Keine Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei außergerichtliche Rechtsverteidigung wegen unberechtigter Forderung

AG Hannover, Urteil vom 02.02.2010 – 501 C 11154/09

Keine Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei außergerichtliche Rechtsverteidigung wegen unberechtigter Forderung

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

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Die Kläger machen gegen die Beklagte außergerichtliche Anwaltskosten geltend für die vorgerichtliche Verteidigung gegen eine nach ihrer Ansicht unberechtigte Forderung.

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Die Klägerin zu 1) mietete von der Beklagten mit Mietvertrag vom 01.04.1997 die …, 1 OG, 3 Zimmer, Küche, Bad, Flur, Balkon und Kellerraum. Mit Mietvertrag vom 26.06.1998 mietete sie den Raum neben der Garage und mit Vertrag vom 11.07.2006 die Garage Nr. … an.

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Der später in die Wohnung eingezogene jetzige Ehemann der Klägerin ist seit einiger Zeit Sportschütze und bewahrt Waffen und Munition in der Mietwohnung auf. Die Munition, die er selbst im Keller herstellt bewahrt er auch dort in einem doppelflügeligen Stahlschrank der Firma B P auf, der die gesetzlichen Voraussetzungen für die Lagerung von Munition nach Behauptung der Kläger erfülle. Im Keller befindet sich auch eine Wiederladevorrichtung für Munition, die der Kläger zum Wiederladen benutzt. Der Kläger hat die erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse im Termin vorgelegt (insoweit wird verwiesen auf das Protokoll vom 18.01.2010). Eine Überprüfung durch die Polizei im Juni 2009 auf Veranlassung eines Nachbarn ergab hinsichtlich der Aufbewahrung von Waffen und Munition keinerlei Beanstandungen. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auch verwiesen auf eine Bestätigung vom 06.11.2009 der Landeshauptstadt Hannover hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit von Waffen (Bl. 76 d. A.). Nach der vorgelegten Erlaubnis ist der Kläger berechtigt zum nichtgewerblichen Laden und Wiederladen von Patronenmunition.

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Die Beklagte formulierte am 01.07.2009 ein Schreiben an die Klägerin, in dem es heißt:

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„Wie uns mitgeteilt wurde, soll ihr Ehemann Munition für Sportgewehre im Keller herstellen sowie lagern. Die hierfür erforderliche Maschine soll mehrmals in der Woche, auch am Sonntag bedient werden. Die Geräusche sind deutlich im Haus zu hören. Wir bitten um Mitteilung, ob sie Munition im Keller lagern. Sollte das der Fall sein, bitten wir die Munition, ggfls. auch die Gewehre aus dem Keller, aus der Garage sowie dem Raum neben der Garage zu entfernen und uns dieses schriftlich mitzuteilen.“

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Daraufhin suchten die Kläger einen Rechtsanwalt auf. Sie sind der Auffassung, dass die Beklagte ihnen mit dieser Aufforderung ihr Besitzrecht, das ihnen im Rahmen des Mietvertrages zusteht, schuldhaft beeinträchtigt. Sie beantragen,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 596,90 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus ab 01.09.2009

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie beruft sich darauf, dass die Lagerung von Waffen und Munition in der Wohnung, Keller sowie Garage über den normalen Mietgebrauch hinausgeht. Im Übrigen hätten die Kläger rechtliche Schritte abwarten können, bevor sie einen Anwalt einschalten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die vorgetragenen Inhalte der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen, sowie das Sitzungsprotokoll vom 18.01.2010.


Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Kläger haben keinen Anspruch aus §§ 535, 280, 249 BGB. Die Beklagte hat keine Pflicht aus dem Mietverhältnis verletzt mit der Folge, dass die Kläger gezwungen waren bereits aufgrund der Äußerung der Beklagten vom 01.07.2009 einen Anwalt zu beauftragen. Die Aufforderung vom 01.07.2009 ging zunächst nicht dahin, dass der Kläger sämtlichen Waffenbesitz auch in der Wohnung unterlässt, sondern bezieht sich lediglich auf das Unterlassen der Lagerung der Gewehre im Keller bzw. der Munition im Keller, in der Garage bzw. im Raum neben der Garage.

