Inaussichtstellung eines Gründungszuschusses kann Ermessen auf Null reduzieren

SG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2013 – S 16 AL 949/12

Das Inaussichtstellen eines Gründungszuschusses per E-Mail kann das Entschließungsermessen der Agentur für Arbeit auf Null reduzieren.

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses im Hinblick auf eine zum 01.01.2012 hauptberuflich aufgenommene selbstständige Tätigkeit.

Die Beklagte gewährte dem am … 1953 geborenen Kläger mit Bescheid vom 18.02.2011 ab dem 01.02.2011 Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Dauer von 540 Tagen mit einem täglichen Leistungsbetrag von 75,24 Euro (= 2.257,20 Euro monatlich).

Am 25.05.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses im Hinblick auf einen Einstieg als Teilhaber bei der Firma …, einem Landschafts- und Gartenbauunternehmen. Zum 01.09.2011 trat der Kläger dort zunächst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ein. Am 02.11.2011 erfolgte die Eintragung als Kommanditist mit Einzelprokura im Handelsregister (Eintragungsnachricht des Amtsgerichts Mannheim vom 04.11.2011).

Laut von der Beklagten vorgelegten Beratungsvermerken teilte diese dem Kläger mehrfach mit, dass zum 01.01.2012 eine Gesetzesänderung einträte, die Auswirkungen auf den Anspruch auf Gründungszuschuss, insbesondere die Anspruchsdauer, haben könne.

Am 18.11.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, eine hauptberufliche Tätigkeit im Rahmen der Selbstständigkeit werde er erst zum 01.01.2012 aufnehmen. Vorher befinde er sich lediglich in der Anlaufphase. Über die eintretende Gesetzesänderung wisse er Bescheid, beginne seine Tätigkeit aber trotzdem nicht vorher.

Mit E-Mail vom 18.11.2011 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass die Antragsunterlagen vollständig seien und Gründungszuschuss somit auch zum 01.01.2012 bewilligt werden könne. Sie warte aufgrund der ausstehenden Gesetzesänderung aber noch etwas mit der Bearbeitung ab. Sollte sich in nächster Zeit nichts Konkretes ergeben, würden die Antragsunterlagen ca. Anfang bis Mitte Dezember mit positiver Entscheidung an die Leistungsabteilung zur Auszahlung gegeben.

