OLG Köln, Urteil vom 26.07.2012 – 18 U 186/11
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt eine Abrede über die Anrechnung einer Vorauszahlung auf die beurkundete Kaufpreisforderung dem Beurkundungszwang nach § 313 S. 1 BGB (Rn. 42).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.02.2011 – 43 O 108/10 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.02.2011 – 43 O 108/10 – wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 02.11.2011 – 43 O 23/11 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Vollstreckung nach diesem Urteil richtet.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Aachen vom 02.11.2011 – 43 O 23/11 – sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von 140.000 EUR aus einem Immobiliengeschäft in Anspruch.
2
Die Klägerin erwarb von der Beklagten, die Gesellschafterin der Klägerin ist, mit notariellem Vertrag des Notars Dr. S aus K vom 15.12.2009 ein Hausgrundstück in B. In § 2 des Vertrags ist der Kaufpreis mit 140.000 EUR angegeben. Weiter heißt es:
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“Der Kaufpreis ist bereits gezahlt, worüber der Verkäufer hiermit Quittung erteilt.”
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In § 3 des Vertrags ist ein Gewährleistungsausschluss unter Ausnahme der Haftung für Vorsatz oder Arglist geregelt. Ein Entwurf des Kaufvertrags vom 27.02.2009 hatte noch einen Kaufpreis von 120.000 EUR vorgesehen. Vor Beurkundung des Kaufvertrags war es im Gebäude zu einem Schaden wegen austretendem Leitungswasser gekommen, was den Parteien bekannt war.
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Vor Kaufvertragsschluss hatte die Klägerin an die Beklagte auf den Kaufpreis für das Grundstück 50.000 EUR bezahlt. Weitere Zahlungen leistete sie zunächst nicht. Während einer schweren Erkrankung des Geschäftsführers der Klägerin veranlasste die Beklagte im Oktober 2010 u.a. die Überweisung von weiteren 90.000 EUR in vier Teilbeträgen an sich selbst.
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Die Klägerin hat die Beklagte im Ausgangsverfahren Landgericht Aachen 43 O 108/10 = 18 U 186/11 auf Rückzahlung von 90.000 EUR in Anspruch genommen und behauptet, die Parteien hätten sich vor Vertragsschluss im Hinblick auf den eingetretenen Wasserschaden darauf geeinigt, dass es mit den bereits auf den Kaufpreis gezahlten 50.000 EUR sein Bewenden haben solle. Dies sei der Grund für die Quittierung der vollständigen Kaufpreiszahlung im notariellen Vertrag gewesen.
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Die Beklagte hat behauptet, sie sei während der Erkrankung des Geschäftsführers der Klägerin deren faktische Geschäftsführerin gewesen. Dies sei zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich gewesen. Der im Notarvertrag angegebene Kaufpreis habe dem Willen der Parteien entsprochen, lediglich die Angabe zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises sei falsch gewesen. Sie habe die Quittung erteilt, weil sie dem Geschäftsführer der Klägerin vertraut habe. Die Beurkundung habe möglichst schnell erfolgen sollen, obwohl der vereinbarte Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt gewesen sei.
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Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 22.02.2011 zur Zahlung von 90.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.000 EUR ab dem 22.10.2010, aus jeweils 25.000 EUR ab dem 25. Und dem 26.10.2010 und aus 10.000 EUR ab dem 28.10.2010 verurteilt. Den auf die Feststellung gerichteten Antrag, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handele, hat es abgewiesen.
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Mit ihrer Berufung zum Aktenzeichen 18 U 186/11 verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.02.2011 – 43 O 108/10 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, dass die Parteien sich im Notartermin auf eine Reduzierung des Kaufpreises auf 50.000 EUR geeinigt hätten und das auf Vorschlag des Notars Dr. S durch die oben zitierte Vertragsklausel zum Ausdruck gebracht hätten.
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Mit ihrer Anschlussberufung verfolgt sie den in erster Instanz erfolglosen Feststellungsantrag weiter und beantragt insoweit sinngemäß,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 22.02.2011 – 43 O 108/10 – festzustellen, dass die Forderung der Klägerin aus einer rechtswidrigen vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten resultiert.
