Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2011 – L 13 VG 33/10
Eine frauenärztliche Untersuchung, die in Zudringlichkeiten und ungewollte Zärtlichkeiten im Intimbereich ausartet, ist von der erforderlichen Einwilligung der Patientin in die ärztliche Behandlung ersichtlich nicht mehr gedeckt. Ein solcher sexueller Übergriff stellt deshalb eine strafbare körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB und damit eine vorsätzliche Körperverletzung dar. Ein solcher ärztlicher Eingriff, der als vorsätzliche Körperverletzung strafbar ist, ist gleichzeitig ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG, wenn er aus Sicht eines verständigen Dritten in keiner Weise dem Wohl des Patienten dient . Das trifft auch auf einem gewaltlosen sexuellen Übergriff bei einer frauenärztlichen Untersuchung zu, weil er dem Wohl der Patientin offensichtlich zuwiderläuft (Rn. 45).
Bestellen lediglich noch Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung fort, ist ein Anspruch auf Versorgungsrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) nicht gegeben (Rn. 47)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.02.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die am 00.00.1960 geborene Klägerin begehrt Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen angeschuldigter sexueller Übergriffe ihres Frauenarztes am 03.03.2003.
2
Am 12.01.2004 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt C Versorgung wegen Angstzuständen, Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen. Die Opferschutzorganisation „Weisser Ring“ trug für sie schriftlich vor, sie sei am 03.03.2003 in der Praxis ihres Frauenarztes Dr. L (L.) zu einer Kontrolluntersuchung gewesen. Dabei sei es zu „sexuellen Übergriffen“ gekommen. Nach einiger Zeit habe eine andere Person die Anmeldung betreten und L. habe sich dorthin begeben. Sie habe ihre Chance erkannt und fluchtartig die Praxis verlassen. L. habe in der Nacht zum 04.03.2003 Selbstmord begangen.
3
Das seinerzeit zuständige Versorgungsamt C nahm Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft C (66 Js 135/03) und den darin enthaltenen Bericht über die Anzeige der Klägerin sowie das Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung vom 04.03.2003. Darin schilderte die Klägerin detailliert, wie ihr Frauenarzt während einer aus ihrer Sicht unnötig ausführlichen vaginalen Untersuchung vielfach mit einem Finger der einen Hand sowie mit einem Ultraschallgerät in sie eingedrungen sei. Gleichzeitig habe er mit der anderen Hand, wie schon vorher, ihren Bauch gestreichelt. Dabei habe er merkwürdig gegrinst und gelacht, als ob er unter Drogen stehe und sie gefragt, ob sie dabei nicht, wie er, „Gefühle empfinde“. Zudem habe er sie in der Praxis mehrmals bedrängt und „Küsschen“ von ihr eingefordert, die sie aber verweigert habe. Nach Beendigung der vaginalen Untersuchung habe er vorgegeben, er müsse nochmals ihre Brust untersuchen und habe unter ihrer Oberbekleidung ihre Brüste gestreichelt. Der Arzt sei aufdringlich geworden und habe versucht, sie zu umarmen. Sie sei aus der Praxis richtig geflüchtet. Das Strafverfahren wurde in der Folge eingestellt, weil sich der L. das Leben genommen hatte. Die vernehmende Kriminalbeamtin notierte dazu in einem Vermerk, die Klägerin sei bei der Vernehmung aufgewühlt gewesen, der Sachverhalt sei unter Tränen aus ihr „herausgesprudelt“. Es bestünden keine Zweifel.
4
Das Versorgungsamt C holte einen Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S vom 06.02.2004 ein. Darin führt dieser aus, die Klägerin habe sich am 02.10.2003 in ausgesprochen erregtem Zustand in der Praxis vorgestellt und über sexuellen Missbrauch vor Monaten sowie über Schlafstörungen und Angstzustände berichtet. Er diagnostizierte eine psychische Dekompensation bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch.
5
Die ebenfalls um Auskunft ersuchte Dipl.-Sozialpädagogin I von der Frauenberatungsstelle „I“ in F führte in einer Mitteilung vom 10.05.2004 über sechs psychosoziale Beratungsgespräche mit der Klägerin aus, sie habe der stark traumatisierten Klägerin eine Therapie empfohlen. Die Klägerin leide seit dem Übergriff in der Arztpraxis unter starken Ängsten, massiv gestörtem Schlaf und sexuellen Störungen, die zu großen Spannungen in der Ehe führten.
6
Das Versorgungsamt C holte daraufhin ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten von Frau Dr. T1 vom 04.04.2005 ein. Bei der Untersuchung am 22.03.2005 gab die Klägerin an, sie sei noch gar nicht über das Geschehen hinweg. Sie schilderte Schlafstörungen und Albträume, in denen sie den Arzt vor sich im Zimmer stehen sehe. Sie könne keine Männerkontakte mehr aushalten, gerate dann in Angstzustände und sehe wieder vor sich, was passiert sei. Sie sei sehr schreckhaft geworden. Sie könne auch die Berührung ihres Mannes nicht gut aushalten, sie habe seitdem Schwierigkeiten in der Sexualität. Das erste Jahr nach dem Geschehen habe sie sich kaum aus dem Haus getraut. Die Therapie bei der Beratungsstelle I habe aber schon etwas gebracht.
