LG Heidelberg, Urteil vom 25.04.2012 – 5 O 21/12
Eine Mietsache ist zwar schon dann mangelhaft, wenn der Mieter sie nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung gebrauchen kann. Das setzt aber voraus, dass der Mieter von der Gefahr (hier: drohendes Herabbrechen der Decke wegen zu geringer Tragkraft) weiß. Allein dass die Benutzung der Mietsache bei Kenntnis aller Umstände hätte unterbleiben müssen, begründet noch keinen Mangel.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.070,72 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger weitere 9.856,68 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2010 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,87 Euro zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Zahlung rückständiger Mieten aus dem Zeitraum Oktober 2007 bis Dezember 2008.
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Der Kläger vermietete der Beklagten mit Vertrag vom 02.02.2001 Gewerberäumlichkeiten in der E., H. zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes mit Lampen, Beleuchtungskörpern und Elektrogeräten. Der Mietzins wurde mit 13.500,00 DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. In § 6 des Mietvertrags war eine Indexmiete verabredet, nämlich dass sich bei Änderung des Lebenshaltungskostenindex mit Basisjahr 1995 um mehr als 10 Prozent der Mietzins prozentual entsprechend ändern sollte. Wegen des weiteren Inhalts des Mietvertrags wird auf AS 11 ff. verwiesen. In der Folge zahlte die Beklagte lediglich die ursprüngliche Miete, was der Kläger zunächst nicht beanstandete. Die Mietsache verfügte allerdings in den Ausstellungsräumlichkeiten über eine abgehängte Decke, an der die zum Verkauf angebotenen Lampen befestigt wurden. Dafür war die Zwischendecke nicht ausgelegt. Anfang 2010 kam es zu Verhandlungen jedenfalls über eine Reduzierung der Miete, die aber zu keiner Einigung führten. Weil die Zwischendecke den Belastungen nicht standhielt, stürzte sie am 27.01.2010 ein, sodass der Betrieb der Beklagten bis zum 18.04.2010 eingestellt werden musste. Gleichwohl zahlte die Beklagte die Miete weiter und erhielt eine Entschädigungszahlung des Haftpflichtversicherers des Klägers, wobei im Einzelnen unklar ist, wonach sich diese berechnete und welchen Inhalt der abgeschlossene Vergleich hatte. Die Klägerin berief sich in einem Schreiben, das in den vorgelegten Versionen mal den 15.12.2010 (AS 29), mal den 25.11.2010 (AS 97) ausweist, auf eine Mieterhöhung Kraft der vereinbarten Indexklausel ab Oktober 2007 und setzte Zahlungsfrist. Sie macht nun mit der vorliegenden Klage für 2007 3 x 690,24 Euro netto (Antrag 1) sowie für 2008 12 x 821,39 Euro brutto (Antrag 2) geltend.
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Der Kläger meint, der Index habe bei Beginn des Mietverhältnisses im Juli 2001 95 Punkte betragen und im Oktober 2007 104,5 Punkte. Ihr stünden deshalb Zahlungen in Höhe der Differenz zwischen der sich hieraus ergebenden Miete und der ursprünglich vereinbarten und gezahlten Miete zu.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.070,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 11.12.2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,87 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 9.856,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 821,39 Euro seit dem 04.01.2008, 05.02.2008, 05.03.2008, 04.04.2008, 05.05.2008, 05.06.2008, 04.07.2008, 05.08.2008, 04.09.2008, 06.10.2008, 05.11.2008 und 04.12.2008 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Die Beklagte behauptet, sie hätte die Miete während der Betriebsunterbrechung nach Herabstürzen der Zwischendecke nicht weiterentrichtet, wenn sie gewusst hätte, dass der Kläger sich auf die Indexklausel berufen würde. Am 21.01.2010 habe Frau R. als Vertreterin des Klägers erklärt, dass die Beklagte froh sein könne, dass die indexierte Miete nicht erhöht würde.