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Die Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
18
Im Ausgangsverfahren Landgericht Aachen 43 O 23/11 = 18 U 235/11 hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung auch der vor Vertragsschluss gezahlten 50.000 EUR Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks in B in Anspruch genommen und behauptet, die Parteien seien sich über den Kaufpreis nicht einig gewesen. Während sie nur zur Zahlung von 50.000 EUR bereit gewesen sei, habe die Beklagte auf 140.000 EUR bestanden.
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Die Beklagte hat behauptet, der angegebene Kaufpreis habe dem Willen der Parteien entsprochen, lediglich die Angabe zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises sei falsch gewesen. Im Übrigen hat sie auf den Vortrag der Klägerin im Parallelverfahren verwiesen, wonach jedenfalls Einigkeit über einen Kaufpreis von 50.000 EUR bestanden habe. Eine etwaige Formnichtigkeit des danach geschlossenen Kaufvertrags sei durch den Vollzug des Geschäfts geheilt worden.
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Die Klägerin hat in erster Instanz sinngemäß beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 50.000 EUR nebst Zinsen an sie zu verurteilen Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundstücks in B und festzustellen, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befinde. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.09.2011 abgewiesen.
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Mit der Berufung zum Aktenzeichen 18 U 235/11 verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus behauptet sie, die Beklagte habe sie vor Vertragsschluss arglistig über die Werthaltigkeit des Grundstücks getäuscht. Sie habe erklärt, ausweislich eines Wertgutachtens, das sie eingeholt habe, aber dem Geschäftsführer der Klägerin derzeit nicht zeigen könne, sei die Immobilie 140.000 EUR wert. Tatsächlich habe die Klägerin ein Gutachten des Sachverständigen C kürzlich in Kartons mit Geschäftsunterlagen aufgefunden, welche die Beklagte aus den Räumen einer vormaligen gemeinsamen GbR widerrechtlich entfernt und erst jetzt an die Klägerin zurückgeben habe. Aus diesem Gutachten, das die Klägerin vorgelegt hat (Anlage K 2, Bl. 185 ff. GA) ergebe sich ein Verkehrswert von nur 117.000 EUR. Die Klägerin erklärt deshalb mit Schriftsatz vom 09.01.2012 die Anfechtung des Vertrags vom 15.12.2009.
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Die Klägerin ist nach Hinweis des Senats im Übrigen der Auffassung, ihr Vortrag im Ausgangsverfahren Landgericht Aachen 43 O 23/11 stehe nicht im Widerspruch zum Vortrag im Ausgangsverfahren Landgericht Aachen 43 O 108/11. Sie habe lediglich die Konsequenzen aus der Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der Kaufvertrag nichtig sei, gezogen und sich auf den “rechtlichen Gesichtspunkt des Dissenses” gestützt. Es sei ihr “stets unveränderter Vortrag”, dass man sich geeinigt habe, dass es mit den gezahlten 50.000 EUR sein Bewenden haben solle. Der Kaufvertrag sei aber nichtig, weil etwas anderes protokolliert worden sei als die Parteien vereinbart hätten.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Landgerichts Aachen vom 02.09.2011 – 43 O 23/11 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.000 EUR nebst Zinsen ab dem 10.03.2011 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückauflassung des im Grundbuch des Amtsgerichts Jülich von B Blatt xxx verzeichneten Grundbesitzes der Gemarkung B, sowie festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Rückauflassung des vorbezeichneten Grundbesitzes im Annahmeverzug befinde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 24.05.2012 verbunden. Er hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 29.12.2011. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2012 Bezug genommen.
II.
29
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.02.2011 hat Erfolg, während die Anschlussberufung der Klägerin gegen dieses Urteil und ihre Berufung gegen das Urteil vom 02.09.2011 zulässig aber nicht begründet sind.
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1. Das Landgericht hat die Beklagte im Ausgangsverfahren 18 U 186/11 zu Unrecht zur Rückzahlung von 90.000 EUR an die Klägerin verurteilt, während es im Ausgangsverfahren 18 U 235/11 im Ergebnis zu Recht einen Zahlungsanspruch verneint hat.