7
Die Gutachterin diagnostizierte als Gesundheitsstörung bei der Klägerin „Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung“ und schlug dafür eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. vor. Diese Symptome stünden wahrscheinlich im Zusammenhang mit den angegebenen Ursachen. Insbesondere seien die typischen Symptome der vegetativen Erregung, der Schlafstörungen mit Albträumen, der Schreckhaftigkeit und des Vermeidungsverhaltens unmittelbar nach dem Schädigungsgeschehen aufgetreten. Die Klägerin habe die sexuellen Übergriffe in der Frauenarztpraxis traumatisierend, beschämend und Ekel erregend erlebt. Sie habe sich in der gynäkologischen Untersuchungssituation hilflos ausgeliefert gefühlt. Für sie selber seien Traumatisierungssymptome zurückgeblieben. Die durchgeführte Gesprächstherapie habe zwar eine Verbesserung ihres Zustandes gebracht. In abgemilderter Form seien jedoch die Symptome weiter vorhanden. Die Klägerin sei derzeit nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Es seien keine Neuroleptika oder Antidepressiva verordnet. Der bisherige Verlauf zeige eine Besserungstendenz.
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Mit Bescheid vom 18.04.2005 erkannte das Versorgungsamt C daraufhin „Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung“ als Schädigungsfolge an. Eine Rente könne nicht gewährt werden, da die Schädigungsfolgen keine MdE von wenigstens 25 v.H. bedingten. Die Klägerin habe jedoch ab dem 03.03.2003 einen Anspruch auf Heilbehandlung.
9
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es liege ein MdE von wenigstens 30 v.H. vor, weil ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit deutlich eingeschränkt sei. Sie leide infolge des Übergriffs an massiven Einschlafstörungen. Sie bleibe am liebsten zuhause und gehe ohne ihren Ehemann kaum außer Haus. Der massive Vertrauensbruch durch die Gewalttat erkläre auch, warum sie sich noch nicht in weitergehende psychologische Betreuung begeben habe.
10
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte das Versorgungsamt C einen weiteren Befundbericht von Dr. S vom 31.10.2005 ein. Ihm war unter anderem ein Bericht dieses Arztes an die I Versicherung AG über Folgen eines Fahrradunfalls vom 27.09.2002 beigefügt, bei dem die Klägerin sich den Brustkorb geprellt hatte. Der Unfall habe bei der Klägerin eine vorbestehende Neurose wieder dekompensiert. Sie sei vor dem Unfall nicht völlig gesund und arbeitsfähig gewesen, sondern leide davon unabhängig an einer Angstpsychose.
11
Mit Bescheid vom 20.09.2006 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch nach Einholung weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahmen zurück. Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen seien mit einer MdE von unter 25 v. H. zutreffend bewertet. Sie habe bereits vor dem sexuellen Übergriff unter einer Angstsymptomatik gelitten.
12
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin Rente nach dem OEG nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30 verlangt. Zur Begründung hat sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Der Ursachenzusammenhang zwischen ihrer Erkrankung und dem schädigenden Ereignis sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu unterstellen. Eine ins Gewicht fallende psychische Erkrankung habe vor der Tat nicht bestanden.
13
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T vom 18.02.2009.
14
Die Sachverständige hat sich der Einschätzung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens im Wesentlichen angeschlossen und bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt:
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– Verdacht auf Borderline – Störung bei Zustand nach sexuellen Missbrauch durch den Vater – Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung – Minderbegabung.
16
Es handele sich nicht um ein psychisches Geschehen, das im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung zu sehen sei. Bereits vor der Tat habe die Klägerin nur sehr kurz gearbeitet und eine gewisse Schwäche in ihrer Persönlichkeitsstruktur aufgewiesen. Möglicherweise habe es sich auch um eine Überängstlichkeit gehandelt. Ihr erhöhtes Schutzbedürfnis sei nicht im kausalen Zusammenhang mit der Tat zu sehen, sondern sei bereits vorher vorhanden gewesen. Ihre sozialen Kompetenzen erschienen deutlich eingeschränkt ebenso wie ihre Handlungsperspektiven in Konfliktsituationen. Es sei nicht verwunderlich, dass sie im sozialen Rückzug ihr Heil sehe und gar keine anderen Verhaltensmuster entwickeln könne. Es sei zu vermuten, dass die ursächliche Schädigung in einem kindlichen sexuellen Missbrauch durch den Vater gelegen habe, der offenbar nie zur Sprache gekommen sei und auch keine Einbuße von Lebensqualität nach sich gezogen habe.
