Anspruch auf Schadensersatz gegen Bank bei unterbliebener Aufklärung über Rückvergütungen

OLG Stuttgart, Urteil vom 16.03.2011 – 9 U 129/10

Anspruch auf Schadensersatz gegen Bank bei unterbliebener Aufklärung über Rückvergütungen

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen – Einzelrichter – vom 22.07.2010, Az. 7 O 608/09, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.171,40 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% vom 27.07.2007 bis 11.01.2010 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.01.2010 Zug um Zug gegen Übertragung von 540 Stück A Anteile (WKN:).

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.085,04 € außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme von 540 Stück A Anteilen (WKN:) befindet.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 20%, die Beklagte 80%.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwertbeschluss: Wert der Klage und Berufung: 32.171,40 €

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Anlageberatung, die am 20.04.2000 zur Zeichnung von 540 Anteilen des offenen Investmentfonds D geführt hat. Sie zahlte bei Erwerb der Anlage einen Ausgabeaufschlag in Höhe von 3,75% und eine jährliche Verwaltungsgebühr in Höhe von 1,25% an die Fondsgesellschaft. Die Beklagte klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass sie selbst für dieses Geschäft von der Fondsgesellschaft eine Provision in Höhe von 3,4% sowie eine jährliche Verwaltungsprovision von 0,41% erhielt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Aufklärungsfehler der Beklagten wegen der verschwiegenen Rückvergütung, die aus dem Ausgabeaufschlag zurückgeflossen ist, angenommen, den Anspruch jedoch wegen Verjährung gem. § 37a WpHG abgewiesen. Die Beklagte habe den Nachweis erbracht, dass sie nicht vorsätzlich ihre Pflicht zur Aufklärung verletzt habe.

Gegen das ihr am 27.07.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.08.2010 Berufung eingelegt und diese am 16.09.2010 mit einer Begründung versehen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere greift die Klägerin die Verneinung des Vorsatzes an und verweist auf die so genannte Wohlverhaltensrichtlinie des früheren Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel vom 26.05.1997, die eine Aufklärungspflicht ohne Interpretationsspielraum enthalten habe. Die Beklagte müsse sich zudem die fehlerhafte Einschätzung des X-verbandes gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Den Rundschreiben würde es im Übrigen an einer Begründung für die fehlende Aufklärungspflicht vollständig fehlen.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 22.07.2010, Az. 7 O 608/09, wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.171,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% seit dem 20.04.2000 bis Rechtshängigkeit und seit Rechtshängigkeit hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übertragung von 540 Stück A (WKN:) zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.248,31 € außergerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme befindet.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung der Klägerin ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs und der vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet. Insbesondere lässt sich die Verjährung der Ansprüche der Klägerin nicht feststellen.

1. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen eine Aufklärungspflichtsverletzung der Beklagten und somit das grundsätzliche Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gem. § 280 Abs. 1 BGB angenommen: Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Dieser verpflichtete die Beklagte zur Aufklärung über die unstreitig erhaltene „echte“ Rückvergütung aus dem Ausgabeaufschlag in Höhe von 3,4% sowie aus der jährlichen Verwaltungsprovision in Höhe von 0,41%. Dies nimmt die Berufung als ihr günstig hin. Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschl. v. 29.06.2010, XI ZR 308/09; Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 338/08; Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07). Der Senat nimmt auf die sorgfältigen Entscheidungsgründe im Urteil des Landgerichts Bezug und macht sie sich zu Eigen. Die Beklagte hat nicht die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens erschüttert, die auch im Falle der unterbliebenen Aufklärung über die Höhe von Rückvergütungen greift (BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07, Rn. 22; vgl. a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.09.2010, 19 U 135/10, Rn. 8).

2. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts tragen jedoch nicht die Schlussfolgerung, die Beklagte habe ihre Aufklärungspflichten nicht vorsätzlich verletzt und sich in einem vorsatzausschließenden Rechtsirrtum befunden. Das Landgericht hat bei seiner Würdigung nicht hinreichend weitere Umstände berücksichtigt, die gegen einen vorsatzausschließenden Rechtsirrtum sprechen.

a. Der Anspruch der Klägerin ist nicht gem. § 37a WpHG verjährt. Die Verjährung greift nur bei fahrlässigen Pflichtverstößen, während es bei vorsätzlich falscher Anlageberatung bei der deliktischen Regelverjährung verbleibt (BGH, Urt. v. 08.03.2005, XI ZR 170/04).

