AG Flensburg, Urteil vom 10.03.2010 – 69 C 43/10
Zur Frage des Erfordernisses eines sofortigen Arztbesuches bei Reisestornierung wegen Krankheit
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 263,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2009 sowie Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 46,41 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 263,00 Euro aus dem Reise-Rücktrittskosten-Versicherungsvertrag.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Versicherungsfall eingetreten ist und dem Kläger keine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen ist. Der Versicherungsfall, nämlich eine unerwartet schwere Erkrankung, die es dem Kläger unmöglich machte, seine Reise anzutreten, lag vor. Der Arzt S A diagnostizierte am 01.06.2009 eine eitrige Mandelentzündung. Die unter Punkt 2 gestellte Frage, ob die Krankheit des Patienten als so ernst anzusehen sei, dass der Arzt dem Patienten die Reise verbieten müsste, bejaht er. Unter Punkt 13 des von dem Arzt ausgefüllten Formulars der Beklagten stellt er fest, dass eine Reiseunfähigkeit seit dem 01.06.2009 deshalb bestand, weil ansonsten die Gefahr einer Abszessbildung oder einer Verschlechterung des Zustandes mit gegebenenfalls notwendiger stationärer Behandlung bestehe. Auf dem eingereichten Attest diagnostizierte der Arzt Herr A am 29.05.2009 eine Pharyngitis akuta und am 01.06.2009 eine eitrige Streptokokkentonsillitis. Das Attest sowie der ausgefüllte Fragebogen genügen als Nachweis für die bestehende Erkrankung des Klägers.
Dass der Kläger die Reise bereits am 27.05.2009 – also vor dem Arztbesuch – storniert hatte, beeinflusst die Ersatzpflicht der Beklagten nicht. Es ist kein Verstoß gegen § 9 der in den Vertrag einbezogenen Bedingungen für die Reiserücktrittskostenversicherung erkennbar. Danach ist die versicherte Person verpflichtet, die Reise unverzüglich nach Eintritt des Versicherungsfalles zu stornieren. Der Eintritt des Versicherungsfalles besteht hier in dem Ausbruch der Krankheit am 27.05.2009. Dass der Kläger an diesem Tag nicht direkt den Arzt aufgesucht hat, ist insoweit unschädlich. Einzig entscheidend ist, dass der Arztbesuch vor dem geplanten Reiseantritt am 03.06.2009 erfolgte. Das Argument der Beklagten, wenn eine Krankheit so schlimm sei, dass man eine Reise nicht antreten könne, gehe man direkt zum Arzt, greift nicht. Da es sich bei einer Mandelentzündung erkennbar nicht um eine lebensbedrohliche Krankheit handelte, kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er erst zwei Tage nach deren Ausbruch zum Arzt gegangen war. Dem von der Beklagten zitierten Urteil des AG München vom 27.05.1999 (Az: 232 C 5730/99) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Zwar hatte der Arzt auch dort die Krankheitsdiagnose nach Stornierung der Reise erstellt, dies jedoch zu einer Zeit, in der sich die erkrankte Person bereits hätte im Urlaub befinden sollen. Dieser Fall liegt hier gerade nicht vor.
Die geltend gemachten Stornokosten in Höhe von 263,00 Euro sind ebenfalls ausreichend nachgewiesen. Mit Schreiben vom 26.10.2009 hatte das T C Reisebüro in F durch den Inhaber Herrn W L G dem Kläger bestätigt, dass er die Stornokosten für den Flug in Höhe von 70,00 Euro sowie die Stornokosten für die Reise in Höhe von 193,00 Euro vollständig bezahlt hatte.
Die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 Euro ergeben sich aus der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters und berechnen sich wie folgt:
Aus einer 1,3-Geschäftsgebühr bei einem Streitwert von 263,00 Euro 32,50 Euro
zzgl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 6,50 Euro
und Mehrwertsteuer in Höhe von 7,41 Euro
ergibt sich der Betrag von 46,41 Euro.
Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 280, 286, 288 BGB. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23.06.2009 die Zahlung endgültig abgelehnt hatte, befand sie sich gem. § 187 Abs. 1 BGB seit dem 24.06.2009 im Verzug.
Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er einen Bankkredit aufgenommen hat, bei dem 15 % Zinsen anfallen. Da die Beklagte diese Zinsen bestritten hat, war der Klageanspruch insoweit abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.