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Die Sachverständige bezweifelt, ob die reale Situation während der gynäkologischen Untersuchung sich tatsächlich so abgespielt habe, wie es die Klägerin empfunden habe oder ob diese etwas in den Gynäkologen hinein projiziert habe. Letztlich müsse offen bleiben, ob es sich tatsächlich um einen sexuellen Übergriff gehandelt habe oder um eine Projektion.
18
Es sei nicht zu verstehen, warum die Klägerin nach dem Tod des Gynäkologen erneut in die Praxis gegangen sei; dies spreche nicht für eine posttraumatische Belastungsstörung gemäß den Kriterien des ICD – 10 und DSM- IV. Nach den Schilderungen der Klägerin sei ihr erhöhtes Schutzbedürfnis nicht im kausalen Zusammenhang mit der Tat zu sehen, sondern bereits vorher vorhanden gewesen. Ihre sozialen Kompetenzen erschienen deutlich eingeschränkt ebenso wie ihre Handlungsperspektiven in Konfliktsituationen.
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Auf den Einwand der Klägerin, zu einem Missbrauch durch ihren Vater sei es nie gekommen sowie auf weitere Kritik an dem Gutachten hat die Sachverständige mit einer Reihe von ergänzenden Stellungnahmen reagiert. Darin hat sie ausgeführt, die Klägerin habe sich bei der Anamneseerhebung nicht durchgehend compliant gezeigt, sondern einfache Fragen nicht beantwortet und sich zum Teil aggressiv – abwehrend verhalten. Sie manipuliere in massiver Weise und reagiere mit aggressivem Abbruch eines Kontaktes, wenn dies nicht in ihrem Sinne laufe. Nach dem Eindruck bei der Begutachtung seien die enorme Wut und auch gelebte Aggressionen aus einer neurotischen Vorerfahrung, zum Beispiel durch einen erlittenen sexuellen Missbrauch durch den Vater, entstanden. Die Gewalttat habe auf dem Boden vorbestehender psychischer Schäden durch die desolaten Verhältnisse in der Kindheit der Klägerin zu einer besonderen psychischen Reaktion geführt. Bezüglich der Auffälligkeiten der Klägerin in den sozialen Kontakten habe auch vor der Tat ein krankheitswerter Befund vorgelegen Es habe sich um eine Störung gehandelt, die einerseits durch ihre Lernbehinderung, andererseits durch die Ereignisse ihres Lebenslaufs bis zu diesem Zeitpunkt bedingt gewesen sei. Die Klägerin habe sich auf einem Level arrangiert, der sicherlich schon als pathologisch anzusehen sei. Zudem habe die Klägerin intellektuell nicht sehr viele Handlungsspielräume. Die nach dem sexuellen Übergriff festgestellten Störungen seien nicht in einem bedeutungsvollen Ausmaß anders gewesen als vor der Tat. Eine stärker behindernde, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einhergehende psychische Störung liege nicht vor.
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Das Sozialgericht (SG) Detmold hat auf Antrag der Klägerin ein nervenärztliches Gutachten von Dr. L1 vom 13.12.2009 zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin aus deren Rentenverfahren beigezogen. Danach lag bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung mit qualifizierter Symptomatik und anhaltender Persönlichkeitsveränderung vor.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 22.02.2010 hat das SG ausgeführt, die Klägerin sei am 03.03.2003 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Ihre Angaben bei ihrer Vernehmung als Zeugin durch die Kriminalpolizei am 04.03.2003 seien glaubhaft. Ihr Frauenarzt habe vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) verwirklicht. Dadurch sei die Klägerin psychisch geschädigt worden. Nicht nur vorübergehend seien „Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung“ verblieben, die mit Bescheid vom 18.04.2005 als Schädigungsfolge anerkannt worden seien. Die anerkannten Schädigungsfolgen rechtfertigten aber keinen GdS von mindestens 25. Dies stehe fest aufgrund des im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachtens von Frau Dr. T1. Diese habe bei der Klägerin noch typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Schlafstörungen mit Albträumen, Schreckhaftigkeit sowie vegetative Symptome in Form von Angstreaktionen insbesondere bei Kontakt mit Männern festgestellt. Die Bewertung dieser Störungen als leichtere vegetative oder psychische Störung mit einem GdS von 20 sei nach B 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei weder in psychiatrischer noch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen und nehme keine Neuroleptika oder Antidepressiva.
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Die vom Gericht durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt. Auch gegenüber der Sachverständigen Dr. T habe die Klägerin nichts von einer psychiatrischen Behandlung oder von der Einnahme entsprechender Medikamente berichtet. Die Sachverständige führe im Übrigen nachvollziehbar aus, es spreche gegen eine gravierende Traumatisierung der Klägerin, dass sie später zum Nachfolger des Frauenarztes in dieselben Praxisräumlichkeiten gegangen sei.
