Kein Anspruch auf Rückzahlung des Ticketpreises gegen den Ticketzwischenhändler bei Absage der Veranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie

AG Bremen, Urteil vom 01. Dezember 2020 – 8 C 358/20

1. Der Kläger hat bei Absage des gebuchten Konzerts aufgrund der Covid-19-Pandemie keinen Anspruch gegen den Ticketzwischenhändler auf Rückzahlung des vereinnahmten Kaufpreises.
2. Bereits vor Absage der Veranstaltung ist im Verhältnis Kunde zu Ticketzwischenhändler Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB eingetreten, so dass kein Rücktrittsrecht aufgrund von Unmöglichkeit besteht.
3. Ein Widerrufsrecht gegenüber dem Ticketzwischenhändler ist nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB ausgeschlossen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Rückerstattung von Ticketkosten in Höhe von 256,70 EUR.

2
Die Beklagte ist Betreiberin des computergestützten CTS-Netzes und Rechtsinhaberin und Lizenzgeberin für die in diesem Netz genutzt Ticketingsoftware. Gegenstand des CTS-Netzes ist der EDV-gestützte Eintrittskartenvorverkauf für Konzert-, Sport- und sonstige Veranstaltungen in Deutschland und dem benachbarten Ausland. Über das Internetportal www…..de sowie in circa 1.500 rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Vorverkaufsstellen bietet die Beklagte die Möglichkeit an, Eintrittskarten für Veranstaltungen verschiedener Veranstalter zu erwerben.

3
Am 06.03.2020 erwarb der Kläger über das Internetportal der Beklagten zwei Karten für die Musicalveranstaltung „…“ mit der Bestellnummer …. Die Veranstaltung sollte am 13.03.2020 in Hamburg stattfinden, der Kaufpreis für die Eintrittskarten betrug 256,70 EUR und wurde vom Konto des Klägers abgebucht.

4
Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Veranstaltung abgesagt.

5
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sich als den einzigen Ansprechpartner dargestellt, auch wenn es ein Einfaches gewesen wäre ihn bzgl. der Rückerstattung an den Veranstalter zu verweisen. Die Beklagte habe stets versucht sämtliche Vorgänge selbst abzuwickeln. Der Kläger ist der Meinung es sei die Tatsache der Täuschung (§ 123 BGB) zu prüfen, da kein Hinweis bzgl. der Zuständigkeiten vorläge.

6
Der Kläger machte seinen Anspruch zunächst im Mahnverfahren geltend. Gegen den am 19.06.2020 erlassenen Mahnbescheid hat die Beklagte am 02.07.2020 Widerspruch eingelegt.

7
Der Kläger beantragt nunmehr,

8
die Antragsgegnerin ist zu verurteilen den Kaufpreis (Hauptforderung) für Eintrittskarten 256,70 EUR für eine Musicalaufführung am 13.03.2020 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 13.03.2020 wegen Nichterfüllung zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,

10
die Klage abzuweisen.

11
Die Beklagte ist der Meinung, sie sei schon nicht die richtige Anspruchsgegnerin. Ein Anspruch auf Rückzahlung könne nur gegenüber dem Veranstalter und nicht gegenüber der Beklagten als Tickethändlerin bestehen. Die Leistung der Beklagten beschränke sich auf die Verschaffung des Zutrittsrechts und der entsprechenden Eintrittskarten, diese Leistung habe die Beklagte erbracht.

12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

14
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Bremen örtlich zuständig.

15
Der Geschäftssitz der Beklagten nach § 17 ZPO befindet sich in München, so dass der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten in München ist. Der Verwaltungssitz der Beklagten befindet sich jedoch in 28195 Bremen und damit im Bezirk des hiesigen Amtsgerichts, wodurch ein weiterer besonderer Gerichtsstand nach § 21 ZPO begründet wird. Ein vom allgemeinen Gerichtsstand abweichender besonderer Gerichtsstand nach § 21 ZPO kommt bei juristischen Personen dann in Betracht, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz vom statutarischen Sitz abweicht (vgl. BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 21 Rn. 2, Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 21 ZPO Rn. 7).

16
Der Kläger hat durch Erhebung der Klage beim Amtsgericht Bremen von seinem insofern bestehenden Wahlrecht nach § 35 ZPO Gebrauch gemacht.

II.

