BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 – III ZR 200/11
Zur Frage der Zulässigkeit der Forderungsabtretung durch ein Telekommunikationsunternehmen
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf – 1. Zivilkammer – vom 19. Juli 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs und des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht aus abgetretenem Recht Vergütungen für die Erbringung von Telekommunikationsleistungen. Der Beklagte ist Inhaber eines Telefonanschlusses der D. AG, über den er auch seinen Computer mit dem Internet verbindet. Für einzelne Einwahlen in das Internet (sog. Internetby-Call) nutzte er im Zeitraum vom 28. Juni 2009 bis zum 6. September 2009 die Zugangsnummer der V. GmbH. Dem Beklagten wurden die hierfür verlangten Entgelte zunächst über die D. AG als „Beträge anderer Anbieter“ in Rechnung gestellt. Nachdem der 1 Beklagte hierauf keine Zahlungen leistete, verlangt die Klägerin, an die die Forderung der V. GmbH ihrem Vortrag zufolge aufgrund eines zwischen den Rechtsvorgängern der beteiligten Unternehmen geschlossenen „Vertrags über Dienstleistungen im Rahmen der Callby-Call-Abrechnung“ übergegangen ist, die Begleichung der berechneten Beträge sowie von Nebenkosten.
Nach dem von der Klägerin als Anlage 4 des genannten Vertrags vorgelegten Factoringvertrag kaufte sie in bestimmten Abrechnungszeiträumen unter Übernahme des Delkredererisikos alle „rückbelasteten offenen Forderungen im Rahmen der Callby-Call-Abrechnung mit DTAG-Teilnehmern“. Die Abtretung der Forderungen erfolgte nach § 2 Abs. 2 des Vertrags unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Erwerber das von ihm geschuldete Entgelt an den Zedenten auskehrte.
Die Klägerin legte weiterhin eine zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und derjenigen der V. GmbH getroffene „Datenschutz- und Vertraulichkeitsvereinbarung“ vor (Anlage 5 des Vertrags), in der neben anderen Bestimmungen folgende Regelungen enthalten sind:
„I. Datenschutz
…
(5) Die Vertragsparteien verpflichten sich, die geschützten Daten nur im Rahmen der o.g. Zusammenarbeit und ausschließlich zu dem diesem Vertragsschluss zugrunde liegenden Zweck und in der jeweils angegebenen Weise zu verarbeiten und zu nutzen.
(6) Sobald die Kenntnis der geschützten Daten für die Erfüllung dieses Zweckes nicht mehr erforderlich ist, sind unverzüglich alle in diesem Zusammenhang vorhandenen geschützten Daten unwiederbringlich zu löschen bzw. zurückzugeben. …
(7) die Vertragsparteien sind berechtigt, die Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherheit bei der jeweils anderen Vertragspartei im Sinne dieser Vereinbarung zu kontrollieren. …
II. Vertraulichkeit
…
(2) Die Vertragsparteien werden die überlassenen vertraulichen Unterlagen und Informationen ausschließlich zur Erfüllung des zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vertrages verarbeiten und nutzen. Sie werden sie auch nur solchen Mitarbeitern zugänglich machen, die diese zur Erfüllung des Vertrages benötigen. Die Vertragsparteien werden diese Mitarbeiter entsprechend dieser Vereinbarung zur Vertraulichkeit verpflichten.
(3) Auf Verlangen, spätestens jedoch bei Beendigung der Zusammenarbeit der Vertragsparteien sind alle in diesem Zusammenhang vorhandenen vertraulichen Informationen unwiederbringlich zu löschen oder an die jeweils andere Vertragspartei zurückzugeben …
…“
Der Beklagte ist der Auffassung, der Abtretungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG, §§ 88, 97 Abs. 1 Satz 3 TKG gemäß § 134 BGB nichtig. Weiter macht er geltend, die Klägerin habe den Eintritt der aufschiebenden Bedingung für die Zession der gegen ihn gerichteten Forderungen nicht vorgetragen. Er bestreitet die Anzahl und die Dauer einer Reihe der in Rechnung gestellten Verbindungen sowie deren rechnerisch richtige Ermittlung. Ferner ist er der Ansicht, die verlangten Entgelte seien teilweise sittenwidrig überhöht.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Mit seiner von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Februar 2012 (CR 2012, 255) dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob Art. 6 Abs. 2 und 5 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation, ABl. EG Nr. L 201 S. 37) die Übermittlung von Verkehrsdaten vom Diensteanbieter an den Zessionar einer Entgeltforderung für Telekommunikationsleistungen erlaubt, wenn der zum Zweck des Einzugs rückbelasteter Forderungen erfolgten Abtretung außer der allgemeinen Verpflichtung auf das Fernmeldegeheimnis und den Datenschutz zu den jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen die vorstehend zitierten vertraglichen Bedingungen zugrunde liegen. Der Gerichtshof hat die Vorlage mit Urteil vom 22. November 2012 (C-119/12, EWS 2012, 525) beschieden.