23
Gehe man von einem Vorschaden aus, ergebe sich erst recht kein Rentenanspruch, da nur der Verschlimmerungsanteil schädigungsbedingt wäre. Das Vorliegen einer Angstpsychose sei nicht nachgewiesen. Insbesondere habe die Sachverständige Dr. T keine Angststörung im psychiatrischen Sinne gefunden. Sie habe darauf hingewiesen, dass die von Dr. S angegebene Angstveränderung bei minder Begabten häufig vorliege und als Überlebensstrategie anzusehen sei. Soweit die Klägerin eine wesentliche Einschränkung ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die Tat geltend mache, könne dies im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. T nicht überzeugen. Es sei nachvollziehbar, wenn die Sachverständige den sozialen Rückzug der Klägerin wesentlich auf deren eingeschränkte soziale Kompetenzen zurückführe und nicht auf die Tat vom 03.03.2003. Das nervenärztliche Rentengutachten vom 13.12.2009 führe nicht zu einer günstigeren Beurteilung. Es handele sich nicht um eine Begutachtung nach dem sozialen Entschädigungsrecht. Soweit die Klägerin angegeben habe, seit dem traumatisierenden Ereignis habe sie sich von anderen Menschen zurückgezogen, sei zu berücksichtigen, dass sie nach ihren Angaben gegenüber den Sachverständigen bereits vor der Tat wenig soziale Kontakte gehabt habe.
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Die sexuellen Übergriffe des Frauenarztes hätten auch keine tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifenden, lang andauernde Belastungen im Sinne von Ziffer 71 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 bedeutet. Auch lasse sich ein erheblicher sozialer Rückzug infolge der Tat im Sinne dieser Vorschrift nicht feststellen, da die Klägerin bereits zuvor nur eingeschränkte soziale Kontakte gehabt habe.
25
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Entschädigungsbegehren weiter. Die Ausführungen der Sachverständigen Dr. T könnten in keiner Weise überzeugen. Ihr Gutachten beruhe insbesondere auf einem unrichtigen Sachverhalt, indem ein Missbrauch der Klägerin durch ihren Vater angenommen wurde. Das Gutachten stütze die Schlussfolgerung des Gerichtes nicht, dass tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende und langandauernde Belastungen durch die sexuellen Übergriffe nicht vorlägen. Insbesondere habe der Gutachter der Rentenversicherung eindeutig die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt. Soweit der Senat Zweifel am Tathergang habe, würde die Vernehmung der damals vernehmenden Polizeibeamtin sowie die persönliche Anhörung der Klägerin beantragt. Zudem sei ein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich.
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Die Klägerin beantragt,
27
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 sowie des Urteils des Sozialgerichte Detmold vom 22.02.2010 zu verurteilen, der Klägerin Rente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG nach einem GdS von mindestens 30 zu gewähren,
28
hilfsweise,
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ein fachpsychiatrisches Sachverständigengutachten nach § 106 SGG einzuholen.
30
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
32
Er verweist auf das sozialgerichtliche Urteil, das er für zutreffend hält.
33
Mit Beschluss vom 03.09.2010 hat der Senat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurückgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BVG. Der festgestellte GdS erreicht kein Ausmaß, das nach § 31 Abs. 1 BVG zum Rentenbezug berechtigt.
36
Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt Ziel sexueller Übergriffe ihres Frauenarztes geworden ist (1.). Denn selbst wenn man solche Übergriffe annimmt und deshalb das Vorliegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 OEG bejaht (2.), erreicht der dadurch verursachte GdS kein Ausmaß, das die Klägerin zum Rentenbezug berechtigen würde (3.).
37
1. Die Gewährung der von der Klägerin begehrten Beschädigtenrente setzt nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BVG voraus, dass sie Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden ist.
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Grundsätzlich müssen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für eine soziale Entschädigung nach dem OEG, zu denen das Vorliegen eines solchen Angriffs zählt, nachgewiesen, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt worden sein, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (LSG NRW, Urt. v. 29.09.2010 – L 6 (7) VG 16/05, Juris Rn. 23 m.w.Nw.). Mit diesem Grad der Wahrscheinlichkeit vermag der Senat einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff auf die Klägerin durch ihren Frauenarzt indes nicht festzustellen. Außer ihr gibt es keine Tatzeugen, weil der vermeintliche Täter Selbstmord begangen hat. Tatspuren sind nicht festgestellt worden. Zwar kann das Gericht im Sozialgerichtsprozess seine Überzeugung vom Vorliegen einer Tatsache in freier Beweiswürdigung auch allein auf die Angaben eines Beteiligten stützen. Allerdings verbleiben beim Senat nach Würdigung aller Umstände erhebliche Zweifel an der Erlebnisfundierung der Angaben der Klägerin. Einerseits hat die Klägerin zwar den behaupteten Übergriff durch ihren Frauenarzt unter großer emotionaler Beteiligung, mit originellen Details sowie Handlungskomplikationen geschildert, als sie am Tag nach der Tat Anzeige bei der Polizei erstattet hat. Nach einem Eindrucksvermerk der vernehmenden Polizeibeamtin hatte diese daher in der konkreten Situation „keine Zweifel“ an der Aussage der Klägerin. Diese spontane Einschätzung allein genügt indes zur gerichtlichen Überzeugungsbildung schon deswegen nicht, weil es sich nicht um eine richterliche Vernehmung handelte und eine besondere aussagepsychologische Sachkunde der vernehmenden Beamtin nicht belegt ist. Zudem, darauf hat die Sachverständige Dr. T zu Recht hingewiesen, widerspricht die ihr, der Sachverständigen, gegenüber bei der Exploration am 23.01.2009 abgegebene Schilderung der Klägerin in einem Kernaspekt des Tatgeschehens dem bei der Polizei beschriebenen Ablauf. So hat die Klägerin gegenüber der Sachverständigen geschildert, sie habe einen Gang des untersuchenden Frauenarztes zum Telefon genutzt, um aufzustehen und sich damit seinen Zudringlichkeiten zunächst zu entziehen. Bei der Polizei hatte sie dagegen noch berichtet, sie sei während dieses Telefonanrufs liegen geblieben. Diesen Widerspruch hat die Klägerin im Verfahren nicht aufklären können. Zu einer Vernehmung durch den Senat war sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage. Die dargestellte Abweichung in einem wesentlichen Detail der Tat schwächt die Konstanz der Aussage über die Zeit, die ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit darstellt (vgl. Bundesgerichtshof – BGH -, Urt. v. 30.07.1999 – 1 StR 618/98, Juris Rn. 18 ff.).