17
Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

18
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Ticketkosten aus einem Rückgewährschuldverhältnis gemäß §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 5, 275 Abs. 1, 453 Abs. 1, 433 BGB.

19
a) Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Rechtskauf gemäß §§ 453 Abs. 1, 433 ff. BGB.

20
aa) Die Beklagte ist Verkäuferin der Eintrittskarten.

21
Zwar veranstaltet sie die Veranstaltung nicht selbst, jedoch vertreibt sie die Eintrittskarten als Kommissionärin gemäß § 383 Abs. 1 HGB. Hiernach ist Kommissionär, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Die Beklagte betreibt eine Website, die sich ausschließlich dem Verkauf von Veranstaltungstickets im eigenen Namen auf Rechnung Dritter, der Veranstalter der jeweiligen Veranstaltungen, widmet. Mithin ist sie Kommissionärin (so auch BGH, Urteil vom 23.08.2018 – III ZR 192/17) und damit Verkäuferin.

22
Auch aus Sicht eines objektiven Dritten, des Verbrauchers, ist eindeutig, dass es sich bei der Beklagten nicht um die Veranstalterin, sondern lediglich um eine Tickethändlerin handelt. Hierauf wird nicht nur in den AGB der Beklagten hingewiesen, sondern auch im Verlauf der Buchung wird dem Käufer mehrfach der tatsächliche Veranstalter genannt.

23
bb) Kaufgegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags sind zwei Eintrittskarten bzw. das jeweilige Zutrittsrecht zu einem Musical.

24
Eintrittskarten sind sog. kleine Inhaberpapiere gemäß § 807 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 74/06). Aus diesen ergibt sich gem. §§ 807, 793 Abs. 1 S. 1 BGB das Recht, die darauf versprochene Leistung zu verlangen. Folglich handelt es sich um einen Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 BGB, für welchen die Vorschriften auf den Sachkauf nach § 433 ff. BGB anwendbar sind.

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b) Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten jedoch kein Rücktrittsrecht gemäß §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 zu.

26
Denn die Leistung des Zutrittsrechts zu dem streitgegenständlichen Musical ist nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB nachträglich unmöglich geworden.

27
aa) Die kaufvertraglich versprochene Leistung konnte zum Zeitpunkt der Absage der Veranstaltung nicht mehr unmöglich werden, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt worden war. Denn die Beklagte hat das von ihr im Rahmen des Kaufvertrags mit dem Kläger geschuldete bereits geleistet gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Erfüllung und Unmöglichkeit schließen sich gegenseitig aus.

28
Da es sich bei Eintrittskarten um kleine Legitimationspapiere handelt, welche nach §§ 929 ff. BGB übertragen werden, tritt mit Übersendung und Übereignung des Papiertickets bzw. der Übermittlung des entsprechenden QR-Codes im Fall des Onlinetickets Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ein. Die Beklagte als Tickethändler hat damit die von ihr geschuldete Leistung in dem Moment vollständig erbracht, in dem sie dem Käufer das Ticket und das in diesem Zeitpunkt bestehende Recht zum Zutritt zu der gebuchten Veranstaltung übertragen hat.

29
Zum Zeitpunkt des Kartenverkaufs bestand das in der Urkunde verbriefte Recht zum Zutritt zu der jeweiligen Veranstaltung. Es handelt sich insbesondere nicht um ein künftiges Recht, welches erst mit Beginn der Veranstaltung tatsächlich besteht, sondern um ein bereits bestehendes Teilnahmerecht zu einer künftigen Veranstaltung. Dass das Recht erst am Veranstaltungstag vor Ort beansprucht werden kann führt nicht dazu, dass das Recht tatsächlich auch erst in diesem Moment entsteht (a. A. AG Bremen, Urteil vom 02.10.2020 – 9 C 272/20).

30
Diese rechtliche Einordnung deckt sich darüber hinaus mit der gesetzgeberischen Wertung in Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB. Denn in Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB, eingeführt durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15.5.2020 (BGBl. 2020 I 948), ist von „einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung“ die Rede. Somit geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass bereits vor Durchführung der Veranstaltung eine Teilnahmeberechtigung des Ticketkäufers besteht, somit also die Leistung der Beklagten (Vermittlung einer Eintrittskarte bzw. der damit verbundenen Teilnahmeberechtigung) bereits erfüllt worden ist gemäß § 362 Abs. 1 BGB.

