BGH, Urteil vom 23. März 2010 – VI ZR 249/08
Zum Anspruch des Krankenversicherers auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation aus übergegangenem Recht des Heimbewohners
Tenor
Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 27. August 2008 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 1/5 und der Beklagte 4/5.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt als gesetzlicher Krankenversicherer den Beklagten auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation einer bei ihr versicherten Heimbewohnerin in Anspruch.
Die unter Betreuung stehende Versicherte zog sich bei einem Sturz in dem vom Beklagten betriebenen Pflegeheim am 30. August 2005 erhebliche Verletzungen zu. Sie wurde vom Pflegepersonal in der Wohnküche auf dem Boden liegend gefunden. Wegen ihrer Verletzungen musste sie ärztlich behandelt werden. Die Kosten in Höhe von 7.883,14 € wurden von der Klägerin getragen.
Diese wandte sich, um die Berechtigung eventueller auf sie gemäß § 116 SGB X übergegangener Schadensersatzansprüche prüfen zu können, mit Schreiben vom 31. Mai 2006 an den Beklagten zwecks Einsichtnahme in die Pflegedokumentation. Dem Schreiben war eine Schweigepflichtentbindungserklärung und Herausgabegenehmigung des Betreuers der Geschädigten beigefügt. Der Beklagte und die hinter ihm stehende Versicherung lehnten eine Einsichtnahme der Klägerin in die Pflegedokumentation bzw. deren Herausgabe an die Klägerin ab, weil es sich bei der Pflegedokumentation um hochsensible persönliche Daten handle und ein entsprechendes Recht allein der Geschädigten zustehe.
Die Klägerin hat daraufhin Klage auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation Zug um Zug gegen Erstattung angemessener Kopierkosten erhoben. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass Kopien der Pflegedokumentation Zug um Zug gegen Zahlung angemessener Kopierkosten nur beschränkt auf die Zeit vom 1. März 2005 bis 31. August 2005 herauszugeben seien. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren der Beklagte weiterhin eine Klageabweisung und die Klägerin eine zeitlich nicht beschränkte Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation.
Gründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann dahinstehen, ob der Klägerin gemäß § 294a SGB V ein eigenes Einsichtsrecht zusteht. Die Parteien stritten nämlich um Ansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht. Insoweit stehe ihr ein Recht auf Einsicht bzw. Herausgabe von Kopien gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit §§ 412, 401 BGB zu.
Zwischen den Parteien sei lediglich streitig, inwieweit auch das Einsichtsrecht der Geschädigten bzw. ihr Anspruch auf Herausgabe der Pflegedokumentation auf die Klägerin übergegangen sei. Ein solcher Übergang des aufgrund des Pflegevertrags gemäß §§ 242, 611, 810 BGB bestehenden Einsichtsrechts der Geschädigten entsprechend §§ 412, 401 BGB sei grundsätzlich gegeben. Das Einsichtsrecht des Patienten in Krankenunterlagen werde von der Rechtsprechung bejaht. Da der Heimbewohner in gleicher Weise wie ein Patient ein generell geschütztes Interesse daran habe, zu erfahren, wie mit seiner Gesundheit umgegangen werde, welche Daten sich dabei ergeben hätten und wie man die weiteren Betreuungsmaßnahmen einschätze, erscheine eine unterschiedliche Behandlung von Krankenunterlagen und Pflegedokumentation nicht gerechtfertigt. Folgerichtig müsse das Einsichtsrecht eines Heimbewohners als vertraglicher Nebenanspruch auf den Sozialversicherungsträger mit übergehen, soweit die Einsichtnahme zur Wahrnehmung legitimer wirtschaftlicher Belange geboten sei und ein berechtigtes Interesse der Versicherungsnehmerin an der Geheimhaltung der Unterlagen nicht gegeben bzw. diese mit der Einsichtnahme einverstanden sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt; insbesondere liege eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht sowie eine Genehmigung der Herausgabe der Unterlagen durch den Betreuer der Heimbewohnerin vor.
Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Einsicht bzw. der Herausgabe von Kopien der Dokumentation bestehe allerdings nur bis zum Tag des Sturzes am 30. August 2005 und für einen angemessenen Zeitraum davor. Das Einsichtsrecht sei nämlich nicht unbeschränkt auf die Klägerin übergegangen, sondern nur in dem Umfang, in dem sie es zur Wahrnehmung ihrer materiellen Interessen benötige.
II.
Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Revision der Beklagten bleiben ohne Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation gegen eine Kostenerstattung aus übergegangenem Recht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs der Versicherten aus einer Verletzung des Heimvertrags bzw. § 823 Abs. 1 BGB zu. Dieses Einsichtsrecht ist allerdings auf den vom Berufungsgericht begrenzten Zeitraum beschränkt.
A. Revision der Beklagten:
1. Im Streitfall kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ein eigenes Einsichtsrecht gemäß § 294a SGB V bzw. dessen analoger Anwendung auf Pflegedokumentationen hat (vgl. dazu Bergmann KH 2008, 825; Hauser KH 2005, 128; Kunz KHR 2009, 85; Marburger, Die Leistungen 2007, 129; Schultze-Zeu/Riehn VersR 2007, 467; Schultze-Zeu VersR 2009, 1050; Smentkowski VersR 2008, 465). Das Berufungsgericht ist nämlich zu Recht – und insoweit weder von der Revision der Klägerin noch der der Beklagten angegriffen – davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht ein eigenes Einsichtsrecht, sondern nur einen Anspruch aus nach § 116 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB übergegangenem Recht geltend macht. Ein solcher Anspruch der Klägerin ist gegeben.
2. Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Nach dieser Vorschrift ist auch beim Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger Gegenstand der Ersatzpflicht nur der Schaden des Verletzten. Der Sozialversicherungsträger nimmt den Ersatzpflichtigen nicht auf Ersatz eines eigenen „Schadens“ in Gestalt seiner durch den Versicherungsfall ausgelösten, vom Gesetzgeber angeordneten Leistungspflichten in Anspruch, sondern verlangt eine Erstattung seiner Aufwendungen insoweit, als ein Schadensersatzanspruch des Versicherten gegen einen Dritten besteht.
3. Im Streitfall wird von der Beklagten nicht in Frage gestellt, dass der geschädigten Heimbewohnerin selbst ein Schadensersatzanspruch zustünde, wenn ihr Sturz am 30. August 2005 durch eine Verletzung der Obhuts- und Betreuungspflichten des Pflegepersonals der Beklagten zumindest mit verursacht worden wäre. Die Beklagte stellt auch nicht in Abrede, dass dem Heimbewohner grundsätzlich ein eigenes Einsichtsrecht in die über ihn geführte Pflegedokumentation entsprechend dem Einsichtsrecht des Patienten in die Krankenunterlagen als Nebenanspruch aus dem Behandlungs- bzw. Heimvertrag zusteht (vgl. Harsdorf-Gebhardt PflR 1999, 252 ff.). Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundesverfassungsgerichts hat der Patient gegenüber Arzt und Krankenhaus auch außerhalb eines Rechtsstreits als Ausfluss seines Rechts auf Selbstbestimmung und personale Würde grundsätzlich einen Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen, ohne dafür ein besonderes rechtliches Interesse darlegen zu müssen (vgl. Senat, BGHZ 85, 327, 332; 106, 146, 148; Urteil vom 31. Mai 1983 – VI ZR 259/81 – VersR 1983, 834, 835; BVerfG NJW 1999, 1777; 2006, 1116, 1117). Die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte gelten auch für das Recht des Heimbewohners auf Einsichtnahme in seine Pflegedokumentationen. Auch diese enthalten höchstpersönliche Angaben über den Bewohner und berühren in starkem Maße dessen Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG). Die Pflegedokumentation ist eine unverzichtbare Informationsquelle für alle am Pflegeprozess Beteiligten und dient auch dem Nachweis, dass der Heimbewohner die ihm nach dem Inhalt des Heimvertrags zustehenden Leistungen vom Pflegeheimträger erhalten und letzterer seinen Verpflichtungen ihm gegenüber nachgekommen ist. Insoweit hat sie dem Heimbewohner gegenüber auch eine wichtige Schutzfunktion (vgl. Harsdorf-Gebhardt PflR 1999, 252 f.; Klie/Krahmer-Klie, Sozialgesetzbuch XI, 3. Aufl., § 113 Rn. 7a).
Soweit die Beklagte geltend macht, die Pflegedokumentationen würden zwar auch im Interesse der Heimbewohner errichtet, diese müssten allerdings für eine Einsichtnahme ein sachliches Interesse darlegen (so Harsdorf-Gebhardt, aaO, 253, 256), gibt der Streitfall keinen Anlass, dies abschließend zu klären. Ein sachliches Interesse der geschädigten Versicherten für eine Einsichtnahme in die über sie geführten Pflegedokumentationen ist nämlich schon wegen des erfolgten Sturzes und der dadurch erlittenen erheblichen Verletzungen gegeben.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht auch zu Recht einen Übergang des Einsichtsrechts der Geschädigten bzw. von deren Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation auf die Klägerin bejaht. Ein solcher Übergang ist gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB erfolgt.
a) Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X wären etwaige Schadensersatzansprüche der Geschädigten auf die Klägerin übergegangen. Mit dem Übergang der Hauptforderung gehen nach §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB auch solche Nebenrechte auf den neuen Gläubiger über, die zwar nicht in § 401 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannt sind, aber gleichwohl der Verwirklichung und Sicherung einer Forderung dienen. Die Vorschrift des § 401 Abs. 1 BGB ist nämlich ihrem Zweck entsprechend auf alle der Verstärkung der Forderung dienenden Nebenrechte auszudehnen, soweit nicht besondere Rechtsgrundsätze dem entgegen stehen. Dies gilt insbesondere auch für Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind oder der leichteren Verwirklichung des Hauptanspruchs dienen, wie Ansprüche auf Auskunftserteilung oder Einsichtnahme. Solche Rechte können nicht selbständig abgetreten werden, sondern gehen grundsätzlich mit dem Hauptanspruch auf den neuen Gläubiger über (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2000 – BLw 30/99 – ZIP 2000, 1444; vom 18. Juli 2003 – IXa ZB 148/03 – NJW-RR 2003, 1555, 1556; BSGE 98, 142 Rn. 14; OLG München VersR 1985, 846; MünchKommBGB/Roth, § 401 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 401 Rn. 4; Staudinger/Busche, BGB, Neubearbeitung 2005, § 401 Rn. 28, 34 m.w.N.; Wessel ZfS 2002, 461 f.). Dieser Übergang der verstärkenden Nebenrechte erfolgt gemäß § 412 BGB auch bei einem Übergang der Hauptforderung kraft Gesetzes (vgl. BGHZ 19, 177, 179; 46, 14 f.; KassKomm/Kater, SGB X, § 116 Rn. 141).
b) Ein solcher Übergang ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch im Streitfall erfolgt.
aa) Zwar wird die grundsätzlich bestehende Nebenpflicht, Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen oder Pflegedokumentationen zu gewähren, aus dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Patienten oder Heimbewohners abgeleitet. Das besagt aber noch nicht, dass dieser Vertragsanspruch damit in vollem Umfang ein „höchstpersönlicher“ sei, der gemäß §§ 399, 412 BGB nicht ganz oder teilweise auf andere übergehen könnte. Vielmehr darf der vertragliche Nebenanspruch auch legitimen wirtschaftlichen Belangen dienstbar gemacht werden, wie etwa der Klärung von Schadensersatzansprüchen sowohl gegen andere Ärzte als auch gegen den auf Einsichtsgewährung in Anspruch genommenen Arzt selbst. Jedenfalls insoweit hat der Einsichtsanspruch auch eine vermögensrechtliche Komponente, so dass sein Übergang auf die Erben als möglich angesehen wurde (§ 1922 BGB), soweit nicht das Wesen des Anspruchs aus besonderen Gründen einem Gläubigerwechsel entgegen steht (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 1983 – VI ZR 259/81 – aaO; OLG München VersR 2009, 982; Schultze-Zeu VersR 2009, 1050 ff.). Solche Gründe wurden bei der Prüfung eines auf die Erben übergegangenen Einsichtsanspruchs in dem Rechtsinstitut der ärztlichen Schweigepflicht gesehen, die grundsätzlich nur durch Entbindung seitens des Geheimhaltungsberechtigten gelöst werden dürfe. Die Pflicht des Arztes zur Verschwiegenheit gelte im Grundsatz auch im Verhältnis zu nahen Angehörigen des Patienten und dürfe ihnen gegenüber nur ausnahmsweise und nur im vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden, soweit einer ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegen stünden (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 1983 – VI ZR 259/81 – aaO; OLG München, aaO, 983).
In diesem Zusammenhang ist bei der Einsicht in eine Pflegedokumentation das Grundrecht des Heimbewohners auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten, das die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten grundsätzlich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1, 43; 78, 77, 84; 80, 367, 373; BVerfG NJW 2006, 1116, 1117), also auch die Freiheit, persönliche Daten zu offenbaren (vgl. BVerfG VersR 2006, 1669, 1671). Hieraus folgt, dass das Einsichtsrecht in eine Pflegedokumentation nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB V, §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB nur auf den gesetzlichen Krankenversicherer übergehen kann, wenn eine Einwilligung des Heimbewohners vorliegt oder zumindest von seinem vermuteten Einverständnis auszugehen ist, soweit einer ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegen stehen (vgl. Schultze-Zeu, aaO, 1051 ff.).