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch die Vorlage des Factoringvertrags und von Handelsregisterauszügen sei nachgewiesen, dass die Klägerin Inhaberin der geltend gemachten Forderung geworden sei. Die Abtretung sei nicht wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis nichtig. Die mit der Abtretung verbundene Datenweitergabe sei durch § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG beziehungsweise dessen inhaltsgleiche und damit identisch auszulegende Vorgängernorm des § 7 Abs. 1 Satz 3 TDSV zulässig gewesen. Danach dürfe der Diensteanbieter die in Absatz 2 der jeweiligen Vorschrift genannten Daten weitergeben, wenn er mit einem Dritten einen Vertrag über den Einzug des Entgelts geschlossen habe. Verträge in diesem Sinne seien nicht nur die klassischen Formen der Einzugsermächtigung und Inkassozession, sondern alle Formen der Abtretung.
Dem Umfang nach ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus den erstellten Rechnungen. Diesen lägen die von der Klägerin vorgelegten Einzelverbindungsnachweise zu Grunde, die einen Anscheinsbeweis für die Vollständigkeit und Richtigkeit der streitgegenständlichen Abrechnungen begründeten. Diesen Anscheinsbeweis habe der Beklagte nicht erschüttert. Insbesondere reiche es hierfür nicht, wenn er vorbringe, dass an einzelnen Tagen mehrstündige Internetverbindungen berechnet worden seien. Es sei allgemein bekannt, 7 dass viele Internetnutzer stundenlang surften oder über Nacht Dateien herunter lüden. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, im Einzelnen substantiiert getrennt für jeden Abrechnungszeitraum vorzubringen, weshalb die in den Einzelverbindungsnachweisen ausgewiesenen Nutzungszeiten nicht zutreffen könnten. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Der Höhe nach sei von den von der Klägerin der Abrechnung zu Grunde gelegten Tarifen auszugehen. Es sei nicht festzustellen, dass diese die Tatbestände des § 138 Abs. 1 oder 2 BGB erfüllten.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen den Rechtsvorgängern der Klägerin und der V. GmbH ein Factoringvertrag geschlossen worden.
2. Es hängt indessen von noch nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen ab, ob die Würdigung des Berufungsgerichts zutrifft, die Abtretung der etwaigen Forderung gegen den Beklagten von dem Diensteanbieter an die Klägerin sei nicht wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG, § 88 TKG) und den Datenschutz (§§ 91 ff TKG) gemäß § 134 BGB nichtig.
a) Der Zedent eines wegen der Erbringung von Telekommunikationsleistungen entstandenen Entgeltanspruchs ist gemäß § 402 BGB verpflichtet, dem Zessionar die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und die in seinem Besitz befindlichen zum Beweis dienenden Urkunden zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst auch die Weitergabe von Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 TKG), die dem Fernmeldegeheimnis und dem Datenschutz unterliegen, da diese Informationen für die Abrechnung und den Nachweis der angefallenen Entgelte notwendig sind (vgl. § 45g, § 45i Abs. 1, 2, § 97 Abs. 1, 2 TKG). Die Übermittlung dieser Daten vom Diensteanbieter an einen Dritten zum Zweck des Einzugs der Forderung ist nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG auch ohne Einwilligung des Teilnehmers erlaubt. Diese gesetzliche Befugnis unterscheidet die Rechtslage im Telekommunikationsrecht von der, die etwa für die Einziehung von Honorarforderungen von Ärzten und Rechtsanwälten durch Dritte besteht. Unter anderem in diesen Bereichen ist die Abtretung von Entgeltansprüchen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Zustimmung des Schuldners gemäß § 134 BGB unwirksam, weil sie wegen der aus § 402 BGB folgenden Pflicht des Zedenten zur Offenbarung von Umständen führen würde, auf die sich dessen Schweigepflicht bezieht (z.B. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005 – IX ZB 62/04, BGHZ 162, 187, 190 f; Urteile vom 5. Dezember 1995 – X ZR 121/93, NJW 1996, 775 und vom 25. März 1993 – IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115, 117 f jeweils mwN).
b) Wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 16. Februar 2012 (CR 2012, 255 Rn. 16 ff) ausgeführt hat, erstreckt sich die in § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG statuierte Befugnis zur Datenübermittlung entgegen der von einem Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (AG Bremen, Urteil vom 20. Oktober 2011 – 9 C 430/11, juris Rn. 9 ff; AG Hamburg-Altona, CR 2007, 238 f) und der Revision vertretenen Auffassung nicht nur auf Verträge, die lediglich eine Einzugs-14 ermächtigung oder eine treuhänderische Inkassozession zum Gegenstand haben, also die Forderung rechtlich oder aufgrund des fiduziarisch ausgestalteten Innenverhältnisses zwischen Zedenten und Zessionar wirtschaftlich (vgl. hierzu RGZ 99, 142, 143) im Vermögen ihres ursprünglichen Inhabers belassen. Vielmehr erfasst § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG auch sonstige Abtretungsverträge, insbesondere solche, die – wie im vorliegenden Sachverhalt – einen Forderungskauf beinhalten und nach denen der zedierte Anspruch rechtlich und wirtschaftlich endgültig dem Zessionar zustehen soll (so auch die hM: AG Bremen, Urteil vom 23. November 2010 – 4 C 237/10, juris Rn. 7; Eckhardt in Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., Teil L Rn. 219 Fn. 4; Fetzer in Arndt/Fetzer/ Scherer, TKG, § 97 Rn. 5; Klesczewksi in Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl., § 97 Rn. 6; Koenig/Neumann RTkom 2001, 226, 228 ff, Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 134 Rn. 22a).
Zwar mag der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG, der auf den „Einzug“ der Entgeltforderung abstellt, vordergründig darauf hindeuten, dass die Datenweitergabe nur im Rahmen einer Einziehungsermächtigung oder allenfalls einer Inkassozession erlaubt sein soll, da eine uneingeschränkte Abtretung über den bloßen Einzug einer Forderung hinausgeht. Andererseits ist auch eine solche Zession rechtlich und wirtschaftlich auf den Einzug der abgetretenen Forderung gerichtet (siehe auch Koenig/Neumann aaO, S. 228), so dass der Wortlaut beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt.
Demgegenüber spricht der Zweck der Bestimmung gegen eine Beschränkung der zulässigen Datenweitergabe auf die Fälle der Einziehungsermächtigung und der Inkassozession. § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG soll es den Diensteanbietern ermöglichen, ihre Forderungen, soweit diese nicht bereits über die Teilnehmernetzbetreiber eingezogen werden, durch Dritte beizutrei-16 ben, da diese Aufgabe häufig arbeits- sowie kostenintensiv ist und somit das Kerngeschäft der Diensteanbieter behindert, Telekommunikationsleistungen zu erbringen (Büttgen in Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl., § 97 Rn. 11). Die Möglichkeit, Dritte mit dem Forderungseinzug zu betrauen, soll insbesondere kleineren Anbietern, die nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand in der Lage sind, ein eigenes Inkassowesen zu unterhalten, die Teilnahme am Wettbewerb erleichtern. Von diesem Zweck wird auch der Forderungsverkauf erfasst. Der Diensteanbieter nimmt in diesem Fall zwar hin, dass er nicht den vollen Betrag seiner Forderung erhält. Er wird jedoch von dem Beitreibungsaufwand und in der Regel auch von dem Forderungsausfallrisiko endgültig und vollständig entlastet. Andererseits soll die Bestimmung die datenschutzrechtlichen Belange der Teilnehmer wahren. Diese werden bei einer uneingeschränkten Abtretung jedoch nicht stärker beeinträchtigt, als bei einer lediglich auf Einziehung für den Diensteanbieter gerichteten Ermächtigung oder Zession. Für die Geltendmachung der Forderung sind in allen drei Fallgestaltungen dieselben Daten erforderlich (Koenig/Neumann aaO S. 229). Zur Darlegung der Voraussetzungen des Anspruchs und gegebenenfalls zu dessen gerichtlicher Verfolgung benötigt der aufgrund einer Einziehungsermächtigung oder einer Inkassozession tätige Dritte nicht weniger Daten als der Zessionar, dem die Forderung ohne Einschränkungen aus dem Innenverhältnis mit dem Zedenten abgetreten wurde. Auch die von der Revision angesprochene Gefahr, der Zessionar könne bei einer uneingeschränkten Abtretung den Anspruch – anders als bei einer Einziehungsermächtigung oder Inkassozession – weiter abtreten, so dass die übermittelten Daten einem stetig größer werdenden Personenkreis bekannt würden, besteht nicht. Der Dritte, an den der Diensteanbieter die Entgeltforderung abgetreten hat, ist seinerseits gemäß § 97 Abs. 1 Satz 4 TKG vertraglich auf die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses und des Datenschutzes zu verpflichten. Hieraus folgt, dass er im Hinblick auf § 402 BGB nur dann zur Abtretung an ei-
nen Anderen berechtigt wäre, wenn für die Weitergabe der Daten ein Erlaubnistatbestand bestünde. Dies ist aber nicht der Fall, da das Telekommunikationsgesetz die Übermittlung der in § 97 Abs. 2 TKG genannten Daten nur von dem Diensteanbieter an einen Dritten, nicht aber von diesem an einen weiteren erlaubt (Senatsurteil vom 14. Juni 2012 – III ZR 227/11, NJW 2012, 2582 Rn. 16 f).
