Zur Verhängung einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung

Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20.11.2013 – L 10 AL 334/13 B ER

Zur Verhängung einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.10.2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
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Streitig ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) im Hinblick auf eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung und die Förderung des Antragstellers (ASt) durch die Kostenübernahme von Fortbildungsmaßnahmen.
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Ein befristetes Beschäftigungsverhältnis des ASt vom 01.09.2011 wurde zuletzt am 21.11.2012 bis 31.08.2013 verlängert. Am 03.06.2013 meldete sich der ASt bei der Antragsgegnerin (Ag) arbeitsuchend. Die Arbeitslosmeldung erfolgt am 29.08.2013 mit Wirkung zum 01.09.2013. Zu einer gegebenenfalls verspätet vorgenommenen Arbeitsuchendmeldung gab der ASt an: “3 Tage Posteinfang”.
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Mit Bescheid vom 23.09.2013 stellte die Ag den Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung für die Zeit vom 01.09.2013 bis 07.09.2013 und die Minderung des Anspruchs auf Alg um sieben Tage fest. Die Ag bewilligte dementsprechend mit Bescheid vom 24.09.2013 Alg ab 08.09.2013 bis 30.08.2014 iHv 28,43 € täglich. Gegen beide Bescheide legte der ASt Widerspruch ein. Hierüber ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Im Rahmen einer am 23.09.2013 abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung stellte die Ag unter anderem die Kostenübernahme für eine Anpassungsfortbildung (zB SPS) oder die Förderung eines selbstgesuchten Praktikums in Aussicht.
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Am 30.09.2013 hat sich der ASt an das Sozialgericht Bayreuth (SG) gewandt und einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf die Sperrzeit und die Förderung angemessener Kurse wie beispielsweise SPS oder IT für eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Arbeitsaufnahme beantragt. Darüber hinaus hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Seit 03.06.2013 habe es die Ag unterlassen, ihm die Eingliederung als Mikroelektroniker zu ermöglichen. Die Firma R. habe rechtswidrig einen Eingliederungszuschuss erhalten, habe selbst aber keine Förderung unternommen. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 09.10.2013 abgelehnt. In Anfechtungssachen hätten Rechtsbehelfe kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, weshalb der Antrag bezüglich der Sperrzeit ins Leere gehe. Bezüglich der Ausbildung zum Mikroelektriker seien bereits zahlreiche Gerichtsverfahren anhängig gewesen, womit für eine weitere Klärung kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Für die Gewährung von Leistungen an einen Dritten bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis.
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Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat – auch wenn es im Hinblick auf die fehlende Entscheidung über den Antrag auf PKH vor Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz -GG-) verstoßen hat – im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
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Im Hinblick auf die Feststellung des Ruhens des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit vom 01.09.2013 bis 07.09.2013 ist ein Antrag nach § 86b Abs 1 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.09.2013 statthaft. Daneben wäre in einem zweiten Schritt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG statthaft, bei dem – nach der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen den Sperrzeitbescheid – ein einstweiliger Anspruch auf Alg zu prüfen wäre.
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Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach § 86a Abs 2 Nr 2 SGG, § 336a Satz 1 Nr 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem die Bundesagentur für Arbeit eine laufende Leistung entzieht oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung; hierzu zählt auch die Feststellung des Ruhens des Anspruchs auf Alg (vgl Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl, § 86a Rn 14).
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Unter Berücksichtigung der Regelung in § 86a Abs 2 Nr 2 SGG, § 336a Satz 1 Nr 1 SGB III ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl Keller aaO § 86b Rn 12a). Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage bzw. der Widerspruch aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 86a Abs 2 Nr 2 SGG, § 336a Satz 1 Nr 1 SGB III mit berücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12c).
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Eine Erfolgsaussicht des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.09.2013 ist nicht ersichtlich. Zu Recht hat die Ag das Ruhen des Anspruchs auf Alg für eine Woche nach § 159 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 7 iVm Abs 6 SGB III festgestellt. Danach ruht der Anspruch auf Alg für eine Woche, wenn der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Abs 1 SGB III nicht nachgekommen ist, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 38 Abs 1 Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Obwohl dem ASt das Ende seines Beschäftigungsverhältnis zum 31.08.2013 infolge der Befristung vom 21.11.2012 bekannt gewesen ist, meldete er sich erst am 03.06.2013 persönlich arbeitsuchend, mithin weniger als drei Monate vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Ein wichtiger Grund für die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Meldung ist nicht ersichtlich. Es ist in keinster Weise nachvollziehbar, was eine Postlaufzeit von drei Tagen mit der verspäteten persönlichen Meldung zu tun haben sollte. Aber selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs ausgehen wollte, so würde dann das Regel-Ausnahmeverhältnis des § 86a Abs 2 Nr 2 SGG, die Dauer der Sperrzeit von nur sieben Tagen und die fehlende Fortwirkung in der Gegenwart gegen eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen.
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Der ASt hat demnach auch keinen Anspruch auf die vorläufige Zahlung des Alg für die Zeit vom 01.09.2013 bis 07.09.2013. Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Bezug auf dieses Begehren zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt vorliegend § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG dar, denn der ASt begehrt die Zahlung von Alg.
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Insoweit ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 – BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 – BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 – NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652).
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Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt – voraus. Die Angaben hierzu hat die Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO -; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl, § 86b Rn 41).
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Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 – Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 – Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06 -).
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Es fehlt diesbezüglich bereits an einem Anordnungsanspruch, da einem Anspruch auf Zahlung von Alg die vollziehbare Feststellung des Ruhens des Alg-Anspruches für die Zeit vom 01.09.2013 bis 07.09.2013 mit dem Bescheid vom 23.09.2013 entgegen steht (§ 86a Abs 2 Nr 2 SGG) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des dagegen gerichteten Widerspruchs nicht anzuordnen ist (siehe dazu obige Ausführungen).
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Schließlich steht dem ASt kein Anspruch auf einstweilige Förderung in Form der Kostenübernahme für einen SPS- oder IT-Kurs zu. Insofern handelt es sich wiederum um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG. Hierfür fehlt es jedoch bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Ag selbst in der Eingliederungsvereinbarung eine Förderung eines SPS-Kurses in Aussicht gestellt hat. Dass der ASt insofern das diesbezügliche weitere Vorgehen mit der Ag zunächst besprochen hätte, ist nicht vorgetragen und es gibt hierfür auch keine Anhaltspunkte. Insoweit ist demnach nicht ersichtlich, dass sich die Ag dem Ansinnen des ASt nach einer solchen Förderung verweigert. Im Übrigen erscheint auch kein Anordnungsanspruch gegeben, da es jedenfalls an einer Ermessensreduzierung auf Null für einen Anspruch auf Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III fehlt. Die Gewährung solcher Leistungen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ag.
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Die Beschwerde war insofern zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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