Mit Bescheid vom 17.01.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gründungszuschusses ab. Darin heißt es zur Begründung, die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschusses seien zwar erfüllt. Im Rahmen der Ermessensabwägung müssten jedoch die persönlichen Interessen des Klägers gegenüber denjenigen der Beitragszahler zurücktreten. Es sei zum einen der Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen. Zum anderen steige der Kläger in einen seit Jahren geführten Betrieb mit festem Kundenstamm ein und führe diesen nahezu unverändert fort. Es seien keine Umstände erkennbar, welche die Ertragslage des Unternehmens über marktübliche Schwankungen hinaus so beeinträchtigten, dass die Erträge nicht zur Abdeckung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung ausreichten. Zudem bestehe aufgrund ausreichender Eigenleistungsfähigkeit des Klägers – dieser habe nach den vorgelegten Unterlagen ein Eigenkapital von 25.000,00 Euro eingebracht – keine Vaternotwendigkeit.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 23 01.01.2012 und trug vor, bei der Einschätzung der Gefährdung der Selbstständigkeit müsse die Beklagte die Situation des Betriebes vor seinem Einstieg berücksichtigen. Trotz eines großen Kundenstamms habe dem Unternehmen eine klare, kompetente kaufmännische Führung gefehlt. Durch das Einbringen seines Kapitals habe ein Teil der vorhandenen Verbindlichkeiten gedeckt und eine Basis für die betriebswirtschaftliche Gesundung des Unternehmens geschaffen werden können. Er habe hohe Eigenleistungen erbracht. Erst die mündlichen Absprachen mit Mitarbeitern der Beklagten bezüglich des Gründungszuschusses und dessen Einplanung in das laufende Geschäft hätten zur Entscheidung für den Einstieg in das Unternehmen geführt. Weitere finanzielle Eigenleistungen in der Größenordnung des Gründungszuschusses seien vor Ablauf der Hauptsaison 2012 nicht möglich.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei immer wieder ausdrücklich auf die möglichen negativen Folgen einer späteren Verselbstständigung hingewiesen worden. Er steige mit der Aufnahme seiner hauptberuflichen Selbstständigkeit in einen seit Jahren von seinem jetzigen Mitteilhaber geführten Betrieb mit einem festen Kundenstamm ein. In einer vom Kläger vorgelegten Rentabilitätsvorschau gehe er von einem Rohgewinn der selbständigen Tätigkeit im ersten Jahr in Höhe von 405.000,00 Euro, im zweiten Jahr von 440.000,00 Euro und im dritten Jahr von 455.000,00 Euro aus. Dies entspreche nach eigenen Angaben einem Betriebsergebnis zwischen 69.800,00 Euro und 82.500,00 Euro, wobei hier bereits Personalkosten inklusive Nebenkosten und inklusive Geschäftsführergehalt zwischen 185.000,00 Euro und 210.000,00 Euro jährlich abgezogen worden seien. Dieses Betriebsergebnis ermögliche laut den vorgelegten Unterlagen, sowohl den Unternehmerlohn des Klägers zu decken und sogar noch eine Liquiditätsreserve zu schaffen. Auch das Einbringen eines Eigenkapitals in Höhe von 25.000,00 Euro in die vorhandene Firma des Mitteilhabers lasse auf eine weitgehende eigene Leistungsfähigkeit des Klägers schließen. Damit habe der Kläger kein Problem, seinen Lebensunterhalt auch ohne die Gewährung eines Gründungszuschusses zu bestreiten.

Am 07.03.2012 hat der Klage Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, es liege mit der E-Mail vom 18.11.2011 bereits eine ihm gegenüber kommuniziert positive Entscheidung vor. Darin habe die Beklagte schriftlich bestätigt, dass alle Voraussetzungen zur Entscheidung vorliegen würden und dass ca. Anfang bis Mitte Dezember 2011 die positive Entscheidung auch zur Auszahlung käme. Dennoch sei die angekündigte Weiterleitung an die Leistungsabteilung offensichtlich weiter verzögert worden, um anschließend unter Berufung auf die neue Rechtslage die Auszahlung vollständig zu verweigern. Im Übrigen sei für die Entscheidung über seinen Antrag sei das bis zum 31.12.2011 geltende Recht anzuwenden. Seine selbständige Tätigkeit habe mit dem Einstieg als Kommanditist bzw. der Unterzeichnung des Gesellschaftervertrages am 24.10.2011, nicht erst mit der aktiven Geschäftstätigkeit ab dem 01.01.2012 begonnen. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.11.2011 ergebe sich außerdem, dass die Beklagte die Bearbeitung bewusst verzögert habe, obwohl sein Antrag entscheidungsreif gewesen sei. Jedenfalls aber sei selbst bei Anwendung der neuen Rechtslage aufgrund der bereits mündlich und schriftlich bestätigten Zusage eine Ermessensreduktion auf Null eingetreten. Er habe darauf vertraut, dass die Beklagte ihre Zusage, dass eine Gewährung des Gründungszuschusses trotz angekündigten Beginns zum 01.01.2012 erfolge, auch eingehalten werde. Im Hinblick auf die Gesetzesänderung zum 01.01.2012 habe ihn die Beklagte lediglich hinsichtlich der Förderungsdauer beraten. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass lediglich die Dauer des Gründungszuschusses noch nicht feststehe. Schließlich sei die Berücksichtigung der vorgelegten Rentabilitätsvorschau zu seinen Lasten ermessensfehlerhaft, da diese lediglich eine Prognose darstelle. Es sei ansonsten ein unlösbares Problem jedes Antragstellers, eine Rentabilitätsvorschau vorlegen zu müssen, deren Gewinnprognose so gut sei, dass die Existenzgründung als Erfolg versprechend gefördert werde, aber nicht so gut sei, dass der Antrag mit der Behauptung zurückgewiesen werde, die Prognose sei wiederum zu gut.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2012 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 SGB III gemäß Antrag vom 25.05.2012 für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit habe der Kläger erst ab Januar 2012 aufgenommen. Auf den gesellschaftsrechtlichen Einstieg komme es insoweit nicht an. Eine Zusicherung habe sie dem Kläger zu keinem Zeitpunkt erteilt. Interne Aktenvermerke seien insoweit nicht zu berücksichtigen. Es liegt auch keine Verzögerung in der Bearbeitung vor. Vielmehr habe die Beklagte den Kläger sehr frühzeitig über die bevorstehende Gesetzesänderung informiert. Sie habe gegen Ende 2011 Hinblick darauf keine Entscheidungen auf Vorrat für Zeiten ab dem 01.01.2012 treffen können und dürfen. Eingetretene Verzögerungen seien im Übrigen wesentlich auf das eigene Verhalten des Klägers zurückzuführen. Schließlich liege auch kein Ermessensfehler vor. Selbst wenn man nur von einem Bruchteil der in der Rentabilitätsvorschau aufgeführten Beträge ausginge, reiche der zu erzielende Gewinn bereits aus, um eine ausreichende Eigenleistungsfähigkeit des Klägers und damit eine ermessensgerechte Ablehnung des Gründungszuschusses begründen zu können.

