Sperrzeit nach verhaltensbedingter Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.05.2012 – L 10 AL 134/09

Sperrzeit nach verhaltensbedingter Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.05.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit vom 13.01.2007 bis 06.04.2007.

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Der Kläger war ab dem 18.10.2006 bei der Fa. B. & K. (B) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde mit fristloser Kündigung vom 11.01.2007 zum 12.01.2007 durch B beendet. Mit Wirkung zum 13.01.2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Zur Kündigung führte B aus, der Kläger sei für einen neuen Einsatz eingewiesen und hierfür zwecks umfangreicher Untersuchungen zuvor zum Arzt geschickt worden. Die Untersuchungen seien durchgeführt worden, jedoch sei der Kläger am Einsatzort nicht erschienen und habe die angewiesene Tätigkeit nicht aufgenommen. Wegen unentschuldigten Fehlens sei er bereits am 08.01.2007 abgemahnt worden. Der Kläger gab dazu an, er sei am 10.01.2007 zu der arbeitsärztlichen Untersuchung gegangen. Danach habe er drei Tage nichts mehr über einen Arbeitsbeginn gehört und am 14.01.2007 die fristlose Kündigung erhalten. Eine Aufforderung, zu einem bestimmten Termin zur Arbeit zu erscheinen, sei ihm gegenüber niemals ergangen.

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Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 das Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit von 12 Wochen fest (13.01.2007 – 06.04.2007) und führte weiter aus, auch nach Ablauf der Sperrzeit würden keine Leistungen gezahlt, da am 13.02.2007 eine Arbeitsaufnahme durch den Kläger erfolgt sei. Der Anspruch auf Alg mindere sich um 84 Tage. Der Kläger habe seine Beschäftigung bei B verloren, weil er unentschuldigt gefehlt habe. Nachdem er bereits eine Abmahnung erhalten hätte, habe er voraussehen müssen, dass er aufgrund dieses Verhaltens gekündigt und dadurch arbeitslos werde.

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Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Seines Erachtens liege kein Fehlverhalten vor, das eine fristlose Kündigung rechtfertige. Auf Anfrage des SG hat B mitgeteilt, eine Einweisung des Klägers sei persönlich durch eine Mitarbeiterin im Hause der B erfolgt, wobei der Kläger die Anschrift, den Einsatzort und den Beginn der Arbeit mitgeteilt bekommen habe. Die Mitarbeiterin sei zwischenzeitlich aus dem Unternehmen ausgeschieden. Mit Urteil vom 14.05.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe durch sein Nichterscheinen am neuen Einsatzort Anlass für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Die Angaben des Klägers, er habe keine entsprechende Aufforderung von B erhalten, sei allein deshalb nicht glaubhaft, weil er ordnungsgemäß zu der vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung erschienen sei, aber von dem anschließenden neuen Einsatzort nichts gewusst haben will. Mit der Abmahnung vom 08.01.2007 sei er auch darüber informiert gewesen, dass ein erneutes unentschuldigtes Fehlen eine fristlose Kündigung zur Folge haben werde.

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Der Kläger hat dagegen Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er habe nie eine schriftliche Abmahnung am 08.01.2009 erhalten und sei lediglich aufgefordert worden, zum 10.01.2009 bei der ärztlichen Untersuchung zu erscheinen, was er auch getan habe. Er sei niemals, von wem auch immer, über Anschrift, Einsatzort und Beginn der Tätigkeit informiert worden.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.05.2009 sowie den Bescheid vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alg für die Zeit vom 13.01.2007 bis 12.02.2007 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz im streitgegenständlichen Verfahren Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg im Hinblick auf die eingetretene Sperrzeit abgelehnt.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 13.01.2007 bis 06.04.2007, da insofern der Alg-Anspruch aufgrund eines Sperrzeittatbestands nach § 144 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 SGB III für 12 Wochen ruht.

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Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt u.a. dann vor, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Nach § 144 Abs 1 Satz 4 SGB III hat der Arbeitnehmer die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen. Das notwendige arbeitsvertragswidrige Verhalten kann in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen (vgl BSG, Urteil vom 15.12.2005 – B 7a AL 46/05 R – veröffentlicht in juris – Rn 12 = BSGE 96, 22; Urteil des Senats vom 31.07.2007 – L 10 AL 44/04 – veröffentlicht in juris – Rn 21). Dieses Verhalten muss kausal (im Sinne der Wesentlichkeitstheorie) für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden sein. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber muss – ebenfalls im Sinne einer wesentlichen Bedingung – Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, dass der Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben muss, ist es erforderlich, dass ein berechtigter Anlass zur Kündigung bestanden hat (BSG, Urteil vom 25.04.1990 – 7 RAr 106/89 – veröffentlicht in juris – Rn 16 = BSGE 67, 26, 28 mwN).

