Internationaler Warenkauf: Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des CISG durch die Angabe „Händlergeschäft“

OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2011 – 2 U 15/11

Internationaler Warenkauf: Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des CISG durch die Angabe „Händlergeschäft“

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.12.2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe
I.

1
Der Kläger hat die Beklagte auf Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages in Anspruch genommen. Das Landgericht hat, nach dem es die Beklagte zunächst durch Versäumnisurteil verurteilt hatte, das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Mängelrechte des Klägers scheiterten am zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Dieser sei wirksam, weil dem Kläger der Beweis, Verbraucher zu sein, nicht gelungen sei.

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Wegen der dem zu Grunde liegenden Feststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge und wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.

3
Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers. Damit macht er unter näherer Darlegung geltend, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft und rügt fehlerhafte Rechtsanwendung. Er beantragt,

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abändernd das Versäumnisurteil des Landgerichts wieder her zu stellen und die Beklagte weiter dazu zu verurteilen, an ihn 83,72 und weitere 15,00 € nebst Zinsen von 5% über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 28.10.2010 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurück zu weisen.

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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherem Vorbringen.

8
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen verwiesen.

II.

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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Abweisung der Klage durch das Landgericht ist im Ergebnis richtig.

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1. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist im Grundsatz nicht, wie es das Landgericht getan hat, nach den Vorschriften des BGB zu beurteilen, sondern nach dem CISG.

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a. Der Anwendungsbereich des CISG, dessen Vertragsstaaten sowohl die Bundesrepublik Deutschland wie auch der französische Staat sind, ist nach dessen Art. 1 eröffnet. Denn die Parteien haben ihre Niederlassung bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt, der mangels Niederlassung an deren Stelle tritt, Art. 10 CISG, in verschiedenen Vertragsstaaten.

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b. Ausgeschlossen ist die Anwendung UN-Kaufrechtes bei einem Kauf von Ware für den persönlichen Gebrauch oder den Verbrauch in Familie oder Haushalt, es sei denn, dass der Verkäufer bei Verkauf weder wusste, noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde, Art. 2 CISG.

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Darauf, ob der Kläger den Wagen tatsächlich für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie gekauft hat, kommt es nicht an. Denn der Kläger hat den Kaufvertrag mit der Angabe „Händlergeschäft“ und mit dem hinzugesetzten Kürzel „Fa.“ vor seinem Namen unterschrieben. Damit hat er schriftlich erklärt, Händler zu sein. Mithin konnte die Beklagte nicht wissen, dass – sollte das tatsächlich der Fall gewesen sein – der Wagen für den persönlichen Gebrauch bestimmt war, sondern musste aufgrund der schriftlichen Erklärung vom Gegenteil ausgehen. Angesichts der schriftlichen Erklärung im Kaufvertrag ist es Sache des Klägers zu beweisen, dass die Vertreter der Beklagten aufgrund von mündlichen Angaben bei den Vertragsverhandlungen wussten oder wissen mussten, dass der Wagen – wie der Kläger behauptet – für den persönlichen Gebrauch bestimmt war.

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Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts trifft zu. Die Berufung zeigt nichts auf, was Zweifel wecken und eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.

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Entscheidend ist, dass sich von der Richtigkeit der Bekundungen der Zeugen X, X2 und X3 schon deshalb keine Überzeugung gewinnen lässt, weil sie sich teilweise sowohl untereinander wie auch mit dem Ergebnis der Anhörung des Klägers nicht in Übereinklang bringen lassen und wobei hinzu kommt, dass der Zeuge X seine Angaben innerhalb seiner Aussage änderte. Das hat das Landgericht mit zutreffenden Gründen, denen in vollem Umfang zu trauen ist, ausgeführt. Darauf, ob den Angaben der Zeugen U und P, an deren Richtigkeit das Landgericht ebenfalls mit Recht Zweifel angemeldet hat, zu folgen ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen der Zeugen U und P, die die Berufung zusätzlich anmeldet, indem sie es für lebensfremd hält, dass die Beklagte Privatkunden keine Nachlässe gewähren soll und meint, der Inhalt des Vertragsformulars widerlege die Bekundung der Zeugen, der Vertrag fände bei der Beklagten für Händler Anwendung, sind ungeeignet, das Vorbringen des Klägers als erwiesen anzusehen. Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang vorträgt, eine angebliche Überheblichkeit des Zeugen U – zu der sich weder im Protokoll des Landgerichts noch in seinen Entscheidungsgründen etwas findet – lasse sich damit erklären, dass die Beklage diesem und dem Zeugen P vermittelt habe, sie sollten einfach behaupten, der Preisnachlass sei im Hinblick auf die Händlereigenschaft gewährt worden, ist das eine durch nichts getragene Unterstellung.

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Die Auffassung der Berufung, aus dem fehlenden Umsatzsteuerausweis folge, dass die Beklagte nicht an einen Händler geliefert habe, trifft nicht zu. Vielmehr ist im Grundsatz gerade bei einem Verkauf an einen Verbraucher die Umsatzsteuer auszuweisen, weil eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung eines gebrauchten Fahrzeuges an einen Privatmann nicht möglich ist, §§ 6a, 4 UStG. Für die Behauptung des Klägers lässt sich aus dem fehlenden Umsatzsteuerausweis deshalb nichts herleiten. Angemerkt sei, dass der fehlende Umsatzsteuerausweis auch nichts für die Richtigkeit des Beklagtenvortrages hergibt, weil sie nach ihrem Vorbringen als Wiederverkäuferin von der Möglichkeit der Differenzbesteuerung Gebrauch macht, so dass aus diesem Grund keine Umsatzsteuer auszuweisen war.

