Eigenbedarfskündigung rechtswidrig bei Verschweigen von absehbarem Eigenbedarf bei Vertragsschluss

AG Marbach, Urteil vom 19. Mai 2022 – 3 C 166/21

Eigenbedarfskündigung rechtswidrig bei Verschweigen von absehbarem Eigenbedarf bei Vertragsschluss

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Der Streitwert wird auf 9.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Räumung und Herausgabe einer an die Beklagten vermieteten Wohnung.

2
Die Klägerin erwarb die streitgegenständliche Wohnung im dritten Stock rechts im Anwesen … vom Cousin des Beklagten Ziff. 1 und bewohnte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn. Anschließend vermietete die Klägerin die streitgegenständliche Wohnung mit Mietvertrag vom 01.02.2019 an den Beklagten Ziff. 1 und zog gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn zu ihren Eltern. Die Beklagte Ziff. 2 ist die ebenfalls in der streitgegenständlichen Wohnung lebende, erwachsene Tochter des Beklagten Ziff. 1. Die vereinbarte monatliche Gesamtmiete betrug 855,00 €, bestehend aus einer monatlichen Nettomiete in Höhe von 750,00 € und einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 155,00 €. Mit Schreiben vom 18.02.2019 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfes mit der Begründung, dass sie selbst einziehen wollen. Der Beklagte Ziff. 1 und ergänzend das Landratsamt bezahlten die Miete für Februar bis einschließlich April 2019 in voller Höhe. Im Zeitraum Mai 2019 bis September 2019 kam es zu unregelmäßigen und verspäteten Mietzahlungen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.09.2019 wurde der Beklagte Ziff. 1 erstmalig angemahnt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2021 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich unter Geltendmachung von Eigenbedarf. Die Kündigung wurde damit begründet, dass die Klägerin derzeit mit ihrem Ehemann und ihrem 3 1/2 Jahre alten Kind bei ihren Eltern in einer 3-Zimmer-Wohnung mit Küche, Bad und WC wohne und demnach vier erwachsene Personen und ein Kind diese Wohnung bewohnen. Die Klägerin und ihr Ehemann verfügen über ein Schlafzimmer, ebenso wie die Eltern der Klägerin. Daneben gäbe es noch ein gemeinsames Wohnzimmer, Küche und das gemeinsame Bad/WC. Es komme vermehrt zu Spannungen zwischen der Familie der Klägerin und ihren Eltern. Außerdem habe die Klägerin nun auch den Wunsch ein weiteres Kind zu bekommen und der Ehegatte der Klägerin gehe seit dem 04.01.2021 wieder einer Beschäftigung nach, weshalb die Mieteinnahmen nicht mehr benötigt werden. Für den Zeitraum bis zum 26.04.2021 entstand ein Mietrückstand in Höhe von 2.206,52 € an. Mit Schreiben vom 26.04.2021, zugestellt am 28.04.2021, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzuges. Die Kündigung wurde damit begründet, dass im Zeitraum von Februar 2019 bis März 2021 vom Jobcenter … und vom Beklagten Ziff. 1 nur ein Gesamtbetrag in Höhe von 20.345,98 € bezahlt worden sei, obwohl ein Gesamtbetrag in Höhe von 22.230,00 € geschuldet sei, sodass sich eine Differenz in Höhe von 1.884,02 € ergebe. Zuzüglich der ausgebliebenen Miete für April 2021 ergebe sich eine Differenz von insgesamt 2.206,52 €. Am 10.05.2021 bezahlte der Beklagte Ziff. 1 einen Betrag in Höhe von 750,00 € und am 03.05.2021 einen weiteren Betrag in Höhe von 1.050,00 € an die Klägerin.