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Vorliegend hat der Kläger durch seine arbeitsvertragswidrige Verhaltensweise Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung zum 12.01.2007 gegeben. Er hat insofern gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen, da er zur Überzeugung des Senats trotz einer entsprechenden Aufforderung durch B nicht am zugewiesenen Arbeitsplatz nach der Durchführung der ärztlichen Untersuchung erschienen ist. B hat die fristlose Kündigung wegen des unentschuldigten Fehlens und die Abmahnung wegen desselben Verhaltens am 08.01.2007 in der Arbeitsbescheinigung vom 14.10.2008 bestätigt und auch zur Anfrage der Beklagten ausgeführt, der Kläger sei am neuen Einsatzort zu der ihm angewiesenen Tätigkeit nicht erschienen. Schließlich hat B auf Anfrage des SG bestätigt, dass der Kläger persönlich eingewiesen worden sei und dabei die Anschrift, den Einsatzort und den Beginn der Arbeit mitgeteilt bekommen habe. Auch eine Kopie der Abmahnung für das unentschuldigte Fehlen am 08.01.2007 wurde an das SG übersandt. Damit hat B widerspruchsfrei und durchgehend ohne ein erkennbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits die Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers bestätigt. Dessen Einlassungen erscheinen dagegen nicht glaubhaft, denn zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb er zur ärztlichen Untersuchung erschienen ist, nichts aber vom neuen Einsatzort gewusst haben will. Zum anderen wäre sein Verhalten auch deshalb nicht nachvollziehbar, da er nach der ärztlichen Untersuchung drei Tage zuhause gesessen und auf eine Anweisung der B gewartet haben will. In diesem Fall ist es allein konsequent, wenn er sich bei B über den neuen Einsatz erkundigt. Trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist der Kläger weder zur mündlichen Verhandlung vor dem SG noch zu den drei anberaumten Erörterungsterminen vor dem Senat erschienen. Dem Senat war es deshalb nicht möglich, sich ein persönliches Bild vom Kläger zu machen und die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens damit weiter zu prüfen.

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Der kausale Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Klägers und der Kündigung durch B sowie der damit eingetretenen Arbeitslosigkeit ist zweifelsfrei gegeben. Hierfür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Schließlich konnte er auch individuell erkennen, dass sein Verhalten unangemessen war und er musste damit rechnen, wegen des unentschuldigten Fehlens entlassen zu werden und damit eine Sperrzeit zu bewirken. Notwendig ist hier subjektive Vorwerfbarkeit beim Kläger. Insoweit reicht leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 7a AL 14/05 R – veröffentlicht in juris – Rn 21 = BSGE 97, 73; Urteil des Senats vom 26.03.2009 – L 10 AL 84/06 – veröffentlicht in juris – Rn 34). Im Hinblick auf die bereits erfolgte Abmahnung vom 08.01.2007, die einen klaren und verständlichen Hinweis auf die Folgen eines Wiederholungsfalles enthielt, und die allgemeine Kenntnis, dass ein unentschuldigtes Fehlen eine Kündigung zur Folge haben kann, ist das Nichterscheinen des Klägers zum vereinbarten Termin am neuen Arbeitsplatz ihm subjektiv vorwerfbar. Für das Verhalten des Klägers lag auch kein wichtiger Grund vor.

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Die Beklagte hat den Beginn und die Dauer der Sperrzeit zutreffend festgestellt. Die Sperrzeit begann mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat (§ 144 Abs 2 Satz 1 SGB III), somit am 13.01.2007. Die Dauer der Sperrzeit beträgt nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 4 Nr 3 SGB III 12 Wochen; Gründe für die Herabsetzung der Sperrzeit auf 6 Wochen (§ 144 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB III) liegen nicht vor. Damit hat der Anspruch auf Alg für die Zeit vom 13.01.2007 bis 06.04.2007 geruht. Zudem hatte der Kläger wegen der Arbeitsaufnahme am 13.02.2007 während und im Anschluss an die Sperrzeit keinen Anspruch auf Alg mehr. Die Minderung der Anspruchsdauer um 84 Tage folgt aus § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III.

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Die Berufung war nach alledem ohne Erfolg.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

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Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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