LG Hamburg, Urteil vom 29.03.2012 – 403 HKS 1/11
Haftet ein Frachtführer wegen qualifiziertem Verschuldens nach Artikel 29 Abs. 1 CMR i. Verb. m. § 249 BGB unbeschränkt auf Schadensersatz, stellen die für einen Vorprozess aufgewandten Kosten eine adäquate Folge des Transportschadens dar, sodass diese Kosten von dem Frachtführer im Rahmen des § 249 BGB auch zu erstatten sind.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 26.5.2011 – Geschäftszeichen: 33 a C 28/11 – aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.178,71 (i. W.: Euro eintausendeinhundertachtundsiebzig 71/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2011 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1
Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
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Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, weil die Klage begründet ist. Die Klägerin kann von der Beklagten beanspruchen, dass die Beklagte die Kosten in voller Höhe erstattet, mit denen sie aufgrund des Vorprozesses belastet ist.
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Dieser Anspruch ergibt sich zum einen aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB. Die Kammer tritt der Bewertung des Amtsgerichts nicht bei, wonach das Schreiben vom 6.4.2009 (Anlage K 2) keine Mahnung des Gläubigers darstellt. Dieses Schreiben stammt von dem Versicherungsmakler H V E P GmbH, der anzeigt, als Bevollmächtigter des Verkehrshaftungsversicherers der Klägerin mit der Bearbeitung der Regressforderungen aus Anlass des Schadensfalls betraut worden zu sein. Aus den Umständen folgt, dass die sodann in dem Schreiben folgende Aufforderung an die Beklagte, Zahlung zu leisten, jedenfalls auch für die Klägerin erfolgte. Da nämlich der Schaden der Absenderin zu diesem Zeitpunkt noch nicht vom Verkehrshaftungsversicherer der Klägerin reguliert war, war auch für die Beklagte klar, dass dieser zu diesem Zeitpunkt nicht Anspruchsinhaber war und die Zahlungsaufforderung stellvertretend für den Versicherungsnehmer (die Klägerin) erfolgte, die den Haftungsansprüchen der Absenderin ausgesetzt war. Hierzu war der Versicherer der Klägerin, für den der Versicherungsmakler handelte, im Zuge der ihm als Haftpflichtversicherer übertragenen Abwehr von Ansprüchen der Absenderin gegen die Versicherungsnehmerin und außerdem auch kraft der aus Anlage K 13 konkludent folgenden Bevollmächtigung der Klägerin berechtigt. Dass mit dem Schreiben zur Zahlung an die Rechtsanwälte S & S aufgefordert wurde, steht der Wertung als Mahnung gleichfalls nicht entgegen. Dass es sich dabei um die von der Absenderin bzw. deren Versicherer beauftragten Anwälte handelte, lag für die Beklagte nahe und war jedenfalls aus dem der Anlage K 2 beigefügten Schreiben der besagten Anwälte vom 20.3.2009 ersichtlich. Dieses Schreiben ist zwar erst im Berufungsverfahren mit Anlage Bk 3 vorgelegt worden. Die Vorlage im Berufungsrechtszug ist aber nicht verspätet, sondern wäre nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Letztlich kommt es darauf aber auch gar nicht an, weil jedenfalls aufgrund der Korrespondenz gemäß Anlagen K 6 bis K 8 davon auszugehen ist, dass die Beklagte wusste, dass die Zahlung an die Rechtsanwälte S & S gefordert wurde, weil diese die Vertretung des Transportversicherers der Absenderin übernommen hatten. Das Schreiben gemäß Anlage K 8 ließ die Beklagte im Übrigen auch ohne Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug geraten. Die darin gegenüber dem Versicherungsmakler des Verkehrshaftungsversicherers zum Ausdruck gebrachte Zahlungsverweigerung musste es aus Sicht der Klägerin als nutzlos erscheinen lassen, selbst an die Beklagte heranzutreten und ein weiteres Mal zur Regulierung aufzufordern.