3
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass zwischen den Parteien, vor Einzug der Beklagten, mündlich zunächst nur die Höhe einer möglichen Miete und die Zahlung einer Kaution in Höhe von 2.100,00 € besprochen worden sei. Die Klägerin habe dem Beklagten Ziff. 1 den Wohnungsschlüssel vorab aus Gutmütigkeit übergeben, weitere Details habe ein noch zu schließender Mietvertrag regeln sollen. Der Beklagte Ziff. 1 habe eine falsche Telefonnummer angegeben, als er den Wohnungsschlüssel erhalten habe. Der Beklagte Ziff. 1 habe sich in der Folge geweigert einen schriftlichen Mietvertrag zu unterschreiben. Einen zugeschickten Mietvertragsentwurf habe er nicht zurückgesendet. Er habe auch weitere Kontaktaufnahmen geblockt. Der Beklagte Ziff. 1 habe der Klägerin daher gar keine Möglichkeit gegeben über eine Befristung zu sprechen. Es erscheine daher rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagten darauf berufen, dass ein eventueller späterer Eigenbedarf nicht bekundet worden sei. Die Kündigung vom 18.02.2019 sei aus Wut und als Reaktion darauf erfolgt, dass der Beklagte nach dem Einzug abgetaucht sei, keinen schriftlichen Mietvertrag unterschrieben habe und sich weigere die mündlich zugesicherte Kaution zu bezahlen. Der vorgetragene Eigenbedarf sei nicht der Beweggrund für die Kündigung gewesen und nicht ernst gemeint worden, da die Klägerin dies auch bemerkt habe, sei die Kündigung auch nicht weiter verfolgt worden. Ob mit der bloßen Schlüsselübergabe schon ein Vertragsschluss zustande gekommen sei, sei höchst fraglich. Wenn erst durch praktische Übung ein Mietvertrag zustande gekommen sei und die Beklagtenseite jegliche Kontaktaufnahme verweigerte habe, dann habe keine Mitteilung eines späteren möglichen Eigenbedarfs erfolgen können. Der Ehemann der Klägerin sei zum Zeitpunkt des Erwerbs und der Vermietung der streitgegenständlichen Wohnung nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen. Zur Finanzierung des Objekts sei eine Vermietung durch die Klägerin notwendig gewesen. Damals sei nicht absehbar gewesen, wie lange es dauere, bis der Ehegatte wieder einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen könne. Eine Befristung des Mietvertrages sei daher nicht möglich gewesen, da das Ende der Teilzeitbeschäftigung nicht absehbar gewesen sei. Seit dem 04.01.2021 gehe der Ehegatte der Klägerin wieder einer Vollzeitbeschäftigung nach. Die Mieteinnahmen werden nicht mehr benötigt und ein Einzug der Klägerin mit Familie in ihre Immobilie sei nun finanziell möglich. Der Kinderwunsch sei erst entstanden, als der Ehegatte der Klägerin einen neuen Job gefunden habe. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass sie ca. 5 Jahre bei ihren Eltern wohne, mindestens so lange bis ihr Kind in die Schule kommt und es während der Berufstätigkeit nicht mehr von den Großeltern betreut werden muss. Allerdings sei es zu vermehrten Spannungen gekommen. Mit Attest vom 08.02.2022 sei die Schwangerschaft der Klägerin mit einem weiteren Kind festgestellt worden. Es bestehe noch ein Rückstand in Höhe von 46,12 €. Zudem seien auch diese Zahlungen unpünktlich erfolgt. In der Kündigung wegen Zahlungsverzuges sei eine Aufstellung der offenen Gesamtforderung und die beklagtenseits erfolgte Zahlung sowie die Angabe eines Differenzbetrages erfolgt. Zudem sei explizit auf die Abmahnung wegen wiederholt unpünktlicher Mietzahlungen Bezug genommen worden und auch deshalb gekündigt worden. Dem Beklagten sei eindeutig ersichtlich, welche Summen offen standen.

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Die Klägerin beantragt,

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Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die im dritten Stock rechts im Anwesen … gelegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Korridor/ Diele, einem Bad mit Toilette, sowie den zweiten Kellerraum linke Seite im UG, nebst 1 Hausschlüssel, 1 Wohnungsschlüssel und einem Kellerschlüssel an die Klägerin herauszugeben.