Schließlich sprechen auch die dem Gesetz zu Grunde liegenden Materialien für eine Auslegung von § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG, nach der der Begriff des „Einzugs“ der Forderung auch die uneingeschränkte Abtretung erfasst. § 97 TKG ist weitgehend mit dem zuvor geltenden § 7 der Telekommunikations-Datenschutzverordnung (TDSV) vom 18. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1740) identisch (Regierungsbegründung des Entwurfs eines Telekommunikationsgesetzes, BT-Drucks. 15/2316 S. 89 zu § 95 TKG-E, der als § 97 TKG in Kraft trat). In der Begründung der Bundesregierung zu dieser Verordnung ist in Bezug auf § 7 ausgeführt, die vorgesehene vertragliche Verpflichtung von Dritten zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses und der Datenschutzvorschriften der Verordnung sei erforderlich, weil strafrechtliche oder allgemein vertragliche Regelungen über die Haftung und Vertraulichkeit nicht ausreichten. Die Regelung begründe für den Diensteanbieter kein eigenständiges Recht, die Forderung an das Inkassounternehmen mit der Folge abzutreten, dass dieses die Forderung gegenüber dem Kunden unmittelbar als eigenen Anspruch geltend machen könne (BR-Drucks. 300/00 S. 16). Dem ist zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber von der – inhaltlich uneingeschränkten – Abtretbarkeit der Entgeltforderungen ausging und nur die datenschutzrechtliche Seite der Zession stärken wollte (vgl. Fetzer in Arndt/Fetzer/Scherer, TKG, § 97 Rn. 5). Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass betont wird, die vorgesehene Bestimmung begründe kein eigenständiges Abtretungsrecht. Dadurch wird deutlich, dass der 18 Verordnungsgeber unterstellt hat, aus dem allgemeinen Recht folge bereits eine solche Befugnis des Diensteanbieters, die künftig nur nach Maßgabe der in dem Verordnungsentwurf vorgesehenen – bislang unzureichenden – datenschutzrechtlichen Beschränkungen ausgeübt werden können solle.
c) Die Anforderungen des Erlaubnistatbestands des § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG werden unter Berücksichtigung des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung weiter durch Art. 6 Abs. 2 und 5 der Richtlinie 2002/58 bestimmt. Das Telekommunikationsgesetz dient unter anderem der Umsetzung dieser Richtlinie (siehe Anmerkung zum Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190). Nach den genannten Bestimmungen, wie weitgehend auch schon nach Art. 6. Abs. 4 der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. EG Nr. L 24 S. 1), darf die Verarbeitung von Verkehrsdaten zum Zwecke der Gebührenabrechnung nur durch Personen erfolgen, die auf Weisung des Betreibers öffentlicher Kommunikationsnetze und öffentlich zugänglicher Kommunikationsdienste handeln und die für Gebührenabrechnungen zuständig sind.
aa) Nach dem aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2012 (C-119/12, EWS 2012, 525) sind diese Bestimmungen in dem Sinne auszulegen, dass ein Diensteanbieter im Hinblick auf die Einziehung seiner Telekommunikationsleistungen betreffenden Forderungen Verkehrsdaten an einen Zessionar dieser Forderungen übermitteln und der Zessionar diese Daten verarbeiten darf, sofern er erstens hinsichtlich der Verarbeitung dieser Daten auf Weisung des Diensteanbieters handelt und sich zweitens auf die Verarbeitung der-19 jenigen Verkehrsdaten beschränkt, die für die Einziehung der abgetretenen Forderungen erforderlich sind (aaO Rn. 29).