Nach der maßgeblichen – auch vom Landgericht berücksichtigten – Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2009 (XI ZR 586/07) muss eine beratende Bank ihren Geschäftsbetrieb zum Schutz des Rechtsverkehrs so organisieren, dass bei ihr vorhandenes Wissen den Mitarbeitern, die für die betreffenden Geschäftsvorgänge zuständig sind, zur Verfügung steht und von diesen auch genutzt wird. Ein vorsätzliches Organisationsverschulden ist dann gegeben, wenn die Bank ihre Verpflichtung zur Aufklärung der Kunden gekannt oder zumindest für möglich gehalten hat (bedingter Vorsatz) und es gleichwohl bewusst unterlassen hat, ihre Anlageberater anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären. Hierfür trägt sie nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.

Für die Frage des Vorsatzes kommt es gem. § 31 BGB auf das Wissen der gesetzlichen Vertreter der Beklagten an, somit dasjenige der Vorstandsmitglieder. Da der Vorsatz eine innere Tatsache ist, kann er nur anhand von äußeren Indizien belegt bzw. widerlegt werden. Es ist daher Aufgabe der Beklagten, die Indizien zu benennen, die dem Senat den erforderlichen Schluss auf den Rechtsirrtum erlauben. Sind die Indizien lückenhaft oder begründen sie weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau die Überzeugung des Gerichts von einem Rechtsirrtum, ist der Beweis nicht geführt. So liegt der Fall hier.

b. Die Pflicht zur Aufklärung über die Rückvergütung wird bei der Beratung über Kapitalanlageprodukte, die im (üblichen) Wege des Finanzkommissionsgeschäfts erworben werden, auf zwei Aspekte gestützt, nämlich einerseits auf die kommissionsrechtliche Herausgabepflicht gem. § 384 HGB bzw. § 667 BGB und andererseits auf die mit einer Rückvergütung verbundene Interessenkollision der Bank. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab der Entscheidung vom 19.12.2006 (XI ZR 56/05) hat den Aspekt der Interessenkollision zur Begründung der Aufklärungspflicht weiter herausgearbeitet. In seiner Folgeentscheidung zu einer Anlageberatung außerhalb des Anwendungsbereichs des Wertpapierhandelsgesetzes (Beschl. v. 20.01.2009, XI ZR 510/07) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen sich nicht aus dem WpHG ableitet, sondern einen zivilrechtlich allgemein anerkannten Grundsatz darstellt, der lediglich in diesem Gesetz normiert wurde. In der mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbaren Entscheidung vom 12.05.2009 (XI ZR 586/07) bezüglich der Anlageberatung bei einem Aktienfonds betont er zusätzlich, im Zusammenhang mit dem Organisationsverschulden, die kommissionsrechtliche Herausgabepflicht. Die Beklagte hätte daher zum Nachweis eines Rechtsirrtums darlegen müssen, dass sie sich sowohl über ihre kommissionsrechtliche Herausgabepflicht als auch über die Interessenkollision und die jeweils damit verbundene Aufklärungspflicht geirrt hat.

c. Die Beklagte hat im Einzelnen die internen Papiere und Vorgänge dargelegt, aus denen sich der Umgang der Beklagten mit der so genannten Wohlverhaltensrichtlinie (Richtlinie des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel vom 26.05.1997, BAnz 1997, 6586) entnehmen lässt. Insbesondere hat sie dargelegt, dass sie in Ermangelung einer eigenen Rechtsabteilung sich auf die Rechtsauskünfte und Rundschreiben des X-verbandes, insbesondere die Schreiben vom 25.06.1997 (Anlage B 15) und 19.09.1997 (Anlage B 16) verlassen habe. In diesen Verbandsschreiben werden auch zu Ziff. 2.2 der Wohlverhaltensrichtlinie Ausführungen gemacht und – in sinngemäßer Wiedergabe – darauf hingewiesen, dass die Bank über die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung von als Aufwendungsersatz in Rechnung gestellten fremden Kosten aufzuklären habe. Weiter wird dort allerdings ausgeführt, dass im Investmentgeschäft mit „bestimmten Produkten“ der Ausgabeaufschlag keine „fremden Kosten“ darstelle.