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Die Beklagte meint, eine rückwirkende Mieterhöhung sei „gemäß § 557b Abs. III BGB (auch analog)“ nicht möglich. Soweit die Wertsicherungsklausel nicht erkennen lasse, dass sie auch bei fallendem Index anwendbar sei, sei sie nicht wirksam vereinbart, zumal es an einer Genehmigung der BAFA fehle. Mit der Ablehnung einer Mietreduzierung seien Mieterhöhungen „stillschweigend und konkludent“ für die restliche Vertragslaufzeit ausgeschlossen. Die Beklagte habe sich erkennbar darauf eingestellt, dass der Kläger nie Mieterhöhungsansprüche geltend mache. Einen Lebenshaltungskosten-Index aller privaten Haushalte mit Basisjahr 1995 gebe es nicht. In der Gefährdung für Personal und Kunden durch die unzureichend tragfähige Zwischendecke liege ein zur Mietminderung führender Mangel. Die Miete sei auch angesichts der unzureichenden Tragfähigkeit der Zwischendecke gemindert. Weiter erklärt sie die Anfechtung des „Schadensausgleichs“ wegen arglistiger Täuschung. Im Übrigen rechnet die Beklagte mit Bereicherungsansprüchen wegen der Mietzahlungen während der Betriebsunterbrechung in Höhe von 21.302,60 Euro und „mit weiteren Schadensersatzansprüchen“ auf.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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[…]
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2.) Die Miete war im hier interessierenden Zeitraum nicht nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert. Die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch war nicht deshalb herabgesetzt, weil die Decke herabzustürzen drohte. Denn das war der Beklagten und ihren Kunden unbekannt und führte deshalb zu keiner Einschränkung der Nutzung. Der Beklagten ist zuzugeben, dass eine erhebliche oder sogar – sie trägt zu den betroffenen Flächen trotz richterlichen Hinweises nicht vor – vollkommene Einschränkung der Tauglichkeit vorgelegen hätte, wenn ihr die Gefahr bekannt gewesen wäre. Ein Mangel liegt nämlich bei Mietsachen mit Beziehung zu einer Gefahrenquelle nicht erst dann vor, wenn der Mieter wirklich einen Schaden erleidet, sondern schon dann, wenn er sie nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung benutzen kann (OLG Hamm NJW-RR 1987, 968 [969]). Es wäre ihr selbstredend unzumutbar gewesen, sich und ihre Kunden einer solchen Gefährdung auszusetzen. Fraglos ist auch Minderung eingetreten, während die Decke auf dem Boden lag bzw. die Decke beseitigt und eine neue eingebaut wurde. Beides war in den hier maßgeblichen Zeiträumen Oktober 2007 bis Dezember 2008 aber nicht der Fall. Selbst eine Befürchtung der Gefahrverwirklichung bestand in jener Zeit bei der Benutzung nicht. Allein dass die Benutzung der Mietsache bei Kenntnis aller Umstände hätte unterbleiben müssen, begründet noch keinen Mangel. Insoweit liegt die Sache nicht anders, als wenn die Mietsache öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen unterlegen hätte, die Nutzbarkeit mangels Einschreitens der zuständigen Behörden aber tatsächlich nicht eingeschränkt war (BGH NJW 2009, 3421). Ganz ähnlich hat auch OLG Düsseldorf MDR 2012, 83 sogar für zwingende Brandschutzvorschriften entschieden. Umso mehr muss das vorliegend gelten. Denn das Recht der Mietminderung stellt nur die Äquivalenz zwischen Gebrauch und hierfür versprochenem Entgelt sicher, ist aber keine Strafvorschrift für Vermieter unzulänglicher Räume. Dieses Ergebnis kann deshalb auch nicht als unbillig angesehen werden, denn unstreitig hat die Beklagte die Mietsache in dieser Zeit ja auch vertragsgemäß und tatsächlich unbeeinträchtigt genutzt und es wäre nicht einzusehen, weshalb sie gleichwohl eine geringere als die versprochene Gegenleistung entrichten müsste. Ob der Kläger, wie die Beklagte nunmehr auch unter Bezug auf ein Schreiben der M. GmbH vom 03.08.2001 (AS 163) behauptet, die unzureichende Abhängung der Zwischendecke kannte, kann daher dahinstehen.