Die Beklagte hat den Vorgang betreffende Beratungsvermerke vorgelegt, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird.

Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtene Ablehnung des Antrags auf Gründungszuschuss ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser hat für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 Anspruch auf Gründungszuschuss.

a) Der Anspruch auf Gründungszuschuss folgt nicht aus der Anwendung des bis zum 31.12.2011 geltenden Rechts oder einer rechtsverbindlichen Zusicherung der Beklagten.

aa) Die Zugrundelegung der ab dem 01.01.2012 geltenden Rechtslage hinsichtlich der Gewährung von Gründungszuschuss ist nicht zu beanstanden. Nach § 57 SGB III in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung hatten Arbeitnehmer nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss, wenn sie durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit ihre Arbeitslosigkeit beendeten. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit indes erst durch den hauptberuflichen Einstieg in die Firma … am 01.01.2012 beendet und bis dahin von der Beklagten Arbeitslosgengeld bezogen. Irrelevant ist insoweit der Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder der geringfügigen Tätigkeit, da diese die Arbeitslosigkeit des Klägers im Sinne von § 119 SGB III a.F. nicht beendeten. Das bis zum 31.12.2011 geltende Recht wäre daher nur dann (weiter) anzuwenden gewesen, wenn die Beklagte dem Kläger – wie offensichtlich zunächst beabsichtigt (vgl. den internen Entscheidungsvermerk vom 08.02.2012) – noch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung den beantragten Gründungszuschuss zuerkannt hätte (§ 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Hierzu kam es indes nicht mehr. Im Hinblick auf die damals bereits bekannte Neuregelung war die Beklagte dazu auch nicht verpflichtet. Die Übergangsregelung schützt vielmehr nur das unter anderem durch einen zuerkennenden Bewilligungsbescheid vermittelte Vertrauen und soll die Arbeitsagentur vom Aufrollen laufender Fälle entlasten (vgl. Brandts, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 422 Rdnr. 1 m.w.N.).