Diese Darlegungen erlauben in ihrer Gesamtheit nicht die Feststellung, dass die Beklagte sich in einem Rechtsirrtum über ihre Aufklärungspflicht befunden habe. Der Senat ist angesichts der vorgetragenen Indizien nicht davon überzeugt, dass die damaligen Vorstandsmitglieder der Beklagten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Wohlverhaltensrichtlinie vom 26.05.1997 sich auf die Rundschreiben des Bankenverbands verlassen haben und die seit jeher bestehende kommissionsrechtliche Herausgabepflicht der Provisionen nicht erkannt und auch die offenkundige Widersprüchlichkeit des Schreibens nicht hinterfragt haben.

Bei der Beklagten als Bank sind auch ohne Rechtsabteilung vertiefte Kenntnisse über die sich aus dem Betreiben der Bankgeschäfte ergebenden Rechte und Pflichten vorauszusetzen. Die Beklagte ist ein Kreditinstitut i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG, das Bankgeschäfte gewerbsmäßig betreibt. Zu den Bankgeschäften gehören gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG auch die Finanzkommissionsgeschäfte. Erlaubnisvoraussetzung für das gewerbsmäßige Betreiben von Bankgeschäften ist, dass die Geschäftsleiter und satzungsmäßigen Vertreter zuverlässig sind, § 33 Abs. 1 Nr. 2, 3, § 1 Abs. 2 KWG. Insbesondere muss der Vorstand der Beklagten über theoretische und praktische Fachkenntnisse einschließlich Spezialkenntnisse bezüglich der betriebenen Geschäftsarten verfügen (Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 11. Aufl., § 33 Rn. 41, 51f). Dass der damalige Vorstand der Beklagten nicht über die notwendigen Kenntnisse und somit die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb von Bankgeschäften verfügte, hat die Beklagte nicht behauptet.

Es gehört bereits zu den gesetzlichen Grundregeln des Finanzkommissionsgeschäfts, dass der Kommissionär die Interessen des Kommittenten zu wahren hat, § 384 Abs. 1 HGB, sowie alles herauszugeben hat, was er aus der Ausführung des Kommissionsgeschäfts erlangt, § 384 Abs. 2 HGB. Die Beklagte lässt nicht erkennen, dass sich ihre satzungsmäßig bestellten Vertreter überhaupt mit der Gesetzeslage, geschweige denn mit der Fachliteratur und der Rechtsprechung auseinandergesetzt hätten. Sie stellt es so dar, als ob sie kritiklos einigen Verbandsschreiben gefolgt seien, ohne substantiell eigene Prüfungen vorgenommen zu haben. Diese Darstellung ist vor dem Hintergrund einer vollkommen eindeutigen Gesetzeslage einschließlich der Erläuterungen in den Standardkommentaren unhaltbar. Die Beklagte kann sich nicht in dem Kernbereich ihres eigenen Geschäfts darauf berufen, die Rechtslage nicht ohne anwaltliche Hilfe einschätzen zu können. Sie unterlässt bereits – unabhängig von der Wohlverhaltensrichtlinie – Ausführungen zu der Frage, auf Grund welcher Überlegungen sie überhaupt die Vereinnahmung von Provisionen im Rahmen des Kommissionsgeschäfts für zulässig erachtet hat. Diese Frage drängte sich schon vor der ersten Anlageberatung auf, nämlich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Provisionsvereinbarungen mit den Kapitalanlagegesellschaften oder Emittenten von Wertpapieren. Bereits die Entscheidung, Provisionsvereinbarungen zu treffen mit dem darin liegenden Vorsatz, die vereinnahmten Provisionen nicht an die Kunden weiter zu geben, wirft Fragen der Strafbarkeit der Organe der Beklagten auf (vgl. bereits BGH, Urt. v. 28.02.1989, XI ZR 70/88, Rn. 30; Beschl. v. 29.06.2010, XI ZR 308/09, Rn. 5). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich um sog. „echte“ Rückvergütungen oder sonstige Innenprovisionen handelt.