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Wie der Kläger selbst ausgeführt hat, hätte er zunächst selbst mitteilen können, dass Gewehre und Munition in der Garage und im Kellerraum neben der Garage überhaupt nicht gelagert werden. Dies hat die jetzige Prozessbevollmächtigte dann auch für ihn am 04. Juli 2009 mitgeteilt. Hierzu wäre er aber auch ohne juristische Kenntnisse selbst in der Lage gewesen. Ebenso wäre es ihm zumutbar gewesen, zunächst selber darzulegen, dass die Wiederlademaschine nicht am Sonntag bzw. in Ruhezeiten bedient worden ist. Das Schreiben der Beklagten enthält auch keinerlei Drohungen oder sonstige Angriffe gegen die Kläger, die diese veranlassen könnten anwaltliche Hilfe aufzusuchen. Insbesondere ist dort auch nicht die Rede von Repressalien oder der Ankündigung einer möglichen Kündigung, so dass die Kläger auch aus Schadensminderungsgründen zunächst gehalten gewesen wären, selbst das Gespräch mit der Beklagten zu suchen. Die Vermieterin hat zumindest mit ihrem ersten Schreiben vom 01.07.2009 nicht schuldhaft den Kläger den Gebrauch der Mietsache untersagt. Rechtsprechung dahingehend, dass den Mietern die Munitionsherstellung und Lagerung im Keller der Wohnung im Panzerschrank gestattet sein muss, existiert so nicht. Aus dem Fehlen eines Verbots im Mietvertrag kann auf eine generelle Erlaubnis auch nicht ohne weiteres geschlossen werden. Da die Lagerung von Munition und deren Herstellung ebenso wie die Lagerung der Gewehre an sich gefährlich ist – deshalb bedarf es gerade auch einer Erlaubnis – dürfte das Anliegen der Beklagten, dass zunächst dahin ging lediglich keine Munition im Keller zu lagern und herzustellen sowie die Munition und die Gewehre aus dem Keller, der Garage und dem Raum neben der Garage zu entfernen – zumindest nachvollziehbar sein. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen etwaige diesbezügliche Bedenken zu beseitigen, wie dies nun mit dem Schreiben vom 06.11.2009 der Landeshauptstadt Hannover versucht wurde. Da es auch zumindest denkbar ist, dass die mit der Munitionsherstellung eingehenden „Klack“-Geräusche auch außerhalb der Ruhezeiten eine Störung darstellen können, könnte das Wiederladen von Munition im Keller durchaus wegen der Geräuschbeeinträchtigung über den normalen Mietgebrauch hinaus gehen. Dem Schreiben vom 01. Juli 2009 ist letztlich auch zu entnehmen, dass die Beklagte lediglich Mitteilung davon macht, das andere Hausbewohner ihr zugetragen haben, da sie im Konjunktiv formuliert.

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Anders als eine unberechtigt ausgesprochene Kündigung bzw. ein Räumungsverlangen, kann die Aufforderung vom 01. Juli 2009 nicht als Eingriff in das Besitzrecht der Kläger an Keller, Garage und Mietwohnung aufgefasst werden, der zum Schadensersatz in Form der Erstattung von Anwaltskosten verpflichtet. Die Gefahr bestünde anderenfalls, dass jede Forderung, die aus einem Vertragsverhältnis gegen die andere Vertragspartei geltend gemacht wird, Anlass liefern könnte einen Anwalt zwecks Prüfung der Berechtigung einzuschalten. Auch unberechtigte Forderungen auf Kaufpreiszahlungen würden dann, unabhängig vom Eintritt des Verzugs, bereits Anlass geben einen Rechtsanwalt einzuschalten. Insoweit dürfte es an der Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts jedenfalls vor dem Hintergrund fehlen, dass bei einfach gelagerten Sachverhalten bzw. zunächst folgenlosen Aufforderungen der Vertragspartner zunächst gehalten ist, selbst zu erwidern. Eine Rolle spielt insbesondere auch, dass zunächst den Klägern auch nicht mit anwaltlichem Schriftsatz der Gegenseite vom 14.07.2009 die Beseitigung von Schusswaffen und Munition aus der Wohnung selbst aufgegeben wurde, so dass die Aufgabe des Hobbysports für den Kläger selbst damit nicht zwangsläufig verbunden gewesen wäre. Auch die Mandatserteilung an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 06.07.2009 bezieht sich auf das Verbot der Herstellung von Munition im Keller, der Garage und dem Raum neben der Garage und den Verkauf von Munition.

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Soweit die Kläger möglicherweise aufgrund des Schriftsatzes dann vom 14.07.2009 und der dort ausgesprochenen Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sich veranlasst gesehen hätten vertragliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so dass die Kosten dann entstanden werden, ist dem entgegenzuhalten, dass in dieser Situation Anlass bestanden hätte eine Feststellungsklage zu erheben dahingehend, dass der Beklagten kein Unterlassungsanspruch zusteht. In diese Situation hätte somit ein Klageauftrag erteilt werden können, so dass für eine außerprozessuale Rechtsvertretung keine Aussicht auf Erfolg bestand Angesichts der Haltung der Beklagten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO. Auf Antrag der Klägerin wird die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.

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