Fehlende Überzeugung des Gerichts über ärztliche Pflichtverletzung geht zu Lasten des Anspruchstellers

OLG München, Urteil vom 24.05.2012 – 1 U 3634/11

Gelangt das Gericht nach einer Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung, dass eine vom klagenden Patienten behauptete Pflichtverletzung des Arztes (hier: fehlender Hinweis auf die Notwendigkeit kurzfristiger Verlaufskontrollen durch den Hausarzt), geht dies zu Lasten des Anspruchstellers (Rn. 53).

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 26.07.2011, Az.: 1 O 584/11 Hei, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil und das in Ziffer I genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit der Behandlung einer Armfraktur geltend.

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Der am 01.09.2005 geborene Kläger verbrachte zusammen mit seinen Eltern und seinen Schwestern vom 08.11.2008 bis zum 22.11.2008 auf einem Bauernhof in der Nähe von T. seine Ferien.

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Am 10.11.2008 stürzte der Kläger beim Trampolinspringen auf die rechte Hand und verletzte sich am rechten Arm.

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Der Kläger wurde zur Behandlung in das Krankenhaus der Beklagten verbracht. Dort diagnostizierten die Ärzte eine distale Radiusschaftfraktur rechts und eine distale Fissur der Ulna rechts. Es wurde eine Oberarmschiene angelegt.

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Den Eltern des Klägers wurde ein an den Kinderarzt des Klägers adressierter Ambulanzbrief übergeben. In dem Brief heißt es unter dem Stichwort Verlauf:

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Bei dem vorliegenden Befund wurde eine Oberarmgipsschiene zur Frakturstabilisierung und zur adäquaten Schmerztherapie angelegt. Diese sollte für ca. 3 Wochen bis zur sicheren knöchernen Konsolidierung getragen werden. Wir bitten um weitere Verlaufskontrolle, gegebenenfalls Anpassung der Oberarmgipsschiene.

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Nach Rückkehr aus dem Urlaub begab sich der Kläger zusammen mit seiner Mutter am 04.12.2008 zu einem Orthopäden, der den Gips abnahm und feststellte, dass sich die Fraktur verschoben hatte und es zu einer schiefen Verwachsung gekommen war.

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Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen:

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Die Beklagte hätte behandlungsfehlerhaft ihn bzw. seine Eltern nicht auf die Notwendigkeit kurzfristiger Kontrolluntersuchungen des Armes bzw. des Gipses hingewiesen. Auf Nachfrage des Kindesvaters, ob nicht Folgeuntersuchungen und weitere Kontrollen stattfinden müssten, habe die behandelnde Ärztin gesagt, die Eltern sollten sich nicht so viele Sorgen machen, der Kläger hätte nach 2 Tagen keine Schmerzen mehr und könne wieder normal spielen. Es würde vollkommen ausreichen, sich in 3 Wochen zum am Heimatort ansässigen Kinderarzt zu begeben, um dort den Gips abnehmen zu lassen. Es sei zudem betont worden, dass für eine Weiterbehandlung das Krankenhaus als Notfallambulanz ohnehin nicht zuständig wäre, dies aber auch nicht nötig sei. Dementsprechend sei der Arztbrief vom 10.11.2008 auch an den heimatlichen Kinderarzt und nicht an einen ortsansässigen Orthopäden adressiert worden. Der Kläger leide unter erheblichen Einschränkungen im rechten Arm, es sei zu einer deutlichen Fehlstellung der Hand und entsprechendem Kraftverlust gekommen, er könne nicht richtig zugreifen und habe aufgrund der vorliegenden Verletzungsfolgen von Rechtshänder auf einen Linkshänder umerzogen werden müssen.

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Der Kläger hat beantragt:

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I. Die Beklagte zu verurteilen, € 1.202,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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II. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 25.000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, letztere, soweit sie derzeit nicht vorhersehbar sind, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung ab dem 10.11.2008 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

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IV. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger freizustellen von den außergerichtlichen nicht anzurechnenden Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte …, aus der Kostennote vom 17.01.2011 in Höhe von 2.170,56 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen:

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Die Behandlung des Klägers am 10.11.2008 sei lege artis erfolgt. Die Eltern der Klagepartei seien ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, eine weitere Verlaufskontrolle sowie gegebenenfalls eine Anpassung der Oberarmschiene zu veranlassen. Wegen der fehlenden Kassenzulassung des Krankenhauses sei der Kläger für die weitere Behandlung auf niedergelassene Ärzte verwiesen worden. Die behaupteten Folgen für den Kläger würden bestritten. Das verlangte Schmerzensgeld sei weit übersetzt.