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Das Landgericht hat angenommen, dass sich der Anspruch auf Rückzahlung von 90.000 EUR aus § 43 GmbHG und der Verletzung von Treuepflichten der Beklagten als Gesellschafterin der Klägerin ergebe. Die Beklagte habe als faktische Geschäftsführerin der Gesellschaft einen Schaden zugefügt, indem sie die 90.000 EUR an sich überwiesen habe, weil eine entsprechende Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht bestanden habe. Eine solche ergebe sich nicht aus dem Grundstückskaufvertrag vom 15.12.2009. Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der notariellen Urkunde sei widerlegt, weil die im Kaufvertrag erteilte Quittung unstreitig falsch sei. Da weder die Beibehaltung des ausgehandelten Kaufpreises nach Entdeckung des Wasserschadens noch die über zehn Monate andauernde Untätigkeit der Beklagten mit der Lebenserfahrung zu vereinbaren seien, sei das Gericht davon überzeugt, dass der notarielle Kaufvertrag den wahren Willen der Parteien nicht wiedergebe und daher gemäß § 117 BGB nichtig sei. Zwischen den Parteien sei aber ein nicht beurkundeter Grundstückskaufvertrag mit einem jedenfalls 50.000 EUR übersteigenden Kaufpreis zustande gekommen, wobei der Formmangel durch Vollzug geheilt worden sei.
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2. Diese Erwägungen des Landgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche insgesamt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
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a) Ein Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte faktische Geschäftsführerin der Klägerin war, was Voraussetzung für eine Haftung nach dieser Vorschrift wäre. Es fehlt jedenfalls an einem Schaden der Klägerin, weil die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der 90.000 EUR gegen sie aus dem notariellen Kaufvertrag vom 15.12.2009 hatte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Parteien einen Kaufpreis von 140.000 EUR wirksam vereinbart haben.
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aa) Hierfür streitet zunächst die Beweiskraft des notariellen Kaufvertrags vom 15.12.2009 gemäß § 415 ZPO, deren Tragweite das Landgericht verkannt hat. Durch die Urkunde ist bewiesen, dass die beurkundete Erklärung zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort wie in der Urkunde vollständig niedergelegt und nicht anders abgegeben wurde (Zöller-Geimer, ZPO, § 415 Rn. 5 m.w.Nw.), was vorliegend insbesondere auch die Vereinbarung über die Höhe des Kaufpreises umfasst. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundentext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Auslegung der beurkundeten Erklärungen – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (BGH, NJW 2002, 3164, 1365 m.w.Nw.).
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Das gilt insbesondere für die Behauptung, bei dem beurkundeten Geschäft handele es sich um ein Scheingeschäft. Ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Die Beweislast für ein Scheingeschäft trägt derjenige, der sich darauf beruft (BGH, Urteil vom 25.11.2008 – XI ZR 413/07 -, Juris-Tz. 31 m.w.Nw.).
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bb) Die Annahme eines Scheingeschäfts setzt im vorliegenden Fall voraus, dass bewiesen oder unstreitig wäre, dass die Parteien den im Notarvertrag festgeschriebenen Kaufpreis tatsächlich gar nicht gewollt und die Erklärung nur zum Schein abgegeben haben.
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(1) Ein derartiges Einvernehmen der Parteien lässt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ohne Weiteres daraus herleiten, dass die im Kaufvertrag erteilte Quittung über die Bezahlung des vollständigen Kaufpreises unstreitig falsch ist, weil nicht 140.000 EUR, sondern nur 50.000 EUR gezahlt waren. Denn die Vereinbarung des Kaufpreises ist abzugrenzen von Vereinbarungen über die Art und Weise der Erfüllung der Kaufpreisschuld. Abreden über die Art und Weise der Erfüllung lassen keinen Rückschluss auf die vereinbarte Höhe des Kaufpreises zu. Die falsche Quittung belegt nur, dass die Parteien die Art und Weise der Erfüllung außerhalb des Vertrags geregelt hatten oder noch regeln wollten.
