum geht es hier aber nicht.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.