In der damaligen kommissionrechtlichen Literatur zu § 384 HGB wird die Pflicht zur Herausgabe von Provisionen unmissverständlich aufgeführt und nicht ernsthaft problematisiert (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 384 Rn. 9; Koller in: Großkommentar HGB, 4. Aufl., Stand 1.4.1985, § 384 Rn. 38ff.; Westermann in: Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl. 1997, § 667 Rn. 17; Thomas in: Palandt, BGB, 56. Aufl. 1997, § 667 Rn. 3; Beuthien in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1999, § 667 Rn. 13; Steffen in: BGB-RGRK, 12. Aufl. 1978, § 667 Rn. 7). Ein Blick in einen Standardkommentar zum Kommissionsrecht oder zum Recht der Geschäftsbesorgung hätte der Beklagten Klarheit verschafft, wenn sie überhaupt einen Anlass zum Zweifeln gehabt hätte.

Auch die Aufklärungspflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen wurde in der einschlägigen Fachliteratur bereits ausführlich diskutiert (bejahend: Koller in: Assmann/Schneider, WpHG 1995, § 31 Rn. 71ff.; Schäfer, WpHG, 1999 § 31 Rn. 29; Schäfer, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999, Rn. 196; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 16.440; Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 18 VIII.2 Rn. 154; Schlüter, Wertpapierhandelsrecht, 2000, § 31 Rn. 86; Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998, S. 63f.).

Schließlich mangelte es nicht an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Herausgabepflicht von Provisionen durch den Kommissionär bzw. Geschäftsbesorger (BGH, Urt. v. 08.02.1989, XI ZR 70/88, WM 1989, 1047 – Broker und Anlagevermittler; Urt. v. 06.02.1990, XI ZR 184/88, WM 1990, 462 – Broker und Anlagevermittler; Urt. v. 14.03.1991, VII ZR 342/89, NJW 1991, 1819 – Steuerberater; Urt. v. 17.10.1991, III ZR 352/89, WM 1992, 879). Insbesondere hat der BGH bereits in der Entscheidung vom 06.02.1990 erörtert, dass das Verschweigen einer solchen Provision gegenüber dem herausgabeberechtigten Auftraggeber eine Straftat darstellen könnte (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB).

Angesichts einer rechtlich vollkommen zweifelsfreien Herausgabepflicht liegt es nahe, das Verschweigen der Bank, die diese Provisionen für sich behalten will, als vorsätzlich zu bewerten. In Betracht kommt der Tatbestand der Untreue, § 266 StGB oder des Betruges, § 263 StGB. Wer vor gesetzlich normierten und allgemein anerkannten Regelungen und einer auf der Hand liegenden Problematik die Augen verschließt, handelt – auch ohne Rechtsberater – mindestens bedingt vorsätzlich. Dies gilt umso mehr, wenn er auf Grund der Wohlverhaltensrichtlinie erneut auf diese Problematik hingewiesen wird. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Beklagte auch ihre Pflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen erkannt hat. Sie durfte die Klägerin als ihre Kundin nicht bezüglich eines Finanzinstruments beraten und ihr dabei verheimlichen, dass ihr aus dem Kommissionsvertrag auch die Provision zustand.

d. Ein Rechtsirrtum der Beklagten lässt sich auch nicht mit einem Verweis auf die Entscheidung des OLG München (Urt. 06.10.2004, 7 U 3009/04) begründen, die später durch die sog. Kick-Back-II-Entscheidung des BGH vom 19.12.2006 abgeändert wurde. Der Vorsatz der Beklagten wird nicht dadurch widerlegt, dass ein Gericht auf Grund eines möglicherweise nicht vollständig festgestellten Sachverhalts eine Aufklärungspflichtsverletzung nicht erkennen kann. Es kommt auf das tatsächliche Wissen der handelnden Organe der Beklagten an. Das OLG München hat in der vorgenannten Entscheidung die kommissionsrechtliche Herausgabepflicht überhaupt nicht thematisiert und Feststellungen hierzu unterlassen. Der erkennende Senat hat hingegen bereits 2005 unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung zu den „Kick-Backs“ von Brokern die mögliche Strafbarkeit bei verschwiegenen Provisionen aufgezeigt (Urt. v. 16.02.2005, 9 U 171/03, EWiR 2005, 335).