bb) Soweit gegen die Übergangsfähigkeit des Nebenrechts auf Einsicht bei einer begehrten Einsicht in Krankenunterlagen eingewendet wird, die Rechte der Krankenkassen auf Information und Auskunft zur Prüfung der Regressmöglichkeit nach § 116 SGB X seien im SGB V, insbesondere in § 294a, genauestens geregelt und eine Umgehung dieser datenschutzrechtlich ausgerichteten Bestimmungen durch zivilrechtliche Regelungen würde die gesamte Systematik des Sozialrechts konterkarieren (so Bergmann KH 2008, 825, 830), beachtet diese Argumentation nicht den grundsätzlichen Unterschied zwischen den sozialrechtlichen und den zivilrechtlichen Regelungen.
Die sozialrechtliche Regelung in § 294a SGB V dient dazu, durch Schaffung einer gesetzlichen Übermittlungs- und Offenbarungsbefugnis den gesetzlichen Krankenkassen einen eigenen Anspruch auf Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden zu geben und den damit verbundenen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Patienten und die korrespondierende ärztliche Schweigepflicht zu rechtfertigen. Sie verpflichtet u.a. Vertragsärzte, unaufgefordert den Krankenkassen Angaben über Ursachen und mögliche Verursacher mitzuteilen, wenn aus ihrer Sicht Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen. Der verpflichtete Leistungserbringer muss also von sich aus oder gegebenenfalls auf Anforderung der Krankenkassen die erforderlichen Daten mitteilen, ohne dass eine Zustimmung oder Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten erforderlich ist (vgl. KassKomm/Hess, SGB V, Stand: März 2007, § 294a Rn. 1 f.; Krauskopf/Schneider, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: Februar 2009, § 294a SGB V Rn. 2 f., 8 f., 12; Schultze-Zeu, aaO, 1053). Diese sozialrechtliche Mitteilungspflicht ist von dem nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X, §§ 401 Abs. 1 analog, 412 BGB übergehenden zivilrechtlichen Einsichtsrecht zu unterscheiden, bei dem es sich nicht um ein eigenes Recht der Krankenkassen handelt, sondern um ein Einsichtsrecht, das nur dem Zweck dient, als Hilfsrecht eine Prüfung des eventuellen, auf die Krankenkassen übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Geschädigten zu ermöglichen. Insoweit wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch die erforderliche tatsächliche oder mutmaßliche Einwilligung des Versicherten gewahrt. Die bei § 294a SGB V maßgebliche Erwägung des Gesetzgebers, für die Verpflichtung zur Übermittlung personenbezogener Daten eine gesetzliche Grundlage zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 146), gilt hier nicht.
cc) Die nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen Voraussetzungen für einen Übergang des Hilfsrechts auf Einsichtnahme bzw. Herausgabe der Pflegedokumentation in Kopie gegen eine Kostenerstattung liegen im Streitfall vor. Die Revision der Beklagten wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht festgestellt hat, dass der Betreuer der Geschädigten die Beklagte wirksam von der Schweigepflicht entbunden und in die Herausgabe der Unterlagen eingewilligt hat. Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, weil der dem Sohn der Geschädigten übertragene Wirkungskreis auch alle Vermögensangelegenheiten sowie die Vertretung gegenüber Renten- und Versicherungsanstalten umfasst und der Betreuer in seinem Aufgabenkreis den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 1902 BGB). Wegen des Sturzes und der dabei erlittenen Verletzungen der bei der Klägerin versicherten Heimbewohnerin sind auch ausreichende Anhaltspunkte für die Prüfung eines Schadensersatzanspruchs gegeben.
B. Revision der Klägerin:
Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin eine zeitlich nicht beschränkte Herausgabe von Kopien der Pflegedokumentation. Damit hat sie keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klägerin das übergegangene Einsichtsrecht zu Recht nur in dem Umfang zugesprochen, in welchem es zur Prüfung eines nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X übergegangenen eventuellen Schadensersatzanspruchs erforderlich ist. Dies entspricht dem Zweck des Hilfsrechts, die erforderlichen Informationen zur Prüfung eines Schadensersatzanspruchs zu beschaffen und die Prüfung eines solchen Anspruchs zu erleichtern. Wenn das Berufungsgericht insoweit einen Zeitraum von ca. sechs Monaten vor dem Schadensereignis für angemessen hält, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen ergibt sich auch aus der Schweigepflichtentbindungser-
klärung und Herausgabegenehmigung des Betreuers der Geschädigten vom 28. April 2006 der Zusammenhang der Erklärungen mit dem Verdacht auf mögliche Pflegefehler.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.