Unabhängig von der Einstufung des Abtretungsvertrags ist davon auszugehen, dass der Zessionar im Sinne von Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2002/58 auf Weisung des Diensteanbieters handelt, wenn er für die Verarbeitung von Verkehrsdaten nur auf Anweisung dieses Diensteanbieters und unter dessen Kontrolle handelt. Der zwischen Zessionar und Diensteanbieter geschlossene Vertrag muss insbesondere Bestimmungen enthalten, die die rechtmäßige Verarbeitung der Verkehrsdaten durch den Zessionar gewährleisten und es dem Diensteanbieter ermöglichen, sich jederzeit von der Einhaltung dieser Bestimmungen durch den Zessionar zu überzeugen (aaO Rn. 30).
bb) Ob die zwischen den Rechtsvorgängern der V. GmbH und der Klägerin getroffenen Vereinbarungen diesen Anforderungen genügen, lässt sich auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands und der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz noch nicht abschließend beurteilen.
Die in Anlage 5 des Vertrags getroffenen Vereinbarungen zum Datenschutz und zur Vertraulichkeit enthalten in Nummern I Abs. 5 und 6 sowie II Abs. 2 und 3 die notwendigen formalen Anweisungen des Diensteanbieters, zu welchen Zwecken, in welcher Weise, für welche Dauer und durch welchen Personenkreis die Verkehrsdaten von dem Zessionar verwendet werden dürfen. Nach Nummer I Abs. 7 ist der Zedent weiter berechtigt, die Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherheit im Sinne der Vereinbarung zu kontrollieren. Da eine Beschränkung dieses Kontrollrechts nicht vereinbart ist, ist es dem Zedenten, wie nach dem Urteil des Gerichtshofs erforderlich, auch jederzeit 21 möglich, sich von der Einhaltung der vereinbarten Bestimmungen über den Datenschutz und die Datensicherheit zu überzeugen.
Allerdings ist dem Sachvortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht die erforderliche inhaltliche Beschränkung der Datenverarbeitung auf solche Verkehrsdaten zu entnehmen, die für die Forderungseinziehung oder für gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG zulässige Zwecke notwendig sind. Die vorzitierten Bestimmungen begrenzen die zulässige Datenverarbeitung nicht ausdrücklich hierauf. Vielmehr dürfen die Daten „im Rahmen der o.g. Zusammenarbeit und ausschließlich zu dem diesem Vertragsschluss zugrunde liegenden Zweck“ (Nr. I Abs. 5), „für die Erfüllung dieses Zwecks“ (Nr. I Abs. 6) beziehungsweise „zur Erfüllung des zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vertrags“ (Nr. II Abs. 2) genutzt und verarbeitet werden. Dass Vertragsgegenstand lediglich die Forderungseinziehung oder nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie zulässige Zwecke sind, ist nicht ersichtlich. Die „Datenschutz- und Vertraulichkeitsvereinbarung“, in der die genannten Regelungen enthalten sind, stellt die Anlage 5 zu einem umfassenderen „Vertrag über Dienstleistungen im Rahmen der Callby-Call-Abrechnung“ dar. Dieser ist nicht der Factoringvertrag. Jener ist vielmehr die Anlage 4 zu dem „Vertrag über Dienstleistungen …“. Deshalb und weil die Klägerin Fotokopien der Bestimmungen über den Gegenstand des „Grundvertrags“ (nach dessen Inhaltsübersicht §§ 2 und 3) nicht vorgelegt hat, bleibt offen, welche Zwecke der „Datenschutz- und Vertraulichkeitsvereinbarung“ zugrunde liegen, und damit, ob sich die danach erlaubte Datenverarbeitung entsprechend den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 2002/58/EG auf die Verkehrsdaten beschränkt, die zu den danach zulässigen Zwecken notwendig sind. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit zum Vortrag zu diesem bislang nicht erörterten Gesichtspunkt und dem Berufungsgericht die Möglichkeit zu ergänzenden Feststellungen hierzu. 24 3. Für das neue Verfahren weist der Senat weiter darauf hin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht die Voraussetzungen für einen zugunsten der Klägerin streitenden Anscheinsbeweis für die Vollständigkeit und Richtigkeit der dem Beklagten erteilten Abrechnung angenommen hat.