e. Die Beklagte entlastet nicht der Umstand, dass sie auf die Fachkenntnis des X-verbands vertraut hat. Die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist eine nicht delegierbare Pflicht. Auf Grund der bei der Beklagten auch ohne angestellte Juristen zu unterstellenden Fachkenntnis (s.o.) war sie befähigt und verpflichtet, den fachlichen Rat Dritter eigenständig zu prüfen. Im Übrigen ergibt sich die Pflicht zur qualifizierten Prüfung – auch bei einer „Auslagerung der Rechtsabteilung“ – ergänzend aus § 25a KWG (auch in der zum Zeitpunkt der Beratung gültigen Fassung vom 09.09.1998). Danach dürfen ausgelagerte Bereiche, die für die Durchführung von Bankgeschäften wesentlich sind, nicht den Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung entzogen werden. Dies impliziert die Pflicht zur Kontrolle der externen Leistungen (so nun ausdrücklich § 25a Abs. 2 S. 2, 4 KWG in der aktuellen Fassung). Wenn die Beklagte sich zu Fragen beraten lässt, in denen sie ohnehin schon eine eigene hohe Fachkompetenz besitzt, bleibt ihre Pflicht zur eigenständigen qualifizierten Prüfung bestehen. Insbesondere darf sie bei offensichtlichen Widersprüchen den Auskünften Dritter nicht blind vertrauen, sondern muss gegebenenfalls nachfragen und dem Ratgeber die Widersprüche vorhalten. Unterlässt sie dies, verschließt sie vor der greifbaren Fehlerhaftigkeit der Auskünfte die Augen. Sie ist dann so zu behandeln, als habe sie die Fehlerhaftigkeit der Auskunft und das Bestehen der Aufklärungspflicht gekannt.

Die zu einer eigenen Beurteilung der Rechtslage befähigte Beklagte hat nicht nur mit ihrer Provisionspraxis die eindeutige Gesetzeslage nebst Erläuterungen in Fachliteratur und Rechtsprechung ignoriert. Sie hat auch nicht dargelegt, dass sie den ausdrücklichen Hinweis in der Wohlverhaltensrichtlinie auf die kommissionsrechtliche Herausgabepflicht und die damit verbundene Aufklärungspflicht zum Anlass genommen hätte, ihre bisherige Praxis zu überdenken. Selbst das Schreiben des X-verbands vom 19.09.1997 (Anlage B16, GA 254R) weist auf die kommissionsrechtliche Herausgabepflicht hin. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der Verband in seinem Schreiben die Auffassung vertritt, „Kick-Back-Vereinbarungen“ i.S.d. Wohlverhaltensrichtlinie lägen nicht beim „Investmentgeschäft mit bestimmten Produkten“ wie der A-Bank vor, da „der Ausgabeaufschlag und die Vertriebsprovision vom Wortlaut der Richtlinie her keine ‚fremden Kosten’“ darstellten. Die Beklagte bleibt jedoch jegliche plausible Erklärung dafür schuldig, warum sie als professionelles Finanzinstitut nicht erkannt haben will, dass es sich bei Ausgabeaufschlägen von Kapitalanlagegesellschaften um „fremde Kosten“ handelt, auch wenn diese Gesellschaften zum Verbund der Sparkassen gehören sollten. Das Verständnis von der rechtlichen Selbständigkeit von juristischen Personen darf man bei der Beklagten voraussetzen. Schließlich musste die Beklagte die im Rahmen des Finanzkommissionsgeschäfts vereinnahmten Kundengelder ordnungsgemäß verbuchen, das Kommissionsgeschäft abwickeln und die Gebühren an die Kapitalanlagegesellschaft abführen, ebenso wie sie zweifelsfrei ihre Provisionsforderungen gegen die Kapitalanlagegesellschaft ordnungsgemäß verbucht haben dürfte. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Rechtslage zur Provisionsherausgabepflicht sowie der offensichtlichen Widersprüchlichkeit der Ausführungen des X-verbands ist es nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte auf Grund ihres Interesses an dem Erhalt der Provisionen ihre Augen vor der Rechtslage und der Aufklärungspflicht verschlossen hat. Unter diesen Umständen lässt sich ein Vorsatz der Beklagten nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen.