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Zieht man deshalb die von der Sachverständigen T vertretene These einer möglichen vollständigen oder teilweisen unbewussten Projektion der Klägerin als ebenfalls plausible Erklärung für deren Eindrücke vom Geschehen in Betracht, dann verlieren die in der schriftlichen Fassung der Aussage erkennbaren sog. „Realkennzeichen“ wie Originalität, Schilderung eigener Emotionen und Handlungskomplikationen weitgehend ihre Aussagekraft. Denn solche Realkennzeichen (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Bd. 1 2. Aufl. Rdnr. 231 ff.) sind zur Abgrenzung von absichtlicher Falschbekundung von tatsächlich Erlebtem entwickelt worden. Sie eignen sich weniger oder gar nicht dazu, vom Betroffenen als wahr erlebte Scheinerinnerungen oder psychisch bedingte subjektive Fehlinterpretationen der Handlungen Dritter zu identifizieren.
40
Die beschriebenen Zweifel an der Erlebnisfundierung des von der Klägerin geschilderten Geschehens erlauben es daher insgesamt nicht, das Vorliegen der angeschuldigten Tat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen.
41
2. Zu Gunsten der Klägerin war vor diesem Hintergrund auch vom erkennenden Senat der abgesenkte Beweismaßstab des § 6 Abs. 3 OEG i.V.m. § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) zu prüfen. Nach § 15 S. 1 KOVVfG sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zu Grunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind und die Angaben glaubhaft erscheinen.
42
Diese Vorschrift, die auch im gerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, greift nicht nur beim Verlust von Unterlagen ein, sondern in analoger Anwendung ebenfalls dann, wenn – wie im Fall der Klägerin – andere Beweismittel (z.B. Zeugen) nicht vorhanden sind. Sie soll so auch die Beweisnot von Verbrechensopfern lindern, wenn die Tat ohne Zeugen geschieht und sich der Täter seiner Feststellung entzieht (BSG, Urt. v. 31.05.1989 – 9 RVg 3/89, Juris Rn. 11 ff.).
43
Für die danach ausreichende Glaubhaftmachung genügt ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit als für den regelmäßig erforderlichen Vollbeweis einer Tatsache. Die volle Überzeugung vom Vorliegen einer Tatsache ist nicht erforderlich; es genügt die gute Möglichkeit, dass sie vorliegt (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 118 Rn. 5b m.w.Nw.).
44
Legt man auf der Grundlage dieses abgesenkten Beweismaßstabs die Schilderungen der Klägerin – trotz der verbleibenden Zweifel an ihrer Erlebnisfundierung – als glaubhaft im Sinne von § 15 KOVVfG zu Grunde, dann sind die Übergriffe ihres Frauenarztes als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG zu qualifizieren. Dies lässt sich jedoch nicht, wie es das Sozialgericht getan hat, mit der Erfüllung des Tatbestands der sexuellen Nötigung des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründen. Denn die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllte der Übergriff des Frauenarztes nicht. Dafür fehlt es an einer Nötigung im Sinne der Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen (vgl. zuletzt Beschluss vom 07.07.2009 – 3 StR 223/09, Juris Rn. 4) erfasst § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nur diejenigen Fälle, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint (BGHSt 50, 359, 364 ff.; 51, 280, 284). Erforderlich ist dabei stets, dass sich das Opfer aus Angst vor körperlicher Beeinträchtigung, also vor Körperverletzungs- oder gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr setzt (BGHSt 51, 280, 285; BGH NStZ 2003, 533, 534). Von solcher Angst vor Körperverletzung oder Tötung hat die Klägerin nie etwas erwähnt. In der konkreten Situation gegenüber dem zwar zudringlichen, aber unbewaffneten und nicht bedrohlichen oder gewalttätigen Frauenarzt bestand zu solcher Furcht auch kein Anlass. Mit der Verwirklichung des Tatbestandes des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB lässt sich daher das Vorliegen eines Angriffs im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 OEG nicht begründen.