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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Anhörung der Eltern des Klägers sowie Einvernahme der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. N. als Zeugen.

20

Das Landgericht wies mit Endurteil vom 26. Juli 2011 die Klage ab.

21

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Behandlungsvertrages nicht bestünden. Die Kammer sei angesichts der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die Eltern der Klagepartei seitens der Zeugin Dr. M. nicht auf die Notwendigkeit kurzfristiger Kontrolluntersuchungen des Armes bzw. des Gipses hingewiesen worden seien. Die bestehenden Zweifel gingen zu Lasten des Klägers. Dem Umstand, dass der Ambulanzbrief vom 10.11.2008 an den Kinderarzt des Klägers an seinem Heimatort adressiert worden sei, lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass über kurzfristige Kontrolluntersuchungen noch in T. bzw. am Urlaubsort nicht gesprochen worden sei. Auch die Mutter des Klägers habe nach Aussage der Zeugin Dr. M. angegeben, dass über niedergelassene Ärzte in T. bzw. in der Umgebung gesprochen worden sei. Auch sei die Auslegung des Ambulanzbriefes, dass eine Verlaufskontrolle erst nach 3 Wochen zu erfolgen habe, nicht überzeugend.

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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 02.09.2011 gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26.07.2011, das ihm am 15.08.2011 zugestellt worden war, Berufung eingelegt. Die Berufung begründete er mit Schriftsatz vom 14.10.2011.

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Der Kläger trägt vor:

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Das Landgericht habe zu Unrecht das Klagebegehren abgewiesen. Die Mutter des Klägers habe den Ablauf der Untersuchung glaubwürdig geschildert. Die Eltern des Kindes, insbesondere der Vater, der als gelernter Krankenpfleger großes Interesse gezeigt und sein Augenmerk auf die weiteren Behandlungsmaßnahmen gelegt habe, hätte mehrfach medizinische Fragen gestellt. Weil die Eltern des Klägers medizinisch vorgebildet gewesen seien und sich auch durch explizites Nachfragen zur Weiterbehandlung informiert hätten, erscheine es unverständlich, dass sie dann dem von der Zeugin Dr. M. behaupteten Hinweis bezüglich des Aufsuchens eines niedergelassenen Arztes am nächsten Tag nicht nachgekommen sein sollten. Dies wäre bereits ein Widerspruch in sich und entspreche auch nicht den Tatsachen. Die Kindeseltern hätten daher auch sofort nach der Rückkehr aus dem Urlaub den Kinderarzt aufgesucht. Die Zeugin Dr. M. habe die Eltern des Klägers lediglich beruhigt und ihnen erklärt, dass es vollkommen ausreiche, sich in 3 Wochen zu einem am Heimatort ansässigen Kinderarzt zu begeben, um dort den Gips abnehmen zu lassen. Es könne entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht zu Lasten der Kindesmutter gehen, wenn diese erst auf Vorhalt sich daran erinnert habe, dass sie bei einsetzenden Beschwerden oder Schmerzen einen niedergelassenen Arzt vor Ort aufsuchen solle. Der Vorfall liege bereits fast 3 Jahre zurück. Insofern seien Erinnerungslücken vollkommen nachvollziehbar und würden zudem für die Aussage der Mutter des Klägers sprechen. Im Übrigen sei es auch nicht nachvollziehbar, dass das Gericht die Erinnerungslücken der Mutter des Klägers moniere, gleichzeitig aber in den Entscheidungsgründen des Urteils Verständnis dafür habe, dass die Zeugin Dr. M. aufgrund des Zeitablaufes keine konkreten Erinnerungen an den Besuch des Klägers mit den Eltern habe und sich nur auf Vermutungen stützen könne.

25

Im Übrigen bestätige auch der vorliegende Arztbrief die Aussagen der Mutter des Klägers. Der Arztbrief sei gerade nicht an einen ortsansässigen, sondern an den Kinderarzt im Heimatort des Klägers adressiert worden. Wenn tatsächlich, wie von der Beklagten behauptet werde, den Eltern des Klägers Alternativen zum Aussuchen eines niedergelassenen Arztes genannt worden seien, so wäre dieses Anschreiben nicht an den Kinderarzt am Heimatort adressiert worden. Der Ambulanzbrief sei darüber hinaus so zu lesen, dass der Kläger mit seinen Eltern erst nach 3 Wochen bei dem Arzt hätte wieder vorstellig werden müssen.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Landgerichts München II, Az.: 1 O 584/11, verkündet am 11.08.2011, aufzuheben und nach den Schlussanträgen des Klägers in erster Instanz zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers vom 27.09.2011 zurückzuweisen.

