LG Kleve, Urteil vom 15.11.2017 – 1 O 99/16
Internationaler Warenkauf: Zur Rechtzeitigkeit und Umfang der Mängelrüge bei verderblichen oder saisongebundenen Waren
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.640,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2603,90 Zloty zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.5.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin die anteilig außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 532,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.5.2016 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Im Sommer 2015 kaufte die Beklagte von der Klägerin Adventskränze, die ihr im November 2015, unter anderem am 20. November 2015 geliefert wurden. Das Tannengrün, das für die Herstellung der Kränze verwendet wurde, lieferte die Beklagte zuvor ihrerseits an die Klägerin.
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Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin die Rechnungen vom 5.11.2015 über 22.080 €, 14.11.2015 über 20.766,60 € und 20.11.2015 über 12.817,50 €, insgesamt 55.664,10 € geltend. Die Beklagte zahlte hierauf 12.792,01 €, wobei sie für das von ihr gelieferte Material 31.337,40 € sowie wegen der mangelhaften Ware einen Betrag von 11.534,69 € in Abzug brachte.
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Weiterhin verlangt die Klägerin Schadenersatz für die Abholung der Leergutcontainer. Die Lieferung erfolgte in CMR-Containern. Diese wurden von der Beklagten entgegen der vertraglichen Regelung nicht kostenfrei an die Klägerin zurückgeliefert. Die Klägerin musste CMR-Container am Firmenstandort der Beklagten abholen und hier hierfür 2603,90 Zl. aufwenden.
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Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten in Abzug gebrachten Beträge seinen überhöht. Hinsichtlich der Materiallieferungen sei nur ein Betrag von 31.231,20 € abzuziehen, weil Frachtpauschalen nicht geschuldet gewesen seien. Der Abzug für mangelhafte Ware sei nicht gerechtfertigt, weil die Ware nicht mangelhaft gewesen sei und auch eine rechtzeitige Mängelrüge nicht erfolgt sei. Soweit die Klägerin aus der Lieferung vom 20.11.2015 Kränze zurückgenommen habe, sei dies geschehen, weil die Beklagte darum gebeten habe, da sie zu viel bestellt habe. Diese Kränze seien von der Klägerin dann weiterverkauft worden. Hierbei habe es keine Beanstandungen gegeben.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.640,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2015 zu zahlen,
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die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 2603,90 Zl. zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin die anteilig außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 532,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt sie
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die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 912,90 € zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass abweichend von dem von der Beklagten abgegebenen Angebot die Beklagte nicht die Frachtkosten für die fertig gestellten Kränze tragen sollte. Im Übrigen behauptet sie, die Lieferung vom 20. November 2015 sei mangelhaft gewesen. Eine Rüge der Trockenheit der Kränze sei durch den Zeugen N am 20.11.2015 fernmündlich erfolgt. Die Klägerin habe daher 1440 Kränze zurückgenommen. Hinsichtlich der übrigen Kränze habe die Beklagte der Klägerin angeboten, sie im Wege der Versteigerung zu verkaufen. Dies sei nicht gelungen, weil die Kränze teilweise vertrocknet gewesen sein. Insgesamt sei deshalb eine Überzahlung der Klägerin in Höhe der Widerklageforderung eingetreten..
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen gemäß Beweisbeschluss vom 3. Mai 2017 (Blatt 181 Gerichtsakten).
Entscheidungsgründe
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Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finden die Regeln des UN-Kaufrechts Anwendung, da es sich um einer grenzüberschreitenden Vertrag über den Kauf beweglicher Sachen handelt und sowohl Deutschland als auch Polen zu den Vertragsstaaten gehören (Art. 1 I CISG).
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Die Klägerin kann daher von der Beklagten nach Art. 53 CISG Zahlung des Restkaufpreises in der geltend gemachten Höhe verlangen. Daneben schuldet sie Ersatz der für den Rücktransport der Container verauslagten Beträge sowie der Rechtsanwaltskosten.
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Soweit die Beklagte behauptet, die gelieferte Ware sei nicht vertragsgemäß gewesen, ist schon zweifelhaft, ob diese Behauptung zutrifft, denn die Zeugenaussagen hierzu waren widersprüchlich. Zwar haben die Zeugen T, N, V und B bekundet, dass die Kränze teilweise trockene Zweige aufgewiesen hätten, es sei so gewesen, dass einzelne Zweige in der Spitze trocken gewesen seien, diesen Aussagen steht jedoch die Aussagen der Zeugen M entgegen, der ausgesagt hat, die Kränze seien sehr frisch gewesen.