45
Die Klägerin ist gleichwohl – die Richtigkeit ihrer Darstellungen wiederum unterstellt – Opfer eines Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG geworden. Das ergibt sich aus der danach gegebenen Verwirklichung des Tatbestands der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB durch ihren Frauenarzt. Nach Abs. 1 Alternative 1 der Vorschrift erfüllt schon eine körperliche Misshandlung den Tatbestand der Körperverletzung. Eine frauenärztliche Untersuchung, die in Zudringlichkeiten und ungewollte Zärtlichkeiten im Intimbereich ausartet, ist von der erforderlichen Einwilligung der Patientin in die ärztliche Behandlung ersichtlich nicht mehr gedeckt. Ein solcher sexueller Übergriff stellt deshalb eine strafbare körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB und damit eine vorsätzliche Körperverletzung dar (vgl. dazu und zu der Ausnahmekonstellation des ärztlichen Eingriffs BSG, Urt. v. 29.04.2010 – B 9 VG 1/09 R, Juris Rn. 25 m.w.Nw.). Ein solcher ärztlicher Eingriff, der als vorsätzliche Körperverletzung strafbar ist, ist gleichzeitig ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG, wenn er aus Sicht eines verständigen Dritten in keiner Weise dem Wohl des Patienten dient (vgl. BSG, Urt. v. 29.04.2010 – B 9 VG 1/09 R, Juris Leitsatz). Das trifft auch auf einem gewaltlosen sexuellen Übergriff bei einer frauenärztlichen Untersuchung zu, weil er dem Wohl der Patientin offensichtlich zuwiderläuft.
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3. Im Ergebnis kann indes offen bleiben, ob der behauptete Übergriff auf die Klägerin im Sinne von § 15 KOVVfG als glaubhaft erscheint. Selbst wenn dies unterstellt wird, hat sie infolge des darin liegenden vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG jedenfalls keine gesundheitliche Schädigung in einem Ausmaß erlitten, das sie nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BVG zum Rentenbezug berichtigen würde.
47
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin allenfalls Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung fortbestehen. Dies folgt aus den insoweit übereinstimmenden Darlegungen der im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachterin Dr. T1 sowie der Sachverständigen Dr. T. Ausgehend hiervon ist der GdS mit 20 zu bewerten. Ein Anspruch auf Versorgungsrente ist damit nicht gegeben (§ 31 Abs. 1 BVG). Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin infolge der von ihr angenommenen Tat an einer stärker behindernden psychischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis – und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Teil B Ziffer 3.7. der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (im Folgenden: VMG) leidet, für die ein GdS von 30 oder mehr anzusetzen wäre, der zum Rentenbezug berechtigen würde.
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a) Der vergleichsweise geringe Grad der Schädigung ergibt sich zum Einen daraus, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten die vier Hauptdiagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) – F43.1 nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ ICD-10 (engl.: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) allenfalls teilweise erfüllt.
49
Nach ICD-10 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (A-Kriterium). Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten (B-Kriterium). Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten (C-Kriterium). Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf (D-Kriterium).
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Zwar lag bei der Klägerin das beschriebene B – Kriterium für die Diagnose einer PTBS im Zeitpunkt der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. T noch vor, weil es nach deren Ausführungen zu anhaltenden Erinnerungen an das belastende Ereignis kam.
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Die Erfüllung der weiteren aufgeführten Kriterien für eine PTBS konnte der Senat auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten indes allenfalls partiell feststellen. Nach dem A – Kriterium setzt eine PTBS, wie ausgeführt, eine Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. In Übereinstimmung mit dieser Definition nennt Ziffer 71 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 beispielhaft für eine solche Traumatisierung eine Vergewaltigung oder Geiselnahme mit Gewaltandrohung. An einer solchen auch objektiven schwerwiegenden Bedrohung oder Gewaltanwendung fehlte es, wie unter 2. ausgeführt, aber gerade. Der sexuelle Übergriff des Frauenarztes stellt objektiv ein so schwerwiegend traumatisierendes Ereignis dar, das ein Vollbild einer PTBS beziehungsweise eine vergleichbare gravierende seelische Folgeerkrankung auslösen und bis heute, 8 Jahre nach der angeschuldigten Tat, fortbestehen lassen könnte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin die sexuellen Übergriffe in der Frauenarztpraxis nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. T1 traumatisierend, beschämend und Ekel erregend erlebt hat. Allein die Art des subjektiven Erlebens kann indes das Fehlen eines objektiv schwerwiegenden Extremereignisses nicht vollständig ausgleichen.