31
Wird das Konzert nach diesem Zeitpunkt, welcher als Erfüllung und insbesondere nicht nur als Gefahrenübergang zu qualifizieren ist (a. A. AG Bremen, Urteil vom 02. Oktober 2020 – 9 C 272/20), abgesagt, haftet nur der Veranstalter dem Karteninhaber wegen der eingetretenen Unmöglichkeit. Die Beklagte als Tickethändlerin haftet wegen einer solchen Unmöglichkeit gerade nicht, da sie ihre Leistung bereits in vollem Umfang erbracht und in ihrer Person als Verkäuferin der Tickets überhaupt keinen Einfluss darauf hat, ob das Konzert durchgeführt wird oder nicht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.07.2009 – 4 U 69/09).

32
Der Veranstalter ist verpflichtet jedem der eine gültige Eintrittskarte besitzt den Zutritt zu der jeweiligen Veranstaltung zu gewähren. Es spielt in diesem Zusammenhang insbesondere keine Rolle, auf welchem Weg der jeweilige Karteninhaber die Eintrittskarte erlangt hat. Denkbar ist beispielsweise auch ein weiterer Kaufvertrag zwischen demjenigen, der die Karte bei der Beklagten ursprünglich erwarb, und einem Dritten. Gerade bei Veranstaltungstickets ist der Sekundärmarkt von großer Bedeutung. Da der jeweilige Verkäufer jedoch keinerlei Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Durchführung der Veranstaltung hat, kann er auch nicht haftbar gemacht werden im Fall der Nichtdurchführung. Die tatsächliche Durchführung des Konzerts ist Sache des Veranstalters und gehört nicht zur Sphäre des lediglich mit dem Verkauf der Veranstaltungstickets betrauten Tickethändlers oder sogar weiteren Zwischenhändlern.

33
Müsste der Tickethändler bis zum Beginn der Veranstaltung das Risiko der Unmöglichkeit der Leistung übernehmen, so würde man im Ergebnis in jedem durch die Beklagte durchgeführten Rechtskauf konkludent auch die Übernahme des Risikos für den Bestand des Rechts sehen. Dies entspricht jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers (vgl. Leible/Müller in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 453 BGB (Stand: 01.02.2020) m. w. N.). Den Verkäufer einer Forderung trifft keine Gewährleistung für die Bonität in Gestalt der Einbringlichkeit und Durchsetzbarkeit des Rechts gegenüber dem Verpflichteten, denn die Leistungsfähigkeit des oder der Schuldner der verkauften Forderung gehört nicht zur „gewöhnlichen Beschaffenheit“ des Rechts (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, BGB § 453 Rn. 11). Eine solche „Durchführungsgarantie“ im Fall einer Veranstaltung wäre eine zusätzliche Zusage des Veranstalters, welche sich dann als Garantie gemäß § 276 darstellen könnte (a. a. O.); eine solche ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Es wäre realitätsfern anzunehmen, die Beklagte hätte (konkludent) eine Garantie für die Durchführung sämtlicher Veranstaltung übernommen, für welche sie Tickets vertreibt. Bei der Beklagten „finden [sich] Tickets für jährlich über 200.000 Veranstaltungen in ganz Deutschland“ (vgl. Angaben der Beklagten auf deren Homepage). Auch einem objektiven Dritten muss klar sein, dass die Beklagte diese Anzahl an Veranstaltungen nicht selbst durchführt und insbesondere keine Durchführungsgarantie für sämtliche angebotenen Veranstaltungen übernimmt.

34
Etwas andere ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kunde die Zahlung auf ein Konto des Tickethändlers leistete. Dies führt zwar dazu, dass im normalen Geschäftsbetrieb in der Regel eine Rückerstattung aus Gründen der Praktikabilität im Dreiecksverhältnis erfolgt: Veranstalter an Tickethändler, Tickethändler an Endkunden; d. h. jeweils in dem Verhältnis, in dem auch ursprünglich das Geld geflossen ist. Dass sich die Beklagte angesichts der außergewöhnlichen Situation im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nunmehr nicht bereit erklärt, für die Veranstalter in Vorleistung zu treten, liegt nahe. In den Fällen jedoch, in denen der Veranstalter eine Rückzahlung frei gibt, zahlt die Beklagte den entsprechenden Betrag an den Kunden aus, wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist. Bietet der Veranstalter jedoch gemäß Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB (nur) einen Gutschein an, so leitet die Beklagte auch diese Information an den jeweiligen Kunden weiter.