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Die Beklagte trägt vor:

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Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass ein Behandlungsfehler nicht als erwiesen angesehen werden könne. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei überzeugend.

32

Der Ambulanzbrief vom 10.11.2008 sei entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dahin zu lesen, dass eine Wiedervorstellung bei einem niedergelassenen Arzt zur Verlaufskontrolle erst nach 3 Wochen erfolgen solle. Dies ergebe sich weder aus dem Wortlaut des Ambulanzbriefes noch aus der Adresse des insoweit heimischen Kinderarztes. Die Formulierungen, dass um eine weitere Verlaufskontrolle gebeten werde, mache vor dem Hintergrund der vorangegangenen Therapieempfehlung der Frakturstabilisierung und Schmerztherapie bis zur sicheren knöchernen Konsolidierung in 3 Wochen keinen anderen medizinischen Sinn.

33

Rein vorsorglich werde darauf verwiesen, dass der geltend gemachte Schaden Folge der stattgehabten Fraktur sei und auch eingetreten wäre, wenn eine Wiedervorstellung beim niedergelassenen Kollegen zeitnah zur Verlaufskontrolle erfolgt wäre.

34

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Eltern des Klägers sowie der Einvernahme von Frau Dr. M. und Dr. N. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 08.03.2012 und vom 12.04.2012 verwiesen.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung erwies sich als erfolglos.

37

A. Dem Kläger ist auch im Berufungsverfahren nicht der Nachweis gelungen, dass die Beklagte die Eltern des Klägers nicht darauf hingewiesen hat, dass unabhängig von den Beschwerden zeitnah bei einem am Urlaubsort niedergelassenen Arzt eine Verlaufskontrolle vorzunehmen ist.

38

Der Senat konnte sich nach Anhörung der Eltern des Klägers und der Einvernahme der von der Beklagtenseite benannten Zeugen Dr. N. und Dr. M. nicht davon überzeugen, dass die therapeutische Aufklärung der Beklagten unzureichend war.

39

I. Die Beweisaufnahme hat zunächst ergeben, dass die Zeugin Frau Dr. M. die Eltern des Klägers darauf hingewiesen hat, dass bei Beschwerden tagsüber der Kläger sich in Nachbehandlung bei niedergelassenen Ärzten begeben solle, weil das Krankenhaus selber die Nachbehandlung nicht übernehmen könne. In diesem Zusammenhang kann es für die Beweiswürdigung nicht unbeachtet bleiben, dass die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Landgericht zunächst erklärt hat, dass die Zeugin Dr. M. auf Frage die Notwendigkeit, während des restlichen Aufenthalts in T. einen anderen Arzt aufzusuchen, verneint habe und nicht darüber gesprochen worden sei, was geschehen solle, wenn der Kläger weitere Beschwerden oder Schmerzen äußere. Erst nachdem vor dem Landgericht die Zeugin Dr. M. angegeben hatte, dass immer angesprochen werde, dass bei Kribbeln im eingegipsten Arm, sofort eine Vorstellung in der Notambulanz erfolgen solle, wenn die Beschwerden nachts auftreten, und ansonsten die Patienten darauf hingewiesen würden, dass sie sich bei Beschwerden zur Kontrolle zu einem niedergelassenen Arzt begeben sollten, erklärte auf Vorhalt die Mutter des Klägers, dass dies richtig sei.

40

Das Landgericht hat diesem Aussageverhalten zu Recht Bedeutung beigemessen. Es mag sein, dass nach langer Zeit sowohl bei behandelnden Ärzten als auch bei den betroffenen Eltern Erinnerungslücken auftreten, wobei dem Senat Erinnerungslücken bei Ärzten, die mit einer Vielzahl gleichartiger Behandlungsvorgänge im Laufe der Jahre konfrontiert waren, nachvollziehbarer sind als bei der Mutter des Klägers, die an einen so wesentlichen Hinweis, sich bei Beschwerden bei Nacht in die Notambulanz des Krankenhauses bzw. bei Tag zu niedergelassenen Ärzten zu begeben, zunächst nicht mehr erinnern konnte. Der Umstand, dass die Mutter des Klägers bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht wesentliche Bestandteile des Gespräches erst auf Vorhalt einräumen konnte, stellt einen Anhaltspunkt dar, dass die Mutter des Klägers den Inhalt des Gespräches im Gesamten nicht mehr so gegenwärtig hat.