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Letztlich kann die Mangelhaftigkeit jedoch dahinstehen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass die Beklagte die Mängel entgegen Art. 38, 39 CISG nicht rechtzeitig gerügt hat.
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Danach hat der Käufer hat die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben und verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.
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Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte daher angesichts des Umstandes, dass es sich um eine verderbliche und saisongebundene Ware handelt unmittelbar bei Anlieferung der Ware eine Untersuchung vornehmen und der Klägerin eine spezifizierte Mängelrüge abgeben müssen.
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Dass dies so war, hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Zeuge N, der als einziger Gespräche mit der Klägerin hinsichtlich der Mängel geführt haben will, hat zwar ausgesagt, er habe mit der Klägerin telefoniert und die Kränze reklamiert, das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass das Gespräch eine den Anforderungen des Art. 39 CISG genügende Mängelrüge enthalten hat.
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Der Käufer muss die Vertragswidrigkeit genau bezeichnen. Der Sinn des Substantiierungserfordernisses besteht einmal darin, den Verkäufer hinreichend deutlich über die Art des Mangels zu informieren, damit er angemessen darauf reagieren kann. Allgemeine Beschwerden bzw. Äußerungen der Unzufriedenheit genügen daher dem Substantiierungsgebot nicht. In der Anzeige muss der Mangel vielmehr so präzise wie möglich beschrieben werden. Einem Fachmann kann man dabei genauere Angaben abverlangen als einem Laien (vgl. (BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 39 Rn. 5, beck-online m.w.N.).
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Das dies so geschehen ist, lässt die Aussage des Zeugen N nicht erkennen. Der Zeugenaussage lässt sich nicht entnehmen, dass seine Äußerungen über eine Unmutsbekundung und die Äußerung des Willens, die Kränze nicht abnehmen zu wollen, hinausgegangen sind. Konkret wiedergegeben hat er nur die Formulierung Hol den Mist ab oder ich werfe ihn ins Feuer“.
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Seine Aussage lässt auch erkennen, dass er die Kränze nicht in dem Umfang untersucht hat, der eine spezifizierte Rüge möglich gemacht hätte. Er hat bekundet, dass er die Kränze noch nicht einmal angefasst und einer genaueren Untersuchung unterzogen hat, weil er die Qualität auch so einschätzen könne. Dies steht in klarem Gegensatz zur Aussage des Zeugen T, der ausgesagt hat, man müsse die Kränze schon anfassen, um den Trocknungsgrad zu erkenne.
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Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Beklagte einen Teil der Kränze weiterverarbeitet hat dagegen, dass alle Kränze in gleicher Weise mangelhaft gewesen sind.
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Die Beklagte kann der Klägerin auch nicht den Abzug gebrachten Frachtkosten entgegenhalten. Soweit die Beklagte zunächst behauptet hat, die Frachtkosten bezögen sich auf das von ihr gelieferte Tannengrün, ist dieser Vortrag von ihr nicht aufrechterhalten worden. Soweit sie sodann die Behauptung aufgestellt hat, es sei von dem Zeugen T der Kläger mit der Klägerin vereinbart worden, dass diese die Frachtkosten für die Lieferung der fertigen Kränze trage, hat die Beweisaufnahme diese Behauptung nicht bestätigt. Der Zeuge hat bekundet, dass, falls irgendwelche Nebenabreden getroffen worden sein, dies jedenfalls nicht mit ihm geschehen sei. Aus diesem Grunde ist auch die Widerklage abzuweisen.
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Unstreitig war die Beklagte verpflichtet, die Container auf ihre Kosten zurückzuliefern. Der Umstand, dass sie dies nicht getan hat, stellt damit eine Verletzung der Kaufvertraglichen Pflichten dar, die nach Art. 74 CISG zum Schadenersatz verpflichtet.
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Auch der Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten folgt aus Art. 74 CISG.
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Der Zinsanspruch folgt aus Art. 84 CISG. Die Höhe des Zinssatzes ist von der Beklagten nicht angegriffen worden.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.