35
Aus der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeführten Gutscheinregelung in Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB wird deutlich, dass es der Wertung des Gesetzgebers entspricht, bei Absage der Veranstaltung einen Anspruch gegen den jeweiligen Veranstalter und nicht gegen den Ticketzwischenhändler zu haben. Es kann nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein, dass die in Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB vorgesehene Gutscheinlösung in all den Fällen nicht greift, in denen ein Ticketzwischenhändler involviert gewesen ist. Dies würde zu dem Ergebnis führen, dass im Verhältnis Veranstalter – Tickethändler Gutscheine ausgehändigt würden, der Tickethändler dem Ticketkäufer jedoch den Eintrittspreis zurückerstatten müsste. Zwar soll die sogenannte Gutscheinlösung die in der Existenz bedrohten Kulturveranstalter begünstigen (vgl. AG Bremen, Urteil vom 02.10.2020 – 9 C 272/20), gleichzeitig kann es jedoch nicht die gesetzliche Intention sein, dadurch die Ticketzwischenhändler massiv wirtschaftlich zu benachteiligen und ihnen im Ergebnis das volle Insolvenzrisiko sämtlicher Veranstalter aufzuerlegen. Auch wenn es sich bei der Beklagten um einen börsennotierten Konzern handelt kann es nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein den durch die Pandemie ebenfalls stark betroffenen Tickethändlern durch die in Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB eingeführte Regelung ein derartiges zusätzliches wirtschaftliches Risiko aufzuerlegen.

36
bb) Diese Wertung führt auch nicht dazu, dass im Ergebnis überhaupt keine Gewährleistungshaftung der Beklagten existiert (a. A. AG Bremen, Urteil vom 02.10.2020 – 9 C 272/20). Diese Gewährleistungshaftung ist jedoch nicht auf die tatsächliche Durchführung der Veranstaltung gerichtet, sondern beschränkt sich auf die aus der Sphäre der Beklagten stammenden Mängel im Hinblick auf das verkaufte und übertragene Recht. Die Gewährleistungshaftung der Beklagten bezieht sich auf das übermittelte Ticket als Legitimationspapier oder auf die konkrete Form der Teilnahmeberechtigung selbst. Denkbar ist insofern beispielsweise die Übermittlung eines Tickets, welches Zugang zu einem Sitzplatz mit eingeschränkter Sicht verschafft, wenn ausdrücklich ein Ticket mit „Super Sicht“ bestellt worden war (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 19.07.2018 – 425 C 970/18).

37
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Ticketkosten aus § 357 Abs. 1, 355, 312 g Abs. 1 Alt. 2 BGB.

38
Vom Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen (§ 312g Abs. 1 BGB i. V. m. § 355 BGB) sind nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen ausgenommen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht, es sich somit um ein absolutes Fixgeschäft handelt.

39
Der Begriff der Dienstleistung in § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB ist vor dem Hintergrund der europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich weit auszulegen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage 2020, § 312g Rn. 12), so dass der Wortlaut, welcher von Dienstleistungen spricht, einer Anwendung auf den Kauf von Eintrittskarten nicht entgegensteht. Auch etwa der Erwerb von Eintrittskarten für Theater, Konzerte oder Sportveranstaltungen fällt in den Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage 2020, § 312g Rn. 12, 4BeckOGK/Preisser, 1.10.2020, EGBGB Art. 240 § 5 Rn. 24.1).

40
Nichts Anderes kann nach der hier vertretenen Ansicht auch in den Fällen gelten, in denen das Ticket nicht unmittelbar beim Veranstalter erworben wurde, sondern über einen Ticketzwischenhändler wie die hiesige Beklagte (so auch AG München, Urteil vom 02.12.2005 – 182 C 26144/0, Spindler/Schuster/Schirmbacher BGB § 312g Rn. 60; a. A. AG Wernigerode, Urteil vom 22.02.2007 – 10 C 659/06, Woitkewitsch, MDR 2020, 1217-1221).