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(2) Der Klägerin ist der von ihr zu führende Beweis, dass die Parteien tatsächlich einen Kaufpreis von 50.000 EUR vereinbart haben und dies durch die Erteilung einer Quittung über die vollständige Kaufpreiszahlung zum Ausdruck bringen wollten, nicht gelungen. Der Senat hat zu dieser Behauptung der Klägerin den Notar Dr. S vernommen. Der Zeuge hat den Vortrag der Klägerin nicht bestätigt. Er hat bekundet, dass sich aus seinen Akten ergebe, dass die Quittierung der Kaufpreiszahlung auf telefonisch geäußerte Bitte vor dem Beurkundungstermin von einer Mitarbeiterin in den Vertrag aufgenommen worden sei. Seine Mitarbeiterin, die er zu dem Vorgang befragt habe, habe gemeint, der Anrufer sei der Geschäftsführer der Klägerin gewesen. Im Beurkundungstermin habe er, der Zeuge, im Vertragstext noch ergänzt, dass er die Beteiligten über die Risiken einer vorzeitigen Kaufpreiszahlung belehrt habe. Er habe noch gefragt, ob der Kaufpreis tatsächlich bezahlt worden sei, was die Parteien bejaht hätten. Von der Höhe der Zahlung sei nicht die Rede gewesen. Nach seinem Verständnis liege in dem behaupteten Vorgang eine Schwarzbeurkundung. Wer ihm eine solche ansinne, werde von ihm aufgefordert, seine Amtsräume zu verlassen.
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Für eine erneute Vernehmung des Zeugen Dr. S bestand auch angesichts des Umstands, dass der Geschäftsführer der Klägerin an der Beweisaufnahme krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte, und unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 05.07.2012 keine Veranlassung. Die Klägerin hat keine entscheidungserheblichen Umstände oder Fragen aufzuzeigen vermocht, zu denen der Zeuge ergänzend bekunden könnte. Wie ausführlich der Zeuge die Beklagte über die rechtliche Bedeutung einer Quittung und namentlich darüber belehrt habe, dass sie aufgrund der Quittung von der Klägerin nichts mehr verlangen könne, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Auch wenn die Beklagte die Kaufpreiszahlung nach einer solchen Belehrung bejaht und der Quittierung der Zahlung in der notariellen Urkunde zugestimmt hat, bleibt es dabei, dass die Parteien nach der Urkunde einen Kaufpreis von 140.000 EUR vereinbart haben und lediglich Beurkundung der Kaufpreiszahlung falsch ist. Ebenso wenig lässt der – ohnehin verspätete – Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 05.07.2012 zum Inhalt des Telefonats zwischen ihrem Geschäftsführer und der Mitarbeiterin des Notars Dr. S Rückschlüsse auf den Inhalt der Vereinbarungen der Parteien zu, weil die Beklagte an diesem Gespräch auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht beteiligt war. Soweit in diesem Vortrag angedeutet ist, dass der Kläger sich über die rechtliche Bedeutung der im notariellen Vertrag enthaltenen Erklärungen geirrt haben könnte, hat er hieraus die erforderlichen rechtlichen Konsequenzen, nämlich eine Anfechtung, nicht gezogen. Die Anfechtungserklärung im Ausgangsverfahren 18 U 235/11, die mit der Berufungsbegründung vom 09.01.2012 erfolgt ist, ist – zu Unrecht, wie noch auszuführen sein wird – mit einer arglistigen Täuschung begründet und erfasst einen Inhaltsirrtum bei der Abgabe der Vertragserklärungen nicht. Zudem war die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB am 09.01.2012 und umso mehr am 05.07.2012 bereits abgelaufen. Spätestens mit den Hinweisen des Senats in der Terminsverfügung vom 06.09.2012 war klar, dass sich der Wille des Klägers, so er darauf gerichtet war, einen Kaufpreis von 50.000 EUR zu vereinbaren, mit der abgegebenen Erklärung möglicherweise nicht gedeckt hat, so dass zur Fristwahrung eine Eventualanfechtung geboten gewesen wäre (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 121, Rn. 3).
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(3) Die Vereinbarung eines Kaufpreises von nur 50.000 EUR ergibt sich schließlich auch nicht aus weiteren Umständen. Insbesondere steht der Eintritt des Wasserschadens der Beibehaltung des zuvor ausgehandelten Kaufpreises nicht zwingend entgegen. Es ist unstreitig, dass die Klägerin nach den vorhandenen Plänen das Gebäude jedenfalls nur teilweise im Rahmen der Errichtung des vorgesehenen Mutter-Kind-Heims nutzen wollte, so dass der Sanierungsaufwand für die Preisfindung nur eingeschränkte Bedeutung hatte. Zudem gingen die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon aus, dass der Beklagten eine Forderung gegen die Gebäudeversicherung zustand, die sie unstreitig an die Klägerin abgetreten hat, wenn diese die Forderung im Ergebnis auch nicht durchsetzen konnte.
