SG Stuttgart, Urteil vom 02.10.2018 – S 6 AL 1479/18
Gewährung eines Gründungszuschusses: Vermittlungsvorrang kein Tatbestandsmerkmal
Das SG Stuttgart hat entschieden, dass ein Bescheid über die Ablehnung eines Gründungszuschusses aufgrund eines Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig und die Agentur für Arbeit zur Neubescheidung zu verurteilen ist, wenn sie entsprechend ihrer überregionalen Weisungen den Vermittlungsvorrang als Tatbestandsmerkmal und nicht als Ermessensgesichtspunkt behandelt.
Eine Ermessensunterschreitung liege jedenfalls dann vor, wenn die Agentur für Arbeit keine individuelle Prüfung des Falles vornehme, sondern unter Angabe eines angeblich bestehenden Vermittlungsvorrangs pauschal die Gewährung des Gründungszuschusses ablehne, so das Sozialgericht.
Im zugrundeliegenden Verfahren begehrte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses. Die in § 93 SGB III genannten Tatbestandsvoraussetzungen lagen unstreitig vor. Obwohl die Agentur für Arbeit in fünf Monaten, die der Kläger bei ihr bereits arbeitslos gemeldet war, ihm keinen einzigen Vermittlungsvorschlag unterbreitete, lehnte sie die Gewährung eines Gründungszuschusses mit der Begründung ab, es bestünde ein Vermittlungsvorrang (vgl. § 4 SGB III).
Das SG Stuttgart hat die überregionalen Weisungen der Agentur für Arbeit überprüft. Hier wird angegeben, die Tatbestandsvoraussetzungen seien nur dann zu prüfen und das Ermessen auszuüben, wenn für den Betroffenen keine Stellenangebote gemeldet seien. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Sozialgerichts, dass die Beklagte in ihren Weisungen den Vermittlungsvorrang verabsolutiere. Die Prüfung eines Vorrangs der Vermittlung werde sogar noch vor Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen gezogen, weshalb ein Bescheid auf Grundlage dieser Weisungen an einem Ermessensnichtgebrauch leide. Im Falle des Klägers habe jedenfalls eine Ermessensunterschreitung vorgelegen, da die Beklagte keinen einzigen individuellen Gesichtspunkt seines Falles in der als solcher bezeichneten Ermessensausübung gewürdigt habe. Sie sei deshalb zur Neubescheidung zu verurteilen gewesen.
Quelle: Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2019