6
Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen und hilfsweise eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

8
Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, dass der Eigenbedarf bestritten werde. Der Klägerin sei bereits zum Zeitpunkt der Vermietung klar gewesen, dass es sich bei der Wohnung ihrer Eltern um eine Wohnung handle, die zu eng für sie sei. Es handle sich um einen vorhersehbaren Bedarf, sodass sie jetzt nicht den Eigenbedarf geltend machen könne. Vielmehr hätte sie die Wohnung nicht anderweitig vermieten dürfen. Die Kündigung vom 26.04.2021 entspreche nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kündigung, da die einzelnen Fehlbeträge nicht aufgeführt werden und dem Beklagten kein Überblick über seine Rückstände gegeben werde. Der Beklagte Ziff. 1 habe sich nicht geweigert den schriftlichen Mietvertrag zurückzugeben. Die Klägerin habe diesen zurückhaben wollen und auch vom Beklagten Ziff. 1 erhalten. Die Klägerin habe den Beklagten bei Vertragsschluss mitgeteilt, dass sie so lange in der Wohnung bleiben können, wie sie wollen.

9
Das Gericht hat Beweis erhoben, durch die informatorische Anhörung der Klägerin und der Beklagte sowie durch die Vernehmung der Zeugen … . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.11.2021 (…) und vom 24.03.2022 (…) Bezug genommen und verwiesen.

10
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 19.08.2021 (…), vom 18.11.2021 (…) und vom 24.03.2022 (…) verwiesen.

Entscheidungsgründe
11
Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

12
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB zu, da das, zwischen den Parteien unstreitig zustande gekommene, Mietverhältnis nicht wirksam beendet wurde.

13
1. Das Mietverhältnis wurde nicht wirksam durch die ordentliche Kündigung vom 15.01.2021 wegen Eigenbedarfs gem. § 573 Abs. 3 Nr. 2 BGB beendet.

14
Unabhängig davon, ob ein Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt, ist die Kündigung gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, da für die Klägerin, der von ihr behauptete Eigenbedarf bereits bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Beklagten Ziff. 1 objektiv vorhersehbar gewesen ist.

15
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt sich der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsabschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt. Denn für den Mieter ist ein sich abzeichnender Eigenbedarf des Vermieters vor allem für die Entscheidung von Bedeutung, ob er eine Wohnung überhaupt anmieten und damit das Risiko eines Umzugs nach verhältnismäßig kurzer Mietzeit eingehen will. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Voraussetzung ist das Vorliegen eines über die Fahrlässigkeit hinausgehenden subjektiven Elements, nämlich die „Absicht“ (das „Entschlossensein“), den Wohnraum einer baldigen Eigennutzung zuzuführen, oder zumindest das (ernsthafte) „Erwägen“ einer solchen Nutzung. Schließt der Vermieter unter diesen Umständen ohne Vorbehalt einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, setzt er sich dem Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus, da der Abschluss eines Mietvertrages auf bestimmte Zeit die angemessenere Lösung gewesen wäre. Hingegen liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsabschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat. Der Vermieter ist weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (so genannte „Bedarfsvorschau“), noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Ein befristeter Mietvertrag kann gemäß § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB abgeschlossen werden, wenn der Vermieter die Räume nach Ablauf der Mietzeit für sich, seine Familien- oder Haushaltsangehörigen nutzen will. Die Entscheidung hierfür muss noch nicht endgültig gefallen sein; es genügt vielmehr eine ernsthafte Absicht beziehungsweise, falls sich der Vermieter über seine Eigenbedarfsabsichten noch nicht endgültig schlüssig geworden ist – auch ein (ernsthaftes) Erwägen. Wenn der Vermieter in solchen Fällen einen unbefristeten Mietvertrag abschließt, ohne dem Mieter, wozu er bei Abschluss eines befristeten Mietvertrags sogar gesetzlich verpflichtet wäre (§ 575 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB), auf eine beabsichtigte oder zumindest (ernsthaft) erwogene künftige Nutzung durch sich oder einen gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Familien- oder Haushaltsangehörigen hinzuweisen, gibt er damit objektiv betrachtet zu verstehen, dass er einen solchen Schritt weder beabsichtigt noch erwägt. Da entscheidend auf die Kenntnis des Vermieters von der Eigenbedarfssituation bzw. der sie begründenden Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist, kommt der Ermittlung solcher innerer Tatsachen beim Vermieter erhebliche Bedeutung zu. Dabei darf nicht allein auf den Vortrag des Vermieters abgestellt werden, sondern sind die Gesamtumstände umfassend zu würdigen. Ergeben die Gesamtumstände, dass der Grund für den Eigenbedarf bei Mietvertragsabschluss schon nach Zeit und Umständen konkret vorgelegen hat, kann dies, sofern nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen, den Schluss rechtfertigen, dass der Vermieter den Eigenbedarf schon bei Vertragsabschluss (zumindest) erwogen hat. Indizwirkung mag im Einzelfall auch zeitlichen Abläufen zukommen, wobei es insofern allerdings keine festen Fristen (mehr) gibt, insbesondere nicht die § 564 c II 1 Nr. 1 BGB aF zu entnehmende Fünf-Jahres-Frist, die mit der Einführung von § 575 BGB obsolet geworden ist. Jede schematische Betrachtungsweise verbietet sich insoweit mit der Folge, dass auch nach Verstreichen eines längeren Zeitraums noch Fälle denkbar bleiben, in denen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Vermieters bei Vertragsabschluss „nachwirkt“. (BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 154/14; BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 233/12; LG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2016 – 23 S 252/14)

