Landgericht Wuppertal, Urteil vom 10.07.2007 – 16 O 7/07
Zur Verkehrssicherungspflicht für einen Waldweg
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Dass Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Be-trages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der zum Unfallzeitpunkt 17-jährige Kläger befuhr am 04.07.2006 gegen 13 :30 Uhr mit seinem Fahrrad den Röntgen-Wanderweg in S in der Nähe der Straße E-Straße. Dabei handelt es sich um einen als Wanderweg ausgeschilderten Privatweg. Der beklagte Verband hat privatrechtlich die im streitgegenständlichen Waldstück bestehenden Verkehrssicherungspflichten des Grundstückseigentümers übernommen.
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Der Weg fällt im Unfallbereich steil ab. Hinter einer Biegung um Bäume herum, die eine weitere Sicht verstellten, befand sich eine aus acht Stufen bestehende Treppe, die der Kläger zu spät bemerkte. Er versuchte abzubremsen. Als dies scheiterte, versuchte er die Treppe mit dem Fahrrad hinabzufahren, wobei er stürzte und sich erhebliche Verletzungen zuzog.
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Der Kläger meint, weil die Treppe aus seiner Fahrtrichtung gesehen nicht einsehbar war, sei das Aufstellen eines Warnschildes erforderlich gewesen. Das Fahrradfahren auf dem streitgegenständlichen Waldweg sei erlaubt gewesen, da es sich um einen festen Weg im Sinne des Landesforstgesetzes gehandelt habe. Sein Sturz sei daher auf eine Verletzung der dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht zurückzuführen.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, ein angemessenes Schmerzensgeld,
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mindestens 6.500,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, bei dem Röntgen-Wanderweg handele es sich nicht um einen festen Weg im Sinne des Landesforstgesetzes. Es sei ein abschüssiger, mit losem Schotter belegter Fußweg, der zum Teil 1,50 m breit und verwurzelt sei. Das Fahrradfahren sei dort verboten.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Beklagte hat die vom Waldeigentümer übertragene Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt und damit die Körperverletzung des Klägers nicht im Sinne von § 823 BGB verursacht.
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Zum Teil wird bereits angenommen, dass im Wald überhaupt keine Verkehrssicherungspflichten bestehen, weil sich das Recht der Allgemeinheit zum Betreten des Waldes und damit ein entsprechendes Duldungsrecht des Waldeigentümers aus dem Gesetz ergebe und der Waldeigentümer daher keine Vorkehrungen zum Schutz zu treffen habe (OLG Hamm VersR 1985, Seite 597). Danach wäre eine Haftung des Waldeigentümers, die auf den Beklagten hätte übertragen werden können, zu verneinen.
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Auch wenn man aber eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers annimmt, kann diese nur darauf gerichtet sein, den Waldwegbenutzer vor besonders geschaffenen, atypischen Gefahren zu schützen, die ein Waldwegbenutzer nicht oder nicht rechtzeitig zu erkennen vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (OLG Hamm, 13 U 62/06, zitiert bei Juris, dort Rn. 55; OLG Koblenz, VersR 2004, S. 257). Es gelten daher in diesem Rahmen die allgemeinen Grundsätze, wonach ein Verkehrsteilnehmer sich den gegebenen Verhältnissen anzupassen hat und Wege so hinzunehmen hat, wie sie sich ihm erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur die Gefahren ausräumen, vor denen sich ein sorgfältiger Benutzer nicht schützen kann, weil die Gefahrenlage entweder völlig überraschend einritt oder nicht ohne Weiteres erkennbar ist.
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Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten dadurch, dass kein Schild zur Warnung vor der nicht weithin erkennbaren Treppe aufgestellt war, nicht gegeben. Der Unfall ist allein dem Kläger selbst zuzurechnen.
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Es erscheint bereits äußerst fraglich, ob es sich bei dem Röntgen-Wanderweg an der Unfallstelle überhaupt um einen festen Weg im Sinne von § 2 Abs. 2 LFoG NW handelt. War dies nicht der Fall, war das Radfahren gemäß § 3 Abs. 1, Satz 1 e) LFoG NW verboten. Gegenüber unbefugten Benutzern besteht keine Verkehrssicherungspflicht.
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Selbst wenn man aber an der Unfallstelle das Radfahren grundsätzlich für erlaubt hält, liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vor. Hätte der Kläger sich wie ein sorgfältiger Wanderwegbenutzer verhalten, wäre es zu dem Sturz nicht gekommen. Der Weg führte nach eigenen Angaben des Klägers zur Unfallstelle hin steil bergab und wurde schmaler. Darüber hinaus behauptet der Kläger selbst, die Treppe wegen einer Wegkrümmung nicht gesehen zu haben. Es handelte sich im Übrigen um einen Weg, der erkennbar nicht ausdrücklich als Radweg beschildert war, sondern als Wanderweg vorgesehen war, und auf dem – wenn überhaupt – das Radfahren nur nicht verboten war. Dies belegen auch die vom Kläger vorgelegten Fotos, die nicht etwa einen geteerten oder gepflasterten Radweg zeigen. Von einem sorgfältigen Radfahrer war in Kenntnis dieser Umstände zu erwarten, dass er mit Hindernissen aller Art auf dem Wanderweg rechnete, die ihn zu langsamer, vorsichtiger Fahrt und ggf. sogar zum Absteigen vom Fahrrad nötigen könnten. Bei derartigen Hindernissen, z. B. Wasserrinnen, Baumstämme, Stufen, Treppen, Wurzeln etc., handelt es sich um für einen Waldwanderweg typische Gefahren. Der Kläger hätte somit, wenn er nicht sogar angesichts des unübersichtlichen Wegverlaufes und des abfallenden Geländes verpflichtet gewesen wäre, sein Fahrrad zu schieben, seine Fahrweise der unübersichtlichen Streckenführung zumindest derart anpassen müssen, dass er allenfalls mit Wanderschrittgeschwindigkeit um die Wegbiegung gefahren wäre. Dann hätte er die Treppe – wie jeder Fußgänger auch – zweifellos erkennen und unmittelbar ohne beachtlichen Bremsweg anhalten können und dadurch den Unfall vermieden. Entsprechend hat sich der Kläger aber nach eigenem Vortrag nicht verhalten, da er zunächst vergeblich versucht hat abzubremsen und erst dann, als dies scheiterte, die Treppe hinabgefahren ist.
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Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen eine – dann allenfalls geringfügige – Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten annähme, diese hinter dem weit überwiegenden Mitverschulden des Klägers zurückträte, eine Haftung des Beklagten somit auch dann ausgeschlossen wäre.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 6.500,00 EUR