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2. Ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages und Rückgewähr des Kaufpreises steht dem Kläger nicht zu, Art. 81 II, 49 I CISG.

18
a. Es ist schon zweifelhaft, ob der Kläger die inzwischen schlüssig vorgetragene Vertragswidrigkeit (Risse eines Lufteinlasskanals bei Gefahrübergang, die zu dem Motorschaden geführt haben), innerhalb angemessener Frist – was zur Wahrung etwaiger Ansprüche erforderlich gewesen wäre – angezeigt hat, § 39 CISG. Das Schreiben des Klägers vom 16.02.10 genügt nicht, weil in einer Anzeige die Vertragswidrigkeit genau zu bezeichnen ist und in dem Schreiben nur mitgeteilt wird, dass das Fahrzeug zu Schaden gekommen sei. Das zweite Schreiben des Klägers mag zur genauen Bezeichnung der Vertragswidrigkeit ausreichen, datiert aber erst vom 10.03.10. Angesichts dessen, dass der Sachverhalt einfach gelagert ist, der Kläger mit seinem Schreiben vom 16.02.10 gezeigt hat, dass ihm eine alsbaldige Reaktion möglich war und angesichts dessen, dass der Kläger von vorne herein die Absicht hatte, den Vertrag rückabzuwickeln, spricht einiges dafür, dass Schreiben vom 10.03.10 außerhalb angemessener Frist anzusiedeln. Im Ergebnis kommt es nicht darauf an.

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b. Denn die Parteien haben die Gewährleistung, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, wirksam ausgeschlossen. Anders läge die Sache nur, wenn es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten handelte, die mangels Regelungen zur Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen im CISG der Prüfung nach dem für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden nationalen Recht unterläge, Art. 4 a) CISG i.V.m. Rom I 4a), denn einer Prüfung nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen hielte der Gewährleistungsausschluss nicht stand, § 309 Ziff. 7 a + b BGB. Das ist indessen nicht der Fall. Denn neben dem vorformulierten Gewährleistungsausschluss im Vertrag findet sich die handschriftliche Eintragung „Händlergeschäft, keine Garantie, keine Gewährleistung, keinerlei Sachmängelhaftung“ mit der Folge, dass die Parteien den Gewährleistungsausschluss zusätzlich individuell vereinbart haben. Diese Individualvereinbarung ist wirksam. Dies gilt auch, wenn man der Auffassung zuneigt, der vorliegend gegebene Ausnahmefall des Art. 2a) 2. Hs. CISG lasse gem. Art. 4a) CISG i.V.m. Rom I 4a) die Geltung des § 475 Abs. 1 S. 1 BGB unberührt (zur Problematik vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, CISG, 5. Aufl., Art. 2 Rn. 24 – 26; Staudinger/Magnus, BGB, Neubearbeitung 2005, CISG Art. 2 Rnr. 30 jew. m.w.Nw.). Denn selbst wenn – was vorstehend unter 1.b) dahingestellt – objektiv ein Verbrauchergeschäft vorläge, spräche die schriftliche Erklärung des Klägers im Kaufvertrag, Händler zu sein, aus Sicht der Beklagten klar für ein Handeln des Klägers als gewerblich Tätiger und damit gegen ein Verbrauchergeschäft. Dass hierauf die Beklagte nicht vertrauen konnte, hätte der Kläger zu widerlegen. Dies ist wie ausgeführt, nicht gelungen.

20
c. Soweit der Kläger außerprozessual die Anfechtung des Vertrages erklärt hat, lässt sich Wirksamkeit dieser Anfechtung, die mangels Regelung im CISG ebenfalls nach nationalem Recht zu beurteilen ist, nicht feststellen. Denn ein sie rechtfertigender Irrtum (Gewährleistungsausschluss erklärt, aber nicht gewollt, § 119 BGB) oder eine sie rechtfertigende Täuschung (Gewährleistung vorgetäuscht, § 123 BGB) sind nicht bewiesen. Soweit der Kläger dazu behauptet, die unter 1.b. genannte Erklärung sei ihm untergeschoben worden, hat die Beweisaufnahme das entsprechend den obigen Ausführungen nicht ergeben. Dass der in deutscher Sprache verfasste Kaufvertrag – darauf, dass der Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig ist, kommt es nicht an, vgl. BGH, Urteil vom 15.04.1997 – IX ZR 112/96 – , das Verhandelte zutreffend wieder gibt, ist zumindest ebenso wahrscheinlich, wie ein „Unterschieben“.

21
3. Da dem Kläger kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises zusteht, weil die Beklagte für den behaupteten Mangel nicht haftet, sind auch die übrigen geltend gemachten Ansprüche unbegründet.

22
4. Auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 22.07.11 und 02.09.11 kommt es nicht an, so dass – unabhängig davon, dass sie nicht nachgelassen sind – schon deshalb kein Anlass besteht, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

23
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision, § 543 II ZPO, ist nicht veranlasst.

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