16
Gemessen an diesen aufgezeigten rechtlichen Maßstäben ist die Eigenbedarfskündigung der Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB unwirksam. Die Gesamtumstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ergeben, dass die Klägerin schon zu dieser Zeit eine Kündigung wegen zukünftig entstehenden Eigenbedarfs zumindest erwog, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Dies ergibt sich sowohl aus der Einlassung der Klägerin als auch aus den Aussagen der Zeugen zur Überzeugung des Gerichts.

17
Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass sie nicht habe vorhersehen können, wie lange sie bei ihren Eltern bleiben. Ihr Mann sei auf der Suche nach einem unbefristeten Vertrag gewesen und sie haben wieder zurück wollen, wenn er einen solchen Vertrag hat. Sie haben vermietet, weil es finanziell knapp geworden sei. Ihre Eltern mischen sich nun in Sachen ein, die sie nichts angehen. Dadurch, dass ihr Mann jetzt den Job unterschrieben habe, wollen sie nun auch ein zweites Kind und sie sei schwanger. Aus diesem Vortrag ergibt sich jedoch, dass für die Klägerin fest stand, dass sie in die Wohnung zurück ziehen, sobald ihr Ehemann eine Vollzeitbeschäftigung gefunden hat. Zudem hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts, ob sie sich vorstellen konnte längere Zeit bei ihren Eltern zu leben angegeben, „Nein, selbst wenn wir uns verstanden hätten, wäre das kein Dauerzustand. Wir wollen ja auch ein zweites Kind, da würde das ja nicht gehen.“ Zwar hat der Klägervertreter im Anschluss an die informatorische Anhörung der Klägerin schriftlich vorgetragen, dass sich der Wunsch eines zweiten Kindes erst kurz vor der Ausfertigung der streitgegenständlichen Kündigung entwickelt habe. Aus der Aussage der Klägerin ergibt sich jedoch, dass auch schon zuvor der Wunsch nach einem zweiten Kind bestanden hat, da die Klägerin mit ihrer Antwort begründet hat, weshalb der Einzug bei den Eltern nicht auf Dauer geplant war.

18
Der Zeuge … hat ebenso wie die Klägerin ausgeführt, dass nicht ganz festgelegt gewesen sei, wann sie wieder in die Wohnung ziehen, weil er keine feste Arbeit hatte. Er habe sich keine Gedanken über die Dauer gemacht. Er habe sich schon gedacht, eventuell fünf Jahre da zu bleiben, da er sich jetzt aber schneller erholt habe, möchte er in die eigene Wohnung. Er habe gedacht, wenn er eine Vollzeitbeschäftigung habe, möchte er ein zweites Kind. Er habe ständig nach einem Job gesucht, aber es sei am fehlenden Führerschein gescheitert. Nach dem Besitz des Führerscheins seit dem 14.10.2020 habe er dann mehr Chancen gehabt und auch eine Vollzeitbeschäftigung gefunden. Er habe Ende 2018/ Anfang 2019 für den Führerschein angemeldet. Wenn er schon einen Führerschein gehabt hätte, hätte er schon vor der Vermietung einen Job gefunden. Jetzt habe er eine Vollzeitbeschäftigung und sie bekommen ein zweites Kind. Außerdem verstehe er sich nicht mit seinen Schwiegereltern. Nach seiner Aussage bestand auch demnach schon der Wunsch nach einem zweiten Kind, unter der Voraussetzung, dass der Zeuge … eine Vollzeitbeschäftigung findet. Auch aus dieser Aussage ergibt sich, dass er gemeinsam mit der Klägerin bereits den Wiedereinzug geplant hat, sobald er einen Job gefunden hat. Überdies ist der Zeuge … auch davon ausgegangen, dass er diesen finden werde, sobald er einen Führerschein habe. Zu diesem hatte er sich auch bereits vor der Vermietung angemeldet. Dementsprechend ist auch der Zeuge … von einem vorübergehenden Zeitraum der Vermietung ausgegangen und hat gemeinsam mit der Klägerin bereits den Wiedereinzug und die Kündigung aufgrund von Eigenbedarf ernsthaft erwogen.

