OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.10.2017 – 9 U 141/15
1. Führen Wassereintritte nach Niederschlägen mehrfach zu Schäden in einem Schuhgeschäft, wird die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch für die Folgezeit schon durch die konkrete Gefahr weiterer Wassereintritte erheblich gemindert.
2. Macht der Mieter nach einem Wassereintritt Schadensersatzansprüche geltend, muss der Vermieter gemäß § 536a Abs. 1 2. Alt. BGB sein fehlendes Verschulden beweisen, wenn die Ursache des Wassereintritts in seinem Herrschaftsbereich liegt. (Hier: Eintritt von Niederschlagswasser durch das Dach.)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.06.2015 – Me 4 O 290/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.
3. Die Entscheidung des Senats und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.444,23 € festgesetzt.
Gründe
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Die Zurückweisung der Berufung beruht auf § 522 Abs. 2 ZPO. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die in § 522 Abs. 2 Ziff. 2, 3 und 4 ZPO genannten Gesichtspunkte stehen einer Zurückweisung durch Beschluss nicht entgegen. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die den Parteien bekannten Ausführungen im Beschluss vom 22.08.2017. Auf diesen Beschluss wird auch wegen des Sachverhalts verwiesen (I der Gründe im Beschluss vom 22.08.2017).
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Aus der Stellungnahme des Kläger-Vertreters vom 21.09.2017 ergeben sich gegenüber den Ausführungen im Beschluss vom 22.08.2017 keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Die Feststellungen des Landgerichts zur Mietminderung sind entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu beanstanden (vgl. die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 22.08.2017 (II 1., 2. und 3.).
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a) Aus den erstinstanzlichen Angaben der Zeugin E. A. im Termin vom 02.07.2013 lässt sich nicht entnehmen, dass die Verkaufsräume ab Juli 2010 nur ca. eine Woche erheblich durchfeuchtet gewesen wären. Das Landgericht hat die Angaben der Zeugin (vgl. das Protokoll vom 02.07.2013, S. 3, 2. Abs., I 213) dahingehend verstanden, dass sich eine deutliche Veränderung in den Verkaufsräumen erst durch die Durchführung von Arbeiten im Oktober 2010 (Streichen und Reinigen des Teppichbodens) ergeben hat. Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.
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b) Ein erster Wasserschaden durch von außen eindringendes Wasser in die Geschäftsräume des Beklagten im Februar 2010 war erstinstanzlich – entgegen den Ausführungen der Kläger – unstreitig. Die Darstellung des Beklagten-Vertreters im Schriftsatz vom 25.02.2013, S. 3 (I 77) haben die Kläger nicht bestritten.
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Das Risiko weiterer Wassereintritte war ein wesentlicher Mangel, welcher zur Minderung der Miete geführt hat. Aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des Kammergerichts (Urteil vom 17.09.2012 – 8 U 487/11 -, zitiert nach Juris) ergibt sich nichts abweichendes. Die Frage, inwieweit eine bestimmte Gefahr zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung für den Mieter führt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie auch das Kammergericht in der zitierten Entscheidung hervorgehoben hat (a.a.O., Rdnr. 22). Die maßgeblichen Gesichtspunkte, weshalb das Risiko weiterer Wasserschäden bei Niederschlägen als erheblicher Mangel anzusehen war, ergeben sich aus dem Beschluss des Senats vom 22.08.2017 II. 2. c.
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c) Im Übrigen verweist der Senat zur Bewertung der Mängel und zur Höhe der Minderungsquote in den verschiedenen Zeiträumen auf die weiteren Ausführungen im Beschluss vom 22.08.2017 (II 1. und 2.).
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2. Die Kläger haben dem Beklagten wegen des Wasserschadens vom 23.07.2010 Schadensersatz zu leisten, weil sie den Mangel zu vertreten haben. Das Wasser ist in die Verkaufsräume am 23.07.2010 aufgrund von Umständen eingedrungen, welche im Herrschafts- und Einflussbereich der Kläger lagen. Entgegen der Auffassung der Kläger gibt es keine Möglichkeit einer Schadensursache aus dem Bereich des Beklagten.