bb) Eine bindende Zusicherung kann in der E-Mail der Beklagten vom 18.11.2011, in welcher sie mitgeteilt hat, die Antragsunterlagen seien vollständig und könnten zum 01.01.2012 positiv verbeschieden werden, nicht gesehen werden. Schon aufgrund der Verwendung des Konjunktivs mangelt es an der konkreten Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Beklagte hat außerdem mitgeteilt, gerade wegen der ausstehenden Gesetzesänderung noch zuwarten zu wollen und insoweit noch nichts Genaues zu wissen. Außerdem erfüllt eine einfache E-Mail nicht die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bestehende formale Wirksamkeitsvoraussetzung der Schriftform. Denn die elektronische Form ersetzt die Schriftform nur unter der Voraussetzung, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (§ 33 Abs. 3 Satz 2 SGB X i.V.m. § 36 a Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ).

b) Der Anspruch des Klägers auf Gründungszuschuss richtet sich somit ausschließlich nach § 57 SGB III in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung (= § 93 SGB III in der heutigen Gesetzesfassung). Danach können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzsicherung einen Gründungszuschuss erhalten (§ 57 Abs. 1 SGB III). Weitere Voraussetzung ist, dass der Antragsteller bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 127 Absatz 3 SGB III beruht, der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (§ 57 Abs. 2 SGB III).

aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses sind beim Kläger, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, erfüllt. Der Kläger hat durch die hauptberufliche Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit seine zuvor bestehende Arbeitslosigkeit beendet. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch 210 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld, der nicht auf § 127 Abs. 3 SGB III a.F. beruhte. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung ist nachgewiesen und die entsprechende Sachkenntnis des Klägers dargelegt.

bb) Die Beklagte durfte die Gewährung des Gründungszuschusses auch nicht auf dem Ermessensweg ablehnen. Ermessensentscheidungen sind gerichtlich zwar nur eingeschränkt, nämlich auf Rechtsfehler wie den Ermessensnichtgebrauch, die Ermessensunterschreitung, die Ermessensüberschreitung und den Ermessensfehlgebrauch hin, überprüfbar (vgl. hierzu im Einzelnen Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rdnrn. 27 f.). Grundsätzlich kann gerichtlich nur der Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 SGB I) durchgesetzt werden. Allerdings kann das Ermessen der Verwaltung im Einzelfall derart eingeschränkt sein, dass nur eine einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei und das Ermessen damit auf Null eingeschränkt ist (vgl. hierzu Keller, a.a.O., § 54 Rdnr. 29 m.w.N.). So liegt der Fall hier.

(1) Die angefochtene Ablehnungsentscheidung leidet unter gravierenden Ermessensfehlern. Die Beklagte hat in ihre Ermessensentscheidung einerseits Gesichtspunkte einbezogen, die nicht berücksichtigungsfähig waren. So hat sie einen Vermittlungsvorrang berücksichtigt, obwohl in der maßgeblichen Eingliederungsvereinbarung vom 25.05.2011 ausdrücklich die Aufnahme der vom Kläger bereits damals geplanten selbständigen Tätigkeit im Bereich Garten und Landschaftsbau als gemeinsames Ziel festgelegt worden war. Der im Widerspruchsbescheid erwähnte Umstand, dass der Kläger über die bevorstehende Gesetzesänderung informiert gewesen sei, stellt keine zulässige Ermessenserwägung dar und ist überdies unzutreffend. Zum anderen ist die Beklagte teilweise von falschen Voraussetzungen ausgegangen. So hat der Kläger nicht etwa eine Kapitaleinlage von 25.000,00 Euro erbracht, sondern sein Kommanditanteil belief sich ausweislich des der Beklagten vorliegenden Registerauszugs lediglich auf 2.500,00 Euro. Bei der Heranziehung der vom Kläger vorgelegten Rentabilitätsvorschau verkennt die Beklagte einerseits deren prognostische Natur und andererseits – hinsichtlich der Bewertung der Personalkosten inklusive Geschäftsführergehalt – die Anzahl der im Unternehmen bereits beschäftigten Arbeitnehmer. Auch lässt der Umstand, dass der Kläger Eigenkapital in das Unternehmen eingebracht hat, nicht den Schluss zu, der Kläger verfüge über eine ausreichende Eigenleistungsfähigkeit. Ob dessen Liquiditätsreserven hierdurch möglicherweise verbraucht waren, hat die Beklagte nicht ermittelt. Schließlich hat die Beklagte ihr eigenes Verhalten im Verwaltungsverfahren, insbesondere das Inaussichtstellen einer Förderung mit Gründungszuschuss in der E-Mail vom 18.11.2011, völlig unberücksichtigt gelassen. Wenn diese auch keine Zusicherung im Rechtssinne darstellte, so begründeten die dortigen Ausführungen doch die berechtigte Erwartung des Klägers, der beantragte Gründungszuschuss werde in der ersten Phase zwar möglicherweise nicht wie nach alter Rechtslage für neun, aber zumindest für sechs Monate gewährt werden. Er durfte deswegen darauf vertrauen, dass ihn die Beklagte informieren würde, wenn die Förderung durch die Gesetzesänderung ganz infrage gestellt würde.