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Noch weniger ist das C – Kriterium für die Diagnose der PTBS in vollem Umfang zu bejahen. Danach vermeidet der Betroffene anders als vor dem belastenden Erlebnis Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, tatsächlich oder möglichst. Demgegenüber hat die Klägerin den von ihr benannten Tatort, die Frauenarztpraxis des Täters, nach der Tat mehrmals wieder aufgesucht, um sich dort – wenn auch von einer Frau – gynäkologisch zu behandeln zu lassen. Wie die Sachverständige Dr. T überzeugend ausgeführt hat, wäre bei der behaupteten starken Traumatisierung der Klägerin dagegen zu erwarten gewesen, dass sie jeden räumlichen Kontakt zur Praxis gemieden hätte.
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Auch das D – Kriterium, anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität oder Erregung war nicht feststellbar. Schon die im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachterin Dr. T1 geht zwar von einem anfänglichen Vorliegen dieser Symptome aus, beschreibt insoweit aber eine Besserung. Die Klägerin zeige nicht mehr die anfangs starke vegetative Übererregung, die Symptome bestünden nur noch in abgemilderter Form.
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b) Maßgeblich für die Beurteilung des Grades der Schädigung sind schließlich vor allem die von der festgestellten Gesundheitsstörung hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen, vgl. Buchst. A Nr. 2 a VMG. Entscheidend gegen eine stärker behindernde seelische Erkrankung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Buchst. B Ziffer 3.7 2. Spiegelstrich VMG als Folge des sexuellen Übergriffs spricht dabei aus Sicht des Senats, dass die Klägerin trotz der behaupteten erheblichen Traumatisierung weder fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen noch verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen hat. Vielmehr hatte sich ihr Gesundheitszustand nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. T1 schon durch sechs Beratungsgespräche in der Frauenberatungsstelle „I“ in F gebessert. Dabei handelte es sich indes nicht um eine ärztliche Behandlung, sondern lediglich um eine psychosoziale Beratung durch eine Diplom- Sozialpädagogin.
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c) Schließlich sind selbst die bei der Klägerin feststellbaren Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Buchst. B Ziffer 3.7 VMG zumindest überwiegend keine von der Tat verursachten Folgen. Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörungsfolge Folge einer Schädigung ist, genügt zwar versorgungsrechtlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 S. 1 BVG und Teil C Nr. 3 a VMG bereits die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, wenn nach der geltenden medizinisch – wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Indes hat die Sachverständige Dr. T in ihrem Gutachten und den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen plausibel herausgearbeitet, dass die Kontaktschwierigkeiten und der soziale Rückzug der Klägerin und ihr erhöhtes Schutzbedürfnis bereits vor der Tat bestanden. Ebenso waren ihre sozialen Kompetenzen in Bezug auf Freundschaften und den Aufbau eines Bekanntenkreises sowie ihre Handlungsperspektiven in Konfliktsituationen bereits vor der Tat deutlich eingeschränkt. Deutlich begrenzt war auch vorher bereits die Leistungsfähigkeit der Klägerin, die trotz beengter wirtschaftlicher Verhältnisse nur sporadisch gearbeitet hat. Diese Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hat die Sachverständige nachvollziehbar als Bestandteil einer sozialen Überlebensstrategie aufgrund der Lebensgeschichte und der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und damit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Folge des sexuellen Übergriffs durch ihren Frauenarzt eingeordnet.
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Soweit die Sachverständige in den genannten Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zugleich eine bereits vor der Tat bestehende Störung von Krankheitswert gesehen hat, bestätigt dies der im Verwaltungsverfahren eingeholte Befundbericht des Dr. S vom 31.10.2005. Darin heißt es über einen am 27.09. 2002 erlittenen Fahrradunfall, die Klägerin sei nicht völlig gesund und arbeitsfähig gewesen, sondern habe an einer Psychose gelitten. Sieht man darin, wofür einiges spricht, sogar eine klinisch-manifeste Vorschädigung, deren Auswirkungen sich mit den Folgen der Schädigung durch den sexuellen Übergriff funktionell überlagern und diese Schädigungsfolgen daher für sich genommen wesentlich geringer ausfallen lassen (vgl. Erlenkämper, Sozialrecht, 6. Auflage, S. 49 m.w.Nw.), dann liegt bei der Klägerin, wie das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, erst recht kein zum Rentenbezug berechtigender entschädigungspflichtiger GdS von mindestens 30 aufgrund des sexuellen Übergriffs vor.
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d) Nach der überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen Dr. T hat sich die bei der Klägerin schon vor der Tat bestehende Einschränkung ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auch nicht in einem Umfang verschlimmert, der zum Rentenbezug berichtigen könnte. Denn der Umfang ihrer seelischen Beeinträchtigung vor und nach der Tat ist nach den sachverständigen Feststellungen im Wesentlichen gleich geblieben. Wie bereits ausgeführt, bestanden die Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin weitgehend bereits vor dem behaupteten sexuellen Übergriff. Damit kommt eine Anerkennung eines zum Rentenbezug berechtigenden GdS im Sinne einer Verschlimmerung des vorher bestehenden Grundleidens (vgl. Erlenkämper, Sozialrecht, 6. Auflage, S. 89 f. m.w.Nw.) ebenfalls nicht infrage.