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Die Klage ist aber auch unabhängig von einem Verzugseintritt der Beklagten begründet. Da der Beklagten im Vorprozess der Streit verkündet worden war, steht aufgrund der Interventionswirkung fest, dass der Transportschaden mit qualifiziertem Verschulden herbeigeführt wurde. Die Beklagte haftet der Klägerin deshalb nach Artikel 29 Abs. 1 CMR i. Verb. m. § 249 BGB unbeschränkt auf Schadensersatz. Die für den Vorprozess von der Klägerin aufgewandten Kosten stellen eine adäquate Folge des Transportschadens dar, sodass diese Kosten von der Beklagten im Rahmen des § 249 BGB auch aus diesem Grunde zu erstatten sind.
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Die Höhe des der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruchs ist ferner nicht – wie die Beklagte meint – auf die Höhe der Anwaltsgebühren beschränkt, die allein auf Seiten der Klägerin angefallen wären, wenn die Absenderin bzw. deren Transportversicherer sie im Vorprozess nur in Höhe von € 13.075,– in Anspruch genommen hätte. Zutreffend ist zwar, dass die Klägerin und ihr folgend die Beklagte wegen des im Vorprozess festgestellten Mitverschuldens auf Seiten der Absenderin nur einen Betrag in Höhe von € 13.075,– zur Begleichung des sich auf insgesamt € 26.150,– belaufenden Transportschadens schuldete. Dass die Absenderin den vollen Schaden von € 26.150,– einklagte und deshalb in Höhe der Hälfte unterlag, hat jedoch zu keiner höheren Kostenbelastung der Klägerin geführt, weil die Klägerin nur die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits (wenn auch nach dem höheren Streitwert) zu tragen hatte. Diese von ihr zu tragenden hälftigen Kosten beliefen sich auf € 2.613,71. Wäre die Klägerin nur in dem berechtigten Umfang von € 13.075,– von der Absenderin auf Zahlung in Anspruch genommen worden, hätte sie nicht nur 50 %, sondern 100 % der Kosten des Rechtsstreits und damit höhere Kosten tragen müssen (vgl. auch die Gegenüberstellung der Klägerin in Anlage K 6). Die Beklagte vernachlässigt bei ihren Überlegungen, dass die Klägerin bei einem Vorprozess über € 13.075,– nicht nur mit den Kosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von € 1.435,00, sondern auch mit den Gerichtskosten und den vollen Kosten der Gegenseite belastet gewesen wäre, so dass insgesamt € 3.868,65 von der Beklagten zu erstatten gewesen wären (vgl. Anlage K 6).
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Schließlich vermag die Beklagte auch nicht mit Erfolg einzuwenden, dass der Klägerin gar kein Schaden entstanden sei, weil der Verkehrshaftungsversicherer der Klägerin die entstandenen Kosten des Vorprozesses zu tragen habe. Die Klägerin ist Anspruchsinhaberin, soweit sie im Außenverhältnis zu ihren Prozessbevollmächtigten und der Gegenseite die Prozesskosten schuldet oder bereits getragen hat. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gegen ihren Versicherer auf Übernahme dieser Kosten ändert daran nichts, weil die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich an die Versicherung verweisen zu lassen, sondern auch unmittelbar den Schädiger auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Soweit die Beklagte behauptet, der Versicherer habe der Klägerin bereits die Kosten erstattet, kommt es auf diese Behauptung, für die die Beklagte im Übrigen ersichtlich keine konkreten Erkenntnisse hat, bereits deshalb nicht an, weil die Beklagte nicht vorträgt, wann die Zahlung des Versicherers erfolgt sein soll. Nur ein vor Rechtshängigkeit der hier maßgeblichen Klage erfolgter Anspruchsübergang könnte aber auf die Aktivlegitimation der Klägerin in diesem Verfahren Einfluss haben (§ 265 Abs. 2 ZPO).
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Die zuerkannten Zinsen kann die Klägerin gemäß §§ 286 Abs. 1. 288 Abs. 1 BGB beanspruchen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.