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II. Der Senat konnte nach der Anhörung der Eltern des Klägers und der beiden Zeugen nicht zur Überzeugung gelangen, dass die Zeugin Dr. M. den wichtigen und naheliegenden therapeutischen Hinweis, sich bereits am nächsten Tag zu einer Verlaufskontrolle bei einem niedergelassenen Orthopäden zu begeben, unterlassen hat.

42

1. In der mündlichen Anhörung vor dem Senat hat die Mutter des Klägers erklärt, dass das Wort Verlaufskontrolle nicht gefallen sei und die Zeugin Dr. M. lediglich geäußert habe, dass die Nachbehandlungen bei niedergelassenen Ärzten erfolgen solle und dass es ansonsten genügen würde, wenn nach 3 Wochen der Kinderarzt den Gips wieder runter nehmen würde. Sie gab weiter an, dass sie keine Verhaltensanweisung für das Kind bekommen habe. Der Vater des Klägers, der die Schilderung seiner Frau weitestgehend bestätigt hat, fügte jedoch hinzu, dass sehr wohl seitens der Ärzte gesagt worden sei, dass sie aufpassen sollten, dass der Kläger nicht so wild spiele.

43

2. Der Zeuge Dr. N. sagte aus, dass er sich zwar nicht mehr konkret an die Behandlung vom 10.11.2008 erinnern könne, es aber in dem Krankenhaus üblich sei, dass den Eltern mitgeteilt werde, dass der Gips zeitnah kontrolliert werden müsse und Patienten, die sich nur urlaubsbedingt in T. aufhielten, eine Liste mit niedergelassenen Ärzten übergeben werden würde. Er erklärte weiter, er könne sich grundsätzlich nicht vorstellen, dass irgendeiner der Ärzte der Beklagten Eltern nach Anlegen des Gipses nach Hause schicken würden, ohne sie auf die erforderliche Nachbehandlung hinzuweisen. Insbesondere könne er sich das bei der Zeugin Dr. M. schon gar nicht vorstellen.

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Die Zeugin Dr. M. räumte ein, dass sie keine Erinnerung mehr an die Behandlung des Klägers habe. Sie erklärte, dass üblicherweise mit den Eltern besprochen werde, dass der Gips am folgenden Tag nochmals nachzukontrollieren sei, weil es ja möglich sei, dass der Arm noch an- oder abschwelle. Eigentlich würde den Eltern immer gesagt, dass der Gips am nächsten Tag kontrolliert werden müsse. Bei Urlaubsgästen würden auch üblicherweise ein bis zwei Adressen von Kinderärzten oder Orthopäden vor Ort benannt.

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3. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, den Darstellungen der Eltern des Klägers den Vorzug vor der Darstellung der behandelnden Ärzte zu geben.

46

Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Darstellung der behandelnden Ärzte, dass ein Hinweis erfolge, dass der Patient sich bei Beschwerden je nach Tageszeit entweder zu einem behandelnden Arzt vor Ort oder die Notfallambulanz des Krankenhauses zu begeben habe, bestätigt hat und wie oben bereits geschildert, von der Mutter des Klägers erst auf Vorhalt, nachdem sie zuvor das Gegenteil behauptet hatte, eingeräumt wurde. Auch dabei sind kleinere Widersprüche in der Darstellung des Vaters des Klägers und der Mutter des Klägers im Hinblick auf die Frage, ob Verhaltensanweisungen gegeben worden sind, festzustellen.

47

Des weiteren war zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit einer Verlaufskontrolle zeitnah nach Anliegen des Gipses auch einem medizinischen Laien ersichtlich ist, so dass es dem Senat nicht ohne weiteres einleuchtet, dass die sonstigen erforderlichen Hinweise, wie Vorstellung bei Beschwerden zwar gegeben wurden, aber andere ebenso naheliegende und für die weitere Behandlung bedeutsame Hinweise unterblieben sein sollen. Schließlich kann sich der Senat nicht vorstellen, dass seitens der behandelnden Ärzte ein medizinisch unvertretbarer Hinweis dahingehend erfolgt, dass bei Beschwerdefreiheit eine Vorstellung des Klägers bei seinem Kinderarzt nach 3 Wochen zur Abnahme des Gipses genüge.