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e) Die Kritik der Klägerin, die Sachverständige Dr. T gehe mit der Annahme eines kindlichen Missbrauchs als Ursache für die Einschränkung ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit von einem falschen Sachverhalt aus, weshalb ihr Gutachten unbrauchbar sei, teilt der Senat nicht. Die Sachverständige hat die Bedeutung des von ihr zunächst vermuteten sexuellen Missbrauchs der Klägerin im Kindesalter zuletzt relativiert („zum Beispiel“, vgl. S. 139 d. Gerichtsakte). Ohnehin liefern die von den Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen, von ihr als „desolat“ bewerteten Verhältnisse in der Kindheit der Klägerin sowie ihre Lernbehinderung auch ohne einen sexuellen Missbrauch eine ausreichende Erklärung für ihre bereits vor der Tat erheblich eingeschränkte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit.
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Nicht zu überzeugen vermag den Senat dagegen nach umfassender Würdigung das von der Klägerin ins Feld geführte Gutachten von Dr. L1 vom 13.12.2009, das er deshalb seinen Schlußfolgerungen nicht zu Grunde legt.
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Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung in § 128 SGG berechtigt und verpflichtet das Gericht, das Sachverständigengutachten in allen Punkten einer selbstständigen, eigenverantwortlichen Prüfung zu unterziehen. Dies betrifft die Richtigkeit und Vollständigkeit der dem Gutachten zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen einschließlich der vom Sachverständigen selbst aufgrund seiner Sachkunde festgestellten Tatsachen sowie die Überzeugungskraft der daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Die Äußerungen des Sachverständigen sind insgesamt auf Vollständigkeit, Schlüssigkeit sowie Widerspruchsfreiheit nachzuvollziehen und zu überprüfen (vgl. Prütting/Gehrlein, ZPO-Kommentar, vor § 402, Rn. 4 m.w.Nw.)
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Der Gutachter Dr. L1 hat bei der Klägerin im Verwaltungsverfahren über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ein Vollbild einer fortdauernden PTBS mit chronifizierter Symptomatik und anhaltender Persönlichkeitsänderung festgestellt. Das Gutachten beruht indes auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage, weil es ohne Kenntnis der Akten über den Schädigungsvorgang, insbesondere der Niederschrift der polizeilichen Vernehmung, erstellt wurde. Zudem ist die Anamnese unvollständig. Wenn es dort heißt, die Klägerin habe ihre Kindheit nicht in schlechter Erinnerung, die Entwicklung sei normal verlaufen, die Atmosphäre liebevoll gewesen, dann wird das der schwierigen Biografie der Klägerin nicht gerecht. Die Anamnese erwähnt weder den – nach Angaben der Klägerin nur versuchten – sexuellen Übergriff durch den Vater noch etwa den Umstand, dass die Klägerin mehrfach von zuhause weggelaufen ist und nach der Trennung ihrer Eltern einen Teil ihrer Jugend in der Obhut einer allein stehenden Alkoholikerin als Pflegemutter verbringen musste. Der Gutachter Dr. L1 hat es im Gegensatz zu der Sachverständigen Dr. T damit versäumt, nach anderen Ursachen als dem behaupteten sexuellen Übergriff für die seelischen Auffälligkeiten der Klägerin zu suchen. Aufgrund der finalen Betrachtungsweise des Rentenversicherungsrechts hat er dazu möglicherweise weniger Anlass gesehen als die Sachverständige im vorliegenden Verfahren. Entsprechend weniger aussagekräftig ist aber daher auch sein Gutachten für die hier zu beantwortenden Fragen des Opferentschädigungsrechts.
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(4) Der Senat war schließlich nicht gehalten, aufgrund des vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrags ein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Da der Antrag keine bestimmten Tatsachen unter Beweis stellt, also kein konkretes Beweisthema bezeichnet, handelte es sich dabei lediglich um eine Beweisanregung, nicht um einen förmlichen Beweisantrag (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 160 Rn. 18 d m.w.Nw.). Unabhängig davon sieht sich der Senat durch den Antrag nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Nach § 118 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist danach erforderlich, wenn das oder die vorliegenden Gutachten nicht überzeugend, lückenhaft, widersprüchlich oder nicht von ausreichender Sachkunde getragen sind (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103 Rn. 11 b m.w.Nw.). Da der Senat indes, wie ausgeführt, das im Verwaltungsverfahren und das vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten für ausreichend hält, um ihm ausreichende Sachkunde zur Beurteilung der gesundheitlichen Folgen der Tat zu verschaffen, brauchte er der Beweisanregung des Prozessbevollmächtigten nicht nachzukommen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
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Anlass zur Revisionszulassung besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt, ansonsten sind für den Ausgang des Rechtsstreits allein Tatsachen- und Beweiswürdigungsfragen maßgeblich.