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Telekommunikationsdienst – technisch fehlerfrei bis zum Übergabepunkt – erbracht wurde, trägt gemäß § 45i Abs. 3 Satz 1 TKG der Diensteanbieter (siehe auch Senatsurteil vom 24. Juni 2004 – III ZR 104/03, NJW 2004, 3183). Ferner trägt er, obgleich dies nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die richtige Berechnung der Telekommunikationsdienstleistung, für die er das Entgelt beansprucht (Dahlke in Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 45i Rn. 33; Kessel in Arndt/Fetzer/ Scherer, TKG, § 45i Rn. 65; Schlotter in Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl., § 45i Rn. 27; siehe auch Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 92/05 [Beschluss] S. 9). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur wird allerdings überwiegend vertreten, dass zugunsten des Diensteanbieters ein Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der Telefonrechnung eingreifen kann (z.B. OLG Bremen MMR 2012, 93; OLG Hamm MMR 2004, 337, 338; LG Trier, Urteil vom 26. Juli 2005 – 1 S 40/05, juris Rn. 6; AG Bonn MMR 2008, 67; AG Leer MMR 2007, 473, 474; Kessel aaO Rn. 62 ff; Schlotter aaO Rn. 28; zu § 16 TKV siehe Nießen in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Stand Juli 2003, C § 41/§ 16 TKV Rn. 36 ff m. umfangr. Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fäl-25 len, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (z.B. Senatsurteil vom 22. November 2007 – III ZR 280/06, VersR 2008, 1067 Rn. 11 mwN).
Für Rechnungen über Telekommunikationsleistungen kann, was das Berufungsgericht verkannt hat, nicht schlechthin von einem solchermaßen typischen Geschehensablauf ausgegangen werden, dass die von den Telekommunikationsdiensteanbietern verwendeten technischen Anlagen das Verbindungsaufkommen korrekt erfassen und das Entgelt zutreffend berechnen. Vielmehr ist zu fordern, dass ein zertifiziertes Abrechnungssystem gemäß § 45g Abs. 2 TKG genutzt wird (Schlotter aaO) und bei Einwendungen des Kunden eine technische Prüfung gemäß § 45i Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 TKG durchgeführt wurde, die keine Hinweise auf Fehler oder Manipulationen erbracht hat (OLG Bremen; OLG Hamm; AG Bonn; Schlotter jew. aaO). Eine solche Prüfung ist allerdings entbehrlich, wenn der Kunde die Abrechnung nicht nach Maßgabe des § 45i Abs. 1 Satz 1 TKG rechtzeitig beanstandet hat (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24. Juni 2004 – III ZR 104/03, NJW 2004, 3183, 3185). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 45i Abs. 1 Satz 2 TKG „Im Falle der Beanstandung …“ und aus § 45i Abs. 3 Satz 3 TKG, der bei der Regelung der Beweislast auf die technische Prüfung „nach Absatz 1“ Bezug nimmt, welcher eine Beanstandung voraussetzt.
Aber selbst wenn die vorstehenden Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anscheinsbeweises für die Richtigkeit der Erfassung und der Abrechnung der Verbindungen, deren Bezahlung die Klägerin beansprucht, festgestellt würden, könnte ein solcher Beweis zumindest nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, da er jedenfalls erschüttert wäre. Ein Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 – VI ZR 58/06, VersR 2007, 681 Rn. 10 mwN). Dies ist hier der Fall, da die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen, wie die Revision mit Recht rügt, zumindest teilweise rechnerisch nicht nachvollziehbar und damit unschlüssig sind. Die in der Revisionsbegründung insoweit angeführten Berechnungsbeispiele hat der Senat überprüft. Sie treffen zu. Die jeweils ausgeworfenen Beträge sind mit den angegebenen Nutzungsdauern und den zu den jeweiligen Tagen und Uhrzeiten geltenden Tarifen nicht in Einklang zu bringen und weichen zum Nachteil des Beklagten von dem rechnerisch richtigen Ergebnis ab. Dies lässt begründete Zweifel daran aufkommen, dass die Systeme, die zur Erfassung der jeweiligen Verbindungen oder zur Berechnung des Entgeltanspruchs der V. GmbH verwendet wurden, zuverlässig arbeiten, und lässt es als möglich erscheinen, dass ein atypischer Geschehensablauf vorliegt.
4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch die Gelegenheit, sich mit den übrigen Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.