48

Es kommt weiter hinzu, dass der von dem Kläger behauptete Hinweis, im Widerspruch zu dem Arztbrief vom 10.11.2008 steht. In dem Arztbrief heißt es, dass um weitere Verlaufskontrolle, gegebenenfalls Anpassung der Oberarmgipsschiene gebeten werde und der Gips ca. 3 Wochen bis zur sicheren knöchernen Konsolidierung getragen werden solle. Auch bei einer oberflächlichen Lektüre kann aus dem Brief nicht gefolgert werden, dass erst nach 3 Wochen eine Vorstellung bei dem Kinderarzt oder Orthopäden notwendig wird. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Verlaufskontrolle nach Abnahme des Gipses medizinisch wenig Sinn ergibt.

49

Die Mutter des Klägers konnte diesen Widerspruch nicht erklären und gab vor dem Senat an, dass sie davon ausgegangen sei, dass der Brief genau das enthalte, was ihr Frau Dr. M. vorher gesagt habe. Die Darstellung der Mutter des Klägers deutet eher darauf hin, dass sie möglicherweise aus nachvollziehbaren Gründen dem Gespräch mit Frau Dr. M. nicht so konzentriert und aufmerksam gefolgt ist, als dass sie nach mehreren Jahren alle Einzelheiten genau wiedergeben kann.

50

Es kann bei der Beweiswürdigung weiter nicht außer Acht bleiben, dass entgegen der Darstellung in der Berufungsschrift die Mutter des Klägers nicht unmittelbar nach Rückkehr an ihren Heimatort einen Kinderarzt aufgesucht hat. Es muss vielmehr festgestellt werden, dass die Mutter des Klägers auch den Empfehlungen des Arztbriefes nicht gefolgt ist.

51

Die Adressierung des Arztbriefes an den Heimatarzt mag Anlass zu Missverständnissen geben, da es in der Tat näher gelegen hätte, entweder das Adressfeld offen zu lassen oder zumindest an den Brief noch einen Zettel anzuhängen, dass unabhängig von der Adressierung an den Heimatkinderarzt, eine Vorstellung bei einem am Urlaubsort niedergelassenen Orthopäden oder Kinderarzt unabdingbar ist. Andererseits hat die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben, dass der Hinweis, bei Beschwerden sei ein am Urlaubsort niedergelassener Orthopäde aufzusuchen, erteilt worden ist, so dass feststeht, dass die mündlichen Hinweise über die in dem Arztbrief enthaltenen Hinweise hinausgegangen sind.

52

Der Senat hält es daher eher für fernliegend, dass der hier streitgegenständliche Hinweis, dass unabhängig von Beschwerden am nächsten Tag oder übernächsten Tag ein niedergelassener Orthopäde oder Kinderarzt am Urlaubsort zur weiteren Verlaufskontrolle insbesondere Kontrolle des Gipses aufzusuchen ist, nicht erteilt worden ist.

53

4. Der Senat konnte in der Beweisaufnahme nicht klären, wie es zu diesen für den Kläger so nachteiligen Missverständnissen gekommen ist und aus welchen Gründen die Kommunikation zwischen Arzt und Eltern des Klägers nicht funktioniert hat. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Mutter des Klägers sich an die eindeutigen Empfehlungen einer Verlaufskontrolle nicht gehalten hat und durch den Inhalt des Arztbriefes ihre Aussage, dass die Zeugin Dr. M. sogar den Eltern gesagt habe, dass bei Beschwerdefreiheit auf eine Verlaufskontrolle während der 3-wöchigen Tragezeit des Gipses verzichtet werden kann, widerlegt ist, reichen dem Senat die Darstellungen der Eltern des Klägers, die wie oben ausgeführt, nicht völlig widerspruchsfrei sind und auch hinsichtlich eines wesentlichen Punktes vor dem Landgericht erst auf Vorhalt erfolgt sind, nicht aus, um den Nachweis einer Verletzung der therapeutischen Aufklärungspflicht der Beklagten als geführt anzusehen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Eltern des Klägers stets das Kindeswohl im Auge hatten und aus nicht mehr aufklärbaren Umständen, die Kommunikation zwischen Eltern des Klägers und den behandelnden Ärzte unzureichend war, der Senat kann jedoch nicht die Überzeugung gewinnen, dass dieser bedauerliche Kommunikationsfehler durch ein Fehlverhalten der Beklagten verursacht worden ist.

54

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

55

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

56

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keinerlei grundsätzliche Bedeutung zu, da die Beweiswürdigung dem Tatrichter obliegt.

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