41
Es ist insbesondere nicht nötig, dass der Vertragspartner die letztlich angestrebte Dienstleistung selbst erbringt (vgl. AG München, Urteil vom 02.12.2005 – 182 C 26144/0). Entscheidend ist allein, dass aufgrund einer zeitlich festgelegten Dienstleistung ein erhöhtes Schutzbedürfnis des Unternehmers besteht, da dieser die Veranstaltung nur dann mit hinreichender Planungssicherheit organisieren kann, wenn er nicht davon ausgehen muss, dass die Verbraucher von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Im Kern geht es auch beim Kauf des Veranstaltungstickets von einem Ticketzwischenhändler um die zugrundeliegende Dienstleistung, so dass nach dem Sinn und Zweck des in § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB vorgesehenen Widerrufsrechts dieses auch auf den Ticketzwischenhändler, der hier als Kommissionär tätig ist, anzuwenden ist. Denn Hintergrund der Vorschrift ist es den Unternehmer davor zu schützen, dass er bei Vertragsabschluss bestimmte Kapazitäten für die Erfüllung des Vertrages reserviert, die im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig genutzt werden können (vgl. Spindler/Schuster/Schirmbacher BGB § 312g Rn. 54). Müsste der Ticketzwischenhändler als Kommissionär den Endkunden ein Widerrufsrecht einräumen, so wäre im Ergebnis trotzdem der Veranstalter derjenige, den die nachteiligen Folgen träfen. Denn der Kommissionär tritt zwar im eigenen Namen auf und schließt selbstständig Kaufverträge mit den Verbrauchern ab, dies jedoch auf Rechnung des Kommittenten, so dass dieser letztendlich das komplette Risiko des Kaufs und Verkaufs trägt. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des Unternehmers im Fall von Dienstleistungen, welche an einen spezifischen Termin oder Zeitraum gebunden sind, kann somit nur dadurch auch tatsächlich erreicht werden, indem der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB auch im Verhältnis Kommissionär zu Verbraucher Anwendung findet.

42
Inwiefern der Kläger möglicherweise nicht über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts belehrt worden ist, kann dahinstehen. Denn eine Verletzung der dahingehenden Informationspflicht kann im Ergebnis allenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen, nicht jedoch zu einem entgegen der gesetzlichen Wertung bestehenden Widerrufsrecht. Dass dem Kläger durch die Verletzung der Informationspflicht ein Schaden entstanden ist, ist angesichts des ihm gegenüber dem Veranstalter zustehenden Rückerstattungsanspruchs nicht ersichtlich.

43
3. Dem Kläger steht gegen die Beklagte darüber hinaus auch kein Anspruch aus §§ 807, 793 BGB zu.

44
Bei der Beklagten handelt es sich bereits nicht um die Ausstellerin des Tickets. Aussteller ist, wer dem Inhaber eine Leistung verspricht. Das Leistungsversprechen stammt vorliegend jedoch nicht von der Beklagten, sondern von dem Veranstalter des Events. Denn das Leistungsversprechen ist auf den Zutritt zu der Veranstaltung gerichtet, über den nur der Veranstalter selbst bestimmen und verfügen kann. Der Aussteller, welcher aus dem Inhalt der Urkunde erkennbar sein muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage 2020, § 793 Rn. 4), ist damit aus Sicht des objektiven Empfängers der Veranstalter. Zwar findet sich auf den Tickets der Beklagten auch deren Name wieder, dies kann jedoch zu keiner anderen Bewertung führen, da als Veranstalter ausdrücklich die … mbH genannt ist. Hierauf wurde der Kläger in der Abrechnung (Anlage B2, Bl. 20 d. A.) auch hingewiesen.

45
4. Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückerstattung der Ticketkosten ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.

46
Es kann dahinstehen, inwiefern das Recht auf Rücktritt oder Anpassung des Veranstaltungsvertrags gegenüber dem Tickethändler überhaupt geltend gemacht werden kann oder ob auch diese Rechte nur im Verhältnis zum jeweiligen Veranstalter bestehen. Denn der Rückgriff auf § 313 BGB ist nur möglich, wenn es sich um einen Sachverhalt handelt, der nicht schon in Bezug auf Tatbestand und Rechtsfolge vom Vertragshilfenrecht umfasst ist (vgl. MüKoBGB/Finkenauer BGB § 313 Rn. 18). In Art. 240 § 5 EGBGB wurde jedoch speziell für Freizeitveranstaltungen eine Regelung getroffen, welche den betroffenen Vertragsparteien rechtliche (und wirtschaftliche) Erleichterung bringen soll. Der Gesetzgeber hat somit durch Schaffung des Art. 240 § 5 EGBGB eine Interessenabwägung, welche den Abwägungen im Rahmen des § 313 BGB im Wesentlichen entspricht, vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Regel die Ausstellung eines Gutscheins durch den Veranstalter die angemessene Anpassung des Vertrags sein soll. Für eine weitergehende Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB ist damit (hinsichtlich der Rückabwicklung) kein Raum mehr.