f. Für eine Verjährung der Ansprüche gem. § 852 Abs. 1 BGB a.F. bzw. §§ 195, 199 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB wäre die Kenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen erforderlich. Hierzu gehört die Kenntnis von der Höhe der von der Beklagten vereinnahmten Rückvergütung. Diese Kenntnis hat die Klägerin erst in unverjährter Zeit erhalten.

3. Die Klägerin hat gem. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung des Anlagebetrages in Höhe von 23.171,40. Ein darüber hinaus gehender Schaden in der Form eines entgangenen Gewinns gem. § 252 BGB lässt sich hingegen nicht feststellen. Zwar behauptet die Klägerin, sie hätte bei pflichtgemäßer Aufklärung von der Investition in die Kapitalanlage abgesehen und den Betrag festverzinslich zu 4% angelegt. Nähere Einzelheiten hat sie jedoch nicht dargestellt. Diese Darstellung genügt den Anforderungen des § 252 BGB nicht und erlaubt dem Senat auch keine Schätzung gem. § 287 ZPO. Insbesondere war die Klägerin bereit, in ein Finanzinstrument zu investieren, das Kursschwankungen unterliegt. Daher kann angesichts erheblicher Kursverluste an den Aktienmärkten nicht ohne weiteres angenommen werden, dass sie bei pflichtgemäßer Beratung ausschließlich festverzinsliche Anlageformen gewählt oder einen Ertrag in Höhe von mindestens 4% p.a. erwirtschaftet hätte.

4. Der Anspruch auf Verzugszinsen ist ab dem Zeitpunkt der Erfüllungsverweigerung der Beklagten vom 27.07.2007 gem. §§ 280, 286, 288 BGB und als Prozesszinsen gem. §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit begründet. Für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit konnte jedoch kein höherer Zinssatz als der geltend gemachte zugesprochen werden. Der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten ergibt sich dem Grunde nach ebenfalls aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Klägerin kann aber nur die Erstattung einer durchschnittlichen Geschäftsgebühr (RVG VV Nr. 2300) von 1,3 anstatt, wie geltend gemacht, 1,5 verlangen, da der Fall keine überdurchschnittliche Schwierigkeit aufwies. Dementsprechend betragen die erstattungsfähigen Anwaltskosten lediglich 1.085,04 €.

5. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme der Fondsanteile auf Grund des Angebots der Klägerin in Verzug, so dass dieser zur Vollstreckungserleichterung fest-gestellt werden kann.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Beim Streitwert wurde der Wert der als entgangener Gewinn geltend gemachten Zinsen in Höhe von 4% vom 20.04.2000 bis zur Rechtshängigkeit (insgesamt ca. 9.000 €) berücksichtigt. Der entgangene Gewinn der Klägerin stellt eine selbständige Schadensposition dar und ist von der Schadensersatzforderung bezüglich des Anlagekapitals unabhängig. Insbesondere ist er kein Entgelt für die Überlassung des Anlagekapitals (OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.06.2010, 1 W 30/10). Auch ist der durch die Kapitalentziehung bei der Klägerin entstandene Schaden nicht vergleichbar mit einem bereicherungsrechtlich als Nutzungsvorteil herauszugebenden und vom überlassenen Kapital abhängigen Zinsertrag, der gem. § 4 ZPO nicht Streitwert erhöhend wirkt (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 15.02.2000, XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015). Dementsprechend war das teilweise Unterliegen der Klägerin bei der Kostenquote zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung weicht nicht von Entscheidungen anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs ab und beruht im Wesentlichen auf den Umständen des Einzelfalls.

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