19
Der Zeuge … hat ausgeführt, dass keine genaue Zeit festgelegt worden sei, ob ein Jahr, zwei Jahre oder drei Jahre. Sein Schwiegersohn habe keine Arbeit gehabt und sie haben gesagt, so lange bis sie sich wieder erholt haben, können sie einziehen und anschließend wieder in ihre Wohnung ziehen. Die Zeugin … hat angegeben, dass sie alle gemeinsam gesprochen haben und gesagt haben, dass ihre Tochter bis ihr Mann eine Arbeit finde für 1-2 Jahre zu ihnen kommen. Wenn sie gewusst hätte, dass es so werde, hätte sie nicht zugestimmt. Es gäbe nur Probleme mit ihrem Schwiegersohn. Die Wohnung sei so oder so nicht auf Dauer geeignet gewesen. Daraus ergibt sich, dass die Eltern der Klägerin nur dazu bereit waren, die Klägerin und ihre Familie für einen begrenzten Zeitraum in ihre Wohnung aufzunehmen und dies auch so mit der Klägerin kommuniziert wurde.

20
Bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte demnach der für das Entstehen eines Eigenbedarfs notwendige Entscheidungsprozess der Klägerin stattgefunden oder zumindest begonnen. Wenngleich die Klägerin keinen konkreten Zeitpunkt festgelegt hatte, so hatte sie bereits geplant, dass der Einzug bei ihren Eltern nur vorübergehend erfolgt und damit den Einzug in die streitgegenständliche Wohnung ernsthaft erwogen. Der Klägerin war die Größe der Wohnung ihrer Eltern, die damit einhergehende Beengtheit und möglicherweise daraus resultierende Schwierigkeiten auch bereits bei dem Abschluss des Mietvertrages bekannt. Die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge …, haben übereinstimmend geschildert, dass der Wiedereinzug geplant gewesen sei, sobald dieser eine Vollzeitbeschäftigung findet. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin nicht davon ausgegangen ist, dass ihr Ehemann nie einen Job findet. Der Zeuge … hat vorgetragen, dass die Jobsuche maßgeblich davon abhing, dass er einen Führerschein mache und er, wenn er schon einen Führerschein gehabt hätte, auch schon vor der Vermietung einen Job gefunden hätte. Auch, dass der Wunsch nach einem zweiten Kind bereits bestand, ergibt sich aus der Aussage der Klägerin sowie der eindeutigen Aussage des Zeugen … . Das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs zeichnete sich somit bereits ab und die Klägerin wäre rechtlich in der Lage gewesen, dem Beklagten Ziff. 1 eine Alternative, nämlich den Abschluss eines befristeten Mietvertrages anzubieten.

21
Die Klägerin hat den Beklagten Ziff. 1 auch nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die Klägerin hat selbst angegeben, dass sie glaube, dass sie schon gesagt habe, dass sie zu den Eltern ziehe. Aber warum genau, habe sie glaube sie nicht gesagt.