47
5. Auch Ansprüche aufgrund einer vom Kläger angeführten Irrtumsanfechtung nach § 123 BGB sind nicht ersichtlich. Hiernach kann eine Erklärung, hier das die auf den Vertragsabschluss bezogene Willenserklärung des Klägers, angefochten werden, wenn er zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden wäre.

48
Eine arglistige Täuschung der Beklagten ist nicht ersichtlich. Die Beklagte geriert sich insbesondere nicht als Veranstalterin der jeweiligen Events, sondern macht beim Buchungsvorgang an mehreren Stellen deutlich, wer Veranstalter ist. Sofern der Kläger sich darauf beruft im Rahmen der Kommunikation nach der Absage der Veranstaltung habe man ihn nicht darauf hingewiesen, dass tatsächlich der Veranstalter der richtige Anspruchsgegner für einen Rückerstattungsanspruch sei, so kann dies nicht zu einer Anfechtung nach § 123 BGB berechtigen.

49
6. Das hier gefundene Ergebnis ist auch weder unbillig noch benachteiligt es die Kläger unangemessen, § 242 BGB.

50
a) Der Ticketkäufer ist nicht schutzlos gestellt, sondern ihm steht ein Anspruch gegen den Veranstalter der von ihm gebuchten Veranstaltung zu. Der Umstand, dass es sich bei der Ticketverkäuferin um einen börsennotierten Konzern handelt, darf bei der rechtlichen Rückabwicklung keine Berücksichtigung finden. Insbesondere kann nicht allein das in Pandemiezeiten sehr hohe Insolvenzrisiko der Veranstalter zu einem Anspruch gegen die börsennotierte Beklagte führen. Selbst wenn das wohl höhere Insolvenzrisiko der einzelnen Veranstalter als Benachteiligung des Klägers einzuordnen wäre, so wäre diese Benachteiligung angesichts der dargelegten Folgen für den Tickethändler zumindest nicht unangemessen, sondern Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Interessenabwägung. Durch den Anspruch gegen den Veranstalter und die in § 240 § 5 EGBGB vorgesehene Gutscheinlösung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel Verbraucher und Veranstalter gleichermaßen zu schützen: Veranstalter und Betreiber sollen wirtschaftlich entlastet und – auch im Sinne der Verbraucher – vor einer Insolvenz geschützt werden (vgl. BT-Drs.- 19/18697, S. 5).

51
b) Darüber hinaus ist es auch nicht aus dem Grund unbillig den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu verneinen, weil der Kläger behauptet im Rahmen der Kommunikation nach Absage der Veranstaltung nicht deutlich auf den richtigen Anspruchsgegner hingewiesen worden zu sein.

52
In dem von den Parteien vorgelegten E-Mailverkehr weist die Beklagte mehrfach und deutlich auf den Veranstalter hin. Die Beklagte macht unmissverständlich klar, dass für die Absage und die weiteren Abwicklungen der Veranstalter verantwortlich ist und die maßgeblichen Entscheidungen trifft (vgl. Bl. 36 ff. d. A.: „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass … nicht Veranstalter Ihres Events ist, sondern im Auftrag des Veranstalters handelt. Über das Vorgehen bei einer gewünschten Rückabwicklung entscheidet immer der jeweilige Veranstalter.“, „Der Veranstalter trifft alle wichtigen Entscheidungen zur weiteren Abwicklung. Sobald alle wichtigen Modalitäten geklärt sind, wird der Veranstalter unaufgefordert auf Sie zukommen.“ „Gerne werden wir Rücksprache mit dem Veranstalter halten“).

III.

53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

54
Die Berufung wird zugelassen aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits gemäß § 511 Abs. 4 ZPO. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist erforderlich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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