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a) Aus dem Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 21.09.2017 und aus der beigefügten schematischen Skizze kann der Senat nicht nachvollziehen, wie ein unzureichender Abfluss des Wassers durch die städtische Kanalisation (vgl. auch den erstinstanzlichen Schriftsatz des Kläger-Vertreters vom 23.09.2014, S. 2) dafür ursächlich geworden sein könnte, dass das Wasser am 23.07.2010 in den Verkaufsräumen von der Decke kam, und an den Innenseiten von Wänden, Fenstern und Türen herunterlief.
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b) Für eindringendes Niederschlagswasser, welches in den vermieteten Verkaufsräumen an der Innenseite von Wänden, Fenstern und Türen herunterläuft, ist in jedem Fall der Vermieter verantwortlich. Eine unzulängliche Gestaltung der Abwassersituation würde daran nichts ändern.
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c) Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Regen vom 23.07.2010 nach den Feststellungen des Deutschen Wetterdienstes kein katastrophales Unwetterereignis war, sondern dass mit einem solchen Ereignis in Überlingen statistisch etwa ein- bis dreimal pro Jahr zu rechnen war. Die Kläger waren als Vermieter dafür verantwortlich, dass solche übliche Niederschläge nicht zu Beeinträchtigungen der Mieträume führten.
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3. Auch die Einwendungen der Kläger zur Höhe des Schadens haben keinen Erfolg.
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a) Das Landgericht ist bei den Feststellungen zum Schaden den Angaben der Zeugin E. A. gefolgt. Aus den Angaben der Zeugin im Termin vom 25.02.2014 (S. 7 des Protokolls) in Verbindung mit dem Regulierungsbericht des Zeugen P. vom 19.08.2010 (I 365 ff.) ergibt sich, dass sich die beschädigten Schuhe nicht im Innenhof sondern im rückwärtigen Teil des Verkaufsraumes befanden.
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b) Die Feststellungen des Landgerichts, dass die Schuhe durch die Feuchtigkeit unverkäuflich wurden, beruht auf den Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugen und dem schriftlichen Privatgutachten des Sachverständigen S. vom August 2010 (Anlage B 2). Die Nachvollziehbarkeit der Feststellungen des Landgerichts führt zur Bindung des Senats an diese Feststellungen gemäß § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Eine weitergehende Beweiserhebung zur Schadenshöhe im Berufungsverfahren kommt daher nicht in Betracht. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Antrag der Kläger auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO zulässig wäre.
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4. Der Hinweis der Kläger, hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für die Kündigung vom 26.03.2011 liege keine Klageänderung vor, erscheint zutreffend. An der abweichenden Beurteilung unter II 7 des Beschlusses vom 22.08.2017 hält der Senat nicht fest.
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Die Berufung kann wegen der Anwaltskosten in Höhe von 1.053,60 € dennoch keinen Erfolg haben. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind unschlüssig. Aus dem Sachvortrag der Kläger ergibt sich nicht, weshalb die Einschaltung eines Anwalts für die Kündigung vom 28.03.2011 zweckmäßig war. Auf diese materiellen Bedenken gegen eine Ersatzfähigkeit der Anwaltskosten hat der Senat bereits im Beschluss vom 22.08.2017 hingewiesen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
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6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus der Differenz zwischen der Hauptforderung der Kläger im Berufungsverfahren und dem vom Landgericht zuerkannten Betrag.
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7. Eine mündliche Verhandlung ist nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. Bei den Ausführungen des Senats zur Sphärentheorie im Mietrecht handelt es sich um anerkannte Rechtsgrundsätze. Dass der Senat bei der Anwendung der Grundsätze nicht von der von den Klägern zitierten Entscheidung des OLG Celle abweicht, ist oben 2. und im Beschluss vom 22.08.2017 II Ziff. 5 a) ausführlich erläutert.