22
Der Beklagte kann sich auch auf den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens berufen. Ihm ist dieser nicht deshalb abgeschnitten, weil die Klägerin vorträgt, dass die Beklagten von der Klägerin die Schlüssel für die Wohnung bereits erhalten haben und noch diverse Vertragsmodalitäten ausgehandelt werden sollten, die Beklagten jedoch nicht mehr zu erreichen gewesen seien, sodass keine Befristung möglich gewesen wäre. Unabhängig davon, dass dies von der Beklagtenseite bestritten wurde und die Klägerin gerade nicht vorgetragen, dass der übersandte schriftliche Mietvertrag befristet war, hat die Klägerin unstreitig einen unbefristeten Mietvertrag mit dem Beklagten Ziff. 1 geschlossen. Wäre dies nicht ihr Wille gewesen, hätte sie auch das Zustandekommen eines konkludenten Mietvertrages verhindern können und auf den auf den Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages bestehen können. Für die Klägerin wäre es möglich gewesen bereits vor der Übergabe des Schlüssels über einen Zeitmietvertrag nach § 575 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu sprechen. Hätte sie dies getan, hätten sich die Beklagten darüber Gedanken machen können, ob sie ein befristetes Mietverhältnis eingehen.

23
2. Das Mietverhältnis wurde nicht wirksam durch die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26.04.2021 wegen Zahlungsverzuges beendet, da die Kündigung nach Auffassung des Gerichts formell unwirksam sind.

24
Der BGH hat entschieden, dass es bei einer einfachen Sachlage ausreicht, dass der Vermieter den Zahlungsverzug als Kündigungsgrund angibt und den Gesamtbetrag der rückständigen Miete beziffert, da der Mieter ist in einem solchen Fall in aller Regel ohne Weiteres in der Lage, die Berechtigung der Kündigung anhand eines einfachen Vergleichs der geschuldeten mit der gezahlten Miete auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie er hierauf reagieren will. (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2003 – VIII ZB 94/03 –, juris)

25
Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch gerade nicht um eine einfache Sachlage. Die Klägerin stützt die Kündigung auf den Zeitraum von Februar 2019 bis März 2021, mithin auf einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren. Außerdem erfolgten die Mietzahlungen durch Teilzahlungen die teilweise durch den Beklagten Ziff. 1 selbst und teilweise durch das Jobcenter erfolgten.

26
In einer späteren Entscheidung hat der BGH entschieden, dass es zur formellen Wirksamkeit einer auf Mietzahlungsverzug gestützten Kündigung des Vermieters genügt, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht und dass er diesen Rückstand als gesetzlichen Grund für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs heranzieht. Darüber hinausgehende Angaben sind auch dann nicht erforderlich, wenn es sich nicht um eine klare und einfache Sachlage handelt. In dem entschiedenen Fall ergaben sich aus der Kündigung jeweils monatsbezogen aufgelistet die aus Sicht der Vermieterin bestehenden Rückstände bei der Kaltmiete und den Nebenkostenvorauszahlungen sowie daran anschließend die jeweils summenmäßig aufaddierten Gesamtrückstände. Anhand der für die betreffenden Monate aufgelisteten Zahlungsrückstände konnten die Mieter erkennen, in welcher Höhe die Vermieterin jeweils Zahlungseingänge auf die geschuldeten Mieten verbucht hatte. Durch einfachen Abgleich mit den von ihnen erbrachten Zahlungen konnten sie weiter ermitteln, ob und in welcher Höhe aus Sicht der Klägerin Erfüllung eingetreten war, insbesondere ob die Klägerin auf ihre Mängelrügen ganz oder zumindest teilweise eingegangen war oder die von ihr selbst angebotene Minderung berücksichtigt hatte. Damit konnten die Beklagten – dem mit dem Begründungserfordernis verfolgten Zweck entsprechend – anhand der im Kündigungsschreiben zur Rückstandsbegründung mitgeteilten Auflistung der einzelnen Rückstände erkennen, von welchen kündigungsbegründenden Mietrückständen die Vermieterin bei ihrem Kündigungsausspruch ausgegangen war, und diese Angaben auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen, um in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie hierauf zu reagieren war (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – VIII ZR 96/09 –, juris)

27
Auch diesen Erfordernissen genügt die streitgegenständliche Kündigung nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht, da sich aus dieser lediglich der von der Klägerin errechnete Gesamtbetrag, nicht hingegen die jeweiligen Rückstände für die einzelnen Monate ergibt. Den Beklagten war es anhand der vorliegenden Kündigung gerade nicht möglich, zu erkennen in welcher Höhe die Klägerin jeweils Zahlungseingänge auf die geschuldeten Mieten verbucht hat und welche Zahlungen durch das Jobcenter erfolgt sind.

II.

28
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

29
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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