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Auch dass die Beklagte den Restkaufpreis zunächst nicht geltend gemacht hat, ist unschädlich. Rückschlüsse auf die Vereinbarungen der Parteien lassen sich daraus nicht ziehen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Geschäftsführer der Klägerin und die Beklagte nicht nur über ihre berufliche Zusammenarbeit und als Gesellschafter mehrerer Unternehmen sondern auch als Eltern einer gemeinsamen Tochter miteinander verbunden waren. Umstände, aus denen sich eine Verwirkung der Forderung ergeben könnte, sind ebenfalls nicht erkennbar.
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cc) Dass die im notariellen Vertrag erteilte Quittung über die Kaufpreiszahlung falsch war, führt auch nicht zur Nichtigkeit des Vertrags wegen eines Verstoßes gegen die Beurkundungspflicht aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Die Klägerin hat zwar zu Recht darauf verwiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abrede über die Anrechnung einer Vorauszahlung auf die beurkundete Kaufpreisforderung dem Beurkundungszwang nach § 313 S. 1 BGB unterliegt, weil sie auch die Frage betrifft, in welcher Weise der Kaufpreis erbracht werden soll. Die Anrechnungsvereinbarung enthält damit zugleich eine Rechtsgrundabrede für die vor Vertragsschluss erbrachte Teilleistung und begründet eine der Vertragserfüllung gedanklich vorausgehende Verpflichtung (BGH NJW 1986, 248; NJW 1998, 1470). Soweit in der Quittung über die Kaufpreiszahlung eine solche beurkundungspflichtige Abrede über die Anrechnung einer Vorauszahlung liegt, ist der Formmangel aber jedenfalls gemäß § 313 Abs. 1 S. 2 BGB geheilt. Unstreitig ist der Kaufvertrag nämlich durch Auflassung und Eintragung der Klägerin in das Grundbuch vollzogen worden.
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cc) Der Kaufvertrag ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.
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(1) Ein Einigungsmangel steht dem Vertragsschluss nicht entgegen. Soweit die Klägerin im Ausgangsverfahren 18 U 235/11 zunächst behauptet hat, die Parteien seien sich am 15.12.2009 über den Kaufpreis für das Grundstück entgegen der notariellen Urkunde nicht einig gewesen, hat sie für ihren Vortrag keinen Beweis angetreten. Dieser Vortrag der Klägerin stand aber auch in diame-tralem Widerspruch zu ihrem Vorbringen im Ausgangsverfahren 18 U 186/11, dass die Parteien sich im Notartermin auf einen Kaufpreis von 50.000 EUR geeinigt hätten, so dass er wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht ohnehin nicht berücksichtigt werden konnte:
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Aus der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO folgt zwar kein grundsätzliches Verbot widersprüchlichen Vorbringens. So kann eine Partei einander ausschließende Sachverhalte als Haupt- und Hilfsbegründung für ihren Anspruch vortragen (Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, § 138, Rn. 6; von Selle in: Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 138, Rn. 34). Sie kann sich den eigenen Behauptungen widersprechenden Sachvortrag des Gegners hilfsweise zu eigen machen (Zöller-Greger, ZPO, § 138, Rn. 4; Wagner in: MüKo, ZPO, § 138, Rn. 12) oder ihren Vortrag im Laufe des Verfahrens ändern (BGH NJW-RR 2000, 208). Einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht stellt widersprüchlicher Parteivortrag aber dann dar, wenn das Verhältnis der einander ausschließenden Behauptungen nicht klargestellt wird, weil nur eine der Behauptungen wahr sein kann (BGH NJW-RR 1987, 1469; von Selle aaO., Rn. 34).
