BGH, Urteil vom 02.02.1999 -VI ZR 392/97
Wird bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Erzeugnisses (hier: Torfsubstrat) eine Sache dadurch beschädigt, daß das Produkt fehlerhaft hergestellt war, so muß der Hersteller beweisen, daß ihm hinsichtlich des Mangels keine objektive Pflichtwidrigkeit oder kein Verschulden zur Last fällt.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Beklagte handelt mit Torferzeugnissen. Sie stellt u.a. aus Torf sogenannte Substrate her, die im Gartenbau zur Auf- und Weiterzucht von Topfpflanzen verwendet werden. Der Kläger hat sich als Inhaber eines Gartenbaubetriebes auf die Kultivierung von Azaleen spezialisiert. Er sprach am 2. September 1993 telefonisch mit einem Mitarbeiter der Beklagten über ein für seine Zwecke geeignetes Azaleen-Substrat und entschied sich sodann für eine bestimmte Zusammensetzung dieses Produkts. Das Substrat wurde dem Kläger am 6. September 1993 von dem landwirtschaftlichen Betrieb G., der die Torferzeugnisse der Beklagten vertreibt, geliefert und über die Union gartenbaulicher Absatzmärkte (UGA) St. mit 2.799,39 DM in Rechnung gestellt.
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Der Kläger verwendete das Substrat in der Zeit vom 15. September bis 14. Dezember 1993 zur Bewurzelung von Azaleenstecklingen und zur Aufzucht von Azaleenpflanzen. Mitte November 1993 stellte er an den Stecklingen eine verzögerte Wurzelbildung und an den Jungpflanzen ein stark gestörtes Wachstum fest. Er führt dies auf das von der Beklagten hergestellte Produkt zurück und behauptet, die Pflanzen hätten von ihm nicht vermarktet werden können. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nimmt er die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von (jetzt noch) 517.977,17 DM in Anspruch.
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Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Beklagte zur Zahlung von 40.513 DM nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils im Umfang der vorstehend bezifferten Schadensersatzforderung erstrebt.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht hat es im Gegensatz zum Landgericht nicht für erwiesen erachtet, daß zwischen den Parteien unmittelbare Vertragsbeziehungen in Form eines Werklieferungsvertrages zustande gekommen sind. Andere Anspruchsgrundlagen seien vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB scheide schon deshalb aus, weil der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger ein Verschulden der Beklagten nicht dargetan habe.
II.
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Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
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1. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Beweislastverteilung bei Ansprüchen aus Produkthaftung nach § 823 Abs. 1 BGB verkannt hat.
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a) Aufgrund des Sachvortrags des Klägers und des Beweisergebnisses des Landgerichts ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß das an den Kläger gelieferte Substrat bereits im Betrieb der Beklagten durch wachstumshemmende Stoffe verunreinigt worden ist. Der revisionsrechtlichen Prüfung ist ferner die Behauptung des Klägers zugrunde zu legen, daß das verunreinigte und damit von der Beklagten fehlerhaft hergestellte Torfprodukt zu nachteiligen Auswirkungen auf das Wachstum der Azaleenstecklinge und -pflanzen geführt hat. Das wird auch von der Revisionserwiderung der Beklagten nicht in Frage gestellt.
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b) Auf dieser Grundlage ist von einer Verletzung des Eigentums des Klägers an den Azaleen durch das Produkt der Beklagten auszugehen. Es ist nicht lediglich, wie die Revisionserwiderung geltend macht, das Äquivalenz- (= Erfüllungs-)Interesse des Klägers an der vertragsgemäßen Lieferung eines sauberen Substrats beeinträchtigt worden; die bestimmungsgemäße Verwendung des von der Beklagten hergestellten Produkts hat vielmehr zu einer Verletzung der Integritätsinteressen des Klägers an seinen zuvor gesunden Stecklingen und Jungpflanzen geführt (vgl. BGHZ 51, 91, 102; 105, 346, 350; Senatsurteil vom 2. Dezember 1986 – VI ZR 252/85 – VersR 1987, 587, 588). Der vom Kläger daraus hergeleitete Schaden deckt sich auch nicht etwa mit dem Unwert, welcher dem von der Beklagten hergestellten Substrat bei seinem Erwerb durch den Kläger anhaftete und für den die Beklagte auf deliktischer Grundlage keinen Ersatz schulden würde (zur Abgrenzung von Äquivalenz- und Integritätsinteresse siehe allgemein Senatsurteil vom 31. März 1998 – VI ZR 109/97 – VersR 1998, 855, 856 ff. – demnächst BGHZ 138, 230 ff.).
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c) War aber das von der Beklagten hergestellte Substrat mangelhaft und hat dieser Mangel bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Produkts zu einer Eigentumsverletzung des Klägers geführt, so ist es entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht Sache des Klägers, ein Verschulden der Beklagten darzulegen und zu beweisen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats hat sich vielmehr in solchen Fällen der Produzent zu entlasten und dabei das Fehlen einer objektiven Pflichtwidrigkeit oder eines Verschuldens darzutun (BGHZ 51, 91, 102 ff.; 116, 104, 107 ff.; Senatsurteil vom 11. Juni 1996 – VI ZR 202/95 – VersR 1996, 1116, 1117). Dies gilt auch für die Beweislastverteilung im Verhältnis von Gewerbetreibenden untereinander, wie sie im Streitfall zu beurteilen ist (BGHZ 105, 346, 352).
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d) Der hiernach der Beklagten obliegende Entlastungsbeweis ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erbracht. Die Beklagte hat insbesondere nicht bewiesen, daß sie bei Anwendung der von einem Hersteller zu erbringenden Sorgfalt nicht mit einer Verunreinigung des Substrats in ihrem Betrieb rechnen mußte (vgl. BGHZ 105, 346, 352 ff.).
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2. Da auf der Grundlage des bislang festgestellten Sachverhalts von einer Schadensersatzpflicht der Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer deliktischen Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB auszugehen ist, kommt, soweit diese auch Folgeschäden umfassende Haftung reicht (vgl. dazu Senatsurteile vom 11. Juni 1996 – VI ZR 202/95 – und vom 31. März 1998 – VI ZR 109/97 – jeweils aaO), eine Einstandspflicht der Beklagten aus dem von der Revision zusätzlich geltend gemachten “Auffangtatbestand” eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb des Klägers nicht in Betracht (siehe BGHZ 105, 346, 350; Senatsurteil vom 18. Januar 1983 – VI ZR 270/80 – VersR 1983, 346 f.). Es wird Sache des Klägers sein, dem Berufungsgericht im Rahmen der ohnehin erforderlichen weiteren Verhandlung näher darzulegen, aus welchen Gründen ein etwa nicht der Produzentenhaftung unterfallender Teil der Klageansprüche aus dem Gesichtspunkt eines Eingriffs der Beklagten in den Gewerbebetrieb des Klägers gerechtfertigt sein kann.
III.
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Das Berufungsurteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Verhandlung wird die Beklagte dann auch Gelegenheit haben darzulegen, daß sie nicht gegen die einem Hersteller u.U. obliegende Befundsicherungspflicht (BGHZ 104, 323, 333 ff.) verstoßen hat, obwohl sie von Vegetationstests abgesehen hat, die nach den Ausführungen der Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren seinerzeit von der Mehrzahl der torfverarbeitenden Betriebe bereits durchgeführt wurden.