(2) Der letztere Gesichtspunkt begründet im vorliegenden Fall eine Ermessenreduktion auf Null und führt damit im Ergebnis zu einer Ermessensbindung. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, man sei sehr spät über die Details der gesetzlichen Änderung, darunter auch die Umgestaltung des Gründungszuschusses von einer Anspruchs- zu einer Ermessensleistung, informiert worden. Dies bestätigt den Vortrag des Klägers, im Hinblick auf die Gesetzesänderung sei ausschließlich die Frage der Anspruchsdauer thematisiert worden. In diesem Sinne ist auch dessen Aussage zu verstehen, er nehme die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf seinen Anspruch auf Gründungszuschuss in Kauf. Wenn aber die Beklagte selbst im Spätjahr 2011 über das Ausmaß der gesetzlichen Änderung nicht informiert war und dem Kläger mitteilt, sein Antrag könne nach derzeitigem Stand positiv verbeschieden werden, ist sie in der Pflicht, ihn über neuere Erkenntnisse, die wie im vorliegenden Fall zu einer entgegengesetzten Bewertung der Förderungsvoraussetzungen führen können, in Kenntnis zu setzen. Dies hat die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten im Übrigen offenbar selbst erkannt, indem sie weiter ausführte, sie werde den Kläger informieren, solle sie Näheres zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung wissen. Diese Information ist dann jedoch, nachdem der Beklagten – nach eigenen Angaben Anfang Dezember 2011 – die Details der Neuregelung bekannt waren, nicht erfolgt. Die Beklagte hat dem Kläger damit die Möglichkeit genommen, durch einen früheren Beginn seiner hauptberuflichen Tätigkeit eine Ermessensprüfung zu vermeiden, die letztlich zu dem für den Kläger in der damaligen Situation nachvollziehbar überraschenden Ablehnungsentscheidung führte. Besonders schwer wiegt dies vor dem Hintergrund, dass noch Anfang Dezember 2011 dokumentierte persönliche Gespräche des Klägers mit seiner Arbeitsvermittlerin stattgefunden haben. Dass diese angesichts ihrer intern übermittelten positiven Entscheidung möglicherweise keinen Anlass zu einer Spontanberatung gesehen hat, kann die Beklagte insoweit nicht von ihrer Beratungspflicht entbinden. Ein entsprechender Hinweis an den Kläger hätte ebenso von ihrer Leistungsabteilung und sogar noch nach Rücksendung des Antrags an die Arbeitsvermittlerin am Dienstag, dem 27.12.2011, erfolgen können. Stattdessen hat die Beklagte den Kläger in dem von ihr selbst vermittelten guten Glauben gelassen, einer Förderung mit Gründungszuschuss ab dem 01.01.2012 stehe dem Grunde nach nichts entgegen. Dies lässt jede andere Entscheidung als eine Bewilligung des beantragten Gründungszuschusses unredlich erscheinen und führt daher zu einer Ermessensreduktion auf Null.

cc) Dauer und Höhe der Förderung ergeben sich aus § 58 Abs. 1 SGB III a.F.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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