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So lag der Fall hier: Die Parteien können sich nur entweder auf einen Kaufpreis von 50.000 EUR geeinigt oder aber bis zum Schluss unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis gehabt haben. Nur eine von beiden Behauptungen der Klägerin kann wahr sein. Da der Vortrag im Ausgangsverfahren 18 U 235/11 parallel zum Vortrag im Ausgangsverfahren 18 U 186/11 erfolgt ist, kann auch nicht von einer zulässigen Änderung des Vortrags ausgegangen werden.
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(2) Der Kaufvertrag ist schließlich auch nicht aufgrund der im Ausgangsverfahren 18 U 235/11 erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung als von Anfang an nichtig anzusehen.
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Es fehlt bereits an einem Anfechtungsgrund. Die Klägerin hat eine arglistige Täuschung der Beklagten über den Wert des Grundstücks nicht hinreichend dargetan. Insbesondere lässt ihr Vortrag nicht auf ein arglistiges Verhalten der Beklagten schließen.
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Arglist setzt Vorsatz voraus, d.h., dass der Handelnde die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten muss, was auch noch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Fall sein muss (Palandt-Ellenberger, BGB, § 123, Rn. 11). Hieran fehlt es. Die Klägerin trägt lediglich vor, dass die Erklärung der Beklagten, der Wert des Grundstücks belaufe sich nach einem Gutachten auf 140.000 EUR, von der tatsächlichen Bewertung des Sachverständigen C abweiche. Hieraus ergibt sich aber unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem vorgelegten Gutachten nicht, dass die Beklagte diese Abweichung kannte oder für möglich hielt. Dabei ist zu bedenken, dass das Gutachten vom 05.07.2007 datiert, die Parteien aber erst ab Anfang 2009 über den Verkauf des Grundstücks verhandelten, wobei die Klägerin nicht vorträgt, wann die falsche Erklärung der Beklagten erfolgt sein soll. In Betracht kommt auch eine Angabe erst kurz vor dem Notartermin. Das Gutachten geht zudem von einem Sachwert von 155.000 EUR, einem Ertragswert von 87.000 EUR und einem Verkehrswert von 120.000 EUR, von dem der Sachverständige 3.000 EUR wegen ausstehender Abgaben abzieht, aus. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen Gutachtenerstellung und angeblicher Täuschung von mindestens 1½, maximal 2½ Jahren und den unterschiedlichen Wertangaben im Gutachten ist es nicht fernliegend, dass die Beklagte sich schlicht unzutreffend an die Bewertung des Sachverständigen erinnert hat.
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Die Klägerin trägt im Übrigen auch nicht vor, dass die Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten für ihre Willensentscheidung kausal gewesen sei. Es genügt zwar Mitursächlichkeit, da auf dem Grundstück aber ein neues Mutter-Kind-Wohnheim entstehen sollte – wenn auch nach Klägervortrag unter Aufstockung und Ausbau des vorhandenen Gebäudes – erscheint fraglich und hätte daher näheren Vortrags bedurft, ob für die Kaufentscheidung der Klägerin eine am Bestand orientierte Grundstücksbewertung maßgeblich war. Jedenfalls ohne die Einzelheiten des Gutachtens zu kennen, war für die Klägerin gar nicht zu beurteilen, ob die Bewertungen des Sachverständigen irgendeine Bedeutung für die von ihr beabsichtigte Nutzung hatten.
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b) Ist nach alledem von der wirksamen Vereinbarung eines Kaufpreises von 140.000 EUR auszugehen, kommen auch Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB wegen der Verletzung einer Treuepflicht der Beklagten als Gesellschafterin der Klägerin und aus §§ 677, 678 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB mangels Eintritts eines Schadens nicht in Betracht.
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c) Da der Kaufvertrag vom 15.12.2009 den Rechtsgrund für die Zahlung sowohl der vor Vertragsschluss gezahlten 50.000 EUR also auch für die im Herbst 2010 gezahlten 90.000 EUR darstellt, scheiden schließlich auch Rückzahlungsansprüche der Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus.
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2. Für die beantragte Feststellung, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handele, ist mangels Bestands der Forderung ebenso wenig Raum wie für die Feststellung, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Rückauflassung des verkauften Grundstücks im Annahmeverzug befinde.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen ist, liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Fragen sind höchstrichterlich geklärt.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 140.000 EUR